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Girolamo Parabosco

Ein Jüngling aus Treviso liebt die Gattin eines Arztes. Aus Angst vor ihrem Manne versteckt sie ihn in einer Truhe, aus welcher er erst nach tausend Gefahren zu seiner unaussprechlichen Freude herauskommt.

Vor nicht vielen Jahren – leben doch noch manche, die sich dieser Vorfälle erinnern können – war zu Treviso ein sehr edler und wohlgesitteter Jüngling, der sich durch außergewöhnliche Klugheit und Tapferkeit auszeichnete. Da wir seinen wirklichen Namen aus guten Gründen verschweigen müssen, wollen wir ihn jetzt Benedetto nennen. Dieser junge Mann verliebte sich über die Maßen in eine gar reizende und anmutige junge Frau namens Lucietta, die Gattin eines tüchtigen Chirurgen. Genannter Arzt war schon ziemlich bei Jahren und dieser Umstand sowie die starke Inanspruchnahme, die sein Beruf mit sich brachte, bewirkten, daß er seiner Frau wenig Genüge tat. Bei ihrer frischen Jugend verschafften ihr die schmalen Rationen, womit er sie bedachte, wenig Befriedigung und so beschloß sie, sich einen bessern Arzt für ihre Wunde zu suchen, als ihr Gatte es war, wiewohl er in Paris doktoriert hatte. Da sie nun bereits an tausend Zeichen und an tausend Beweisen erkannt hatte, daß die Liebe, die Benedetto zu ihr hegte, über die Maßen groß sei, beschloß sie, ihm die Wunde zu zeigen und ihn um ein Heilmittel dafür zu bitten.

Gedacht, getan: sie rief ihre Magd, ein verschlagenes Ding, die es dick hinter den Ohren hatte und wegen ihrer Abgefeimtheit von dem Arzte immer nur Arguzia genannt wurde, und trug ihr auf, den Jüngling heimzusuchen und ihm zu sagen, sie habe ihm zuliebe (von dem sie viele Geschenke erhalten hatte) ihre Herrin so gründlich bearbeitet, daß diese ihm ganz zu Gebote stehe.

Das kleine Luder säumte nicht lange und tat Benedetto alles kund und zu wissen. Dieser hielt sich für den glücklichsten aller Sterblichen und begab sich andern Tages, den Weisungen Arguzias entsprechend, gegen die zweiundzwanzigste Stunde zu Luciettas Hause, trat durch die Hintertür, die vor den Augen der Nachbarn sicherer war, ein und wurde von der Gattin des Arztes aufs freudigste empfangen.

Was sich sodann zwischen ihnen begab, bedarf keiner näheren Erörterung. Diesen heimlichen Verkehr setzten sie viele Monate lang fort, ohne daß je irgend jemand dahintergekommen wäre, und lebten in voller Sicherheit, da sich der Herr Doktor um diese Zeit stets in Ausübung seiner Praxis befand.

Eines schönen Tages aber wollte es das Schicksal, daß der Arzt, als Lucietta sich mit ihrem Benedetto verabredet hatte, von einem trevisaner Edelmann, dessen Sohn sehr schwer verwundet worden war, die Aufforderung erhielt, sich unverzüglich nach Venedig zu begeben. So mußte er denn alle andern Kuren unterbrechen und nach Venedig eilen. Er begab sich also sofort nach Hause und stieg, da er es unglücklicherweise offen fand, die Treppe empor. Lucietta hörte ihn kommen, und da sie den Geliebten hatte kommen lassen, um ihn in ihre Arme zu schließen, glaubte sie des Todes zu sein. Aber schnell gefaßt, ersah sie die nächstbeste Möglichkeit und bat Benedetto, sich in einer Truhe zu verstecken, in der sich feine Hemden ihres Gatten und eine kostbare Salbe befanden, welch letztere er bei wichtigen Kuren zu gebrauchen pflegte; und Benedetto tat also.

Kaum hatte sie die Truhe mit dem Schlüssel verschlossen und gesichert, als der Doktor, von einem Lastträger gefolgt, auch schon das Zimmer betrat und rief: »Weib, und wenn Pfeile vom Himmel niederführen, ich muß augenblicklich nach Venedig reisen, um einen Edelmann, mit dem ich aufs engste befreundet bin, zu behandeln. Hilf daher, ohne mich durch Fragen aufzuhalten, dem Lastträger die Truhe auf die Schultern zu laden, in der sich meine feinen Hemden befinden. Mehr brauche ich nicht; sie enthält ja alles, was ich haben muß.«

Als Lucietta dies vernommen hatte, war sie die unglücklichste Frau von der Welt; da sie indes ihren Gatten als jähzornig und hitzig erkannte, auch keinen andern Ausweg sah, vielmehr befürchten mußte, es könne dem Doktor einfallen, die Truhe in ihrer Gegenwart zu öffnen, half sie diesselbe dem Lastträger auf die Schulter, gab ihm den Schlüssel und befahl den Geliebten dem Himmel.

Der Lastträger trug die Truhe, von dem Arzte begleitet, zum Flusse in eine kleine Barke, die der Edelmann eigens geschickt hatte, um den Herrn Doktor abzuholen. Dieser bestieg die vierrudrige Barke, die ihn wie im Fluge dahintrug, und langte in Venedig um die dritte Nachtstunde herum an. Er landete aber nicht gleich vor dem Hause des Edelmannes, sondern ließ sich von den Bootsleuten zuerst zum Hause eines andern mit ihm befreundeten Arztes fahren und stellte dort die Truhe ab, in der sich der arme Benedetto begraben sah, noch ehe er tot war.

Nachdem die Truhe dort in einem kleinen offenen Hofe abgestellt worden war, neben der Ausgangstür, begab sich der Arzt in das Haus des Edelmannes, um dessentwillen er von Treviso hergekommen war. Unterdessen beschlossen einige Diebe, die zufälligerweise die Truhe hatten niedersetzen sehen und kostbare Dinge darin vermuteten, sie zu stehlen und davonzutragen. Dies erschien ihnen um so leichter ausführbar, da sich in jenem Hause nur wenig Leute befanden. Als es ihnen daher an der Zeit schien, zogen sie Dietriche und andre zum Öffnen von Türen geeignete Werkzeuge hervor, schlossen das Tor geräuschlos auf und stahlen unbemerkt die Truhe. Der arme darin eingeschlossene Benedetto, der nicht wußte, wer die Truhe davontrug und kein Wort fallen hörte, meinte, er würde in den Tod geführt. Er befahl daher Gott seine Seele und erwartete sein Schicksal. Der Unglückliche wurde von den Dieben eine gute Weile die kreuz und quer getragen und endlich in einem verborgenen, wenig bewohnten Gäßlein abgesetzt, wohin sie das gestohlene Gut zu verschleppen beschlossen hatten.

Nachdem sie also die Truhe auf das Pflaster gestellt hatten, begann einer der Diebe und fragte: »Wollen wir ihm die Gurgel abschneiden?« (ein Gaunerausdruck, der bedeutete: die Truhe öffnen). »Bitte, ja!« erwiderte ein anderer, »und reißen wir ihm schnell die Därme aus dem Leibe, damit der Arme nicht die Ursache wird, daß wir uns heimlich davonmachen müssen.«

Ach, wie der arme Benedetto da seufzte! Er war fest überzeugt, der Arzt wisse alles und wolle ihn nun auf diese Weise durch seine Diener umbringen lassen. Unterdessen äußerte ein anderer: »Heh, was zögern wir? reißen wir ihm das Herz heraus, lassen wir ihn nicht länger am Leben!« Kaum hatte er die Worte vollendet, als er aus voller Kraft mit einem kleinen Beil einen Hieb gegen den Deckel der Truhe führte, der nicht allein diesen spaltete, sondern auch beinahe Schädel und Hirn Benedettos. In seiner Todesangst stieß dieser einen markerschütternden Schrei aus und rief: »O weh! habt Erbarmen, schont mein Leben!«

Als die Diebe diesen Schrei vernahmen, wußten sie nicht, wie ihnen geschah und stoben in kopfloser Flucht nach allen Seiten auseinander, gleich als wenn die dreißigtausend Teufel ihnen im Nacken gesessen hätten. Als Benedetto, der bereits halb aus der Truhe hervorgekommen war, dies sah, war er sich auch gleich über den Zusammenhang klar und empfand eine unbeschreibliche Freude. Er dankte daher Gott, daß sein Unglück ein so erfreuliches Ende gefunden habe, tastete dann mit den Händen so lange im Dunkeln an den Mauern herum, bis er eine Tür fand, an der er so lange klopfte, bis man ihn hörte und ihm aus Mitleid, nachdem er kurz erzählt hatte, was ihm begegnet war, öffnete.

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Dieses Haus war die Wohnung einer sehr schönen Kurtisane, die infolge des Neumondes unter einer Krankheit litt, die sie um diese Zeit zu befallen pflegte. Aus diesem Grunde hatte ihr Liebhaber sie für diese Nacht verschmäht und sie schlief allein. Dieser erzählte Benedetto, nachdem er die Truhe hatte niedersetzen lassen, Punkt für Punkt sein ganzes Abenteuer. Sie lachte darüber aus vollem Halse und verwunderte sich gar sehr. Sodann erzählte sie ihm, der ihr ein kluger junger Mann zu sein schien, aus welchem Grunde ihr Liebhaber sie für diese Nacht verlassen habe.

»Ei, der Tor!« rief da Benedetto, »er verdient umgebracht zu werden, da er nicht von jeder Speise ißt. Mit Leuten, die so heikel sind und ihrem Herzen keinen Stoß geben können, sollte sich keine Frau je einlassen.« Mit solchen und ähnlichen Worten legte er sich als kluger Mann ohne lange zu fackeln an ihre Seite und hatte sie ganz zu seiner Verfügung.

Am andern Morgen machte er ihr dann die Truhe samt allem, was darin war, zum Geschenk, kehrte gesund und guter Dinge sogleich nach Treviso zurück und erzählte alles seiner Lucietta, die ihn bereits tausendmal als tot beweint hatte und darauf gefaßt war, von den Händen ihres wütenden Gatten in den Tod gestoßen, ihm nachzufolgen. Dieser schickte alsbald um andre Hemden und wenn er Salbe wollte, so bereitete er sich solche, und nie hörte er das geringste über den Verbleib seiner Truhe. Als er aber bald darauf aus dem Leben schied, wurde die ganze Geschichte überall bekannt.


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