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Eine schöne Frau verkehrt fleischlich mit einem Leprakranken und gesteht es ihrem Gatten ein, der darein willigt, daß sie sich mit andern Männern abgibt
Daß sich die schöne Faustina, meine Herren, in den Gladiator verliebt hat, erscheint mir nicht so außerordentlich; denn dieser Fechter konnte wohl ein schöner, kräftig gebauter, junger Mann sein, dem man es offenbar ansah, daß er ein guter Frauendeckel sei; und wäre diese Faustina nicht die Tochter eines so vortrefflichen Kaisers und die Frau des hochedlen Marcus gewesen, der ebenfalls Kaiser war, würde es mir nicht als etwas so Besonderes erscheinen, daß sie die Lust ankam, sich unter einen feurigen und schönen Bettgenossen zu legen. Aber die Geschichte, die ich Euch jetzt zu erzählen beabsichtige, wird Euch, wie ich sicherlich glaube, höchst seltsam erscheinen, und Ihr werdet sie fast nicht glauben können. Als ich am Hofe des allerchristlichsten Königs weilte, wo ich mich viele Monate aufhielt, hörte ich die Geschichte, die ich Euch nunmehr mitteilen will; aber die Namen der darin vorkommenden Personen sind meinem Gedächtnis entfallen.
In Rouen, einer der ersten Städte der Normandie, lebte also ein sehr reicher Bürger, der eine junge Gattin aus einer der besten Familien der Stadt hatte, die in dem Rufe stand, die anmutreichste Frau in Rouen zu sein. Der junge Mann liebte sein Weib über alle Maßen, und da er sah, daß sie schön und anziehend war, begann er zu fürchten, daß sie, da sie ihm äußerst wohlgefiel und er sie aufs heißeste liebte, auch allen, die sie zu Gesicht bekamen, gefalle und jeder in glühender Liebe zu ihr entbrannt sei. So wurde er denn allmählich, ohne es zu merken, so eifersüchtig auf sie, daß alles ihn mit Furcht erfüllte und es ihm schien, als wollten die Fliegen, die durch die Luft flogen, sie davontragen. Ungeachtet aller dieser Eifersucht ließ er sie im Genusse jener Freiheit, die in ganz Frankreich die Frauen gewöhnlich genießen.
Ihr müßt wissen, daß die Leprakrankheit, die wir die Sankt-Lazarus-Krankheit nennen, im Königreich Frankreich sehr häufig ist, und man fast kein Dorf findet, wo sich nicht ein Leprosenspital befände, allwo alle von jener Krankheit Angesteckten, Männer und Frauen, zu hausen gezwungen sind.
Als nun eines Tages ein Fähnlein Frauen beisammen war, fiel das Gespräch auf diese Aussätzigen, und eine von ihnen sagte zu den Gefährtinnen, sie habe aus guter Quelle vernommen, daß alle leprakranken Männer mehr Verlangen danach trügen, den Frauen beizuliegen, als irgendwelche andern Männer, und daß sie im allgemeinen äußerst geil seien und bei der Arbeit des Mahlens viel mehr Ausdauer zeigten als die andern.
Die Frau unseres Eifersüchtigen befand sich während dieses Gespräches in der genannten Gesellschaft. Wie sie das nun erzählen hörte, fühlte sie ein so gieriges Verlangen in sich erwachen, einen dieser Aussätzigen zu erproben und zu sehen, ob sie wirklich so tüchtig im Frauendienst seien, wie es hieß, daß es ihr schien, als könne sie nicht so lange leben, daß sie dazu gelange, die Probe aufs Exempel zu machen. Es glühte also eine solche Sehnsucht in ihr, daß sie Tag und Nacht an nichts anderes dachte und jede Stunde, die sie von der Verwirklichung dieser Verklettung trennte, ihr ein Jahr zu dauern schien. Und da sie mit ihren Gedanken sehr viel damit beschäftigt gewesen war, hatte ihr unmäßiges und ausschweifendes Verlangen eine solche Stärke erreicht, daß sie, völlig davon besiegt, sich diesen nicht zu bändigenden Drang vom Halse zu schaffen beschloß, komme, was da wolle. Nachdem sie diesen Entschluß gefaßt hatte, war sie nur noch darauf bedacht, sich unter denen, die sie täglich zu Gesicht bekam, einen auszuwählen, der ihr kräftiger und tüchtiger als die übrigen vorkam. Als sie dann einen ziemlich jungen entdeckte, der einen sehr handfesten Eindruck machte, fand sie Mittel und Wege, sich mit ihm anzufreunden und ihr unanständiges und schmähliches Verlangen zu stillen. Nicht zufrieden mit einem Mal, lag sie oft und oft mit ihm zusammen. Und da etwas über alle Maßen Begehrtes, wenn man seiner teilhaftig geworden, manchmal zum Überdruß wird, so fühlte sich die arme und unselige Frau nach nicht langer Zeit, sei es, daß der Aussätzige sich nicht so tüchtig erwies, wie sie sich vorgestellt, sei es, daß sie doch Schrecken ankam, sich mit einem eingelassen zu haben, der mit einer so ansteckenden Krankheit behaftet war, daß alle Welt den Verkehr mit ihm voll Entsetzen flieht und man nicht erlaubt, daß seinesgleichen in den Städten wohne, sondern sie von allen getrennt hausen läßt – so fühlte sie sich, sage ich, in der Furcht, diese schmutzige und abscheuliche Krankheit in sich aufgenommen zu haben, als die unglücklichste Frau von der Welt. Und da sie nicht wußte, was sie tun sollte, empfand sie eine so tiefe Verstimmung, daß sie vor Schmerz zu sterben meinte. In der Zeit, da sie mit dem Aussätzigen Verkehr gepflogen hatte, war ihr Gatte in Geschäften fern von Rouen gewesen. Da sie infolge des vielen und langen Nachdenkens über diese ihre ungeheuerliche Ausschweifung nicht aus noch ein wußte, entschloß sie sich schließlich, ihrem Gatten zu offenbaren, wie die Sachen standen. Wahrlich, wenn sie den Mut und die Verwegenheit besessen hatte, einen so schmählichen Ehebruch zu begehen, so bewies sie eine nicht geringere Kühnheit, indem sie sich selbst bei ihrem Gatten anklagen wollte. Es war fast, als wollte sie ihm sagen, daß sie ein Faß Wein weggeschenkt habe oder einen Sack Brot oder Bohnen oder ähnliches als Almosen hingegeben. Und doch wollte sie ihn eine von jenen Sachen hören lassen, von denen kein Gatte, sofern er Grütze im Kopf hat, die schlimmere anhören kann, und um derentwillen viele Städte und auch ganze Provinzen an den Rand des Verderbens gebracht worden sind.
Als nun der Gatte nach Rouen zurückgekehrt war und, nachts neben seinem Weibe im Bette liegend, weil er eine Reihe von Tagen fern von ihr gewesen war, seine Lust an ihr haben wollte, faßte sie sich, da sie sich bereits überlegt hatte, was sie tun wollte, ein Herz und sagte ihm: »Wartet ein wenig, mein lieber Gemahl, und hört an, was ich Euch sagen will.« Hierauf gestand sie ihm, bitterlich weinend, wie sie sich, von der bösen Lust übermannt, einem Aussätzigen zu fleischlichem Verkehr preisgegeben habe. Und mit vielen von tiefen Seufzern und heißen Tränen unterbrochenen Worten bat sie ihn um Verzeihung, indem sie ihm versicherte, sie habe gefühlt, daß sie sterben müsse, wenn sie diesen Wahnsinnsstreich nicht beginge. Und da sie aus diesem Grunde fürchte, von dieser verderblichen Krankheit angesteckt zu sein, wolle sie nicht, daß er bei ihr liege.
Nun könnt Ihr erkennen, ob der Henker Liebe den armen Mann nicht des Kopfes beraubt, ob das Weib ihm nicht die Hosen über das Haupt gezogen; denn während ein anderer Mann seine Frau in einem solchen Falle alsbald erwürgt hätte, daß sie ihren Geist aufgegeben, fing Herr Dummkopf an gemeinsam mit ihr zu flennen und sie zu trösten. Und da er es nicht übers Herz brachte, sie mit Worten zu züchtigen, sprach er ihr Mut ein und verhieß ihr, sie auf alle Weise heilen zu lassen. Und so enthielt er sich, fernerhin bei ihr zu liegen.
Als der neue Tag erschienen war, wollte Meister Hörnerträger die Wiederherstellung der geliebten Gattin nicht aufschieben, besprach sich mit ihr über seine Absicht, ihre Heilung in die Wege zu leiten, nahm eine große Summe Dukaten, denn er war sehr reich, stieg zu Pferde und ritt nach Paris. Dort ließ er ein Kollegium der berühmtesten und hervorragendsten Ärzte zusammenberufen und trug ihnen, da sie ihn kannten, den Fall vor, wie er sich zugetragen hatte, doch unter Verschweigung der Namen der Stadt und der Frau, und bat sie, ihn auf das gründlichste zu studieren, damit es ihnen gelänge, die Frau wieder gesund zu machen.
Die Herren Ärzte versprachen ihm, dafür zu sorgen, daß er zufrieden sein werde. Und nachdem sie den Fall sorgsam studiert und nach allen Richtungen untereinander erörtert hatten, kamen sie einstimmig zu dem Schlüsse, die nützlichste und heilsamste Medizin, die der Frau verschrieben werden könne, sei, daß sie drei oder vier Monate lang täglich, so oft sie nur könne, mit verschiedenen Männern das Liebesvergnügen genieße; denn dadurch könne sie sich leicht in der Weise reinigen, daß sie das Übel andern anhänge und selbst gesund werde, wie es ihrer Aussage nach auch bei einer Frau eintrete, die mit Syphilis behaftet sei.
Als Hans Dummbart den heilbringenden Rat schwarz auf weiß in Händen hielt, bezahlte er die Ärzte reichlich und kehrte frohen Mutes nach Rouen zurück, wo er zu seiner Gattin sagte: »Liebe Frau, nach langem und sehr gelehrtem Disput sind die Ärzte dahin übereingekommen, daß sie dir weder Heiltränke, noch Pillen, noch Medizinen geben wollen: Du mußt nur drei oder vier Monate lang täglich mit so viel Männern, wie dir nur möglich, dich vergnügen, indem du fleischlich mit ihnen verkehrst. Und je verschiedener die Männer sein werden, desto besser wird die Medizin wirken.«
Als die Frau hörte, was der Mann sagte, meinte sie, zum Narren gehalten zu werden; wie sie aber sah, daß er im Ernst sprach und daß er wollte, sie solle unter allen Umständen zu ihrer Wiederherstellung diese Heiltränke aus Fleisch und Bein nehmen, fügte sie sich gerne darein und gab sich während der angegebenen Zeit mit Fleiß und Eifer aller Welt zur Beute und erprobte ihrer so viele, wie sie nur bekommen konnte. Was sollen wir dazu sagen, meine Herren? Der arme Eifersüchtige, der es nicht ertragen konnte, daß andere seine Frau anschauten, litt es, daß sie sich so vielen hingab, wie sie nur wollte. Glaubt Ihr nicht, daß sie ihm einen stolzen Kopfzierat aufgesetzt habe? Meint ja nicht, daß er ein Einfaltspinsel oder Narr gewesen sei; denn er war sonst recht klug und besorgte seine Angelegenheiten aufs beste. Aber die übergroße Liebe zu seiner Gattin hatte ihm derart die Augen geblendet und den Geist verdunkelt, daß er genötigt war, ihr in jeder Hinsicht zu willfahren. Ihr könnt Euch denken, daß sie diese große Freiheit weidlich benutzte, um sich gründlich zu ersättigen.
Stefano, genannt Boientis, verstößt seine Frau, die sich wieder verheiratet, worauf Boientis, der seinen Rivalen für einen Hahnrei ansieht, sie wieder nimmt.
Es hält sich gegenwärtig in Brescia ein gewisser Stefano auf, der aus dem Troppiatal gekommen ist und von allen Boientis genannt wird – einen andern Vor- oder Zunamen kennt man nicht. Als dieser noch ein junger Bursch war und gerade in der Schule lesen und schreiben gelernt hatte, befestigte er sein Tintenzeug am Gürtel und trat bei einem Notar als Schreiber ein, kopierte dort allerlei Schriftstücke und war darauf bedacht, sich die Form der Abfassung jener üblichen Eingaben anzueignen, faßte auch bisweilen die eine oder andre ab und zog einigen Nutzen daraus, so daß er sich bald für einen gar großen Meister in dieser Kunst hielt. Da er infolgedessen nicht länger in einer dienenden Stellung verharren wollte, setzte er es schließlich mit Hilfe einiger Bürger durch, daß er Notar wurde, obgleich er doch oftmals Urkunden abzufassen hatte, die er selbst weder verstehen noch lesen konnte. Dennoch begann er sich in den Vordergrund zu drängen; denn er ist unverschämter als die Fliegen, und er tat denen, die seine Dienste begehrten, sehr schön. Übrigens kam das selten vor; denn es waren höchstens arme Bauern, die sich in der Stadt nicht recht auskannten und nicht wußten, wess' Geistes Kind er war, die sich an ihn wandten.
Zwei oder drei Jahre betrieb Boientis dieses Geschäft, – doch ich beabsichtige nicht, Euch heute von den Dummheiten zu erzählen, die ihm in jener Zeit unterliefen; denn ihre Zahl ist so groß und ihre Beschaffenheit so saftig, daß man nicht so leicht damit zu Ende käme. Ihr sollt etwas anderes hören. Es befand sich in jenen Tagen unsere Stadt in den Händen Kaiser Maximilians, und dieser vertraute sie der Hut der Spanier an, die damals in Italien für den Kaiser gegen die Franzosen und unsere venezianischen Herren Krieg führten. Als nun die Venezianer anfingen wiederzuerobern, was sie auf dem Festlande so kläglich verloren hatten, belagerten sie Brescia, so daß in der Stadt unter dem Waffenlärm und dem schrecklichen Dröhnen der höllischen Geschütze die heiligen Gesetze ihre Wirkung verloren und die Urteilssprüche der Richter zum Schweigen kamen; denn da die Stadt voll von deutschen und spanischen Soldaten war, feierte das Rathaus.
Da die Feder ihm also nichts mehr einbrachte, war Boientis in jenen Tagen sehr mißgestimmt und wußte nicht, was beginnen, weil er die Stadt nicht verlassen konnte. Also zum Müßiggang verurteilt, bummelte er durch die Stadt und stieg oftmals auf die Mauern, wo er sich beständig genötigt sah, vor den Salven Deckung zu suchen, die der Belagerer abgab. Als nun eines Tages ein Soldat, der oben über den Wall ging, durch einen Flintenschuß am Schenkel verwundet worden war – es war dies an einer Stelle geschehen, wo die Mauern in Trümmer geschossen waren – wurde der Chirurg Meister Calimero gerufen, um ihn zu verbinden. Boientis war gerade zugegen; und während der Arzt die Wunde des Verletzten untersuchte, schlug eine Halbstückkugel gegen eine Zinne, und die durch den überaus heftigen Einschlag umhersausenden Steine trafen den unglücklichen Chirurgen am Kopfe, so daß er alsbald verstarb und der arme Soldat gleichfalls ins Jenseits befördert wurde.
Boientis war, wie gesagt, zugegen und trug – ich weiß nicht wie das kam – die Tasche Meister Calimeros mit seinem ganzen chirurgischen Besteck. Zu Hause angekommen, fand er in der Tasche ein handschriftliches Buch, das ganz voll war von Rezepten zur Heilung von Schnitt- und Schußwunden aller Art und der daraus entstehenden Übel. Da kam ihm in den Sinn, es könne ihm doch nicht schwer fallen, Chirurg zu werden und mit Hilfe dieser Kunst zu Reichtum zu gelangen. Er las daher das Buch wieder und wieder sorgsam durch und stellte mit Hilfe eines mit ihm befreundeten kleinen Barbiers, der ein halber Arzt war, eine Menge Öle und Salben zusammen, destillierte Wässer verschiedener Art und befestigte an seinem Gürtel eine große Tasche, die seine Instrumente und Salben barg. So ausgerüstet fing er an, die armen Soldaten zu verarzten, die bei den Beschießungen und Scharmützeln verwundet wurden, Prellungen erlitten und sonstwie zu Schaden kamen. Es kam ihm dabei sehr zu statten, daß er als Kind seine Mutter, die sich mit der Heilkunst beschäftigte und um ihrer Kunst willen von allen die Ärztin vom Karmel genannt wurde, weil sie beim Karmeliterorden wohnte, viele Schäden hatte heilen sehen. So machte er sich in kurzer Zeit durch Anwendung der Methode seiner Mutter, deren er sich erinnerte, und mit Hilfe seines Freundes, des Barbiers, einen Namen als Arzt. Dann fing er an, sich in den Vordergrund zu drängen und versuchte verschiedene verzweifelte Kuren, die von den andern Chirurgen aufgegeben worden waren. Da ihm jedoch das Glück zur Seite stand, kam es dahin, daß er bei den Soldaten, die der Meinung waren, er habe die Kunst der Chirurgie in Padua oder in Pavia gelernt, zu einigem Ansehen gelangte. So kam es denn auch, daß er selbst davon überzeugt war, ein richtiger Chirurg zu sein.
Wie er nun sah, daß die Kunst ihm geriet, ließ er sich, um beim Volke zu großem Ansehn und Ruf zu gelangen, einen bis auf die Füße reichenden Arzttalar anfertigen und betrieb sein Gewerbe weiter, indem er seine Erfahrungen auf Kosten armer Leute erweiterte. Nachdem dann der Krieg zu Ende und unsre unter die Herrschaft San Marcos zurückgekehrt war, kaufte er sich ein großes Maultier, das er heute noch reitet, mit einer Sammetschabracke und vergoldeten Beschlägen, kleidete sich in Scharlach und setzte eine hohe Mütze auf, so daß man meinen konnte, den Ersten der Chirurgen vor sich zu haben.
Als Boientis auf diese Weise Chirurg geworden war, ohne je die Anatomie besucht zu haben, und seine ärztliche Tätigkeit unverdrossen fortsetzte, geschah es, daß er in der Karmelitergasse ein recht gut aussehendes molliges Mädchen von etwa achtzehn Jahren sah, das die Anfänge eines Kropfes zeigte, wie denn fast alle unsre Frauen mehr oder weniger große Kröpfe haben und auch die Männer gewöhnlich einen dicken Hals besitzen. In dieses Mädchen verliebte sich Boientis heftig, so daß er, um seine Geliebte zu sehen, so tat, als habe er in jener Stadtgegend Geschäfte und seinen Weg vier- bis sechsmal täglich durch jene Gasse nahm. Wenn er ihrer ansichtig wurde (und er sah sie fast stets, weil sie auf der Straße am Spinnrade saß und spann), warf er ihr lange Blicke zu, um ihr zu erkennen zu geben, daß er heftig in sie verliebt sei und stieß tiefe Seufzer aus, die er von den Spaniern gelernt hatte.
Das Mädchen, das Domenica hieß, hatte zur Mutter eine arme brave Frau, die ihren Lebensunterhalt verdiente, indem sie in verschiedenen Häusern wusch. Als sie einmal mit ihrer Mutter plauderte, erzählte sie ihr auch von der Liebe, die Meister Boientis ihr zu erkennen gab. Die Mutter, die Boientis so stattlich gekleidet daher kommen sah und von seinem Berufe weiter nichts wußte, als daß er Arzt war, ermahnte die Tochter, ihm ein freundliches Gesicht zu zeigen; denn sie hoffte, dadurch etwas aus ihm herauszuholen.
Der Liebhaber, den es nach anderem gelüstete als nach dem bloßen Anblick der Schönen, schickte ein altes Weib zu ihr, die mit ihr reden und ihr große Dinge versprechen sollte, wenn sie die Geliebte des Herrn Doktors werden wolle. Sie aber wollte nichts davon wissen und erklärte, sie wünsche ihre Ehre zu bewahren. Als Boientis dies gehört hatte, suchte er eines Tages eine Unterredung mit ihrer Mutter. Diese aber, von ihrer Tochter aufgeklärt, zeigte sich sehr ablehnend und bat ihn, über diese Angelegenheit kein Wort mehr zu verlieren. Wirklich verliebt, wie er war, beschloß er nun, sie zum Weibe zu nehmen, hatte mit ihr und der Mutter eine lange Unterredung und versprach ihnen, daß er sie heiraten werde.
Damit waren beide höchlich zufrieden und hatten den Eindruck, daß ihre Zurückhaltung ein gutes Ergebnis gezeitigt habe. Eines Tages also, es war im April, erschien Boientis und heiratete in Gegenwart der Mutter seine Domenica gesetzmäßig, was die Worte und Absicht anlangt, und pflückte noch am gleichen Tage, so brünstig wie nur möglich, die Frucht seiner glühenden Liebe.
So pflog er fast regelmäßig mit ihr des Beischlafs, doch in ihrer Wohnung, indem er allerlei Vorwände gebrauchte, seine Ehe verheimlichte und Domenica nicht in sein Haus führte. Doch schickte er ihr allerlei Hausrat, versah sie auch mit Geld und kleidete sie etwas besser, als sie es bisher gewöhnt gewesen war.
Nachdem er diesen Verkehr eine Zeitlang fortgesetzt hatte, wurde Domenica schwanger. Boientis lebte jetzt ungefähr elf Monate mit ihr, als er eines Tages, sei es, daß sie ihm nicht mehr gefiel, oder daß er ihrer überdrüssig war, oder was immer der Grund sein mochte, zur Schwiegermutter sagte, er wolle Domenica nicht mehr zur Gattin haben, und wenn sie es jemals wagen würde, zu sagen, daß er sie geheiratet habe, würde er ihr so übel mitspielen, daß sie noch lange daran denken würde.
Mutter und Tochter mochten jammern und sagen, was sie wollten, es war alles umsonst. Die arme Mutter, die sich allen Rates und aller Hilfe beraubt sah, wußte nicht, was tun, und sie war um so verstimmter, als auf Boientis Bitten Messer Antonio Martinengo, der sie stets begünstigt hatte, sie am Leben bedrohen ließ, wenn sie oder die Tochter sich unterstehen würden, ein Wort über diese Heirat verlauten zu lassen. Und damit sie leichter den Mund hielten, ließ ihnen Boientis zwanzig Golddukaten versprechen für den Fall, daß sie einen Mann fände.
Als die gute Frau, die sich in einer üblen Lage sah, sich zwanzig Dukaten versprechen hörte, hielt sie sich für hinlänglich bezahlt und fing an, einen neuen Gatten für ihre Tochter zu suchen. Dabei beeilte sie sich sehr, da sie wußte, daß diese bereits schwanger sei. Man empfahl ihr einen jungen Mann, der bei einem Waffenschmied in der Werkstatt arbeitete.
Nachdem man ein bißchen miteinander verkehrt und sich kennengelernt hatte, wurde die Ehe geschlossen. Der junge Mann hieß Gian Maria Rinovato. Als er Domenica geheiratet hatte, führte er sie, die er für eine Jungfrau hielt, und die doch bereits im zweiten Monate schwanger war, in seine Behausung.
Boientis handelte anständig, hielt sein Versprechen und schickte der Wäscherin die zwanzig Dukaten, und diese gab sie ihrer Tochter nebst allerlei Kleinigkeiten zur Mitgift. Boientis glaubte eine sehr edle und hohen Lobes würdige Tat getan zu haben, und der Kapitalnarr merkte nicht, daß er einen bezahlte, damit er ihm glorreich das Wappenbild der Soderini aufs Haupt pflanze.
Gian Maria lag also bei der Dominica und war der Meinung, er habe sie in der ersten Nacht, die er bei ihr zubrachte, aus einer Jungfrau zur Frau gemacht. Er täuschte sich jedoch, wie so viele andre, die das erste Mal, wenn sie sich mit ihren Gattinnen vereinigen, die erste Rose des Gartens zu pflücken wähnen, während ihrer bereits unendlich viele gebrochen worden sind.
Der Waffenschmied lebte gut und liebevoll mit Domenica zusammen, die ihm zu verstehen gab, daß sie in der ersten Woche, da er bei ihr gelegen, schwanger geworden sei. Da er nicht gerade der hellste war, glaubte er es und freute sich sehr darüber. Als dann die Zeit der Niederkunft gekommen war, machte ihm die Schwiegermutter weis, der Sohn, der zur Welt kam, sei ein Siebenmonatskind. Der gute Kerl war ganz außer sich vor Freude über den Sprößling und schwängerte seiner Meinung nach Domenica wenige Tage darauf abermals.
Die erste Fastenwoche war vorüber, und Boientin hatte, obwohl er beichten gegangen war, entweder vergessen zu beichten, daß er Domenica geheiratet hatte oder wollte es nicht bekennen. In der andern Woche ging Boientis wiederum zur Beichte, kam an einen ehrwürdigen Priester in der Sankt Faustinus-Kirche und wurde von diesem gefragt, ob er eine Frau habe. Er wollte die Wahrheit nicht leugnen und erzählte ihm, wie die Dinge mit Domenica standen. Der fromme Mönch, der ein kluger Mann war, ersah aus den Worten des Beichtenden, daß die geschlossene und vollzogene Ehe eine wirkliche und unauflösliche Ehe sei und sprach daher zu ihm: »Mein Sohn, weder ein anderer noch ich kann dich in diesem Falle absolvieren, wenn du deine Gattin nicht wieder annimmst, die nach deinen Worten deine rechtmäßige Frau ist; davon abgesehen kann ich dich auch nicht lossprechen, weil du die Ehe heimlich geschlossen hast, und du mußt daher zu unserm Herrn Bischof gehen.«
Nach mancher Rede und Widerrede sah Boientis schließlich doch ein, daß der ehrwürdige Mönch ihm die Wahrheit sage und das Beste rate, und so entschloß er sich, ihm zu gehorchen und versprach ihm, alles zu tun, was er ihm befahl. Und da er gerade die rechte Gesinnung hatte, begab er sich, ohne sich erst lange zu besinnen, zum Bischofspalast und erhielt denn auch die Erlaubnis, sich von der Sünde der heimlichen Eheschließung lossprechen zu lassen. Am folgenden Tage ging er dann frühzeitig nach der Torre della Palata, wo Gian Maria in der Werkstatt des Waffenschmiedes arbeitete. Er fand ihn dort vor, rief ihn aus dem Laden und sagte zu ihm: »Bruder, du hast vor einigen Monaten Domenica, die Tochter der Margarita Scartazzina, geheiratet und dein Weib heimgeführt und lebst nun als Ehemann mit ihr. Aber sie ist nicht deine Frau, noch kann sie es sein, und du bist im Irrtum; denn ich habe sie schon lange vor dir in Gegenwart ihrer Mutter geheiratet und viele Monate bei ihr gelegen. Nun kann ich keine Absolution erhalten, wenn ich mein Weib nicht wieder annehme. Ich bitte dich daher, du wollest mir meine Gattin wiedergeben, wie es recht und billig ist, und zusehn, daß zwischen uns alles ohne Lärm und Aufregung erledigt wird; denn ich will, ich versichere dir, meine Gattin unter allen Umständen wiederhaben.«
Dem guten Mann, dem Domenica überaus teuer war, und der mit ihr sehr auf seine Rechnung kam, verschlug es fast die Sprache, als er diese seltsame und unerwartete Rede vernahm. Doch nahm er sich zusammen und sagte: »Meister, ich bitte Euch um Gottes willen, haltet mich, nicht zum Narren und sagt mir nicht solche Flausen, ich bin nicht der Mann für derartige Scherze. Ich habe die Domenica in Gegenwart einer Menge wackerer Leute geheiratet, die als Trauzeugen dienten und sie stets als ehrbare gute Frau befunden; und ich bin sicher, daß sie niemals mit Euch einen sündhaften Gebrauch von ihrem Körper gemacht hat. Laßt mich meiner Arbeit nachgehen und beunruhigt mich nicht! Beim Leichnam – doch ich will nicht fluchen – es gehört sich nicht, derartige Dinge zu sagen, wie Ihr es tut: macht, daß Ihr weiter kommt!«
Boientis, der nur wenig Hefe brauchte, um hochzugehen, begann alsbald in Hitze zu geraten und mit zornbebender Stimme zu erklären, er verlange augenblicklich seine Frau zurück. Dabei nannte er ihn einen Schurken und Hahnrei. Dieser aber schalt ihn einen Lügner, erhob die Faust und versetzte ihm mit seinen vom beständigen Hämmern schwieligen Händen, die genügt hätten, eine Handvoll Nüsse auf einem Brett zu knacken, einen gehörigen Schlag auf die Schnauze. Boientis, der seinen langen Talar anhatte und sich nicht frei bewegen konnte, wurde von einem Waffenschmied nach Noten ohne Kamm gekämmt. Er traktierte ihn mit Faustschlägen und wälzte ihn im Straßenkot, bis eine Menge Leute durch den Lärm herbeigelockt wurden und den gänzlich Zerzausten mit vieler Mühe aus seinen Händen befreiten.
Der gute Arzt hörte darum aber doch nicht auf, aufzubegehren und die Herausgabe seiner Gattin zu verlangen, indem er dem Waffenschmied drohte, ihm das Herz aus dem Leibe zu reißen. Als die Leute, die auf den Spektakel herbeigeeilt waren, die Ursache des Streites vernahmen, wollte ihr Gelächter kein Ende nehmen; und Herr Schafskopf Boientis erzählte ihnen allen die ganze Geschichte und sagte dann: »Dieser Hahnrei will mir mein Weib nicht wiedergeben, und ich will sie wieder haben, und wenn es ihm auch noch so sehr gegen den Strich geht. Du wirst sie mir herausgeben, du Hörnerträger, du: ja, du wirst es, beim Evangelium des goldenen Sankt Markus! Glaubst du etwa, ich würde zulassen, daß ein Mensch wie du sich an meiner Frau ergötzt? Ich verlange sie zurück: versteh mich wohl, und es soll dich teuer zu stehn kommen, was du mir angetan hast!«
Ihr könnt Euch vorstellen, daß dieses Geschwätz den Umstehenden Stoff zum Lachen gab. Er merkte nicht, daß er es so machte, wie jene, die in die Luft spucken und den Speichel ins Gesicht bekommen. Er nannte Gian Maria einen Hahnrei und wurde nicht gewahr, daß dieser Name ihn selbst traf.
Übel zugerichtet, wie er war, begab sich der Arzt endlich nach Hause, und nachdem er sich, so gut es gehen wollte, wieder in Ordnung gebracht hatte, erschien er vor dem Bischof und brachte seine Klage vor. Der Bischof befahl dem Vikar zu tun, was das Recht verlangte. Dieser befolgte den Befehl aufs genaueste, zitierte die beiden Parteien vor sich und gab ihnen die erforderliche Zeit, ihren Standpunkt zu verfechten. Nachdem dann der Prozeß in den gesetzlichen Formen zu Ende geführt worden war, sprach er, von einigen Doktoren, die er beigezogen, beraten, pro tribunali sitzend, das Urteil: Gian Maria habe die Domenica dem Boientis zurückzugeben, dürfe aber die zwanzig Dukaten als Entschädigung für die gehabten Kosten behalten. Wie er die Domenica schwanger von Boientis übernommen habe, so solle sie Boientis nun schwanger von ihm zurücknehmen, damit die Sache sich ausgleiche. Der bereits geborene Sohn wurde Boientis zugesprochen, das zu erwartende Kind, mochte es männlichen oder weiblichen Geschlechts sein, Gian Maria. Und er verfügte, daß zwischen den beiden Gegnern Friede zu schließen sei, was auch geschah.
Hocherfreut über den errungenen Sieg, kleidete sich Boientis in Scharlach, schmückte sein Haupt mit einer neuen Haube, damit man den Kopfschmuck nicht sehe, und führte Weib und Sohn voller Jubel nach Hause. Wenige Monate darauf schenkte Domenica einem andern Knaben das Leben, und dieser wurde Gian Maria übergeben. Dem Arzte ist die Gattin darum nicht weniger lieb, er hält sie vielmehr für schön und gut und bildet sich ein, ihrer Mutter und Gian Maria ein Schnippchen geschlagen zu haben. Und allen, die ihn darum ansprechen, erzählte er die ganze Geschichte so vergnügt, als hätte er einen großen Schatz gefunden. Der arme hirnverbrannte Mann merkt nicht, daß er die Schande und den Spott und einen Schaden von zwanzig Dukaten hat.
Der Herr Girolamo della Penna verlangt in Polen Hostien, um Pillen zu nehmen; da man ihn nicht versteht, will man ihn auf alle Weise kommunizieren.
Vor einigen Jahren begleitete der Herr Prospero Colonna, ein in allen vier Weltteilen durch seine Tugenden, seine Waffentaten und unendlich viele andere Eigenschaften hochberühmter Mann, die Frau Königin von Polen, Tochter Giovan Galeazzo Sforzas, Herzogs von Mailand und Frau Isabellas von Aragon, von Neapel bis in das Königreich Polen. Dieser Herr Prospero nahm, wie er stets zu tun pflegte, eine große Zahl von Edelleuten und Dienern mit. Nachdem er die Königin begleitet und dem Könige vorgestellt hatte und die Hochzeit – wirklich eine der berühmtesten und prunkvollsten, die in unsern Tagen gefeiert wurden – vorüber war, beschloß der hochherzige Colonna, nach Italien zurückzukehren. Als er bereits reisefertig war, erkrankte Herr Girolamo della Penna aus Perugia, ein tapferer Ritter und alter Parteigänger des Hauses Colonna, schwer, wodurch der Aufbruch etwas verzögert wurde. Es befand sich außerdem in Polen der durchlauchtige und hochwürdigste Kardinal von Este, der gleichfalls mit einem stattlichen Gefolge gekommen war, um die genannte Hochzeit zu ehren. Als dieser von der Krankheit des Ritters hörte, machte er ihm einen Besuch. Er hatte seinen italienischen Arzt bei sich, der dem Kranken viele Heilmittel bereitete, so daß dieser sich zu erholen und außer Gefahr zu kommen begann. Als daher Herr Prospero sah, daß es mit dem Kranken sehr viel besser wurde, machte er sich auf den Rückweg nach Italien. Herr Girolamo aber blieb, mit allem Nötigen wohl versehen, samt seinen Dienern im Hause eines Polacken zurück.
Der Arzt des Kardinals hatte dem Kranken eine gewisse Pillenmasse zurückgelassen und ihm verordnet, allwöchentlich eine davon, eine Stunde vor dem Abendessen zu nehmen. Und als er, entsprechend der ihm von dem Arzt hinterlassenen Verordnung, eine davon einnehmen wollte, trug er einem seiner Diener auf, ihm eine Hostie zu holen, damit er die Pille darin einhüllen und auf diese Weise leichter einnehmen könne. Ihr müßt wissen, daß weder der Kranke, noch irgendeiner seiner Diener auch nur ein Wort der Polackensprache kannte, außer den Bezeichnungen für Brot, Wein, Fleisch, Getreide und ähnlichen Worten, die man tausendmal am Tag für des Lebens Notdurft und Nahrung zu gebrauchen pflegt. Was die Diät des Kranken anlangt, so hatte der Arzt die Vorschrift darüber zu Papier gebracht und dem Apotheker hinterlassen. Der Diener nun, der eine Hostie für seinen Herrn wollte, gab einem Insassen des Hauses, in dem sie einquartiert waren, durch Zeichen und Gebärden zu erkennen, was er wünschte, bis der Polack begriff, daß der Lombarde eine Hostie für den Kranken wolle; doch er verstand die Sache anders als sie dem Bedürfnis entsprach. Er verstand nämlich, daß das Übel des Kranken sich so sehr verschlimmert habe, daß er kommunizieren wolle. Daher gab er dem Diener des Kranken durch Gebärden zu verstehen, er werde das Verlangte holen. So suchte er denn unverzüglich den Pfarrer des Sprengels auf und sagte ihm, ein italienischer Edelmann, der im Gefolge der Frau Königin gekommen sei, sei sehr schwer erkrankt und wünsche diesen Morgen die heilige Kommunion.
Nachdem der Pfarrer alles vorbereitet hatte, machte er sich, das heilige Sakrament des Altars in der Hand, von vielen brennenden Kerzen begleitet, unter Vorantritt des Ministranten mit den Glöcklein, auf den Weg nach dem Hause, in dem der Kranke lag.
Der Polack, der in die Kirche gegangen war, um die Hostie zu holen, teilte dem ganzen Hause mit, daß der Kranke den allerheiligsten Leib Christi empfangen wolle und daß der Pfarrer komme, um ihn zu kommunizieren. Es waren zu dieser Stunde alle Diener des Kranken zufälligerweise außer Hause in allerlei Geschäften. Als nun die Bewohner und Bewohnerinnen des Hauses den Pfarrer mit dem Altarsakrament kommen hörten, gingen ihm alle ehrerbietig entgegen und geleiteten den Leib unsres Herrn mit den andern zur Kammer des Kranken.
Wie Herr Girolamo diese Prozession hörte, die mit brennenden Kerzen in seine Kammer kam, verwunderte er sich höchlich, doch wartete er ab, was sich aus diesem Schauspiel entwickeln werde. Als er jedoch den Priester in Chorhemd und Stola, das Tabernakel in der Hand, eintreten sah, da verwunderte er sich noch viel mehr. Dennoch erhob er sich behutsam, so gut es gehen wollte, entblößte das Haupt und betete mit tiefer Inbrunst das heilige Sakrament an. Der Priester wollte, ich weiß nicht was, zu ihm sagen und ihn kommunizieren, er aber erklärte ihm auf italienisch, er wolle jetzt den Leib des Herrn noch nicht nehmen, sowohl er seine Sünden noch nicht gebeichtet als auch, weil er nicht so schwer krank sei, daß er die Wegzehrung des heiligen Leibes Christi nehmen müsse. Da er aber weder noch polackisch noch lateinisch sprechen konnte, schlug er sich, als er sagte, daß er seine Sünden noch nicht gebeichtet habe, um ihnen besser begreiflich zu machen, was er sagen wollte, zwei-, dreimal an die Brust mit der Gebärde der Zerknirschung.
Als der Priester das sah, dachte er sich, er bekenne seine Schuld, wie man es ja mit dieser Gebärde zu tun pflegt, und bereitete sich auf den Empfang des heiligen Sakraments vor. Er begann also eine lange Salbaderie auf Polackisch, schlug tausendmal das Kreuz und nahm den Leib des Herrn in die Hand, um ihn dem Kranken zu reichen. Er aber gab immer wieder durch Zeichen zu erkennen und wiederholte dabei auf italienisch: Herr, Ihr versteht mich nicht: nolo Corpus Domini. Diese drei lateinischen Worte verstand der Priester und sie ließen ihn glauben, der Kranke sei nicht mehr bei sich und rede irre.
Herr Girolamo, der von Kind an stets im Waffenhandwerk erzogen worden war und nur lesen konnte, hatte von Latain sonst keine Ahnung, und diese drei Worte waren seinen Lippen entschlüpft, ich weiß nicht wie, und da er seine Absicht nicht deutlicher auszudrücken vermochte, verwunderte er sich über die Maßen über diesen Vorgang und konnte sich der Ursache desselben nicht vorstellen.
Während der Geistliche und er in diesem Zwiespalt verharrten, erschien der Diener, der dem Polacken zu verstehen gegeben hatte, daß er eine Hostie wolle, und als er diesen Aufzug sah, ward ihm klar, daß er mißverstanden worden war. Er drängte sich durch die Menge, entdeckte den, der in die Kirche gegangen war und gab ihm durch Zeichen zu verstehen, daß er seine Worte falsch gedeutet habe. Dann nahm er die Pillenmasse in die Hand und wollte dem Priester begreiflich machen, zu welchem Zwecke er eine Hostie verlangt habe, auch forderte er den Priester auf, in die Kirche zurückzukehren, weil sein Herr nicht die Absicht habe, zu kommunizieren.
Als der Priester die Pillenmasse sah und sich nicht vorstellen konnte, welchen Zweck sie habe, dachte er, der Diener wolle das Sakrament zu Zauberzwecken mißbrauchen und der Herr wie die Diener seien die allergrößten Schelme. Diese schlimme Vermutung im Herzen, wandte er sich zu seinen Begleitern, fing an, tausend üble Dinge über den Kranken und seine Diener zu sagen, die böse Menschen und Zauberer seien und erklärte, daß der im Bett liegende wie ein Hund sterben wolle. »Jagt sie«, rief er, »aus dem Hause, damit Euch Gott nicht gemeinsam mit ihnen zugrunde gehen läßt!«
Die Polacken waren bereits halb und halb aufgewiegelt und bereit, dem Kranken und den Dienern übel mitzuspielen, als ein Eingeborener dazukam, der lange in Rom gewesen war und unsere Sprache sehr gut verstand. Diesem erzählte der Diener des Kranken die Sache mit der Hostie, worauf er alle Umstehenden über das Mißverständnis aufklärte. Da löste sich alles in Gelächter auf, und der Priester, der ebenfalls lachen mußte, kehrte in die Kirche zurück und schickte dem Kranken eine große Oblate, damit er seine Pillen nehmen könne. Als dieser bald darauf wiederhergestellt war, kehrte er nach Italien zurück und bringt, indem er die Geschichte erzählt, wie sie sich zutrug, seine Zuhörer oft zum Lachen, wobei er erkennt, daß er in der Tat die größte Angst gehabt habe, man würde ihn wie einen Hund auf die Straße werfen.
Gonnella jagt dem Markgrafen Nicolo von Ferrara einen bösen Schreck ein, wodurch er ihn vom viertägigen Fieber befreit. Der Markgraf will Gonnella seinerseits einen Streich spielen, indem er ihm Schrecken einjagt und wird dadurch die Ursache seines Todes.
Der Markgraf Nicolo von Este litt an einem sehr beschwerlichen Quartanfieber, das ihm gar arg zusetzte, und zwar nicht nur an dem Tage, an dem es ihn befiel, sondern auch an den andern, die sonst ziemlich erträglich zu sein pflegen, wenn der Mensch fieberfrei ist; es drückte ihn so nieder und machte ihn so schwermütig, daß er seines Lebens auf keine Weise froh werden konnte. Er hatte den Appetit vollkommen verloren und die Ärzte wußten ihm keinen Leckerbissen zu verordnen, der ihm zugesagt hätte, da sie nichts fanden, was ihm schmackhaft schien. Hierüber war der ganze Hof betrübt; denn da der Herr krank war und an nichts Freude hatte, waren alle sehr verstimmt. Mehr als alle andern aber war Gonnella niedergeschlagen, da er seinen Herrn außerordentlich liebte, und es brachte ihn zur Verzweiflung, daß er nicht so viele Spiele und Scherze erfinden konnte, um seinen Gebieter auch nur einmal aufzuheitern.
Um die Krankheit des Markgrafen erträglicher zu gestalten, ließen ihm die Ärzte tausenderlei Kurzweil bieten, und als dies alles nichts helfen wollte, kamen sie zu dem Schlusse, er müsse einen Luftwechsel vornehmen. Sie brachten ihn daher zu einem sehr angenehmen und sehr großen Palast außerhalb Ferraras, Belriguardo genannt, der nahe an den Ufern des Po erbaut war. Der Markgraf pflegte, um sich Bewegung zu machen und sich zu erholen, oftmals längs des Flusses sich zu ergehen, und es hatte den Anschein, als tröste ihn der Anblick des strömenden Wassers ein wenig.
Gonnella hatte sagen hören oder wußte vielleicht aus Erfahrung, daß ein sehr großer plötzlicher Schreck für den Kranken ein schnell wirkendes Heilmittel und sehr nützlich sei, um das Quartanfieber zu vertreiben. Da er nun keinen höheren Wunsch auf der Welt hatte, als den Markgrafen wieder gesund zu sehen, nahm er sich vor, zu erproben, ob ein gewaltiger Schreck ihn nicht zu heilen vermöge. Nachdem er also festgestellt hatte, daß er bei seinen fast täglichen Spaziergängen meist ein großes Vergnügen daran fand, am Ufer des Po zu lustwandeln, wo sich ein Weiden- und Pappelgehölz befand, und hier am Rande des Flusses stehen zu bleiben, um sich in das Strömen des schnell fließenden Flusses zu versenken, beschloß Gonnella, da das Wasser dort weder sehr reißend noch tief und das Ufer nicht höher als fünf oder sechs Spannen war, den guten Markgrafen von dieser Stelle ins Wasser zu werfen und durch den dadurch verursachten Schrecken von dem Quartanfieber zu befreien.
Nachdem er sich also vergewissert hatte, daß keine Lebensgefahr vorhanden war, sondern allein Schaden durch das Naßwerden der Kleider drohte, da sich gegenüber eine Mühle befand, sprach er mit dem Müller und gab ihm zu verstehen, der Markgraf wolle einem Kammerdiener einen Schrecken einjagen, indem er ihn vom andern Ufer ins Wasser werfen lasse; damit dieser aber nicht verunglücke, solle der Müller sich, sobald er den Markgrafen sich nähern sehe, in Begleitung eines Knechtes in einem Kahn dem bezeichneten Orte nähern und indem er so tue, als fische er, dem ins Wasser gefallenen Kammerdiener helfen. Dann schärfte er ihm ein, er wolle, wenn ihm die Gunst des Markgrafen lieb sei, zu niemand ein Wort über diese Sache sprechen, worauf er dann nicht lange zögerte, seine Absicht auszuführen.
Der Markgraf wandelte eines Morgens in dem Gehölz und der Müller hatte sich der ihm bezeichneten Stelle bereits genähert, als Gonnella, der mit dem Markgrafen allein war und ihn am Ufer stehenbleiben sah, ihm einen starken Stoß versetzte und in den Po plumpsen ließ. Kaum war dies geschehen, so flüchtete Gonnella, der bereits vorgesorgt und für sich und einen Diener zwei gute Pferde bereitgestellt hatte, und begab sich nach Padua zum Herrn von Carrara, dem Schwiegervater des Markgrafen.
Der Müller kam eiligst heran und zog den Markgrafen in seinen Kahn. Nicolos Schrecken und Angst waren weit größer als der Schaden, den er von dem Bade hatte; dieses bewirkte vielmehr, daß er von seinem Übel vollkommen befreit wurde, da er das Quartanfieber gänzlich los ward.
Wiewohl Gonnellas Tat allen gar zu unverständlich erschien, so gab es doch niemand, der geglaubt hätte, er habe sie begangen, um den Markgrafen zu ertränken. Der Markgraf, der Gonnella liebte, wußte ebenfalls nicht, was er denken sollte und vermochte den wahren Grund dieses derben Scherzes um so weniger zu erraten, als der Possenreißer sich in die Gewalt des Herrn von Carrara, des Schwiegervaters des Herzogs, begeben hatte. Nichtsdestoweniger trug der Markgraf, als er nach Ferrara zurückgekehrt war, seinem Rate auf, diesen Exzeß abzuurteilen. Nachdem diese Räte zu dem Schlusse gekommen waren, daß es sich um eine verwegene und üble Tat handle und er sich des Verbrechens der Majestätsbehandlung schuldig gemacht habe, sprachen sie das Endurteil, es solle ihm, falls er je in die Gewalt des Markgrafen falle, der Kopf abgeschlagen werden, inzwischen aber solle er zu dauernder Verbannung aus dem ganzen Staate des Markgrafen verurteilt sein.
Der Markgraf, der Gonnella von Herzen liebte und über seine Abwesenheit bekümmert war, lebte in beständiger Spannung, wie sich die Sache mit ihm weiter entwickeln würde, umsomehr als er sich vom Quartanfieber geheilt sah und einige ihm bereits erklärten, sicherlich habe ihn Gonnella, um ihn vom Viertagefieber zu befreien, in den Po gestoßen. Dennoch ließ er, um zu sehen, was Gonnella machen würde, den Bann gegen ihn öffentlich verkünden, so daß Gonnella unter Trompetengeschmetter auf dem Marktplatz in Acht und Bann erklärt wurde.
Sobald Gonnella diese Nachricht erhalten hatte, beschloß er, da er alle Vorbereitungen zur Ausführung seines Planes bereits getroffen hatte, nach Ferrara zurückzukehren. Er ließ also auf einen Wagen, den er gekauft hatte, eine Lage Erde schütten und sich eine öffentliche Urkunde darüber ausstellen, daß dieser Boden dem Gebieter von Padua gehöre. Sodann bestieg er den Wagen und ließ ihn durch seinen Diener von den beiden Pferden auf den Marktplatz von Ferrara fahren. Dort angelangt, schickte er den Diener zum Markgrafen, damit er ihn um freies Geleit und Audienz für ihn bitte, da er ihm beweisen wolle, daß alles, was er getan, lediglich zu seinem Besten geschehen sei. Da schickte der Markgraf, um sich mit Gonnella einen Spaß zu machen und ihm einen heftigen Schrecken einzujagen, den Bargello aus, ihn zu verhaften. Gonnella erhob Einspruch, zeigte seine Urkunde vor und erklärte, er befinde sich auf dem Boden des Herren von Padua. Was er aber auch sagen mochte, es half ihm nichts; er wurde verhaftet und in ein dunkles Verließ geworfen und man bedeutete ihm, zu beichten, da der Markgraf ihm den Kopf abschlagen lassen wolle. So ward denn ein Priester zu ihm gesandt, um ihn zu trösten und seine Beichte zu hören.
Als der unglückliche Gonnella sah, daß es Ernst wurde und von Scherz keine Rede war, und der Markgraf ihm durchaus die Gnade nicht gewähren wollte, mit ihm zu sprechen, machte er aus der Not eine Tugend und entschloß sich, so gut es gehen wollte, den Tod als Buße für seine Sünden willig entgegenzunehmen. Der Markgraf hatte den streng geheimen Befehl gegeben, es sollten Gonnella, wenn er zum Richtplatz geführt worden wäre, die Augen verbunden werden und wenn er dann den Hals auf den Richtblock gelegt hätte, sollte ihm der Henker, statt ihm den Kopf vom Rumpfe zu trennen, einen Eimer Wasser über den Kopf gießen.
Ganz Ferrara war auf dem Platze versammelt, und alle, die Großen wie die Kleinen, waren über alle Maßen betrübt, daß Gonnella den Tod erleiden sollte. Als nun der arme Mann mit verbundenen Augen bitterlich weinend auf dem Richtplatze kniete, bat er Gott um Vergebung für seine Sünden und zeigte die größte Zerknirschung. Er bat auch den Markgrafen um Verzeihung und sagte, er habe ihn in den Po gestoßen, um ihn zu heilen. Nachdem er dann das versammelte Volk gebeten hatte, zu Gott über seine Seele zu beten, legte er den Hals auf den Block. Kaum hatte er dies getan, da schüttete ihm der Henker den Eimer Wasser über den Kopf, während das ganze Volk »Barmherzigkeit!« schrie, da es glaubte, der Eimer sei das Richtbeil. Die Angst aber, die der arme unglückliche Gonnella in diesem Augenblick empfand, war so gewaltig, daß er die Seele seinem Schöpfer zurückgab.
Als dies bekannt wurde, ward er durch die Tränen und Klagen von ganz Ferrara geehrt. Der Markgraf ordnete an, daß er in feierlichem Leichenzuge von der ganzen Klerisei Ferraras zu Grabe geleitet werde und er zeigte sich so betrübt über das unerwartete Unglück, daß er lange Zeit keiner Tröstung zugänglich war.
Der Bergamaske Gandino schreibt die Sünden seiner Gattin Zanina auf und übergibt sie dem Mönch, der ihre Beichte anzuhören pflegt.
Als einmal der Herr Gian Francesco Pallavicino, der Sohn Madame Ciarices, nicht ganz wohl war, kam nach Gibello Meister Girolamo Carenzone, ein ganz ausgezeichneter Arzt, der für gewöhnlich in seiner Vaterstadt Cremona residierte, aber alle Mitglieder der Familie Pallavicini verarztete. Der Haushofmeister Ser Gandino leistete ihm Gesellschaft und suchte sich bei ihm anzubiedern, damit er, wenn es einmal nötig werden sollte, seine Gattin Zanina mit aller Sorgfalt behandle. Carenzone, der ein heller Kopf war und das Haar im Weißen des Eis sah, hatte seinen großen Spaß an den Torheiten Gandinos und lobte ihn immer und kraulte ihn, wie man sagt, mit dem Finger unter dem Schwanz. Dieser sagte daher eines Tages zu dem Arzte: »Ich sehe wohl, lieber Meister, daß Ihr ein Mann von Urteil seid und meinen Wert erkennt, in diesem Hause hingegen kennt man mich nicht. Ihr dürft aber nicht glauben, daß ich mich zu diesem Oberhaushofmeisteramt hergeben würde, wenn die Herrin mich nicht inständig darum gebeten hätte; denn ich bin für andere Dinge geschaffen, als vier Katzen zu warten. Für diese Hausdienste habe ich den Seneschall, mein eigentliches Amt ist, Madame zu beraten und ihr Vermögen zu verwalten.« Kurz, der Tropf brüstete sich, als sei er ich weiß nicht was.
Als nun Madame Clarice in Mailand weilte, erkrankte Zanina und wurde von gewissen Schmerzen befallen, die sich gewöhnlich vor der Entbindung der Frauen einzustellen pflegen. Sie war schwanger, doch glaubte man nicht, daß die zu erwartende Kreatur schon ausgetragen sei und befürchtete sehr, daß es eine Fehlgeburt werden müsse, worüber Ser Gandino ganz verzweifelt war. In solchen Fällen pflegen die Hebammen diejenigen zu sein, die mit ihren Ölen und Pulvern und andern Beruhigungsmitteln diese Schmerzen sänftigen. Das genügte Gandino aber nicht, und da ihm keiner der Ärzte Mailands, wo es doch recht viele und gar treffliche gibt, paßte, bekam er's so in die Krone, daß er durchaus wollte, man solle nach Cremona schicken und Meister Girolamo Carenzone, von dem ich Euch schon sprach, holen lassen. Er ruhte also nicht eher und drängte so lange, daß die Herrin sehr gegen ihren Wunsch um Mitternacht in höchster Eile einen Boten deswegen absandte. Der Zufall wollte, daß der Bote ihn in Marignano traf, wie er gerade im Begriffe war, in eigenen Angelegenheiten nach Mailand zu gehen. Dort angelangt, stieg Carenzone sofort im Hause Madame Clarices ab. Als er die Ursache vernahm, weshalb man ihn gerufen hatte, sagte er zu der Herrin: »Meiner Treu, unser Bergamasker Lastträger da ist ein großes Rindvieh und der unbescheidenste Mensch, den ich kennen gelernt habe.«
In diesem Augenblick erschien Gandino, und ob Carenzone wollte oder nicht, er mußte, mit den Reitstiefeln und Sporen an den Beinen und kotbespritzt, wie er war, die Kranke besuchen gehen. Als er in die Kammer eingetreten war und an die Kranke die nötigen Fragen gerichtet und sie ihm gesagt hatte, an welcher Seite des Leibes sie die meisten Schmerzen fühlte, sagte er: »Es ist Gott sei Dank nichts Schlimmes, seid guten Muts, Ihr werdet nicht abortieren. Die Stelle, wo Ihr den Schmerz fühlt, will ich ein wenig mit den Händen abtasten, und wenn es irgend möglich ist, werden wir die entsprechenden Mittel anwenden; faßt Mut!«
Als Ser Gandino dies hörte, trat er vor und sagte: »Domine magister, paßt auf und hört mich aufmerksam an, damit Ihr nicht etwa auf die Idee kommt, ich sei ein Einfaltspinsel und verstände mich nicht auf meine Interessen. Ich habe nichts dagegen, daß Ihr den Leib meiner Gattin berührt, wenn ihre Krankheit es erfordert, und sie ohnedem nicht behandelt werden kann: gewiß, ich bin damit einverstanden, aber Ihr müßt nicht denken, daß ich es dulden würde, daß, Euch ausgenommen, irgendein Mann auf der Welt, sei er, wer er sei und heiße er, wie er wolle, ihren bloßen Körper mit den Händen berühre. Nein, nein glaubt nicht, daß ich das leiden würde: ich würde das keinem gestatten, aber auch keinem! Ich und dergleichen zulassen – ja Kuchen! Ich liebe meine Ehre wie nur einer, aber in puncto Weib will ich weder Genossen, noch Freund, noch Verwandten. Versteht Ihr mich? Tastet nur ordentlich zu!«
Carenzone, der sehr gewitzt war und die Spoletiner eingeseift haben würde, kannte, da er schon seit langem im Hause verkehrte, die Liebeleien der Zanina und wußte, wie fein sie diesem Herrn Dummbart das Geweih aufs Haupt gepflanzt und wie gut sie ihn am Sprungriemen hatte, so daß er sich nur umdrehen konnte, wenn sie es wollte. Daher wäre er bei dieser Rede beinahe losgeplatzt, doch hielt er an sich und sagte mit ernstem Gesicht zu ihm: »Bei Gott, Gevatter, Ihr habt vollkommen recht! Wer eine wackere Frau haben will, der muß es so machen wie Ihr, das ist ganz gewiß der richtige Weg, lieber Herr, die Frauen bei Vernunft zu halten. Ihr seid bei Gott ein kluger Mann, und ich freue mich darüber mit Euch. Fahrt nur so fort!«
»Doch sagt mir, was haltet Ihr von Zaninas Krankheit?«
»Ich habe nichts Schlimmes gefunden«, erwiderte der Arzt, ließ sich etwas zum Schreiben geben und verordnete einige Öle, um den Leib der Frau damit einzureiben, sowie ein Klistier, das sie am andern Morgen frühzeitig nehmen sollte. Als dies geschehen war, konnte er gar nicht schnell genug zu Madame Clarice kommen, um ihr diese Dummheit Gandinos zu erzählen. Ihr könnt Euch wohl vorstellen, wie man da lachte und sich über den Bergamasken lustig machte, schien es doch der Herrin und allen andern, als ob alle Augenblick aus den Dummheiten, Schwabenstreichen und Narreteien dieses Oberschafskopfs neue Anlässe, die Steine zum Lachen zu bringen, erwüchsen.
Wie bereits gesagt, fürchtete Gandino stets, Zanina möchte Hungers sterben und atzte sie daher drei- oder viermal täglich mit zartem Rebhuhnfleisch und frischen Eiern und ließ sie auch während der Nacht allerlei Eingemachtes essen. Und sie, die man noch nie den Ranzen bis zur Sättigung füllen sah, die im Essen und Trinken Ciniglione geschlagen haben würde, verschlang die Speisen, ohne sie zu kauen, aus Furcht von Kräften zu kommen. Als Zanina in der folgenden Nacht nach dem Julep verlangte, da sie Durst hatte, stand Gandino, der in der Kammer bei seiner Frau schlief, schlaftrunken auf und ergriff, in der Meinung, den Becher mit dem Kühltrank zu fassen, das Glas mit dem Klistier und reichte es ihr. Da sie infolge einer Magenverstimmung großen Durst hatte, führte sie es an den Mund und trank es ganz aus, ohne daß er noch sie den Irrtum gewahr wurden.
Als es Morgen geworden war, stand sie auf und kleidete sich an. Wie sie sich aber dem Tisch näherte, um irgendeinen Gegenstand zu holen, bemerkte sie, daß das Glas mit dem Klistier leer war. Da fragte sie den Gatten, was damit geschehen sei. Alsbald merkte er den Irrtum und sagte ihr, wie sich die Sache verhielt. Darüber ergrimmte sie mächtig, fuhr ihn wütend an und fing an, ihm alle Schade zu sagen, die ihr nur in den Mund kam. Nun befand sich eine Amme im Zimmer, die ihr vordem ein kleines Bübchen genährt hatte, das ganz klein gestorben war. Diese mischte sich ein, um sie zu versöhnen, aber ohne Erfolg, denn Zanina war ganz außer Rand und Band und konnte es nicht verwinden, daß ihr Gatte sie das Klistier hatte austrinken lassen.
»Schmutziger Hund«, schrie sie ihn an, »nicht eher werde ich mich über den Schimpf beruhigen, den du mir angetan hast, als ich dich gezwungen habe, deinen eigenen Kot zu fressen! Nein, nein, mach nur, was du willst, ich werde mich dafür rächen!« So groß war die Wut, welche die ergrimmte Zanina würgte (vielleicht auch die Unverdaulichkeit der Speisen, die der Magen nicht zu bewältigen vermochte, wenn es nicht das genossene Klistier war, das seine Wirkung tat), daß sich ihr ganzes Inneres umdrehte, so daß sie mit Macht die unverdaute Nahrung, die ganz aussah, als habe sie sie eben verschluckt, auszuspeien begann. Der gute Gatte hielt ihr den Kopf, und immerfort gab sie unter lautem Jammern das versehentlich zu sich Genommene von sich. Gandino tröstete sie so gut er konnte, und die Amme, die sich auch nur um sie bemühte, sprach ihr gleichfalls Mut ein.
Nachdem der Magen ein wenig von seiner übermäßigen Last befreit war, brach ein neuer Sturm herein; denn das zwischen zwei Hügeln eingebettete garstige Loch unweit des bösen Loches, das nach Freuden verlangt, begann unter mißduftenden Donnerschlägen, den gewöhnlichen Vorboten eines Platzregens, eine übelriechende Luft auszustoßen, die das ganze Gemach verstänkerte. Und nach dem Donnergepolter kam der Blitz des Dünnerichs, so daß alles von unten bis oben mit Kot und Erbrochenem besudelt war und mächtig stank. Der arme Gandino und die Amme, die neben ihr standen, sahen sich dermaßen von diesem scheußlichen Teig überkleistert, daß es sie infolge des Stanks, der von ihnen ausging, vor sich selbst grauste. Doch sahen sie sich gezwungen, eine gute Weile diesen Geruch zu ertragen und Zanina beim Reinigen ihrer Person behilflich zu sein, die von oben bis unten stank, bevor sie gehen konnten, ihre Kleider zu wechseln. Doch strömten sie diesen selben Tag und auch noch den folgenden einen Duft aus, der an alles andre erinnerte, nur nicht an Zibet und Moschus.
Als die Explosion zu Ende war, beschloß Zanina, die den Tod mehr fürchtete als irgendeine Frau, die ich je gekannt, obwohl die Schmerzen aufgehört hatten, zu beichten, damit sie nicht unversehens von den Wehen überfallen würde. Als Gandino vernahm, daß seine Frau beichten wollte, ließ er den schönsten Streich los, den man je gehört. Und hätte er in seinem Leben auch nie eine andre Narrheit begangen – und er hat deren doch eine beträchtliche Menge geleistet – so könnte man ihn für diesen einen, den ich Euch nunmehr erzählen will, ohne weitere Zeugen feierlich als den kapitalsten Narren, der je gelebt, kanonisieren. Vor allen Dingen beschloß er, sich zu überzeugen, ob seine Frau in niemand verliebt sei. Mit dieser Grille im Kopf ging er zu seiner Gattin, die im Bett lag, verschloß die Tür, und nachdem er sich überzeugt hatte, daß niemand außer ihnen beiden sich im Zimmer befand, näherte er sich ihr und sprach: »Liebe Frau, ich wünsche, daß du mir die Wahrheit sagst über eine Sache, die ich dich fragen werde, aber hüt dich wohl, mich anzulügen; und damit du genötigt bist, die Wahrheit zu sagen und ich das glauben kann, was du mir antworten wirst, will ich, daß du auf diese heiligen Horen des Breviers der Himmelskönigin schwörst, mir die lautere Wahrheit zu sagen. Der Eid wird so heilig sein, daß der Teufel dich mit Leib und Seele davontragen kann, wenn du nicht die Wahrheit sprichst. Hier ist das Brevier; schwöre darauf!«
»Und was soll ich schwören?« fragte sie.
»Das sollst du schon erfahren«, antwortete Gandino, »schwöre du nur, wie ich dir gesagt habe.«
Ohne sich denken zu können, worauf der Gatte hinaus wollte, berührte sie das Brevier mit den Händen und schwor, wie Gandino es ihr vorsagte. Jetzt sagt doch bitte, was für ein Einfaltspinsel war dieser arme Eifersüchtige, eine Frage wie die folgende an seine Frau zu richten. »Ich will«, sagte Gandino, »daß du mir unter dem Eide, den du mir geleistet hast, bekennst, ob du, seit du mein Weib bist, jemals mit einem außer mir ein Verhältnis gehabt oder ihn geliebt hast.«
Als Zanina sah, daß es für sie nur einen Ausweg gab, setzte sie beherzt über das Hindernis weg und antwortete mit Nein, ohne mit einer Wimper zu zucken.
Überzeugt, daß seine Gattin niemals einen Meineid schwören würde, war Herr Schafskopf ganz außer sich vor Freude über diese Antwort, und da er fürchtete, das zuviele Sprechen mit dem Mönch möchte seiner Frau beschwerlich fallen, sagte er zu ihr: »Mein teures Weib, ich möchte nicht, daß das Beichten Eure Leiden noch vermehrte. Ich kenne alle Eure Sünden, wenn Ihr die Wahrheit geschworen habt, was ich fest glaube, und daher werde ich sie auf ein Blatt Papier schreiben, das Ihr dem Mönch übergeben und zugleich die Auferlegung der Buße dafür verlangen und ihm sagen werdet, das sei alles, was Ihr tun könntet.«
Als Zanina diesen Abgrund von Dummheit sah, erklärte sie sich bereit, also zu tun, worauf Herr Kürbis ohne Salz, vielmehr Melone ohne Geschmack einige Kleinigkeiten und Pekkadillen, wie sie bei den Frauen gang und gäbe sind, aufschrieb, z. B. über die Nachbarin klatschen, neidisch auf die Gevatterin sein, weil sie besser gekleidet, in Zorn geraten sein, weil eine in der Kirche den vornehmeren Sitz eingenommen, die Katze verwünscht zu haben, als sie die Töpfe umwarf und ähnliche Spänchen, die zusammen noch keinen Span geben. Als er aufgeschrieben hatte, was er für gut hielt, übergab er das Papier seiner Frau. O du heilige Einfalt, nein, o du kapitaler Schafskopf! Zu glauben, daß seine Frau nicht ein Weib von Fleisch und Bein wie die andern sei! Und sich für so klug und verschmitzt zu halten, daß er fest davon überzeugt war, daß sie nichts tue, was er nicht ganz genau wisse. Was er von sich selbst sich vielleicht nicht einbildete, das glaubte er bei seiner Frau zu können: ihre Gedanken zu kennen, um die allein unser Herrgott weiß.
Der Mönch erschien, und als er in die Kammer getreten war, erhielt er die Sündenliste ausgehändigt. Und damit er seiner Frau zu Hilfe eilen könne, falls sie einen Ohnmachtsanfall bekäme, blieb Herr Dummbart am Eingang der Kammer stehen, die nicht sehr groß war, so daß er alles hören konnte, was der Mönch und sie zusammen sprachen. Als Zanina sah, daß Gandino Zeuge der Beichte sein wollte, die doch geheim sein soll, fürchtete sie, er möchte etwas von den Dingen hören, die sie vor ihm verborgen zu halten wünschte, weshalb sie die Sache in zwei Worten abmachte und sich die Beichte Ser Ciappellettos zum Muster nahm; sagte sie doch später zu jemand, sie hätte nicht gewagt, alles zu bekennen, aus Furcht, Gandino könnte es hören.
Während der Mönch in der Schlafkammer weilte, kam der Arzt Meister Carenzone die Kranke besuchen, und Gandino erzählte ihm, daß er die Sünden seiner Frau aufgeschrieben habe, und dieses hübsche Sammetblümlein, vielmehr dieses Blümlein von feinstem und zierlichstem Brokat, produzierte er mit so strahlender Miene, als ob er davon berichtete, daß er das Kaiserreich des Orients erobert und das Heilige Land wiedergewonnen habe.
Zanina, welche die Sinnesart ihres Gatten bis ins Letzte genau kannte, wiegte ihn dermaßen in Sicherheit und wickelte ihn so ein, daß sie ihren Freuden die Bahn breit machte, wie sie nur wollte. Und da sie ihren Lautenlehrer liebte, brachte sie es dahin, daß Gandino auf viele andere im Hause eifersüchtig wurde, ihm jedoch keine Beachtung schenkte. Wenn daher das Paar genug vom Lautenspiel hatte, beschäftigten sie sich mit dem Toccatillspiel oder mit Tricktrack, wobei sie aber in der Hauptsache verliebte Küsse austauschten, eine Tätigkeit, bei der sie mehrmals von Leuten gesehen wurden, die darauf achtgaben.