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Georg Wickram

1.

Von einem bayerischen Bauern, der neun Tage ein Lässer war.

Es begab sich, daß ein reicher Kaufmann seiner Hantierung nach durch das Bayernland ritt, und wie er ungefähr ein Gatter antraf bei eines Bauern Haus, wodurch er reiten mußt und es nicht auftun konnte, rief er dem Bauern zu, er solle ihm das Gatter auftun. Der Bauer schrie mit heller Stimm: »Es ist niemand in dem Haus; das Gesind ist auf dem Feld, und ich liege hinter einem Umhang, bin ein Lässer.« Spricht der Kaufmann: »Wie lang bist ein Lässer gewest?« Antwortet der Bauer: »Morgen ist der neunte Tag.« Also tut der Kaufmann unwillig das Gatter zuletzt selbst auf und spricht zum Bauern: »Schau hin, da auf dem Gatter liegt ein Taler; pflege dich wegen des Aderlasses!« Er hatte aber nichts hingelegt und ritt hinweg. Wie das der Bauer erhörte, kam er geschwind zum Haus heraus und wollte den Taler holen, fand aber keinen. Also ward der Bauer vom Kaufmann aus dem Haus genarrt.

 

2.

Ein Franke hatte sich aus einem Becher krank getrunken.

Ein fränkischer guter Kamerad hatte den Brauch angenommen, daß er meinte, er müßt jeden Tag zum Wein gehn und sich vollsaufen; dadurch kam er zuletzt in eine große Krankheit, so daß er allen Trost und Hoffnung zu leben ganz aufgab. Ihm ward von guten Freunden geraten, er sollt' nicht so kleinmütig sein, sollt doch Mittel und Rat bei dem Arzt suchen, er würde von dieser Krankheit wohl aufkommen. Der gute Gesell folgte diesem Rat und ließ den Arzt zu sich rufen. Der kam eilends, den Kranken zu besichtigen, damit er ihm Rat in seiner Krankheit tun möcht. Als er ihm nun den Harn besehen und den Puls begriffen hatt, da befand er an allen Wahrzeichen, daß ihn diese Krankheit von großem Trinken befallen hatte. Der Kranke begehrte zu wissen, wie ihm seine Krankheit gefallen tat. Der Arzt war ein sehr guter scherzhafter Mann, der sagte: »Wahrlich, lieber Sohn, ich kann nichts anderes an dir befinden, als daß dich der Becher gestochen hat; du mußt dich der Gläser und Becher enthalten, wenn du wieder von deiner Krankheit aufkommst.« »Ja, lieber Herr«, sagte der Kranke, »ich bitt, wollet Fleiß mit mir anwenden, so will ich mich aller Becher und Gläser alle meine Tag enthalten. Und wenn ich schon zum Wein und guten Gesellen geh, will ich mich aus einer Flasche vollsaufen.« Über diese Rede lachten alle Umstehenden und auch der Arzt, nahm Abschied und zog seines Weges wieder nach Haus.

 

3.

Von einem Scherer, der seiner Muhme Senf unter das Blut schüttete.

Es war ein Scherer, der hatte eine Base, die kam alle Augenblicke zu ihm, daß er ihr eine Ader schlagen mußt, welches er öfter mit großem Unwillen tat. Er wußte nicht, womit er ihr doch das Aderlassen verleiden könnte, damit sie ihn nicht so oft überliefe. Eines Tages kam sie aber, ließ auf der Median sich eine Ader schlagen und bat ihren Vetter, er sollt ihr Blut abseits stellen, bis daß sie wieder käme; denn sie möchte wohl sehen, was es für eine Farbe gewinnen würde. Als nun die gute Frau fort war, da nahm er geschwind einen Löffel mit Senf und schlug den unter das Blut und rührt's durcheinander, da gewann es eine gar wunderbare scheußliche Farbe. Nicht lange darnach kam die gute Frau und wollte ihr Blut besehen. Der Scherer (oder, wie man sie an andern Orten nennt, Balbierer) führt sie dazu. Als sie das häßliche Blut sah, erschrak sie über die Maßen; denn sie meinte ganz und gar dem Tode verfallen zu sein. Der Balbierer tröstete sie und sagte: »Meine liebe Base, hab' nur guten Mut; du bist jetzund von vielen gefährlichen Fiebern erlöst. Wär dieses Blut bei dir geblieben, was meinst du, daß anderes als gar gefährliche Fieber daraus entsprungen wären?« Damit beredete er sie, daß die gute Frau allen seinen Worten Glauben schenkte. Sie bat ihn gar freundlich, er sollt's noch nicht ausschütten; denn sie hätte eine Gevatterin, der wollte sie es zeigen: »sie wird sich nicht wenig darob verwundern.« Sowie sie solches gesagt, lief sie, sammelte eine große Schar Weiber, sagt ihnen von ihrem Blut und wie es so ein gar schädliches Ding sei um den Senf, daß er das Blut ganz und gar vergifte und führt sie zu ihrem Blut. Also ward es bald in der ganzen Stadt ruchbar, daß in dem Blut der guten Frau Senf gewesen wäre. Als nun der Scherer meinte, es wäre jetzund weit genug ausgeklingelt, sagte er einigen Weibern und Männern, wie es sich zugetragen habe; dieselbigen haben ein sehr großes Gespött damit getrieben. Zuletzt ist es der guten Frau auch zu Ohren gekommen, die dann auch von Manchem verspottet ward. Diese Schmach machte sie so zornig auf ihren Vetter, daß sie sich verschwor, nie mehr in sein Haus zu kommen, was ihn mit gar großer Freude erfüllte. Also wurde er sie mit ihrem zur Ader lassen los.

 

4.

Von einem Bauern, welchem das Maul ohne sein Wissen aus der Angel kam, und wie ihm wieder geholfen ward.

In einer Stadt, im Elsaß gelegen, kamen an einem Wochenmarkte etliche fremde Wundärzte, Scherer und Steinschneider zusammen. Es war einer unter diesen Meistern, der wollte den Sohn eines Bürgers das Schererhandwerk lehren. Die kamen also in einem Wirtshaus zusammen, damit sie über den Vertrag einig würden. Es war aber ein voller Bauer im Wirtshaus, der wollte, was man auch redete und handelte, allwegen zu allen Sachen sein Scherflein auch beisteuern und mehr denn andre Leute vom Handel wissen, was dann nicht unbillig die guten Meister verdroß. Sie fuhren nichtsdestoweniger mit ihrem Handel fort. Als nun der volle Bauer merkte, daß man seiner Rede nicht acht hatte, legte er sich zwischen zwei Tische nieder auf eine Bank und schlief fest ein.

Indem wurden die guten Herren mit ihrer Sach fertig. Bald ersieht einer unter ihnen den vollen Bauern auf der Bank. Er sagt zu den andern: »Jetzt wüßt ich den Bauern zuzurichten, daß ihn sein eigen Weib nicht mehr kennen sollt.« Das begehrten sie alle zu sehen, wenn es ohne Schaden zugehn könnte. Bald nahm der Scherer seinen Rock um sich, trat über den Bauern hin und richtete ihm in einem Augenblick das Maul aus der Angel sonder allen Schmerz. Darvon der Bauer ein scheußliches Ansehen gewann, wie kein Mensch so scheußlich je gesehen hatte. Indem aber von den andern sich ein groß Gelächter erheben tat, kam der Wirt in die Stuben und hätte die Ursach ihres Gelächters auch gern gewußt. Bald zeigten sie ihm den vollen, schlafenden Bauern mit seinem weit aufgespannten Maul. Darvon erschrak der Wirt, konnte nicht wissen, was für ein Zufall das gewesen. Er ging eilends hinzu, schüttelte den Bauer, so fest er konnte, bis daß er ihn vom Schlaf auferweckte und fragte ihn, was ihm so schnell wäre zugestoßen. Der Bauer hatte den Mangel noch nicht gemerkt und wollte dem Wirt Antwort geben: da konnte er nicht mehr reden und kein Wort herausbringen. Denn was er sagte, war nur A a a.

»Ach Gott«, sagte der Wirt, »wie ist doch diesem guten Mann geschehen?« Als nun der Bauer recht erwachte und befand, daß er gar nicht mehr reden konnte, darzu das Maul nicht mehr zutun, da fing ihm an vor großen Angst die Trunkenheit zu vergehen, er ward ganz nüchtern, gehub sich in Weise und Gebärden gar übel, könnt' es aber gar nicht zu Worten bringen. Der Wirt, so ein besonders großes Mitleiden mit dem Bauern hatte, fragte ihn, ob er die Krankheit schon öfter an sich gehabt hätte. Der Bauer schüttelte den Kopf, konnte aber nichts sagen denn A a a. Zuletzt sagt der Meister, so ihm das Maul aus den Angeln gehoben hatte: »Ich wüßte ihm wohl in einem Nu zu helfen, wenn ich dächte, daß er mir auch lohnte für meine Kunst.« Der Bauer hob beide Hände zu ihm auf und gab mit dem Haupte Zeichen, er wolle ihm seine Arbeit gut lohnen. Also forderte er einen Gulden, der müßte vor allen Dingen daliegen. Bald erwischte der Bauer einen Teller, zahlte einen Gulden darauf und trug den also mit aufgesperrtem weitem Maul zum Tisch, wovon abermals ein groß Gelächter entstand.

Also nahm ihn der Meister unter den Rock und hatte ihm augenblicklich das Maul an seine alte Stelle gerichtet. Die andern guten Herren fingen an, zu der Sache zu reden, er sollte dem Bauern etwas von dem Gulden wiedergeben, dieweil er doch das mit so geringer Arbeit gewonnen hätte. Zuletzt ward die Abrede gemacht, daß er ihm zwei Dickpfennige wiedergab; den dritten verzechten sie. Dies war des unverschämten, geschwätzigen Bauern Strafe.

 

5.

Von einem Scherer, der einer Dorffrau einen Dorn aus einem Fuße zog.

Es begab sich einmal zu Basel in der kleinen Stadt, da kam eine Bäuerin zu einem Scherer, die hatte in einen großen Dorn getreten. Sie bat den Scherer mit weinenden Augen und sprach: »Ach, mein lieber Meister, ich bitte Euch um Gottes und des Geldes willen, kommt mir zu Hülfe!« Da sprach der Scherer: »Liebe Frau, wie ist Euch geschehen?« Da sprach die Bäuerin: »Ach, mein lieber Meister, ich ging gestern mit meinem Hansen in den Wald und hab ihm helfen Scheiter laden und mich also übel verletzt an einem Dorn.« Da sprach der Scherer: »Ach, liebe Frau, setzt Euch da nieder auf das Kissen, so will ich Euch geschwind geholfen haben.« Und indem, wie er ihr zu Hülf will kommen, da läßt die gute Frau einen großen mächtigen Furz vor Angst und Not. Da sprach der Meister: »Oho, der ist heraus!« Da meint die gute Frau, er hätte den Dorn gemeint. Geschwind sprach die Bäuerin: »Ach kaut ihn und bindet ihn darüber! So schwärt es nicht.« Da sprach der Scherer: »Kaue ihn der Teufel an meiner statt!« Da meinte aber die Bäuerin, er hätte den Dorn gemeint; er aber meinte den Furz.


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