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Ein Florentiner Doktor lehrt einen seiner Schüler die Liebeskunst; dieser verliebt sich in die Frau des Doktors und verlustiert sich mit ihr; als es der Doktor erfährt, ärgert er sich über sich selbst und macht dem Schüler Vorwürfe.
Es ist noch nicht lange her, da zog nach Siena ein sehr tüchtiger Doktor der Medizin. Es war ein Florentiner Edelmann, der wegen der Steuern, die der Herzog immer von neuem ausschrieb, Florenz mit seiner ganzen Familie verlassen hatte, nach Siena gegangen war und hier in der Via Camollia ein stattliches Haus als Wohnung sich erwählte. Er lag dort seinen Studien mit großem Fleiße ob und sorgte sich nicht um sein verlassenes Vaterland, dachte vielmehr nur an die Frau, die er mit sich genommen; denn es war eine schöne und schmucke Frau, paßte aber gar wenig zu ihm; denn sie war zu jung und schön. Er war zwar auch noch ein recht schöner Mann von stattlichem Äußern, aber zu alt für die Frau. So weilte also der Doktor in Siena, und er und die Frau hatten binnen kurzem so unsere Art und Weise angenommen, daß man sie leichter für Sienesen als für Florentiner gehalten hätte.
Wegen seiner Tüchtigkeit durfte der Doktor Vorlesungen an der Sapienta halten, und er lag ihnen mit vielem Eifer ob und mühte sich sehr um die Schüler, wie es die Doktoren zu tun pflegen. Im Wettstreit mit den andern setzte er seine Ehre darein, die besten und vornehmsten Schüler zu haben, und gab sich alle Mühe, wie es ein Fremder in anderem Lande tun muß, wenn er das Seine erhalten und behaupten will. Nach ich weiß nicht wieviel Monaten hatte dieser Doktor einen Schüler erworben, der sehr an ihm hing, mit dem er sich sehr beschäftigte und dem er alles zeigte, was ein guter Lehrer zu lehren verpflichtet ist. Dieser Jüngling schien dem Doktor schon recht in den Wissenschaften, besonders in der Philosophie bewandert, und der Doktor liebte ihn sehr, da die Naturanlage des jungen Mannes ihm mit seiner eigenen übereinzustimmen schien, zumal der Schüler auch viel von einem Philosophen hatte. Da er ihn nun so eifrig den Studien ergeben sah, empfand er es schmerzlich, daß dieser Schüler nicht wie die andern mit ihm ging und ihm Gesellschaft leistete, wenn er seine Kranken besuchte, und man ihn niemals auf den Straßen herumstreichen sah, wie es fast alle Schüler zu tun pflegten, deren man überall eine Menge sieht, und die an jeder Ecke eine Geliebte haben. Ihn sah man nur morgens und abends in der Sapientia, und wenn die Schüler ihre Lektionen vorgelesen hatten, machte er in den Disputationen, die dort gehalten wurden, seinem Lehrer alle Ehre.
Dieser einsame Lebenswandel seines Schülers schien dem Doktor ein sonderbares Ding, denn der Jüngling verließ nie das Studio, und man sah ihn nicht durch Siena streichen wie die andern, und darob konnte er sich nicht zufrieden geben, und ganz besonders wunderte er sich darüber, daß er nicht ein bißchen verliebt war, kurz, er war das gerade Gegenteil von den andern Schülern, den Fremden wie denen aus der Stadt; denn meiner Ansicht nach sind alle verliebt und nicht etwa in eine Frau, sondern wie ich schon sagte, alle, die sie sehen, lieben sie, und stets sind von ihnen die Wege voll, und an allen Ecken stecken sie, und niemand anders wie sie füllt die Straßen und alle Gassen, Schenken, Spielhäuser.
Ganz gewiß hatte der Doktor recht, wenn er von diesem Schüler glaubte, er sei so unwissend, daß er wie ein Kind eine Frau außer in der Kleidung nicht von einem Manne unterscheiden könne und gar nichts von der Liebe wisse. So lag der Nichtverliebte mit Eifer den Studien ob und kümmerte sich wenig oder gar nicht um uns, im Gegenteil, er verachtete uns eher, als daß er sich bemüht hätte, uns zu lieben; und wie Ihr wißt, Mann oder Weib, die in sich keine Liebe haben, kann man gewißlich mit den Tieren oder noch Schlimmerem vergleichen, und mit nichts anderem wußte ihn auch der Doktor zu vergleichen, der oft zu sich sagte: »Sieh nur diese große Zwiebel, so ungezähmt und wild lebt sie; wenn sie ein Tier wäre, hätte sie doch zu einer gewissen Jahreszeit ein bißchen Liebesbrunst.« Und bei sich dachte er, wie man ihn wohl verliebt machen könnte, denn, wie ich schon sagte, wenn er die Sapientia verließ, trieb er sich nie mit jemandem umher, der Narr von einem Philosophen, und wußte nicht einmal, wo das Haus seines Doktors lag, und die wenigen Häuser der anderen schönen Frauen; und der wackere Doktor sah keine andere Möglichkeit, seinen Wunsch zu erfüllen. Doch da er sich um seine Freunde sehr sorgte und noch vielmehr um seinen gelehrten Schüler, nahm er ihn eines Morgens nach Schluß der Vorlesung, da er ihn so einsam stehen sah und fürchtete, er möchte noch krank werden, bei der Hand und sagte, nachdem sich alle seine Schüler entfernt hatten, zu ihm nach einigen einleitenden Worten: »Sag mir doch, Imenio (so hieß er), was soll das heißen, daß du gar nicht verliebt bist? Das wäre mir lieber, als daß du so einsam lebst.« Darauf antwortete Imenio: »Bei Gott, Domine Magister, ich wundere mich sehr über Eure Frage, denn Ihr wißt doch, daß wer den Studien obliegt, nicht nötig hat, Liebeshändeln nachzugehen, und wer der Liebe pflegen will, darf nichts andres treiben, und Liebe ist nichts andres als Müßiggang und Zeitverlust und paßt nur für Leute, die nichts zu tun haben.« Darüber kamen sie in eine Disputation, und der kluge Schüler bewies es seinem gelehrten Lehrer mit tausend Gründen. Und dem Doktor schienen sie alle sehr stichhaltig, so daß es schien, als wäre der Jüngling lange Zeit verliebt gewesen, so gute Gründe brachte er seinem Lehrer vor, und der Doktor war genötigt, diesen wahrhaft stichhaltigen Gründen nachzugeben und gab das Gespräch auf, und es verging mancher Morgen, bevor er wieder über dieses Thema reden wollte, und fast jeden Tag setzte er ihm mit einer Stichelei zu, aber nie konnte er ihn von seinem Standpunkt abbringen.
Eines Festtagmorgens nun fand der Doktor zufällig seinen Schüler bei den Banchi und hielt das für ein wahres Wunder; denn Imenio pflegte das Haus nicht zu verlassen, wenn nicht Vorlesungen gehalten wurden, und kümmerte sich nicht um Messen und Vespern, noch um sonstige Tröstungen; und wie er ihn fand, rief er ihn und nahm ihn mit sich, und so gingen sie dahin im Gespräch über viele Dinge. Als der Doktor sah, daß Imenio ihn verlassen wollte, sagte er ihm: »Imenio, du könntest mir einen großen Gefallen tun.« Der Schüler, der ihm verpflichtet war, dachte, er als Fremder bedürfe irgend etwas, und da er reich war, antwortete er ihm mit heiterer Miene: »Ihr wißt wohl, daß Ihr über mich nur zu gebieten habt. Ich bin bereit, Euch zu dienen, wenn es in meinen Kräften steht.« Als der Doktor ihn so bereitwilligst seine Dienste anbieten hörte, sagte er: »Um dir die Wahrheit zu sagen, ich verlange nur etwas Leichtes von dir, wenn du es mir zugestehen willst.« Der Schüler zeigte sich dazu völlig bereit und begierig, ihm den Dienst zu erweisen. Als der Doktor sah, daß Imenio ihm nur zu dienen und gefällig zu sein wünschte, sagte er nach vielen Worten zum Schluß endlich zu ihm: »Wisse, Imenio, was ich von dir begehre, ist folgendes (denn das andere war nur eine Vorrede). Da ich dich so einsam und nur den Studien obliegen sehe, bin ich gezwungen, damit du nicht in eine Krankheit fällst, wie es leicht geschehen könnte, da du dich stets und ständig in deiner Kammer aufhältst, weil ich dir wohl will und dich lieb habe, dir den Heilsweg zu weisen und dir den Fehler zu zeigen, in den du verfallen bist; da ich sehe, daß du eines Tages mir und deinem Hause Ehre machen wirst, so will ich, daß du tust, was ich dir sage.«
Worauf Imenio erwiderte: »Sagt mir nur, was ich tun soll, und wenn ich es ausführen kann, werde ich es gewiß tun.« Nun sagte der tüchtige und kluge Arzt: »Du Armer hast keinen Festtag, hörst keine Messe und Vesper und im ganzen Jahr hast du dir keinen freien Tag gemacht, außer wenn keine Vorlesungen waren und du es tun mußtest. Nun, mein Imenio, mußt du mir aber versprechen, wenigstens an den Festtagen mit den Studien auszusetzen, wie es alle die andern Schüler tun, spazieren zu gehen und die Augen etwas vom Lesen auszuruhen und dir Bewegung zu machen«, und er führte ihm dafür viele Gründe an. Nachdem der Doktor so gesprochen, entgegnete ihm Imenio: »Was sollte ich denn mit meinen freien Tagen machen? Wohin gehen? Ist es nicht besser, im Studio zu bleiben? Sagt mir, was ist kostbarer als die Zeit?« Worauf der Doktor: »Sieh, so wie heute früh, es ist Festtag und viele ehrbare Leute gehen zum Dom, geh du auch wie die andern hin, höre wenigstens einmal die Messe dir an, wenn du es nicht öfter willst, und wenn die Feier in der Kirche zu Ende ist, geh in Siena spazieren, bis der Tag zu Ende ist. Wenn du das tust, machst du dir ein wenig Bewegung und kannst besser verdauen, und wirst wenigstens etwas deiner Schwermut ledig und deine Sinne aufwecken«, und dann führte er ihm viele Gründe aus Galenus und Avicenna, von Hippokrates und vielen andern, die über Medizin geschrieben haben, an. Da Imenio fühlte, daß der Doktor recht hatte, entschloß er sich zu seinem Nutzen so zu handeln und versprach es ihm für alle Festtage, wo nicht gelesen wurde. Als der Doktor ihn soweit hatte, setzte er hinzu: »Da du mir das versprochen hast, sollst du mir für diese Tage noch etwas anderes versprechen, und das mußt du auch tun, wenn du mir wirklich, wie du es zeigst, einen Gefallen erweisen willst.« Worauf der Schüler: »Mein teurer Meister, ich werde es an mir nicht fehlen lassen, wenn es nur etwas ist, das sich mit meiner Ehre verträgt.« »Durchaus«, entgegnete der Doktor, »heute morgen gleich, es ist noch zeitig genug, gehe in den Dom und sieh dir dort alle schönen Frauen an. Du wirst da auch einige hundert Schüler finden und kannst mit dem einen oder andern, über die gehaltenen Vorlesungen und von tausend andern Dingen, wie sie einem jederzeit in den Mund kommen, sprechen. Wenn du dir alle Frauen betrachtet hast, mußt du mir sagen, welche die schönste ist, welche die meiste Anmut hat und dir am besten gefällt und dann suche dir eine aus zur Geliebten oder zur Frau.«
Imenio schien aber kein Gefallen an solchem Spiel zu finden und sagte zum Doktor: »Ihr wollt also, daß ich mir heute die Frauen ansehe? Das kann ich unmöglich machen (der arme Narr verachtete uns aufs äußerste), ich kann sie nicht leiden, denn sie bleiben nicht eine einzige Stunde fest« und ähnliches mehr sagte er zu unserm Schimpf: »Es tut mir sehr leid, Herr Doktor, es Euch versprochen zu haben, denn nun muß ich es halten, aber glaubt nicht, daß ich es gern tue, sondern ich tue es nur aus Liebe zu Euch und um Euch zufrieden zu stellen; denn nach dem, was ich von allen hörte, kann es keinen schlechteren Verkehr als mit einer Frau geben; und sie gilt als das lasterhafteste Tier auf der Welt. Und damit Ihr seht, daß das die Wahrheit ist, so lest den Ariost, der so viel Schlimmes von ihnen erzählt und doch ein kluger und sehr gebildeter Mann war! Und ist er etwa der einzige, der von ihren Mängeln gesprochen hat? Lest doch alle Werke Eures florentiner Dichters, der noch Schlimmeres als Ariost von ihnen sagt. Ich will gar nicht von Pietro Aretino reden, denn Ihr kennt ihn ja, und wollte ich Euch alle aufzählen, die schlecht von den Frauen sprechen, so würde meine Rede zu lang werden.« Als der Doktor den Florentiner erwähnen hörte, ward die Liebe zu seiner Heimat wieder in ihm wach, und da er nicht den Florentiner entschuldigen und den Ferraresen anklagen wollte, entgegnete er: »Sagt nicht, antworte mir, Imenio, Ludovico Ariosto auch ebensoviel Gutes von den Frauen?« »Gewiß«, versetzte Imenio, »aber was will das Gute bedeuten, wenn er erst vom Schlechten spricht? Meiner Treu, das kommt mir so vor, als ob mir jemand eine Wunde schlägt und sie mir dann mit tausend Pflastern heilen will. Deswegen bleibt doch mein Übel, und wenn er mich auch heilt, bleibt doch die Narbe. So ist es das gleiche, wenn er zuerst das Böse sagt und es dann mit ein bißchen Gutem verdecken will; deshalb bleibt doch der erste Makel, und stets bleibt der Tadel, und man kann ihn durch nichts verdecken.«
Als der Doktor Imenio so standhaft und fest sah, wollte er ihn weicher stimmen und sagte: »Sieh, Imenio, was für Schlimmes hast du denn unsern florentiner Dichter sagen hören? Lies doch seine Sonette und Capitoli und Canzonen, und du wirst finden, daß er stets gut von den Frauen gesprochen hat. Es ist mir nicht bekannt, daß jener etwas anders tat, als daß er Dinge zum Lobe der Frauen sagte, und mit gutem Gewissen kann auch keiner etwas Schlechtes von ihnen sagen, aber du willst ihn tadeln, weil er Florentiner ist, und aus keinem andern Grund.« »Ich meine ja nicht Francesco Petrarca«, sagte Imenio, »aber lest einmal alle Werke von Boccaccio, und Ihr werdet sehen, ob er von ihnen Gutes oder Böses sagt.« Und darüber kamen sie in großen Disput, bis schließlich der Doktor nicht soviel Gutes von den Frauen zu sagen wußte als jener Böses sagte. Doch der Doktor als gelehrter und erfahrener Mann brachte endlich so viel wahre Gründe vor und war so schlagfertig, daß er endlich nach vieler Mühe und indem er stets unsere Partei nahm, wie es sich gehört, den Schüler doch noch besiegte. So gewann er also sein tapferes Unternehmen, erstürmte die Burg und machte ihn zum Gefangenen.
Als Imenio sich mit so vielen und schwerwiegenden Gründen bekämpft und verloren sah, versprach er nochmals, um dem Doktor gefällig zu sein und zu erproben, was es mit den Frauen auf sich hätte, zum Dom zu gehen und sich alles, was er wünsche, anzusehen. Als der Doktor ihn zu allem bereit sah, sagte er: »Jene, Imenio, die die meiste Anmut hat und dir am meisten gefällt, sollst du zu deiner Geliebten erwählen, denn du weißt, wie ich dir schon sagte, daß ein Mensch ohne Liebe nur ein Tier ist.« Nach dieser Übereinkunft schlug der Schüler den Weg nach dem Dom ein, und als er dort war, begann er, da es noch früh war, sich darin zu ergehen, wie es die Jünglinge zu machen pflegen, sah sich bald diese, bald jene Frau an und überlegte sich, welches wohl die schönste wäre. Und an diesem Morgen sah er viele, und fast alle waren sie schön. Bei diesem Anblick begannen um sein Herz die Liebesflammen zu lodern, und er gedachte der Worte des Doktors und der Freuden, von denen er ihm erzählt hatte, und daher konnte er sich an ihnen kaum sattsehen, und angesichts dieser vielen Schönheiten konnte er sich nicht entschließen, eine auszuwählen, weil er am liebsten alle gewollt hätte. So versank der Neuverliebte, der doch nicht wußte, in wen, in tiefe Gedanken und stand inmitten der heißen Flammen und der stechenden Pfeile der Liebe, und als die Messe vorüber und die Kirche leer war, ging er ganz verwirrt heim zum Mittagessen, und zu Hause setzte er sich ungesäumt an den Tisch zum Essen, und tausend Jahre schienen ihm zu vergehen, ehe er wieder in den Dom zurückkehren konnte. Nachdem er schnell gegessen, verließ er das Haus, ging zum Dom, und dort paßte er auf, als ob er niemals Frauen gesehen hätte. Und wenn er eine sah, lief er schnell herbei, um sie sich anzuschauen, und alle erschienen ihm wie Engel aus dem Paradiese und alle jungen gefielen ihm, und die schöneren unter ihnen ganz besonders; und nachdem schon viele da waren, kam eine und die, zog sie nun das Blut zueinander oder war sie ihm bestimmt, gefiel ihm gar sehr; sie war schön und anmutig, jung und entzückend von Antlitz, und zufällig war es die Frau des Doktors. Er kannte sie nicht, und da sie nicht anders gekleidet war als die andern, wußte er nicht, wer sie wäre; sie gefiel ihm mehr als alle andern, und zu ihr entbrannte er in Liebe über die Maßen und erwählte sie zu seiner Geliebten und begann in ihrer Nähe herumzuspazieren und lernte bald den Verliebten machen; er dachte weder mehr an seine Studien noch an etwas anderes, sondern hatte nur auf sie sein ganzes Sinnen gerichtet und konnte sich an ihr nicht sattsehen, schien sie ihm doch die schönste Frau auf der Welt zu sein. So hatte sich der Jüngling in das feste starke Netz der Liebe derart verfangen, daß er nicht mehr wußte, was er tun sollte; er ließ daher von allen andern und kümmerte sich nicht um sie und folgte ihr nur allein, und den ganzen Tag weilten seine Gedanken bei dieser seiner neuen und ersten Liebe, und mit feurigen Blicken offenbarte er sie der Schönen. Nach der Vesper verließ die Frau mit der Magd die Kirche und ging heim. Der verliebte Jüngling folgte ihr Schritt für Schritt bis zu ihrem Haus, und bald bemerkte die Frau diesen Liebhaber und sah ihn mehrere Male an, und auch ihr begann der Jüngling zu gefallen, denn er war stattlich und hatte eine gute Gestalt und dazu stand er in der Blüte der Jugend; denn er war noch nicht fünfundzwanzig Jahre alt, und er hatte ein schönes Gesicht und war gut gekleidet, und so begann auch die Frau sich in ihn zu verlieben und sah ihn manchmal an, während sie ihres Weges ging, schien sich aber, wie es Brauch bei uns Frauen ist, nicht im mindesten um ihm zu kümmern, trat, als sie heimgekommen war, ins Haus und ließ den Jüngling draußen mit seinen nichtigen Hoffnungen und gewissen Schmerzen. Wenn er aber auch ihres strahlenden Lichts beraubt war, stand er doch ganz in Flammen, und die Freude gewann den Sieg über die Schmerzen, nachdem er gesehen, wo sein Leben wohnte. So stand er noch eine Weile in der Nähe des Hauses seiner Geliebten. Obwohl diese beim Eintritt in das Haus so tat, als habe sie ihn nicht bemerkt, trat sie doch, kaum daß sie sich ausgekleidet, ans Fenster, um den Liebenden besser zu fesseln, und nachdem sie ihn gesehen, verließ sie es alsbald wieder. Als der Jüngling sie nicht mehr sah, wußte er jetzt nicht, was er weiter machen sollte, denn sein Doktor hatte ihn nichts mehr gelehrt, und als er sich endlich nach Hause wandte, traf er, es war schon Nacht, in der Via Camollia, zufällig auf seinen Doktor, der zum Abendessen heimging, sprach ihn an und sagte ihm, daß er den ganzen Tag getan, was er ihm befohlen habe. Wie das der Doktor hörte, sagte er sehr erfreut: »Und hast du eine gesehen, die dir gefällt?« Da stieß der Jüngling einen tiefen Seufzer aus und sagte: »Wisset, Doktor, Ihr habt mir die Wahrheit gesagt, ich hätte nie an so etwas gedacht und mich nie auf ein ähnliches Unternehmen eingelassen. Heute habe ich viel schöne Frauen gesehen und glaubte im Paradiese zu sein, da ich soviel Schönheit schaute. Unter den andern sah ich eine, die mir schöner als alle zu sein schien, und gern würde ich sie so lieb haben, wie meine Bücher und würde mehr und größeres Vergnügen von ihr haben. O ich werde nicht das Glück haben, sie nur ein einzigesmal wie jene in die Hände zu nehmen und mich in sie zu versenken und sie bald hierhin bald dorthin wenden zu können. Ich weiß, wenn das geschähe, würde ich tausendmal mehr Freude an ihr als an all den Büchern haben.« Als der Doktor den Jüngling so voll Wärme sprechen hörte, glaubte er, ihn auf den rechten Weg geführt zu haben, und dachte bei sich: »Vielleicht habe ich doch das Mittel gefunden, ihn verliebt zu machen« und sagte zu ihm: »Hast du dir ihr Haus gemerkt, daß du sie manchmal sehen kannst?« Der Jüngling hatte es sich wohl gemerkt und antwortete: »Wisset, Doktor, daß, sobald die Vesper zu Ende war, sie mit der Dienerin die Kirche verließ, und da sie mir am meisten gefiel und die Schönste dort war, und ich mich in sie verliebt hatte, folgte ich ihr nach Hause und habe wohl gesehen, wo sie wohnt, so daß ich mich nicht irren würde.« Dem Doktor schien der Jüngling die erste Lektion gut gelernt zu haben und nun wollte er ihm die zweite geben und sagte:
»Höre, Imenio, da ich dich so viel gelehrt habe, will ich dich auch noch das Übrige lehren, wie du dich in Zukunft zu verhalten hast, wenn du dich mit ihr zusammenzufinden wünschest. Also wenn du dich ihrer je zu erfreuen begehrst, dann mußt du in das Gäßchen des Bargello gehen zu der Frau, die Schleier verkauft, – wenn ich recht mich erinnere, ist es eine Frau aus dem Borgo; oder du suchst den Meister Pietro, den Kälberhändler auf, der besser als jeder andere Mann sich auf solche Künste mit gewissen falschen Worten und tausend Fabeln versteht, und sieh zu, daß du ihn für dich gewinnst; es genügt, wenn ich dir sage, daß er Neapolitaner ist; oder wenn dir diese nicht gefallen, da ist Monna Bonda, die Fleischersfrau, und eine gewisse Monna Bartolomea, die in der Via Camollia wohnt, und da oben ist noch eine, die Bäckerin, die auch ihr Geld wert ist. Wenn dir auch diese nicht behagen, dann geh zum Zollhaus, da wohnt eine Jüdin, die Schminken verkauft, Stella heißt sie, die richtet dir auch für weniges Botschaften aus. Bei der Loggia des Papstes ferner wohnt eine gewisse Santa, die besorgt auch heimliche Briefe, ganz geheim und auf alle Weise, wenn du ihr etwas schenkst. Genug, wenn du suchst, findest du an jeder Ecke eine von diesen Rosenkranzbeterinnen, ich kann mich nicht auf alle ihre Namen besinnen. Eine von diesen suche auf, die dir am geeignetsten für dein Vorhaben scheint, und erkläre ihr mit guter Manier, was du benötigst, und bitte sie um Hilfe und sage ihr, sie wolle mit ihr sprechen, und wenn du nicht den Namen weißt, dann zeig ihr das Haus, und wenn noch andre Frauen darin wohnen, zeig ihr deine Geliebte und schenk der Botin etwas Geld. Dann laß sie nur machen, sie wird schon alles gut besorgen, besser als du, und ausrichten, was du willst, denn darauf verstehen sich diese alten Weiber meisterhaft, und sie haben immer tausend Schnickschnack zu erzählen und einen Berg von Ausflüchten, die sie im Notfall vorbringen.«
Imenio hatte mit allergrößter Aufmerksamkeit zugehört und kein Wort verloren und dachte gleich, die Schleierhändlerin wäre die geeignetste Unterhändlerin für ihn, und sie wollte er als Beistand in seiner Angelegenheit auswählen. Nachdem er also des Doktors Rat gehört, nahm er von ihm Abschied und ging ganz in Gedanken versunken heim, dachte über seinen Liebeshandel nach, verfaßte dann einen schönen Brief und schrieb ihn mit vieler Sorgfalt, suchte sodann die Schleierhändlerin auf, entdeckte ihr mit kurzen Worten seine ganze Liebesgeschichte und sagte, was er wollte. Die gute Frau, in dieser Kunst eine sehr erfahrene Meisterin, tröstete den Jüngling freundlich und sagte zu ihm:
»Laßt mich nur machen, ich will Euch gern dienen und mit all meiner Kunst diesen Dienst erweisen.« Und sie gab ihm tausend gute Worte, wie es diese Personen zu tun pflegen, die jeder, der sie nicht kennt, für halbe Heilige halten würde, so sehr wissen sie Unschuld und Ehrbarkeit zur Schau zu tragen. Als Imenio hörte, daß die Frau ihm gute Hoffnung machte, zeigte er ihr das Haus, erklärte ihr, wie seine Geliebte aussähe und gab ihr seinen Brief und ich weiß nicht wieviel Geld. Die verschlagene Alte nahm Geld und Brief, verließ den Schüler und versprach ihm, was in ihren Kräften stände zu tun, um ihn ans Ziel seiner Wünsche zu bringen. Die wackere Meisterin also verließ den Jüngling, der sie mit großer Sehnsucht zurückerwartete.
Als die gewiegte Kupplerin ihre Zeit für gekommen hielt, nahm sie ihre Schachtel mit dem Krimskrams für Frauensleute, wie Schminken, Pulver, Wasser, Seifen, Öle und ähnliche Dinge und dazu eine Tasche mit Schleiern; stets nahm die verwünschte Alte tausend Sächelchen für verwöhnte Weiber mit sich, und wenn es irgend etwas Neues gab, so war es gleich in ihren Händen, und so machte sie sich auch diesmal mit diesem Gift, mit diesen Schlingen, mit diesem Vogelleim, mit tausend Ausflüchten auf den Weg, suchte die Geliebte des Schülers auf und begann, wie sie bei ihr war, mit tausend trügerischen Worten ein Gespräch. Obwohl die junge Frau mehrmals unbedachterweise oder in jenem Augenblick auch wohl verliebt auf ihn geblickt hatte, war ihr der Jüngling doch ganz aus dem Gedächtnis entschwunden, und sie dachte nicht an dergleichen. Sie wunderte sich daher über das Kommen der Alten und war ganz erstaunt, zu hören, was jene zuletzt von ihr wollte. Die Schleierhändlerin sprach lange hin und her und versuchte auf verschiedene Art zu erkunden, ob die junge Frau verliebt war. Doch als sie stets wie eine Stumme dastand und nichts entgegnete, hatte die Alte ihr Bedenken wegen ihrer Schweigsamkeit, und um sie zum Reden zu bringen, begann sie an andres Gespräch: »Könnt Ihr mir sagen, wer der Gouverneur des Kastells ist? Ich habe nämlich vor zwei Tagen nach einigen Schleiern geschickt und die wurden meinem Boten betrügerisch entwendet. Glaubt Ihr, daß Euer Gatte zu dem Gouverneur Beziehungen hat?« Bei diesen Worten war die gute junge Frau ganz sicher, daß jene die Wahrheit sagte und erwiderte ganz einfältig, wie wir Frauen es zu tun pflegen. »Wisset, gute Frau, mein Mann vermag gar nichts in Florenz. Er hat es wegen des schlechten Regiments verlassen, das seit der Übernahme der Herrschaft durch den Herzog Alessandro herrscht, und kümmert sich um nichts in Florenz und gedenkt auch nicht, so lange dieser Herzog regiert, dorthin zurückzukehren. Wir konnten wegen der vielen uns auferlegten Steuern den Kopf kaum erheben und uns blieb beinahe nichts«, und nun begann die junge Frau ihren ganzen Kummer zu erzählen und sagte vom Herzog alles Schlechte, was sie nur konnte, und erzählte von tausend Mädchenschändungen, Nonnenliebschaften und ähnlichen Dingen, wie sie diese Herren in ihren Städten zu treiben pflegten.
Der wackeren, würdigen Meisterin schien es, als habe sie nun die junge Frau auf den rechten Weg geführt, und so sagte sie: »Meine teure Madonna, bedenkt, daß es überall Unglück gibt, und man kann beinahe nirgends mehr leben, so verderbt ist die Welt.« Und abermals sprach die falsche Alte von dem und jenem, und als sie die Junge schon bis an den Rand des Netzes gebracht hatte, in dem sie sie fangen wollte, begann sie sie von ganzem Herzen zu beklagen: »Meiner Treu, es ist wirklich jammerschade, daß Ihr, so jung und schön, einen so alten Mann habt. Aber das ist noch nicht so schlimm, als daß Ihr fern von den Euren seid, und wie schwer muß es zu tragen sein, wenn man niemand hat, der einem ein wenig Liebe bezeugt«, und nun schwatzte sie ihr tausenderlei vor, bis sie ihr auch ein Tränchen ausgepreßt hatte. Und als die Alte die Junge genügend bedauert hatte, ging sie daran, ihr den eigenen Kummer zu erzählen und mengte dabei tausendfach Lug und Trug darunter, und unter falschen Worten begann sie auch einige Tränen fließen zu lassen, die ihr von Herzen zu kommen schienen, und als ihr dann die Zeit gekommen dünkte, sagte sie: »Seht mich an, meine teure Madonna, was würde aus mir, die ich hier lebe, wenn mir nicht durch die Gnade Gottes die Jünglinge hier und auch die Frauen reichlich zu verdienen gäben, und wüßtet Ihr nur, wie nobel sie sind, es gibt auf der Welt keine bessern; jeden Tag lassen sie mich etwas verdienen, immer habe ich für sie Geschäfte, und da ist unter andern ein Jüngling, der mir keine Stunde Ruhe läßt, so verfolgt er mich und bittet, daß ich ihm etwas besorge. Denkt nur, als ich in Euer Haus trat, wollte er durchaus, daß ich Euch einen Brief gäbe, aber auf solche Sachen lasse ich mich nicht ein. Ich wollte ihn daher nicht nehmen; wie er das sah und wie ich nicht gleich wollte, packte er mich beim Arm und schob ihn mir ins Brusttuch und sagte:
»Sieh zu, Alte, daß du ihr ihn gibst, und wenn du jemals zu irgendwem ein Wort davon sagst, so schneide ich dir die Gurgel ab«, und ähnliche Drohungen mehr, und dann besänftigte er sich wieder und sagte mit sanften und schmeichelnden Worten: »Empfiehl mich ihr, Alte«, und dann sagte er mir tausend Dinge, die ich schon vergessen habe, wie sie diese verliebten Jünglinge eben zu sprechen pflegen.« Die junge Frau wußte nicht, wo die Alte hinaus wollte und hörte diesen Worten stumm und ganz erstaunt zu. Als die Alte zu merken glaubte, daß ihr das Spiel gefiel, begann sie ihr die Liebe des Schülers zu entdecken, gab ihr von allem Kunde und überreichte ihr den Brief. Als nun die junge Frau, die sich jetzt des Schülers entsann, alles vernommen und den Betrug der Alten erkannt hatte, zeigte sie sich nach Frauenart etwas spröde, wandte sich zornig zu der Schleierhändlerin und schalt sie: »Ich glaube, Ihr meint, weil ich in dieser Stadt fremd bin, sei ich ein schlechtes Frauenzimmer. Ihr verdienet, daß man Euch täte, was Euch zukommt, elendes Weib, schurkische Alte, weg von mir, verlaßt das Haus, sonst halte ich nicht an mich und kratze Euch die Augen aus oder erdrossele Euch.«
Die gute Kupplerin, die sich auf ihre Kunst wohl verstand, kannte der Frauen Brauch (wenigstens ist es der Brauch eines großen Teils von uns) und war, obwohl die Junge sich zornig und hochmütig zeigte, sie schmähte und bedrohte, demütig, suchte ihren Zorn mit sanften Worten zu beschwichtigen und sagte: »Wisset, Madonna, Ihr tut Unrecht daran, solch einen Jüngling nicht zu lieben, natürlich ohne Eurer Ehre nahezutreten. Sagt mir doch, muß man nicht jemand wohlgesinnt sein und ihn lieben, der Euch liebt und begehrt? O Madonna, seid nicht hartherzig, denn Ihr tut daran Unrecht, seid so liebenswürdig, wie Ihr schön seid.«
Diese Worte mißfielen der jungen Frau nicht wenig, sie erhob sich und war entschlossen, die falsche Alte von sich zu jagen, und mit erregter Miene nahm sie voller Zorn die gottverfluchte elende Alte beim Arm und rief: »Fort von mir, du Teufelsalte, Gott schenke dir ein schlechtes Jahr!« Wie die Schleierhändlerin sie so grimmig sah, glaubte sie, sie meine es doch im Ernst, erschrak, und aus Furcht vor noch Schlimmerem machte sie sich wieder auf den Weg. Sie fürchtete, daß es ihr gehen könnte, wie es ihr schon einmal gegangen war; da hatte sie auch einem jungen Mädchen eine Botschaft ausgerichtet, und dieses hatte, wollte es nun nichts von dem wissen, von dem die Worte kamen oder aus einem andern Grunde, sie mit der Schere im Gesicht verwundet. Und damit es ihr nicht etwa ähnlich ginge, machte sie sich ganz unzufrieden davon, aber um einen Grund zur Wiederkehr zu haben, ließ sie die Schachtel mit ihren Waren zurück und suchte den Jüngling auf und erzählte ihm alles.
Als der verliebte Imenio vernahm, daß seine Geliebte nichts von allem hatte hören wollen, starb er beinahe vor Schmerz. Als die wackere Alte ihn so leiderfüllt sah, sagte sie, um ihn nicht ganz dem Kummer verfallen zu lassen: »Sorgt Euch nicht, Söhnchen, es ist kein Wunder, sie wird nicht immer bei dieser Gesinnung beharren, und die Frauen haben es so an sich, sich um das, was sie selber gar gern wollen, und um das, was sie am liebsten von ihren Gesellen erbäten, bitten zu lassen; und das tun sie, weil es einen guten Eindruck macht und aus einer gewissen geheuchelten Ehrbarkeit heraus, nicht etwa, weil sie nicht wollen. Das kommt daher, weil sie gemeiniglich um derlei nie gebeten sein möchten, und wenn sie mit einem Jüngling sprechen, so sind sie all den wohlgesetzten und einschmeichelnden Reden bitter feind; denn sie hätten es am liebsten, wenn dieser nur mit den Händen spräche, und das Minnespiel gefällt den Frauen besonders, wenn es beim erstenmal so aussieht, als täten sie es halb gezwungen. Das ist eine Marotte von ihnen, auf die nichts zu geben ist. Das habe ich Euch sagen wollen für den Fall, daß Ihr auf derlei trefft, damit Ihr wißt, was Ihr zu tun habt, und wenn sie auch spricht: »Ich werde es sagen, ich werde schreien, ich will nicht« und ähnliches mehr, so fahrt nur ruhig weiter fort, denn man findet keine, die es sagt und die schreit.« Und während die falsche Alte das dem Jüngling erzählte, machte sie ihm mit solchen und ähnlichen Worten Hoffnung und lehrte ihn, was er zu wissen nötig hatte.
Dem armen Scholaren, der etwas ganz andres erwartet hatte, mißfiel die Nachricht sehr, und ganz verdrossen, ohne etwas zu sagen, verließ er die Alte und suchte den Doktor auf. Und nicht lange danach fand er ihn; denn er hielt sich stets im Laden eines Apothekers auf, und erzählte ihm sein ganzes Mißgeschick und beklagte sich, daß er ihn zu solch einem Unternehmen verleitet hätte. Der Doktor als kluger Mann beschwichtigte ihn völlig und sagte: »Laß dich das nicht kümmern, Imenio, denn das ist noch nichts gegenüber dem, was sie sonst zu tun pflegen.«
Und er zählte ihm alle die Gründe auf, die ihm die Alte vorher angeführt hatte, und dann noch viele andre; darauf sagte er: »Suche nach drei oder vier Tagen die Schleierhändlerin wieder auf und schenk ihr mindestens einen Taler, wenn du dich ihrer Dienste versichern willst, und sag ihr, sie solle ein zweitesmal zu der Frau gehen und mit ihr sprechen und alles tun, was sie vermöge, und es wäre gut, wenn du nochmals einen schönen Brief aufsetztest.« Und mit solchen Worten tröstete ihn der Doktor und zeigte ihm den Weg und das Mittel, das ihn ans Ziel seiner Wünsche führen könnte.
Die junge Frau, die beim Fortgang der Alten in tiefen Gedanken mit dem ganzen Kram der Schleierhändlerin zurückgeblieben war, ward, als sie über alles nachdachte, von Begierde erfüllt, den Brief zu lesen. Sie suchte unter den Waren, zu denen ihn jene, wie sie wohl gesehen, gelegt hatte, fand ihn, und als sie las, wie heiß der Jüngling sie liebte, konnte sie sich auch nicht dagegen wehren, daß die Liebe zu ihm bei ihr Platz griff; und indem sie an ihn dachte, erinnerte sie sich der Worte der Alten, und von ihnen wie von dem Brief ward sie von Liebe zu Imenio erfüllt und dachte bei sich selbst, wie schade es wäre, die Blüte ihrer Jugend mit dem alten launischen Philosophen zu verlieren, und da es, wie Ihr wißt, die Gepflogenheit von uns Frauen ist, wenig bei der Stange zu bleiben oder Stich zu halten, namentlich wenn eine jung ist und sich schön und reich weiß und einen alten grillenhaften Mann hat, wie ihr Arzt einer war, so begann ihr der Teufel in den Leib zu fahren und der Wunsch über sie zu kommen, zu erfahren, was der Scholar von ihr wolle. Denn aus dem Briefe ging sein großes Verlangen hervor, sie ohne Zeugen unter vier Augen zu sprechen. Auch gelüstete es sie, zu erproben, ob er in Liebesdingen so zurückhaltend oder untüchtig sei, wie ihr ärztlicher Gemahl. Da sie also ihre jugendliche weibliche Brust schon von den süßen Pfeilen des Liebesgottes getroffen fühlte, beschloß sie, wenn die Alte ihre Schachtel holen käme, sich bei ihr nach allem genau zu erkundigen. Mit größter Sehnsucht verwahrte sie Schachtel und Brief an einem sichern Ort und wartete in voller Liebesglut auf ihre Rückkehr. Sie wollte sie nicht wie vordem von sich jagen, und tausend Jahre schienen ihr zu vergehen, ehe die Alte wiederkam, damit sie sich mit ihrem geliebten Jüngling zusammenfinden könnte; und bereits war die arme junge Frau soweit, wie nur ein elender unglücklicher Liebender sein kann, ja, sie litt noch mehr Pein als der Jüngling und rief, indem sie an ihre Jugend dachte:
»Weh mir Elenden, wie übel hab ich's getroffen, daß ich einen Mann heiraten mußte, der so wenig zu mir paßt. Genug, daß die, so mich verheirateten, mich einem Geldsack und nicht einem Manne anzutrauen trachteten, auf daß ein Groschen zu einem Haufen Goldes käme! Ein junger Mann ist mir mehr wert, als das größte Vermögen von der Welt! Was aber auch komme, ich will meine Jugend nicht verlieren und will nicht nutzlos bereuen; wenn diese Zeit verloren und ganz dahingegangen, würde es mich doppelt schmerzen.« In solchen Gedanken stand die junge Frau, von Liebe erfüllt und aufs schwerste bedrückt.
So vergingen mehrere Tage, und oft verwünschte sie gar bitter ihre Torheit, da kam endlich am vierten Tage die gute Schleierhändlerin, die in ihrer Kupplerkunst alt geworden war, mit heiterer Miene zu der Frau des Arztes, um ihre Schachtel zu holen, und sagte zu der Harrenden: »Wisset, meine teure Madonna, vorvorgestern habt Ihr mir solchen Todesschrecken eingejagt, daß ich meine Schachtel vergaß. Nun bitte ich Euch, sie mir gefälligst zurückzugeben; denn es ist mein Geschäft und mein Gut und mein Gewerbe, und von ihr lebe ich; und wenn ich Euch mit Zorn erfüllt habe, oder wenn Ihr von mir etwa beleidigt sein solltet, so bitte ich um Verzeihung.« Und noch tausend andre Worte gab sie ihr, geeignet, jeden schlimmen Gedanken zu verjagen, und dazwischen sagte sie ihr Schmeicheleien und bewunderte sie tausendfach, unter falschem Lächeln und allerlei tiefen Seufzern und allen möglichen Scherzen, die Leute ihres Schlages anzuwenden pflegen. Mit ihrem Geschwätz und ihren Schmeicheleien könnten sie den härtesten Fels erweichen, haben sie doch durchweg tausend Flausen bei der Hand, und der Gesprächsstoff mangelt ihnen niemals.
So schwatzte also die Alte, und wie sie sah, daß die junge Frau in Brand geraten war, sprach sie ihr von der Liebe und zählte alle ihre Schönheiten auf; und man kann sich denken, wie die junge Frau innerlich jubelte, als sie sich so preisen hörte. Nachdem sie nun von der jungen Frau genug geredet hatte, begann sie von dem Jüngling zu sprechen und bewies ihr mit tausend Worten, wie schön, reich, edel, feingebildet und tugendhaft er sei, spendete ihm ungeheures Lob, um dann endlich ihre Verführungskünste spielen zu lassen und zu sagen:
»Oh, liebe Madonna, wie könnt Ihr nur soviel Schönheit ungenützt vorüberlassen, ohne Euch Liebeslust zu verschaffen, wie könnt Ihr sie in Schwermut und Schmerzen hinbringen!« Und von neuem begann die Schleierhändlerin von ihren Reizen zu sprechen: »Sagt mir, wieviel Jünglinge gibt es in diesem Lande, die zum Himmel um solch eine schöne Frau wie Ihr beten würden! Mehr als tausend würden das begehren. Und nun sagt mir, wieviel Frauen gibt es hier, die so schön sind wie Ihr? Ihr werdet nicht vier unter ihnen allen finden, die so schön sind, so schöne Farben haben, ein so schönes Gesicht mit zwei der schönsten Augen, die man je sah, die wie zwei Morgensterne leuchten, die alle Leute zur Liebe zwingen; und dann habt Ihr eine schöne Hand, ein schlankes Bein mit einem zierlichen Fuß, fein wie er sein soll, und noch etwas habt Ihr, von dem ich hätte zuerst sprechen sollen, das ich mir aber für den Schluß aufgespart habe, das sind Eure krausen blonden Haare, das Liebesnetz, in dem Ihr den Jüngling gefangen habt, die nicht anders aussehen als Goldfäden, dazu eine Anmut, eine süße Sprache, eine prachtvolle Haltung« – kurz, die wackere Alte spendete ihr so viel Lob, wie man einer Frau nur geben kann. Ihr könnt Euch vorstellen, daß der jungen Frau abermals gar froh ums Herz wurde, als sie sich so loben hörte, und ihre Schönheit schien ihr durch diese Worte noch zu wachsen, und sie hörte ihr stumm zu. Und durch diese Worte und das traurige Benehmen ihres Mannes ward sie noch mehr zu dem Jüngling hingetrieben als er sich zu ihr gezogen sah, und da sie am gleichen Joche zogen, sagte sie heiter und mit halbem Lächeln zu der Schleierhändlerin: »Meine liebe Meisterin, ich bin überzeugt, daß alles, was Ihr mir sagtet, wahr ist, und wenn ich Euch für verschwiegen hielte, würde ich Euch sagen, Ihr sollt ihm erklären, daß er heute abend, ehe mein Mann heimkommt, was stets um die zweite oder dritte Stunde der Nacht zu geschehen pflegt, zu mir komme.«
Als die schlaue Alte sie so sprechen hörte, rief sie: »Gott schenke Euch Freude, daß Ihr so sprecht. Das behalte ich sicherlich für mich. Gott soll mich davor bewahren, es auszuplaudern, niemals sage ich ein Wörtchen davon. Bedenkt doch, daß ich dies Handwerk schon vierzig Jahre treibe und nie ist der geringste Skandal entstanden. Ich will Euch zu allem Überfluß noch sagen, daß es noch nicht vier Monate her sind, da war ich in Florenz, und Eure Base und auch die Frau Eures Bruders, ich weiß nicht, ob es Euer leiblicher ist, Caterina heißt sie, trugen mir beide solche Botschaften an einige Jünglinge, ihre Geliebten auf, und kein Mensch hat etwas davon erfahren, und Eure Verwandte, Caterina, wie gesagt, die junge Frau, ist in einen von der Schuhmacherzunft verliebt und Eure Schwester in einen schönen jungen reichen Bürger wie Euer Anbeter, und beide lassen sie sich ins Haus kommen und kosten nach Wunsch und Lust die süßen Früchte der Liebe, und kein Mensch weiß davon, so daß Ihr nicht zu zweifeln und nichts zu fürchten braucht. Glaubt Ihr denn die erste zu sein, die derlei tut, ohne daß jemand davon weiß?« So bestärkte die Alte sie in ihrem Vorsatz und ermahnte sie, ihren Geliebten zufriedenzustellen und redete ihr mit tausenderlei Lug und Trug zu. Lange sprachen sie noch so vertraulich, und nach vielen Worten von beiden Seiten, sagte die junge Frau, die schon gern etwas andres als Worte gehabt hätte und keinerlei Ermahnungen mehr nötig hatte, weil sie, wie gesagt, mit dem Jüngling an einem und demselben Strang zog, zu der Alten: »Wenn Ihr mir versprecht, daß niemand davon erfährt, will ich gern alles tun, was Ihr wollt.« Die Alte versprach es und schwur mit gefalteten Händen, daß niemand davon erfahren solle.
Darauf sagte die junge Frau: »Da Ihr mir dieses Versprechen gegeben habt, bin ich zufrieden; geht und sagt ihm, er soll heute abend hier ins Haus gegen eineinhalb Uhr nachts kommen, die Tür wird offen sein. Daß aber ja niemand etwas davon merkt, und wenn Euch das Leben lieb ist, so seid verschwiegen; sagt ihm, er solle ins Haus treten und sich von niemand sehen lassen; bei der Liebe Gottes bitte ich Euch, haltet den Mund, denn wenn es meinem Mann zu Ohren käme, würde er mir den Hals abschneiden, denn er ist ein so sonderbarer grillenhafter Mensch, daß er dem ersten glauben würde, und dann ist er so wild, daß er, ohne lange nachzuforschen, mich erdrosseln würde.«
Auf diese Weise tröstete sie die wackere Kupplerin und sprach ihr Mut zu: »Seid versichert, wenn man von diesen Dingen überhaupt erfährt, so sind die Ehegatten die letzten, die davon hören; aber seid nur getrost, es wird niemand davon erfahren.« Die Alte nahm nunmehr die Gelegenheit wahr, verabredete mit der jungen Frau die Stunde der Zusammenkunft und verließ sie dann, um voller Freude den Jüngling aufzusuchen, der den ganzen Tag die Alte gesucht hatte und da er sie nicht gefunden, durch Siena wie ein Narr gelaufen war. Durch einen Zufall aber traf er die Alte, und kaum daß er sie erblickt, steckte er ihr einen Brief samt einem Goldskudo in die Hand, und als die Alte das Gold sah, grinste sie. »Ich empfehle mich Euch«, begann Imenio, als er es ihr gegeben, »sucht sie doch noch einmal auf und sagt ihr, was ich wünsche.« Die Schleierhändlerin wollte ihn noch etwas hinhalten, tat erst so, als sei sie nicht dort gewesen und hielt ihn hin, bis sie den Golddukaten gut untergebracht hatte. Dann sagte sie zu dem Jüngling: »Was würdet Ihr zahlen, Herr Imenio, sagt mir, wenn ich Euch heute abend mit Eurer Geliebten zusammenführte?« Darauf antwortete der Jüngling, von Liebe glühend und unter heißen Seufzern: »Alles, was Ihr begehrt und wäre es mein ganzes Vermögen.« Da ward die Alte von Mitleid mit ihm ergriffen und sagte: »Nehmt nur Euren Brief wieder, es ist nicht mehr nötig, der andre genügt schon, das habe ich durchgesetzt«, und darauf erzählte sie, wie es gegangen war und nannte ihm Art, Zeit und Weise, wie die junge Frau es ihr aufgetragen hatte.
Als Imenio das hörte, konnte er es kaum glauben, und wußte vor übergroßer Freude und Lust nicht, was tun; und er fragte abermals die Alte, und sie bestätigte es ihm und nun dankte er ihr aufs beste und sagte ihr, alles, was sie als Lohn fordern würde, sollte sie haben. Die Alte, deren Sinn nicht nach großen Dingen stand, bat ihn um einen Scheffel Mehl und einen Fiasko Öl. Der Jüngling, der ihr nicht nur Mehl und Öl die Menge, sondern sein ganzes Vermögen gegeben hätte, war es ganz zufrieden, nahm die Alte mit sich und als er nach Hause gekommen war, gab er ihr so viel Mehl, als sie tragen konnte und obendrein gab er ihr noch eine Tasche dazu, und füllte ihr einen Fiasko voll Öl und entließ sie ganz zufrieden.
Als sie fort war, suchte der dumme unvorsichtige Jüngling strahlend vor Glück seinen Doktor auf, oder besser gesagt, seinen Meister in der Liebeskunst, denn er hatte ihn lieben gelehrt, fand ihn und erzählte ihm, daß es gut gehe, und sagte ihm, daß er diesen Abend sich mit der Geliebten zusammenfinden sollte, um mit ihr die Hochzeit zu feiern. Als der treffliche Doktor von Hochzeit reden hörte, fühlte er, so alt er auch war, wieder Lebenslust in sich und gerade, als wäre er auch noch ein Jüngling, der Unglückselige, wollte er alles wissen, um zu sehen, ob er vielleicht auch noch seinen stumpfen Schnabel wetzen könnte und fragte: »Sage mir, Imenio, wo wohnt denn deine Geliebte?« Der nicht sehr verschlagene Jüngling, der sich mit seinem Lehrer bisher über alles beraten hatte, sagte ihm auch das noch, denn er wußte nicht, daß seine Geliebte die Frau des Doktors war, oder wessen Frau sie überhaupt war, und indem er es ihm sagte, waren beide betrogen. Kaum hatte Imenio dem Doktor das Haus geschildert, als dieser erkannte, daß die Geliebte seines Schülers seine Frau war. Das mißfiel ihm nicht wenig und darob war der unvorsichtige Doktor ganz bestürzt und wußte nicht, der Unselige, was er tun sollte, und so stand er wie vor den Kopf geschlagen und sagte bei sich: »Das ist meine Frau und das ist eine saubere Geschichte.« Doch er verschwieg sein Unglück, um den Studenten besser auszuforschen und sprach zu ihm: »Sag, Imenio, hast du auch gut auf das Haus geachtet, damit du nicht etwa fehl gehst? Hast du nicht etwa die Straße oder das Haus verwechselt, damit es dir nicht gehe, wie vielen andern, die es nachher haben bitterlich bereuen müssen. Ich bin dir wohlgesinnt, deshalb erinnere ich dich daran, möchte ich doch nicht, daß dir irgend etwas Schlimmes begegne, woran du gar nicht denkst.«
Als Imenio hörte, daß sein Lehrer ihm die Hölle schilderte, entgegnete er vor Liebe glühend und zu allem bereit: »Darum sorge ich mich nicht, ich kenne das Tor wohl und irre mich nicht; das Haus geht auf die breite Straße und auf jener Seite gibt es kein anderes Tor und gegenüber auch keines. Zweifelt nicht daran, Meister, daß die Sache gut ablaufen wird.«
»Wer weiß«, entgegnete der Doktor. Der törichte Weise begann schon sein Unternehmen zu bereuen, doch suchte er mit aller Kraft sein Leid zu verbergen. Da er nun aber sah, daß er in die Sache verwickelt war und gern dieser Aufgabe ledig gewesen wäre, den Schüler indes nicht seinem Vorhaben abwendig machen konnte, beschloß er, zu erkunden, ob jene Frau wirklich die seinige oder die eines andern wäre.
Während so der arme Doktor in Gedanken stand, mehrte Imenio in seiner Einfalt sein Leid, indem er ihm durch tausend Kennzeichen zu erkennen gab, daß jene wirklich seine Gattin war und nicht die eines andern: »Lieber Meister«, fuhr er fort, »ich bin Euch für alles sehr verbunden; denn der heutige Abend wird der glücklichste meines Lebens sein, und ich hoffe bestimmt, mich all jener süßen Früchte der Liebe erfreuen zu können, wenn mir nichts Schlimmes begegnet. Denn sie hat mir, wie ich schon bemerkte, sagen lassen, ich möchte sie aufsuchen, sie werde meine Liebe zufriedenstellen«; und es genügte dem unvorsichtigen Jüngling nicht, daß er ihm das Haus geschildert hatte, er nannte ihm auch noch die Stunde und verschwieg ihm nicht das mindeste.
Während sie von diesen Dingen sprachen, gingen sie miteinander dahin und schwatzten so lange, bis die Nacht anbrach; und da nunmehr die Stunde nahte, sagte der arme Doktor, weil er die Zeit gekommen sah, wo er den würdigen Bürgermeister, oder besser gesagt, Patron von Hornberg spielen sollte, aber durch Schlauheit diese Gefahr vermeiden zu können glaubte: »Nun geh, Imenio, zum Hause deiner Herzensdame, und ich gehe in die Apotheke des Ceccone. Geh, geh, und Gott gebe dir Glück auf die Reise.« Damit verabschiedete er sich, und der Jüngling nahm seinen Weg zum Hause des Doktors und schritt wacker aus, um es bald zu erreichen. Der Doktor seinerseits bog in eine Gasse ein und eilte vorwärts, so schnell er konnte, schnitt ihm den Weg ab, und fand ihn wieder und ging hinter ihm drein; und da der Jüngling tüchtig ausschritt, konnte er ihm nur mit Mühe folgen. Um ihn nicht aus den Augen zu verlieren, strengte er sich an, ihn im Gesicht zu behalten, und da die Nacht dunkel war, glückte es ihm, dem Studenten unbemerkt zu folgen.
Der verliebte Scholar, der kräftige Beine hatte, schritt rüstig dahin, und als er ans Haus des Doktors gekommen war, trat er schnell ein, und kaum war er drin, als er, wie ein in solchen Sachen erfahrener Mann, die Tür gut hinter sich abschloß, so daß man sie von außen nicht öffnen konnte. Sodann ging er zur Treppe, wo ein gutes Licht ihm den Weg zeigte, kam in den Saal und fand seine Geliebte voller Sehnsucht seiner harren. Sie empfing ihn strahlend, und er machte es, als er bei ihr war, nicht anders, als die verliebten Jünglinge es zu machen pflegen, wenn sie zu ihren Geliebten kommen, die sie mit einem »Mein geliebtes Leben« umarmen und sie tausend Dummheiten schwatzend und schöne Worte machend mit feurigen Küssen begrüßen und sich in süßen Liebesreden und anmutigen Schäkereien ergehen. So also tat auch er.
Kurz nachdem der Doktor ihn ins Haus hatte treten sehen, eilte er voller Schmerz an die Tür und glaubte wie gewöhnlich eintreten zu können. »Ich weiß«, sprach er bei sich, »du bist hier und kannst mir nicht entwischen.« Und als er die Tür erreicht hatte, fand er sie versperrt und konnte nicht ins Haus. Das ärgerte ihn sehr; denn ehe er seine Behausung erreicht, hatte er sich schon überlegt, wie er mit der Frau und dann mit dem Jüngling abrechnen wollte, und nun konnte er nicht hineingelangen. Damit nun der Student ihm keine Hörner aufsetzte, versuchte er mit Gewalt ins Haus zu kommen; da die Tür jedoch gut verschlossen war, gelang es ihm nicht. Als er endlich sah, daß er sie nicht zu öffnen vermochte, begann er kräftig mit Fäusten und Füßen dagegen zu schlagen.
Wie die wackere Frau ihn so wütend klopfen hörte, fürchtete sie, er hätte den Jüngling eintreten sehen und dachte, es sei um sie geschehen, dann aber faßte sie wieder Mut und sagte: »O ich Arme, was soll ich tun, das ist mein Mann, der Elende!« (man kann sich denken, wie schmerzlich es den beiden Liebenden war, gerade vor dem süßesten Augenblick unterbrochen zu werden), doch plötzlich hatte sie einen Gedanken, ergriff den Jüngling bei der Hand, rief: »Mein teures Gut, mein Leben, meine Seele«, küßte ihn, umarmte ihn innig und sagte: »Wenn Ihr diesen Abend nicht mehr zu mir zurückkehren könnt, so entfernt Euch auf irgendeinem Wege und laßt es Euch nicht zu hart ankommen, morgen abend Euch hier um die gleiche Stunde oder noch früher einzufinden. Jetzt aber laßt es Euch nicht leid sein, wenn ich Euch verstecke, damit wir nicht ins Verderben gestürzt und unglücklich werden.« Um ihr gefällig zu sein und auch, um nicht erwischt zu werden, erklärte der Jüngling: »Tut, was Ihr wollt, Ihr könnt über mich verfügen.« Nun ließ ihn die Frau auf eine jener runden Stangen springen, die schon unsere Vorfahren in den Sälen einzumauern pflegten, um darüber die Tischtücher zu hängen; diese Stange ging oben bis zu der einen Seite der Kredenz. Darauf hieß ihn sich die geistesgegenwärtige Frau mit der Brust auf die Stange ausgestreckt hinlegen. Er tat es, hielt sich mit den Armen fest, so gut er konnte und klammerte sich auch mit den Füßen an die Stange, und nachdem er diese Lage angenommen hatte, legte sie über ihn einen ihrer Mäntel und darauf einen Mantel ihres Mannes und verdeckte ihn damit sorgfältig, so daß ihn niemand hätte bemerken können. Dann legte sie ein Stöckelchen auf die Kredenz, nahm eine Bürste in die Hand und tat, als wolle sie die Sachen ausbürsten, wie sie es oft in dieser Weise zu tun pflegte; und während sie den Scholaren auf diese Art den Blicken entzog, schlug ihr Mann voller Wucht gegen die Tür und mit solcher Hitze, daß ein Schlag nicht auf den andern wartete.
Nachdem sie also die Sachen über den Jüngling gebreitet, ging sie mit der Bürste in der Hand ihrem Manne öffnen, und sie tat es mit heiterer Miene, empfing ihn, wie sie jeden Abend zu tun pflegte, nahm ihm Mantel und Barett ab und erwies ihm ähnliche Freundlichkeiten mehr, wie sie die Frauen den Männern, die sie gern haben, zu erweisen pflegen. Als der Doktor ins Haus getreten war, verschloß er die Tür sorgsam von innen, dann wandte er sich mit einem wahren Teufelsgesicht zu seiner Frau, runzelte die Brauen und sah ihr, ohne ein Wort zu sagen, voller Zorn ins Gesicht, um zu sehen, ob sie wegen seines plötzlichen Kommens verwirrt wäre. Doch der ärgerliche Phantast und unkluge Mann, der durch sein eigenes Leid geblendet wurde, bemerkte keine Verwirrung bei ihr, sah sie vielmehr ganz vergnügt und keck, und wunderte sich darüber nicht wenig. Aber er dachte, daß der Jüngling ihm nicht werde entrinnen können, und sagte bei sich: »Du bist hier.« Und giftig, das Gesicht ganz schwarz von Galle, Schaum vor dem Munde, wie ein wütendes Schwein, rief er: »So also, verbrecherisches Weib, führst du dich auf! so schändlich, daß du einen Kerl ins Haus läßt! Wo hast du ihn versteckt? Glaubst du, ich weiß es nicht? Ich habe es wohl gesehen.« Doch auch durch diese Worte brachte er seine Frau nicht außer Fassung, vielmehr fuhr sie ihn über die Maßen erbost, wie eine wütende Hündin an: »O ich Arme, die ich zu ihm sagen müßte, was er zu mir sagt! Sieh mir doch einer diesen dummen Tölpel an, mit welchem Hochmut und mit was für feinen Worten er heute abend heimkommt! Ihr werdet mich noch glauben machen, daß Ihr betrunken oder übergeschnappt seid. Das Hirn muß sich Euch umgedreht haben, daß Ihr so sprecht, aber beim Kreuze Gottes, wären wir in Florenz, Ihr würdet nicht so reden, und Ihr tut es auch nur, weil ihr seht, daß ich hier keinen von den Meinen habe. Sagt mir doch, wer ins Haus gekommen ist, alter Narr, und sucht nach; Ihr werdet Euch überzeugen. O Gott, und dazu ist er heute heimgekommen!«
So begann sie zu schreien und zu schelten, und während sie so gegen ihren Mann loszog, nahm der innerlich kochende Arzt das Licht in die Hand und durchsuchte, ohne ein Wort zu sagen, das ganze Haus. Er glaubte den Schüler zu finden und ließ die Frau reden, was sie wollte, antwortete ihr mit keiner Silbe; sie aber beklagte sich über ihr Unglück und beschimpfte ihn aufs ärgste. Der unkluge Alte mühte sich ab mit dem Durchsuchen des Hauses, sah in jede Ecke und verzweifelte, den Liebhaber zu finden. Endlich wandte er sich zu seiner Gattin und schrie sie an: »Du verbrecherisches Weib, sag mir, wo hast du ihn versteckt, du Falsche? Ich weiß es ja, ich habe ihn doch hier eintreten sehen.« Die Frau anwortete ihm auf alle seine Worte: »So helfe Euch Gott zum Tode, wenn Ihr hier einen in dieser Absicht eintreten saht«, und mit wachsendem Zorne ging der dumme Tropf in jedes Kämmerchen im Haus und an alle Stellen, die ihm zum Versteck geeignet schienen, und überall suchte der Arme, und da er schließlich nicht mehr wußte, wo er noch suchen sollte, raufte er sich seinen langen weißen struppigen Bart, kam wieder in den Saal, wo der Student versteckt war, setzte sich auf eine Bank und zankte sich mit seiner Frau. »Sag mir«, rief er, »glaubst du etwa, daß ich ihn nicht hier habe eintreten sehen, schlechtes Weib du! Wo hast du ihn versteckt? So also handelst du? Ist das die Ehre, die du mir und deinem Bruder erweist, ist das die Treue, die du mir bewahrst?«
Während sie so heftig miteinander stritten, hörte der Jüngling alles, doch da er mit den Sachen vollkommen bedeckt war, erkannte er seinen Doktor nicht an der Stimme, auch darum schon nicht, weil er erregt sprach. Als sich der arme Doktor nun genug mit seiner Frau gezankt, den Studenten trotz allen Suchens nicht gefunden und sein Weib nicht zum Geständnis gebracht hatte, wurde er schwankend und fragte sich, ob er etwa weiter oben oder weiter unten in ein Haus getreten wäre oder gar gegenüber in das Haus des andern Doktors. In dieser Ungewißheit fand er Trost, ward wieder ganz froh, und ohne seine Frau weiter zu beargwöhnen, trat er in die Schlafkammer, machte sich selber Vorwürfe und sagte: »Wahrhaftig, es geschähe mir jetzt recht, wenn sie mich wirklich betröge, um mir beizubringen, die Augen besser aufzumachen. Habe ich sie etwa nicht mit Unrecht geschmäht, wenn ich meiner Sache nicht sicher war? Es war ja finstere Nacht, und ich sehe mit Mühe und Not bei Tage mit meinen Augengläsern, und da will ich in der Nacht sehen, was man da nicht sehen kann.« Das machte ihm nun große Pein, und er fürchtete, seine Frau könnte wirklich tun, was sie seiner Behauptung nach getan hatte. Er wollte sich daher mit ihr aussöhnen, und so rief er sie nicht lange danach: »Laudomia (so hieß sie), komm in die Kammer! Was tust du? Wir wollen zu Bett gehen.«
Damit ihr Geliebter es hörte, antwortete die wackere Frau voller Zorn (weil der Jüngling sie mit Sehnsucht erwartete) sehr laut: »Geht, wenn Ihr gehen wollt. Schert Euch nicht um mich. Ich bin heute abend so wütend, daß ich nicht an einem Orte mit Euch zusammen sein könnte. Schwere Not über alle Ehemänner! Und wer einen haben wollte, sollte solch einen wie Ihr bekommen, und den Hals mag brechen, wer davon spricht!«
Als der Doktor sie so reden hörte, verhielt er sich ganz geduldig still; denn er dachte, sie habe recht und er nicht, doch er rief sie noch einmal gar zärtlich. Die Frau meinte so laut gesprochen zu haben, daß es der Jüngling gehört hätte, ging voller Grimm in die Kammer, schlug die Tür mit solcher Wucht zu, als wollte sie sie zertrümmern, zog sich aus und legte sich maulend ins Bett. Dort lag sie auf ihrer Seite, und der Gatte durfte sich ihr in dieser Nacht nicht nähern. Als der Student hörte, daß alles zu Bett war (es waren nur wenige Leute im Hause; denn der Doktor, der nicht den andern Ärzten und Doktoren nachstehen wollte, bewahrte wie diese das Dekorum der Dürftigkeit und dazu kam bei ihm noch die Florentiner Knausrigkeit; denn er hielt weder Knecht noch Diener, sondern ließ sich von Fall zu Fall, wie er es gerade nötig hatte, für sein Geld Dienste leisten) und vernahm, daß sich die beiden eingeschlossen hatten, stieg er leise von der Stange und legte im Dunkeln, so gut er es vermochte, die Sachen wieder zurecht, damit sie, wenn sie am andern Morgen jemand sah, nicht berührt zu sein schienen. Dann tastete er sich durch das Zimmer, um die Treppe zu finden, und als er sie endlich gefunden hatte, stieg er sie sacht hinab und kam zufällig an eine kleine Tür, die in einen Kornspeicher führte. Da der Doktor sehr sparsam lebte und kein Korn darin hatte, fand er sie offen, trat hinein, tastete sich weiter, bis er ein kleines Fenster fand, öffnete es und erkannte, wiewohl es dunkle Nacht, daß es nicht weit vom Erdboden entfernt war; er kletterte hinauf, setzte sich auf das Brett, sperrte das Fenster wieder zu, hielt sich mit den Händen am Fensterbrett, ließ sich die Mauer hinabgleiten und kam unten ohne Schaden an. Als er außerhalb des Hauses des Arztes war, glaubte er einer großen Gefahr entgangen zu sein und ging heim, um zu ruhen.
Der Morgen kam, an dessen frischer Röte alle Schüler sich zu erfreuen pflegen; er aber erhob sich, ehe noch Phöbus seine leuchtenden Strahlen aussandte, voll Schmerz und Betrübnis, und da er infolge seines Mißmuts nicht studieren konnte, ging er in seiner Kammer auf und nieder und wartete auf die Stunde der Vorlesung. Als sie gekommen war, ging er zur Sapientia, wo sein wenig verständiger Doktor ihn mit großer Sehnsucht erwartete, um das zu erfahren, was er am liebsten nicht hätte erfahren wollen. Imenio ließ ihn das Katheder betreten; denn vorher wollte er ihm nichts sagen.
Nachdem er dann seine Vorlesung gehalten und dadurch bei allen Schülern die Unklarheiten und Zweifel, die ihnen etwa Kopfzerbrechen machten, beseitigt hatte und schon alle ihres Weges gegangen waren, blieb der Doktor allein mit Imenio zurück, begierig zu erfahren, wie sein Geschäft am vergangenen Abend abgelaufen wäre. Der Jüngling brannte ebenfalls darauf, ihm seinen Kummer mitzuteilen und erzählt ihm, von Anfang an, Punkt für Punkt, alles gerade so, wie es oft Einfaltspinsel dem Beichtiger gegenüber zu tun pflegen; und der Dummkopf merkte nicht, daß er ihm die Schande seiner eigenen Frau erzählte und ihr schamloses Gebaren, und schilderte ihm, wie er überrascht worden sei, wie sie ihn versteckt hatte und alle Worte, die gefallen waren. Und als das der Doktor hörte, war er wie tot und es war ihm, als würde in sein Herz ein spitzes Messer gestoßen, und der arme Narr vergaß ganz sich nach dem zu erkundigen, was für ihn wichtiger als alles andre war, nämlich ob er mit ihr die Frucht der Liebe gepflückt habe sondern forschte nur, wo sie ihn versteckt habe und wie sie es angestellt, daß er nicht hatte gefunden werden können? »Wo hat sie dich verborgen?« rief er.
»Ich will's Euch sagen«, antwortete der Jüngling wichtig, sie hat mich an einen Ort gebracht, an den Ihr nie gedacht hättet. Ihr könnt daraus ersehen, daß sie Geistesgegenwart besaß. Sie hat mich im Saal auf eine Stange über der Kredenz steigen lassen und mit allen möglichen Tüchern bedeckt, und dann ließ sie den Mann suchen, und während er suchte, schmähte sie ihn aufs ärgste, und ich verhielt mich unterdessen unter jenen Tüchern ganz ruhig, als wäre ich tot und so lange, bis sie zu Bett gegangen waren. Dann stieg ich hinab, suchte nach der Treppe im Haus, fand sie und kam in ein Zimmer, wo ich ein Fenster fand, das nicht weit vom Boden war und stieg durch dieses hinaus und ging heim. Und während sie mich verbarg, sagte sie mir, wenn sie mir keine andere Nachricht zukommen ließe, sollte ich heute abend um die gleiche Stunde kommen, und das will ich auch tun.«
Als der arme Doktor das hörte, war er ganz verdutzt und sah nichts anderm gleich als einer steinernen Bildsäule. So blieb er ganz unbeweglich, und vor Schmerz schlugen ihm die Pulse nicht, alles Leben hörte auf, die Augen blickten starr, er verlor die Farbe, die Worte mangelten ihm, und er war wie tot; denn an der Erzählung erkannte er, daß es seine Frau war und nicht die eines andern. Und da er nun vernahm, daß er nicht nur mit ihr hatte schäkern wollen, sondern sich auch noch von neuem zu solchem Spiel bei ihr einzufinden gedachte, schmerzte es ihn aufs äußerste, und er verwünschte innerlich seine Narrheit, und traurig und unglücklich entschloß er sich, sie abends zu überraschen und ihn auf der Tat zu ertappen, und er sprach bei sich: »Weiß ich, was er heute abend tun wird, wenn ich ihn in flagranti erwische?« Aber er entdeckte ihm sein Leid nicht und schwieg, und da sie genug gesprochen hatten, verabschiedete sich Imenio von dem Doktor und verließ seinen Meister, um seinen Geschäften nachzugehen.
Von schweren Sorgen bedrückt, dachte der Alte nur an seine Frau und erkannte endlich, daß er zu solchem Geschäft zu alt wäre und daß die Gattin etwas anderes begehre als einen Patriarchen, und das erfüllte ihn mit großem Kummer. So ging er heim und zeigte sich seinem Weibe gegenüber nicht aufgebracht, bemühte sich vielmehr, soweit er vermochte, heiter zu erscheinen. Die Frau, die an andrer Wärme als am Feuer sich das Kreuz wärmen wollte und einen andern Kitzel wußte als von Krätze, dachte an den Abend, konnte auch das ihr geschehene Unrecht nicht vergessen, und nachdem sie ein leichtes Nachtessen bereitet hatte, verbarg sie ihren Zorn keineswegs, zog ihrem Gatten ein schiefes Gesicht, sah ihn mit scheelen Blicken an und sagte kein Wort.
Der arme Philosoph trug sein Leid geduldig und konnte vor Schmerz nicht essen. Die Frau überließ ihn seiner Pein und begann vor Ärger wie eine halb Verhungerte zu essen. Nach der Mahlzeit verließ der arme Doktor wie im Wahnsinn das Haus und ging hadernd mit sich, wie ein Narr, durch die Straßen; und so verfloß der Tag und kam die Stunde, da die beiden Liebenden sich treffen wollten. Da stellte sich denn der arme Herr auf die Lauer, um das zu sehen, was er doch gar nicht hätte sehen sollen; und als die Stunde da war, kam Imenio vorsichtig des Wegs und an das ersehnte Haus, und gerade wie er es am vergangenen Abend gemacht hatte, um nicht überrascht zu werden, so versperrte er auch diesmal gewandt und schnell die Tür und stieg eilig und alle Gedanken auf die Geliebte gerichtet, die Treppe empor.
Als der Doktor ihn ins Haus treten sah, lief er schnell zur Tür und fand dort, wie am Abend zuvor, daß er nicht eintreten konnte. Er wollte es mit Gewalt versuchen, gab sich alle Mühe, aber vergebens. Wie er nun sah, daß er nicht öffnen konnte, fing er an, zu klopfen und seine Frau zu rufen, daß sie ihm aufmache.
Imenio war kaum im Saale, da hörte er stark pochen und wunderte sich, daß er auch heute wieder überrascht wurde, ebenso die Frau. Und damit der Gatte ihn nicht finde, dachte sie sogleich daran, ihn auch an diesem Abend im Saal zu verstecken. Und da der Arzt, wie ich schon sagte, aus Geiz weder einen Diener noch einen Knecht hielt, hatte sie an jenem Tage die Hauswäsche gewaschen und alles Leinenzeug auf dem Tisch in eine Schwinge gelegt. In diesem Augenblick nun wandte sie sich ganz geistesgegenwärtig zu dem Jüngling, umarmte und küßte ihn und sagte: »Bei der Liebe Gottes empfehle ich mich Euch; ich weiß nicht, was meinen Narren von Mann schon den zweiten Abend so früh heimtreibt; damit aber kein Skandal entstehe, will ich Euch verstecken, mein liebes Leben und ich will mich nicht eher zufrieden geben, als bis wir uns vier Stunden aneinander erfreuen. Versäumt ja nicht morgen abend zu kommen; er wird doch nicht immer unsere Freuden stören!« Ebenso begierig, seiner Dame zu gefallen, wie sie ihm, antwortete der Student: »Zweifelt nicht daran, Madonna, eher würde ich sterben, als nicht kommen.« Als er ihr das versprochen hatte, nahm sie schnell das Leinenzeug aus der Korbschwinge und hieß ihn sich hineinlegen. Der Jüngling krümmte sich eng zusammen und schlüpfte ganz in den Korb hinein, so daß man ihn nicht sehen konnte, und sie legte das weiße Leinenzeug darüber und bedeckte ihn damit, daß er ganz darunter verschwand, und die Wäsche, die sie nicht mehr obenauflegen konnte, legte sie auf die eine Seite neben den Korb; und als sie sah, daß er völlig bedeckt war, ging sie ihrem Manne öffnen und ließ ihn ins Haus. Und der alte Doktor sprühte wie eine höllische Furie, von Zorn und Grimm entflammt, aus dem Auge Feuer, aus dem Munde Gift; seine Hände schienen voller Schlangen, und er schrie seine Frau an: »Wie wirst du es anstellen, schändliches Weib, daß ich ihn heute abend nicht finde? Es wird dir nichts helfen, daß du ihn versteckt hast.«
Während er so sprach, stieß die Frau einen Wutschrei aus und rief: »O, o, o, sieh doch einer, mit welcher Anmaßung das Tier heute abend abermals nach Haus kommt, um mir solche Schändlichkeiten zu sagen, gerade als hätte er mich auf dem schimpflichen Vergehen ertappt. Ihr müßt den Verstand gänzlich verloren haben; aber ich wundere mich nicht darüber; denn hier in Siena ist die Luft schlecht und Eure Studenten werden Euch noch ganz um Euern Verstand bringen, indem sie Euch allerlei einfältiges Zeug weismachen. Weh mir Armen! Vielleicht tut Ihr, was Ihr mir vorwerft. Ich habe es ja gesagt, diese jungen Leute werden Euch noch ganz närrisch machen, und Ihr werdet es nicht anders verdienen, wenn ich zur Wahrheit mache, was Ihr mir vorwerft, um Euch zu lehren, was es heißt, mir diese Schmach anzutun. Meiner Treu, das ist ein feiner Anstand, eine schöne Ehrbarkeit, mir dergleichen zu sagen. Ihr habt es Euch ja gut vorgenommen! Zwei Abende hintereinander kommt Ihr nach Hause wie ein Teufel, aber ich weiß schon, woher das kommt. Ihr seid gewiß zu einer jener Spitzbübinnen von Dirnen gegangen, und man hat Euch nicht öffnen wollen. Ich wundere mich gar nicht darüber, daß Ihr schon zwei Abende so zeitig heimgekommen seid, sonst pflegte es erst um die vierte bis sechste Stunde zu geschehen, und ich kann Euch nur sagen, daß eine Frau nichts von solch gekochtem Lauch wissen will. Das wäre mir auch eine rechte Närrin, die Euch gern an ihre Seite nähme. Sie müßte sich ja erbrechen, wenn sie so einen stinkenden Mund röche, so einen zottigen Bart sähe und das Hemd aus grobem Leinen, und neben seinen andern Reizen hat er noch beständig einen Husten, wie ein erkälteter Esel, und der Mund läuft ihm wie einem müden Maultier. Sie hat ganz recht daran getan, Euch schon zwei Abende auszusperren, und wenn sie klug ist, so tut sie es noch weiter, Ihr alter, zänkischer, widerlicher, skandalsüchtiger, eifersüchtiger, argwöhnischer, kümmerlicher geifernder Tropf. Pest und Not über Euch, doch wenn Gott mir hilft, wird es Euch heute abend so gehen wie gestern abend, denn ich weiß nichts von all dem, was Ihr mir vorwerft, und Ihr habt es Euch nicht gut ausgedacht.«
Mit diesen und ähnlichen sich überstürzenden Worten zankte die Frau beständig auf ihn ein und ließ ihn nicht zu Atem kommen. Der arme Doktor entgegnete nicht das kleinste Wörtchen und ging in den Saal, wo, wie der Schüler ihm gesagt hatte, er am Abend vorher verborgen worden war, und er sah nach jener Stange, fand aber weder ihn noch Kleider, und wie er merkte, daß seine Absicht nicht geglückt war, erfüllte ihn großer Kummer. Und er untersuchte genau jedes Loch, denn es schien ihm ein Wunder, daß er ihn nicht fand, und immer war die Frau hinter ihm her und gab ihm ihre beißenden Worte, und nicht einen Augenblick schwieg sie, und manchmal hatte sie mehr Lust zu lachen als zu schimpfen, wenn sie seine Torheit sah, und oft verspottete sie ihn und sagte: »Warum schaut Ihr nicht in diesen Topf? Und in jenen Krug?« und ähnliche Scherze mehr. Endlich öffnete sie ein Fenster, an dem eine schöne Viole stand, erinnerte sich, ich weiß nicht welcher Geschichte oder besser Fabel, die sie ihn mehrere Male hatte erzählen hören und fragte: »Warum schaut Ihr sie nicht an, vielleicht hat er sich in eine Blume verwandelt, wie Ajax oder Narziß tat.« Und so trieb sie ihre Possen und hieß ihn schließlich auch seinen Leibstuhl aufmerksam anschauen. Der arme Herr schwieg ganz geduldig, fand den Buhlen nicht und wurde ganz müde.
Als er nicht mehr wußte, wo er ihn suchen sollte, kehrte er in den Saal zurück, und setzte sich auf den Tisch neben den Korb mit Wäsche und stützte sich mit einem Ellenbogen auf ihn. Der Jüngling fühlte die Schwere, bekam Angst und hielt sich ganz ruhig; um nicht gehört zu werden, atmete er kaum.
Der Doktor saß in dieser Stellung eine Weile in Gedanken, dann brach er das lange Schweigen und begann mit der Frau zu zanken und konnte seine Wut nicht mehr halten. Er mußte sich etwas Luft machen und rief: »Sag mir, glaubst du nicht, daß ich ihn heute abend hier eintreten sah und gestern abend auch?« »Nein«, entgegnete die Frau, »denn wenn er im Hause wäre, so hättet Ihr ihn gefunden«, und mit diesen und anderen ähnlichen Worten stritten sie zusammen und nach vielen Scheltworten und Drohungen seitens des Doktors gingen beide in die Schlafkammer, und er hieß die Frau sich niederlegen, und dann ging er zur Ruhe, und in dieser Nacht lagen sie im Bett wie zwei giftige Nattern, wenn sie so recht voller Zorn sind.
Als der gute Imenio, der in einer sehr unbequemen Lage war, sie sich endlich in der Kammer einschließen hörte, warf er alle Wäsche, die auf ihm lag, aus dem Korb, stieg heraus, brachte sie in der Dunkelheit wieder in Ordnnung, entsann sich des Wegs und verließ auf dieselbe Weise, wie abends zuvor, das Haus und ging heim, legte sich voller Grimm ins Bett und verbrachte die ganze Nacht in mannigfachen und eitlen Gedanken und fand keine Ruhe.
Als dann endlich der Tag kam und Phöbus seine Pfeile ausschickte, erhob sich Imenio und ging wie sonst zur Sapientia, ohne die Lektion zu studieren, so mißgestimmt war er, und er kümmerte sich auch nicht um die Vorlesung und war ganz in Gedanken versunken, sprach mit niemandem und wartete nur darauf, daß sein geliebter Doktor aufhöre zu lesen. Der Doktor litt nicht weniger Schmerz wie Imenio und hatte daher an jenem Morgen nur eine kurze Vorlesung gehalten; ohne sich auf die Einwürfe seiner Schüler hin auf die Autorität soundsovieler Doktoren zu berufen, schloß er, verließ das Katheder, rief Imenio aus der Zahl der andern zu sich, ging mit ihm beiseite und fragte ihn, wie es am letzten Abend gegangen wäre.
Imenio, der wegen der Menge Wäsche, die auf ihm gelegen, seinen Doktor nicht hatte erkennen können und, wie gesagt, nicht wußte, wer die Frau war, erzählte ihm alles, wie vordem, sagte ihm, daß sie ihn in den Wäschekorb verborgen hatte, der auf dem Tisch stand, schilderte ihm, wie er sich darauf gestützt hatte und schloß: »Diesen Abend soll ich wieder zu ihr kommen. Denkt nur, sie sagte, so oft ihr Mann daheim wäre, würde die Tür von innen verschlossen sein, und offen, wenn er fort wäre.«
Man kann sich denken, daß dem Doktor diese Worte ebensoviel Messer im Herzen waren. Nun er genau wußte, daß es seine Frau war, erinnerte er sich jeden Umstandes und daß er überall, nur nicht im Korbe gesucht hatte. Und während der Jüngling ihm das alles erzählte, starb der unkluge Alte fast vor Schmerz, so ward ihm das Herz zusammengeschnürt.
Als der Jüngling ihn wie tot, die Farbe wechseln, die Stimme verlieren, seine Augen sich verschleiern und voller Tränen sah, rief er: »O weh, mein lieber Meister, was habt Ihr, daß Ihr so leichenblaß seid?« Der Arzt, der den Jüngling mit der Frau zu überraschen begehrte, wollte ihm sein großes Leid verhehlen und verschweigen, erfand irgendeine Geschichte und sagte: »Um dir die Wahrheit zu gestehen, Imenio, mir kommt gerade die Erinnerung an eine schlimme Geschichte, die mir passierte, als ich noch jung war.« Imenio war begierig, sie zu hören und drang in den Doktor, ihm zu sagen, was ihm begegnet wäre, und da der Doktor sich so gebeten sah, erzählte er: »Nun, so höre denn: als ich jung war (hört, ob ihm die Lüge gut stand!), war ich einer schönen jungen Florentinerin über alle Maßen gut, und da ich schon lange in sie verliebt war, kam ich auch endlich dahin, mit ihr zu tun, was ein verliebter Jüngling mit seiner Dame zu tun begehrt, und ich fand mich oft mit ihr zusammen, und wir verlustierten uns miteinander; und so lag ich auch eine Nacht bei ihr, und da wollte es mein Unglück, daß ich im Bett von einem in sie verliebten Jüngling überrascht ward, und ich meinte, es wäre ihr Mann, und erhob mich, nackt wie ich war, und flüchtete, und um nur schneller davonzukommen, sprang ich durch ein ziemlich weit über der Erde befindliches Fenster und verstauchte mir dabei dies Bein (damit zeigte er ihm das rechte) und hinkend und nackt wie ich war, strebte ich nach Hause. Der andere Jüngling, der von nichts wußte, glaubte als er den Lärm hörte, den ich im Fallen machte, es wäre der Mann der Frau, und aus Furcht, erwischt zu werden, floh er eilig davon, ließ seinen Mantel zurück, und auf der Flucht lief er zu meinem Unglück gerade auf mich zu, und zwar so schnell er konnte. Ich glaubte mehrere Male, er hätte mich schon eingeholt und beeilte mich, was ich konnte, und da ich infolge der Schmerzen am Bein nicht weiter laufen konnte, war ich genötigt, mich in einer Gasse zu verbergen und zwar hinter einem Haufen Unrat, und ich machte mich dabei ganz schmutzig, und hier blieb ich, bis der Jüngling vorüber war. Auch er fürchtete sich wie ich und eilte schnell nach Hause, worauf auch ich mich heim begab, und man konnte nicht erkennen, ob ich mehr ein Tier oder ein Mensch war. Darauf wollte sich die junge Frau mit keinem mehr einlassen, damit man nicht entdecke, daß sie mit mehr als einem zu tun habe, denn sie war aus einem der ersten Häuser von Florenz und ihr Gatte auch, und sie zeigte sich sehr betrübt ob meines Unglücks und erklärte, es wäre ihr Mann gewesen, das gleiche sagte sie dem andern und damit die Sache wahr schiene, versicherte sie, sie hätte die Kleider in den Abtritt geworfen, damit sie nicht gefunden würden. Bei jener Verwechslung behielt sie also sowohl meine Sachen wie den Mantel jenes Jünglings.
Als ich kurze Zeit darauf in der Zelle eines mir befreundeten Mönchs war, erkannte ich da alle meine Sachen wieder, die ich in der Kammer jener Verräterin gelassen hatte, Schuhe und Hemd inbegriffen, und die Strumpfbänder waren auch da. Als ich das sah, wunderte ich mich und fragte ihn, wem jene Kleider gehörten, und der gute Frater antwortete mir, seinem Bruder. Ich tat, als ob ich sie nicht erkannt hätte und wollte mich, weil ich noch Schlimmeres fürchtete, nicht entdecken. Und das war es, was mich so verstört hat, wie du siehst, bedachte ich doch, daß es Treue weder mehr bei Männern, noch bei Frauen, noch bei Mönchen, noch bei irgend wem sonst gibt; denn heute ist die ganze Welt verdorben. Verlaß dich nur nicht auf die Frauen! Und bedenke, daß sie zu den vornehmsten, schönsten und reichsten in Florenz gehörte, und ich Esel bildete mir ein, ich wäre der einzige.«
Als der Schüler das hörte, lachte er auf und fragte: »Sagt mir, warum habt Ihr es Euch denn so warm angelegen sein lassen, mich verliebt zu machen, wenn Ihr sagt, daß die Frau so ein schmähliches Geschöpf ist.« Worauf der Doktor entgegnete: »Wisse, Imenio, ich wollte dich schon verliebt machen, aber nicht so, wie ich getan, sondern ich wollte nur, daß du eine Frau lieben und bei ihrer Betrachtung an ihre Reize ohne Begierde denken und dich nicht solchen Gefahren aussetzen solltest. Siehst du denn nicht, Unglücklicher, daß du dein Leben riskierst, glaubst du nicht, daß der Mann, wenn er dich findet, dich töten wird?«
Und so malte ihm der in der Patsche sitzende Doktor die Hölle, um ihm die Lust an seinem Vorhaben zu nehmen. Der Jüngling, der bisher noch nicht die Liebe erprobt gehabt, hatte sich zum ersten Male so in ihre Netze verstrickt, daß er sich nicht aus ihnen lösen konnte, und da er von ihr noch nicht befriedigt war, wollte er auch sein Unternehmen weiter führen, und wie ein richtiger Tollkopf antwortete er dem Doktor: »Komme, was da wolle, ich will mein Unternehmen weiter verfolgen, und gelingt es mir an diesem Abend nicht, so an einem andern, und wenn auch da nicht, noch an einem andern, so lange, bis ich einmal mehr Glück habe, als ich bis jetzt gehabt. Was zum Teufel sollte es denn auch geben! Mehr als einmal kann ich nicht sterben, und vielleicht kann ich einen andern vorher in den Tod schicken«, und nun spielte er den tapferen Mann und wer ihn nicht gekannt, hätte ihn für einen wahren Löwen gehalten, so warf er sich in die Brust und nahm sich fest vor, zu seiner Geliebten zu gehen.
Der Doktor glaubte, von Zorn übermannt, wieder jung zu sein, meinte, es mit dem Jüngling aufnehmen zu können und beschloß, sich am Abend anzusehen, was geschehen solle, und voller Begier, ihn dort zu überraschen, sagte er: »Wohlan, so geh! Da du es versprochen hast, wäre es unhöflich, nicht zu ihr zu gehen, doch gib wohl acht, was du tust und mach es nicht wie die Bauern, die, sowie sie gekommen sind, die Last abladen, damit du nicht auf der Tat ertappt wirst.« Auf diese Weise bemühte sich der einfältige Doktor, ihn so viel wie möglich zum Verzug zu veranlassen, und nachdem sie beschlossen hatten, der Jüngling, dorthin zu gehen und der Doktor, ihn zu überraschen, trennten sie sich und gingen zum Mittagessen; und der ganze Tag ging für den Doktor unter höchstem Mißvergnügen dahin, und als der Abend gekommen war, hatte die wackere Frau, um nicht wieder überrascht zu werden, ehe sie das getan, wozu sie Lust hatte, beschlossen, ihren Geliebten in einem kleinen Zimmer neben der Tür zu erwarten, damit sie schneller miteinander zusammenkommen und das vollbringen könnten, was sie begehrten.
Wie nun endlich die dunkle, finstre Nacht gekommen war, stellte sich der Doktor, um besser und schneller sehen zu können, wenn er ins Haus träte, nicht fern von der Tür auf die Lauer; und da die ersehnte Stunde gekommen war, trat der Jüngling leise, ohne das geringste Geräusch, ins Haus, so daß der Doktor, entweder weil es dunkel und finster war, oder weil er nicht gut acht gab, ihn nicht sah. Und wie er drin war, schloß er wie sonst leise die Tür und fand sogleich jene, die nur ihn begehrte, und in höchster Lust umarmten sie sich unter heißen Küssen, begrüßten sich mit zärtlichen Worten und legten sich auf einen Mauervorsprung, der dort war, und auf ihm führten sie in kurzer Zeit ihr Vorhaben aus. Ohne große Zeremonien beendeten sie, aus Furcht, überrascht zu werden, eilig ihr Werk, und nicht lange danach, von Liebesfeuer entflammt und von ihrer lange ungestillten Sehnsucht getrieben, begannen sie, ohne diesen Ort zu verlassen, zum zweitenmal sich zu umarmen. Der Jüngling, der in der Blüte seiner Jahre stand und zum erstenmal liebte, ruhte nicht eher, als bis er sie in einer Stunde auf jenem Mauervorsprung dreimal umfangen hatte, und so verlustierten sie sich in höchster Lust eine gute Weile.
Der Jüngling meinte nun, daß der Mann bald heimkommen könnte, und hätte gern, um nicht überrascht zu werden, fortgehen wollen, aber er wollte sich doch ebensowenig von der Frau trennen, wie sie von ihm, da sie an diesem Abend dort, wo sie bisher immer nur einen Alten gespürt, einen so kräftigen Jüngling empfangen hatte. Sie gab seinen Hals nicht frei und hielt ihn innig umschlungen, herzte ihn und lud ihn mit zärtlichen Worten, süßen Scherzen, feurigen Umarmungen, tausend verliebten Spielchen und Küssen, so heiß, wie sie nur je eine Frau ihrem Geliebten gegeben, und womit ein Marmorbild zum Leben hätte erweckt werden können, zu neuem Ringen ein. Und da der Jüngling sich so zärtlich umschmeichelt sah, erhob sich bei ihm, der frisch und kräftig war, abermals die Lust, und er begann mit der Frau zum viertenmal die Zwiesprache.
Der Doktor, der mit Sehnsucht auf ihn gewartet hatte, glaubte nun, der Jüngling würde an diesem Abend nicht mehr kommen (er war auch schon ob der großen Kälte ganz steif geworden) und wollte gerade ins Haus treten, als die Frau und der Jüngling mitten in ihrer Umarmung waren; und gerade da kam der üble Alte an die Tür, die er verschlossen fand. Sofort dachte er an das, was auch wirklich der Fall war und vor Wut ebenso schnell warm geworden, wie er vorher vor Kälte gezittert hatte, begann er voll Ingrimm und Schmerz aus Leibeskräften an die Tür zu schlagen, und die Schweißtropfen rannen ihm nieder. Die beiden Liebenden wollten, als sie das Klopfen hörten, nicht sofort auf die ersten Schläge antworten, denn ihre Zungen waren verhindert, da sie mitten im süßesten Liebesgespräch begriffen.
Wie das Klopfen aber weiterging, machten sie schnell dem süßen Spiel ein Ende. Der Doktor aber hämmerte mit aller Gewalt an die Tür und schien sie in Stücke schlagen zu wollen. Nachdem das Werk nach Wunsch zu Ende gebracht war, nahm die Frau Imenio bei der Hand und sagte zu ihm: »Bleibt mir treu, mein teures Gut«, und mit leiser Stimme verabredeten sie, wie sie sich unter Tags zusammenfinden könnten, und dann zog sie ihn hinter sich nach und sagte: »Paßt auf, meine Seele, wenn ich die Tür geöffnet und ihn hineingelassen habe und Ihr merkt, ich will sie wieder schließen, müßt Ihr Euch immer dicht hinter mir halten, und wenn ich mich umdrehe, im rechten Augenblick hinter mir vorbei ins Freie schlüpfen.« Nach diesen Worten ergriff sie das Licht und hielt den Jüngling hinter sich, damit ihn ihr Mann durch die Löcher der Tür nicht sehen konnte, ging zur Tür und öffnete sie. Der Doktor schoß voller Wut wie ein Blitz hinein, und als der gute Imenio, der aufmerksam hinter der Tür stand und sich klein machte, merkte, daß er hereinstürmte und sie sich mit dem Licht gegen ihren Mann und mit dem Rücken nach der Straße zu wandte, schlüpfte er schnell hinaus. Und nun wartete sie sicher und zufrieden mit heiterem Gesicht auf das, was er sagen würde. Und kaum war er im Haus, da rief er: »Schließe die Tür, verbrecherisches Weib; denn der heutige Abend soll der letzte deines Lebens sein.« Da sie wußte, daß der Jüngling fort war, entgegnete sie ihrem Mann, als ob er ein Bauer gewesen wäre: »Sperrt sie doch selbst zu, ich tue es nicht.«
Da er ihn nicht hatte hinausschlüpfen sehen, hatte sie Mut genug, ihm das zu sagen und warf, da sie wußte, daß er ihn im Hause nicht finden könnte, den Schlüssel zur Erde und ließ die Tür offen. Der arme Herr, der noch immer nicht klug geworden war, nahm den Schlüssel auf, sperrte die Tür zu, ging hinter der Frau her und rief: »Sag mir, schlechtes und falsches Weib, wohin hast du ihn heute abend versteckt?« Die Frau, die, wie gesagt, ihn nicht mehr im Haus hatte, konnte mit aller Sicherheit sprechen und antwortete ihm: »Wo sollte ich ihn versteckt haben?« Da fuhr der Doktor alsbald auf: »Du Dirne, glaubst du, ich weiß nicht, daß schon zwei Abende hintereinander ein Jüngling bei dir gewesen ist? Wenn ich ihn finde, schneide ich dir den Hals ab, du elendes Weib!« Die junge Frau, die stärker als er war und seine Drohungen nicht fürchtete, erhob die Stimme und rief: »Warum sagt Ihr nicht gleich drei Abende, das wäre noch besser? Sagt mir doch, Ihr elender Schwätzer, wieviel habt Ihr denn ins Haus treten sehen? Bei der Gnade Gottes, Ihr verdientet und es wäre meine Pflicht, Euch das Schändlichste, was es gibt, anzutun, um Euch schmutzigem Hunde Anstand beizubringen. Wehe mir Elenden, führt Euch so schändlich auf, wie Ihr wollt, geht und sucht im ganzen Hause, und wenn Ihr jemanden findet, ermordet mich, wenn Ihr mir nicht noch Ärgeres antun könnt, Ihr besoffener Narr, Ihr alter kindischer Kerl.« Und sie begann zu klagen: »O ich Unselige und Arme, sieh doch diesen verteufelten alten Schurken, was für einen hübschen Tanz er begonnen hat! Aber beim Kreuze Gottes, wenn ich morgen einen Florentiner treffe, gehe ich mit ihm, darauf könnt Ihr Euch verlassen; und ich werde meinen Brüdern von Eurer Aufführung erzählen und ihnen alles sagen, was Ihr angestellt habt. Glaubt Ihr vielleicht, daß ich mich fürchte? Denkt es nur ja nicht. Ihr müßt nicht glauben, daß ich wie Eure Schwester bin, die, bevor sie einen Gatten hatte, mit einem Töchterchen niederkam.«
Der Doktor hörte in seiner übergroßen Wut nicht, was sie sagte, und rief zu ihr gewandt: »Sei überzeugt, schändliches Weib, daß ich dich totschlagen werde. Meinst du denn, ich wisse nicht, daß du ihn am ersten Abend auf der Kleiderstange und gestern abend auf dem Tisch im Waschkorb verstecktest? Heute abend aber gedenke ich ihn zu finden. Wie kommt es denn, daß ich die Tür geschlossen fand?« Worauf die Frau erwiderte: »Der liebe Gott sende Euch die Pest über den Hals! Wieso quält Ihr mich so? Sagt mir doch gefälligst, wenn ich ihn zwei Abende dort versteckt haben soll, wo Ihr sagt, warum sucht Ihr nicht unten bei mir nach, vielleicht habe ich ihn zwischen den Beinen.« Als der Doktor sie so sprechen hörte, dachte er sich, daß sie es ihm zum Spott sagte, so wie sie es sonst auch getan, und rief: »O du schlechtes und elendes Weib, kannst du nicht wenigstens schweigen? Glaubst du, ein Recht zu haben, mich so zu verspotten? Sag mir, du schurkisches Weib, wo hast du ihn versteckt, sag es sofort, sonst schwör ich bei Gott, daß ich dich töte!«
»Wenn Ihr's bei Gott nicht gelobt, so meinetwegen beim Teufel, mir ist es gleich«, entgegnete sie. »Warum habt Ihr denn Eure Augen nicht aufgehalten?« Und da sie sah, daß er von seiner Narrheit ganz benommen war, sagte sie, um ihm noch größeres Leid zuzufügen: »Wisset, wenn es jetzt nicht Nacht wäre, würde ich keine Stunde mehr in diesem Hause bleiben, um mir so etwas sagen zu lassen, und ich will auch nicht länger bei Euch bleiben. O, wie könnt Ihr mir denn dergleichen ohne Grund vorwerfen? Das ist das Nachtmahl, das Ihr mir schon drei Abende lang beschert, aber, beim Sohne Gottes, morgen gehe ich mit dem ersten davon, den ich treffe. Ihr habt mich auf jede Weise gekränkt, denn nach Euren Worten bin ich eine Hure, alter Schurke und Schuft. Seid versichert, ich gehe zu meinen Brüdern und erzähle ihnen von Eurer schönen Aufführung und sage, es wäre einem Mädchen besser, es würde erdrosselt, als es an einen alten Narren wie Euch zu verheiraten. Dann dürfen sich die Väter nicht wundern, wenn die Töchter ihnen wenig Ehre machen; denn sie tun ihre Pflicht nicht, wenn sie sie solchen Gatten geben; warum habe ich nicht getan, was Ihr verdient hättet, damit Ihr Euch doch mit Recht beklagen könntet? Über Euch und meinen Vater komme Unglück, über Euch aber hundertmal mehr. Genug, daß er gesagt hat, du wirst Geld und Gut in Menge finden, und es ist besser, Mädchen mit Männern zu verheiraten, die viel Geld haben; genug, daß es heißt, er ist so und so viel tausend Dukaten wert, daß aber nicht gesagt wird, er ist ein Narr, ein Tier, ein alter Kerl. Man braucht doch noch andres als Brot und Kleider! Wie töricht bin ich doch gewesen! Hätte ich nicht unter den schönsten, vornehmsten, reichsten und edelsten Jünglingen in Siena meine Geliebten wählen können! Es sind noch nicht acht Tage her, da verliebten sich in mich zwei der schönsten und reichsten Jünglinge hier, aber ich, um Eurer und meiner Ehre willen, habe sie nicht sehen wollen und habe ihnen kein freundliches Gesicht gezeigt, und nun schiebt Ihr mir solche Dinge unter. Ihr verdient aber keine ehrbare Frau. In dieser Welt geht es nur den Frauen gut, die schlecht handeln; wenigstens genießen sie das Leben, schwelgen, machen sich gute Tage, sind bei allen wohl gelitten, gut beleumundet. Jawohl, ich muß ein schlechtes Leben führen und mich um nichts kümmern und Euch reden lassen. Sagt mir doch, wenn ich wollte, wer hindert mich daran, das wirklich zu tun, was Ihr mir vorwerft? Ihr nicht und alle die Eurigen nicht würden mich abhalten, es vor Euren Augen zu tun, und Ihr würdet nichts dazu, noch davon tun können.«
Und während sie also miteinander zankten, ging der arme Doktor wie an den beiden vergangenen Abenden mit dem Licht in der Hand suchend durch das ganze Haus und sie hinter ihm her, um ihn zu quälen. Und es war kein Kasten und kein Korb, den er nicht durchsuchte und umwandte, aber er konnte den Buhlen nicht finden, schon deshalb nicht, weil er an diesem Abend nicht im Hause war. Müde und matt und schmerzerfüllt kehrte er in die Kammer zurück, wo er zuerst gesucht hatte, und hier zankte er sich eine gute Weile mit der Frau herum und konnte sie nicht zum Geständnis wegen ihres Liebhabers bringen, sondern sie leugnete stets und sagte ihm unter drohenden Worten die größten Schmähungen, die man nur einem Manne sagen kann, und endlich wurde sie für diesen Abend müde vom Schreien, und schließlich mußte der Mann der Schuldige und die Frau die Gute und Brave sein. Der arme Doktor erkannte, daß das Schelten das Allerschlimmste sei und entschloß sich, damit kein andrer von seiner Schande erführe, sie zu verschweigen und ein Mittel zu finden, daß sein Weib sich nicht mehr mit ihrem Geliebten zusammenfinden könne, und so hüllte er sich denn in Schweigen und sprach mit seiner Frau nie mehr davon, tat vielmehr, als erinnere er sich des Vorgefallenen nicht mehr, gleich als ob gar nichts gewesen wäre.
Seinem Schüler gegenüber aber wollte er es anders machen. Als der Morgen gekommen war und er ihn traf, sagte er zu ihm, ohne ihn zu fragen, wie es ihm am letzten Abend ergangen war: »Wisse, Imenio, wer tut, was er nicht darf, dem geschieht oft, was er nicht glaubt. Im Glauben, gut zu handeln, tat ich, was ich nicht hätte tun sollen: ich trachtete, dich verliebt zu machen und erkenne jetzt, daß ich sehr übel daran tat, denn indem ich dich verliebt machte, verliebtest du dich in meine Frau und hast dich schon drei Abende mit ihr zusammengefunden. Nun sag ich dir, gehe nicht mehr zu ihr und ich bitte dich, sprich zu keinem davon, und ich sage dir ferner, wenn du doch zu ihr gehst, kann dir etwas begegnen, das ihr und dir sehr unangenehm sein würde. Doch wenn du als der anständige Mensch, als den ich dich stets erkannt habe, handelst, wirst du aus Liebe zu mir diese Sache verschweigen, als ob sie nie gewesen wäre, um mir nicht diese Schande anzutun; denn bisher wirst du wohl nichts getan haben, weil dir die Zeit mangelte. Aber schweige vor den Leuten, denn wenn es auch nicht geschehen ist, so war es doch nicht darum, weil es am Willen dazu gefehlt hätte; ich verzeihe dir und ihr; denn an meinem Unglück trage ich allein die Schuld.«
Als Imenio seinen geliebten Doktor also sprechen hörte, war er ganz fassungslos, besonders als er hörte, daß es seine Gattin war und, da er es nicht leugnen konnte, sprach er: »Meiner Treu, da habt Ihr wirklich die Wahrheit gesprochen, als Ihr sagtet: wer tut, was er nicht soll, dem begegnet, was er nicht glaubt. Ich habe aber noch weit mehr gefehlt als Ihr, denn als ich mich verliebte, durfte ich Euch niemals sagen, in wen, namentlich, weil ich sie nicht kannte. Wenn ich es nicht getan, so hätte mir nicht begegnen können, was mir begegnet ist, und ich hätte mich voller Glück meiner Liebe erfreuen können. Doch da es nun gegen unsern Willen ohne Absicht so gekommen ist, bitte ich Euch um Verzeihung wegen des einzigen Kusses, den ich ihr gab, und Ihr dürft nicht denken, daß es zwischen uns etwas anderes als Worte gegeben hat und das, wovon ich Euch sagte.«
Als der Doktor das hörte, glaubte er ihm, und ein großer Kummer wich von ihm, denn er hatte an Schlimmeres gedacht, und er sagte: »In Zukunft, Imenio, sieh dich nach einer andern Frau um und laß die meine, das mußt du mir versprechen.« Bei diesen Worten seines Doktors erkannte der Jüngling, daß die Liebe süßer als Zucker und Honig sei, und versprach ihm mit heuchlerischen Worten, sie zu verlassen; aber da sie ihm verboten war, ward er nur noch von größerer Sehnsucht zu ihr entflammt. Der Doktor aber glaubte dem Schüler und versuchte nicht mehr, seine Frau zu hüten und sprach ihr mit keiner Silbe von dem Vergangenen. Als die wackere Frau sah, daß ihr Mann ihr nichts mehr sagte, glaubte sie, er schweige aus Angst vor ihren Drohungen und fand sich mit ihrem Geliebten wieder zusammen, und sie lachten viel darüber und wählten Zeit und Ort gar wohl und machten sich insgeheim das Liebesvergnügen. Und lange Zeit erfreuten sich, dem Doktor zum Trotz, und ohne daß jemand davon erfuhr, die beiden Liebenden aneinander.
Ein Doktor in Viterbo glaubt, seine Frau habe mit einem Jüngling zu schaffen gehabt, darum erhebt er mit seiner ganzen Verwandtschaft töricht die Fahne des Aufruhrs, bringt seine Frau in ein Kloster, geht bewaffnet zum Gouverneur und bewirkt, daß der Jüngling gefangengesetzt wird. Der Gouverneur handelt nach der Bestimmung der Gesetze, der Jüngling wird freigesprochen und der Doktor verurteilt
Es ist noch nicht lange her, da lebte in Viterbo ein Jüngling, sehr schön von Gestalt und geschmückt mit trefflichen Eigenschaften, als Sekretär des Gouverneurs, der ihn ob seinen Tugenden sehr liebte. Infolge dieses Amts fand der Jüngling viel Freundschaft in Viterbo und ward oftmals von seinen Freunden in die Häuser zum Nachtessen oder zu Abendgesellschaften geladen, denn er sang sehr schön und wußte alle Instrumente zu spielen. Unter anderen nahm er eine Freundschaft wieder auf, die er vor langer Zeit in Siena, als er dort studierte, in aller Brüderlichkeit geschlossen, mit einem Mann, dessen Namen ich lieber verschweigen will, der dann seinen Doktor in der Medizin gemacht hatte. Nachdem sie sich so wiedergefunden hatten, schlossen sie sich eng aneinander an, wie Freunde es zu tun pflegen, und verkehrten so vertraut miteinander, als wären sie Brüder.
Aus keinem andern Grunde aber hatte der Jüngling die Freundschaft wieder aufgenommen, als weil er die Frau des Doktors gesehen hatte, denn sie war ein schönes junges Weib. Und da der Jüngling ein gar verliebter Hering war, verschoß er sich sofort in die Doktorsfrau, deren Freundschaftlichkeit und Schönheit es ihm angetan hatten; und um sie zu sehen und zu sprechen, ging er oft ins Haus des Doktors; manchmal sprach er sie auch in Gegenwart des Mannes, ward allmählich mit ihr sehr befreundet und wurde nach wenig Tagen so sicher, daß er mit ihr zu äugeln wagte und ihr auf mannigfache Art seine Liebe kundtat.
Die Frau, wie die meisten von uns, die wir wenig Hirn haben, begann, als sie eines Tages sah, daß ihr Mann sie nicht hörte, dem Jüngling von der schlechten Behandlung zu erzählen, die ihr Mann ihr oftmals angedeihen ließ, und der Jüngling, von seiner Liebe umstrickt und in ihren Netzen gefangen, versetzte ihr mit wohlgewählten Worten: »Meine teure Madonna, solche Menschen verdienten, daß ihre Frauen ihnen so mitspielten, daß sie wirklich Grund hätten, sie so schlecht zu behandeln.« Mit diesen und ähnlichen Worten gab er ihr zu verstehen, daß sie sich in einen Jüngling verlieben müsse, der ihm Grund zur Eifersucht gäbe, und bot ihr schließlich an, den Kuppler zu machen. An diesem Tag also begannen sie in ihrem Liebeshandel vertrauter zu werden und miteinander offener zu reden. Die Frau war nach Frauenart nicht sehr abgeneigt, aber Ihr kennt ja unsre Manier, erst etwas erzürnt über derlei zu tun; wir lassen uns bitten, obwohl wir es kaum erwarten können, bis wir das Tier mit den zwei Rücken spielen können, und weisen, was wir am meisten begehren (um nicht willfährig zu erscheinen), mit gutgespielter Entrüstung von uns. Um also nicht ganz schamlos zu erscheinen, spielte die Frau ein wenig die Spröde. Sie wollte ihm diesmal nicht allzuviel Gehör schenken, ihn aber auch nicht gänzlich abweisen, und so beendeten sie beide ein wenig verstimmt ihr Liebesgespräch.
Die Frau, die von Stunde zu Stunde darauf wartete, daß der törichte Jüngling mit etwas anderem als mit Worten spräche, und der es recht mißfiel, daß er nicht mit den Händen sprach, zürnte ihm nur aus diesem und aus keinem andern Grunde.
Am Tage, nachdem er seine flammende Liebe offenbart hatte, ging der Jüngling wie sonst in die Kammer des Doktors, wo sich immer ein Literat einfand, mit dem sie über tausend Narrheiten schwatzten, oder ein Bote von einem Kranken mit dem Uringlas. Sie plauderten dort von tausend verschiedenen Dingen; danach verließen sie beide das Haus und gingen bis zum Abend in Viterbo spazieren. Zur Nachtmahlzeit kehrte der Doktor heim und der Jüngling in den Palast des Gouverneurs zurück.
Nach dem Essen ging der Jüngling auf seine Kammer, und indem er dort an die Frau dachte, wuchs seine Liebespein, und er fand keine Ruhe, so fühlte er seine Brust von den heißen Liebesflammen erglühen. Um diese Brunst zu beschwören, nahm er seine Laute und verließ das Haus, und wie es alle diese törichten Liebenden zu tun pflegen, tat er auch: er spazierte um das Haus seiner Heißgeliebten herum, stimmte einige Weisen zum Klang der Laute an und sang die Verse mit wohllautender Stimme.
Während der Jüngling auf der Straße sang, trat der einfältige Doktor, der ihn sofort erkannte, ans Fenster und rief ihm zu, ob er nicht, um der Gattin eine Freude zu machen, freundlichst für eine Stunde in die Kammer kommen und spielen wolle, weil ihn seine Frau gern hören möchte. Der Jüngling, der nichts anderes begehrte, kam sofort und blieb eine gute Weile. Die Frau, schon vordem in ihn verliebt, wurde es nun, da sie ihn so schön singen und spielen hörte, noch viel mehr, besonders, als sie ihn einige Verse vortragen hörte, die er für sie gegen die verdammte Eifersucht gedichtet hatte, die Ursache aller Zwiste.
Als der Jüngling genug gespielt und gesungen hatte, verabschiedete er sich mit wohlgesetzten Worten auf gute Art und ging davon zum Palast. Er war recht zufrieden, hatte er doch die Geliebte gesehen, und in dieser Zufriedenheit ging er später zu Bett.
Nach ich weiß nicht wieviel Tagen ging er abermals ins Haus des Doktors und fand zu seinem Glück, ehe er ins Arbeitszimmer kam, die geliebte Frau ganz allein, worüber er sehr erfreut war. Er begrüßte sie froh und begann mit ihr zu sprechen. Die Frau, wohl wissend, daß ein andrer sie nicht hören konnte, erwiderte lächelnd seinen Gruß und fragte ihn, warum er denn erst jetzt sich wieder sehen ließe, worauf ihr der Jüngling ohne ein Wort, wie es ein wahrhaft Liebender stets tun muß, den Arm um den Hals legte, sie zwischen die Brüste küßte, fest an sich preßte und mit vielen Küssen bedeckte.
Als die Frau den Jüngling so vertraut mit sich umgehen sah, lobte sie ihn im Herzen sehr, tat aber nach Weiberbrauch erst spröde (wir tun ja gewöhnlich so, als wollten wir nicht, lassen aber die Dinge laufen, wie sie wollen) und erklärte, ohne zu schreien: »Oh, Schmach über mich, wohin ist es heute mit mir gekommen! Haltet ein; wenn man es erführe, würde ich nie mehr wagen, unter die andern Frauen zu gehen«, dabei hielt sie aber still, ohne Lärm zu machen, und sprach zärtliche Worte, die einen Heiligen zur Sünde verlockt hätten. Infolge der Umarmung ganz rot geworden, sagte sie nach einer Weile zu dem Jüngling: »Haltet ein! Wenn Ihr so weiter macht, werde ich es meinem Mann sagen. Wollt Ihr wohl davon ablassen!«
Der Jüngling aber war ohne Furcht, grüßte sie mit vielen süßen Küssen und sagte ihr mit vielen zärtlichen Worten alles, was er begehrte und von ihr zu erhalten wünschte.
Die Frau, die es nicht ernst meinte, wie schon gesagt, begann nach schlecht geheuchelter Furcht ganz vertraut und verliebt mit dem Jüngling zu scherzen; einander in den Armen liegend, küßten sie sich heiß und plauderten verliebt, und manchmal konnte die Frau ihre Zunge nicht brauchen, da sie in eines andern Gewalt war, und ihm ging es ebenso. So blieben die beiden Liebenden eine lange Weile beisammen; aus Furcht aber, überrascht zu werden, pflückten sie an diesem Tage nur die Blumen der ersehnten Liebe und verabredeten, wann und wo sie sich länger zusammenfinden, ihre sehnsüchtigen Wünsche erfüllen und die süße Liebesfrucht pflücken können. Unter den innigsten Umarmungen und heißesten Küssen, womit sie sich an diesem Tag begnügen mußten, trennten sie sich dann, und der Jüngling, der nun wie gewöhnlich zum Arbeitszimmer des Doktors hinaufging, fand ihn studieren über den Fall eines krank zu Bett liegenden Mädchens. Ihr Übel war nichts anderes als die Sehnsucht nach dem Manne und die Liebe zu einem Jüngling; der Arzt aber wußte diese Krankheit nicht von den andern zu unterscheiden und schrieb Rezepte, der Narr; sodann begann er mit dem Jüngling ein Gespräch und erzählte ihm allen möglichen Klatsch. Nachdem sie lange miteinander geplaudert hatten, verließ der Jüngling den Doktor und ging nach dem Palast, um einige Briefe nach Siena, Pisa und Florenz aufzugeben und, als das besorgt und die von der Frau bestimmte ersehnte Stunde gekommen war, ging er zum Haus der Geliebten und gelangte, wie sie verabredet, durch ein nicht sehr hohes Fenster in die Kammer des geliebten Lebens, und hier ergötzten sich beide ohne Furcht und blieben unter zärtlichen Gesprächen eine lange Weile zusammen. Infolge ihres langen Kosens schliefen die beiden ermatteten Liebenden, die sich ganz sicher wähnten, aus Übermüdung auf einem Sessel (oder vielmehr einer Sitztruhe) ein, auf der sie sich während ihrer Liebeskämpfe müde gemacht hatten.
Nun war zufällig das kleine Töchterchen der Frau und des Doktors, das bei der Mutter schlief, aus seinem sanften, leichten Schlaf infolge irgendeiner Furcht aufgewacht und verspürte einen unerträglichen Durst. Wie ein Kind ist, suchte es im Bett nach der Mutter und ward, da es sie nicht fand, noch ängstlicher, fing jämmerlich an zu schreien und rief: »Mama, wo bist du? Gib mir zu trinken!«
Die Frau hörte vor Mattigkeit und Schlaf ihre Tochter nicht, ebensowenig ihr Geliebter. Das kleine Mädchen, allein im Bett und im Dunkeln, begann sich immer mehr zu fürchten und heftiger zu weinen und zu rufen und schrie mit von heftigem Schluchzen unterbrochener Stimme: »Liebe Mama, wo bist du? Ich finde dich nicht im Bett!«
Der Doktor, der abseits in einem andern Zimmer gewöhnlich bis nach Mitternacht studierte und dann getrennt von der Frau sich zur Ruhe begab, heute aber zufällig noch nicht schlief, verließ, als er sein einziges Töchterchen so bitterlich schluchzen hörte, aus Liebe zu ihr (eigentlich nicht so sehr aus Liebe zu ihr als aus Eifersucht ob der Worte, die er gehört hatte) das Studierzimmer, ging zu der Kammer, in der die Frau schlief, wollte eintreten, konnte aber nicht öffnen, da sie von innen sorgfältig abgeschlossen worden war.
Dem Doktor, der den Eingang bisher nie so versperrt gefunden hatte, stieg das Blut in den Kopf, und in richtiger Ahnung des Sachverhalts schlug er wild gegen die Tür. Dadurch schrak die Frau aus ihrem tiefen Schlaf empor und fragte: »Wer klopft?« worauf der mondsüchtige, närrische, phantastische Mann voller Eifersucht, ohne doch etwas Sicheres zu wissen, rief: »Ach, du elendes Weib, sieh, jetzt habe ich dich ertappt! Was hast du denn da drin, daß du dich so eingesperrt hast? Ah, du Schelmin, du Elende, du Schamlose, du Verruchte, handelst du so an mir? Ist das die Ehre, die du mir erweist?« Bei diesen Worten erwachte auch der Jüngling, fürchtete sich, als er den Lärm hörte, sehr, sprang furchtsam auf und machte sich, ohne ein Wort zu sagen, eilig durch das Fenster davon.
Solange der Jüngling in der Kammer war, wollte die brave Frau ihrem Mann nicht öffnen; als er aber gegangen war und sie das Fenster wieder zugesperrt hatte, öffnete sie, die Haare offen, ohne Strümpfe und Kleid, weinend dem Manne und fuhr ihn zornig an: »Wen sucht Ihr denn? Wer ist jemals anders hiergewesen als Ihr und jene, die alle Tage herkommen?« Das ganze Gesicht in Tränen gebadet, trocknete sie manchmal mit ihren goldenen krausen Haaren ihre klaren schimmernden Augen, die in kristallener Feuchte standen, und weinend fuhr die Arme fort: »Ihr Schurke, was sagt Ihr da! Käme doch nur über den, der zuerst meinem Vater von Euch sprach, das härteste Unglück, Ihr Eifersüchtiger, Lästiger, Zuwiderer, Argwöhnischer, Schändlicher! Glaubt Ihr denn, ich bin eine wie Eure Verwandten und Schwestern, die so etwas zu tun pflegen?«
Bei diesen Worten holte der unkluge Doktor einen Dolch, den er in seinem Zimmer hatte und der ganz rostig war, stürzte auf die Frau zu und setzte ihn ihr an die Kehle: »Schweig, du elendes Weib, ich möchte dich am liebsten töten, aber ich tue es nicht eher, als bis deine Brüder und meine Verwandten alles wissen. Danach will ich mich deiner entledigen, denn ich mag nicht diesen Schimpf, diese Schande, diese Pest im Hause haben. Ich weiß wohl, was ich zu tun habe, denn ich will mir nicht den Namen, den ich mir mit heiliger Mühe erworben habe, durch deine Büberei, deine Verworfenheit, deine Schamlosigkeit rauben lassen.«
So sprach er, und dann entgegnete sie, und darauf gerieten sie in den heftigsten Wortwechsel und sagten sich alle Schande, bis schließlich die Frau erklärte: »Merkt es Euch wohl, Ihr elender Narr, wenn ich Euch noch weiter so sprechen höre, werde ich tun, was Ihr verdient, und wenn ich will, werde ich es vor Euren eignen Augen tun, und Ihr werdet nichts dagegen machen können. Bittet Gott, daß er das nicht zulasse, ich wäre wohl imstande, mein Wort wahr zu machen. Dankt Gott, daß ich nicht die Tochter einer Frau bin, die so etwas tut, denn niemals bin ich nach dergleichen lüstern gewesen, aber merkt wohl: wenn ich wollte, könnte ich es so gut wie die andern.« Während sie das hervorsprudelte, kam sie immer mehr in Wut und rief: »Merkt wohl, wenn Euer Bruder hingerichtet wurde, werdet auch Ihr eines Tags getötet und in Stücke gehauen werden. Wenn man Euch nur den Kopf abschlüge wie ihm, wäre es lange nicht genug. O ich Unselige, mir wäre es besser gewesen, meine Mutter hätte mich gleich nach der Geburt ertränkt oder mir, statt daß sie mir den Nabel abband, eine Spindel hineingestoßen, als mich mit Euch verheiratet. O du törichte Mutter, warum hast du nicht die Augen aufgetan, als du mich mit einem so tollen Hund verheiratetest?«
Und in Tränen zerfließend, bearbeitete sie sich selbst mit den Fäusten, bis alle Nachbarn auf die Straße liefen. Daraufhin ließ sie der närrische Doktor in Ruhe und kehrte in sein Arbeitszimmer zurück, wo er zu schlafen pflegte, und dort legte er sich unter den dicken Wälzern zur Ruhe; die Frau aber blieb vor Angst und Furcht zurück; mißtrauisch gegen ihren Mann, argwöhnend, er könnte ihr ein Leid antun, sperrte sie sich in die Kammer ein und verbrachte die ganze Nacht unter den widerstreitendsten Gedanken, bis sie zuletzt ihre ganze weibliche Zuversicht wiedergewann und einigermaßen heiter wurde.
Mit Tagesanbruch erhob sich der Herr Doktor, noch von der gleichen Eifersucht erfüllt, hitzig wie ein Narr, eilte zur Kammer, wo er sie schmerzerfüllt und kummervoll fand, und sagte: »Nun, du falsches Weib, willst du mir noch nicht gestehen, mit wem du gestern nacht zusammengelegen hast?« Die Frau aber, die der ersten Gefahr entgangen war, dachte auch der zweiten zu entrinnen und hatte keine Angst mehr, und abermals leugnete sie es mit wütendem Gesicht und groben Worten. Der Doktor als eifersüchtiger Mann hatte schon mehrere Male den jungen Sekretär des Gouverneurs beargwöhnt und dachte darum, daß niemand anders als dieser es sein könnte; er verlegte sich daher aufs Raten und fragte: »Glaubst du, ich wüßte nicht, daß der Sekretär des Gouverneurs mehrere Male mit dir hier gescherzt hat? Aber wisse, daß er nicht mehr wiederkommen wird, denn ich werde dich augenblicklich aus dem Hause tun. Ich will dir die Ehre erweisen, die du verdienst. Zieh dich an, wenn du nicht mit mir kommen willst, wie du da bist.« Um schnell von ihm fortzukommen, zog sich die Frau, ohne weiter eine Frage an ihn zu richten, im Umsehen an, öffnete unauffällig eine Truhe und entnahm ihr ein kleines Paket, in das sie nachts alle ihre Ringe, Schmucksachen, Ketten, alles Silber des Hauses und all das Geld, das ihr törichter, närrischer Mann im Hause hatte, zusammengepackt nebst vielen anderen wertvollen Sachen und nahm es heimlich mit. Alles in allem nahm sie an Wert für mehr als 400 Taler mit, und ihr Mann, der so klug zu sein glaubte, dachte in seinem Zorn gar nicht an die Möglichkeit einer solchen Schädigung und führte sie in ein nahes Nonnenkloster, wo er die Äbtissin und die Schwestern, sie ihnen empfehlend, bat, sie in guter Hut zu behalten und ihnen mit Geld und Geldeswert ihre Mühen zu vergelten versprach. Damit glaubte er eine große Tat getan zu haben.
Vom Kloster ging er voller Wut nach Hause, um sich zu überlegen, was er tun solle. Die mannigfachen Gedanken flogen durch sein schwaches, dürftiges Hirn. Nach einem langen törichten Selbstgespräch verwünschte er seine Dummheit und bedauerte tief, die Frau aus dem Hause getan zu haben, da er fest entschlossen war, ihr den Tod zu geben; weil er das aber nicht tun konnte, wollte er sich selbst töten. Danach tat ihm das aber auch leid, und nun, da er die Frau nicht töten konnte und sich selbst nicht töten wollte, gedachte der Tropf den Kanzler umzubringen; er lief eilig zum Gouverneur und klagte den Sekretär des Ehebruchs an, bewies ihm, er habe nach Recht und Gesetz den Tod verdient, und erzählte ihm wie ein Narr die ganze Geschichte.
Als das der Gouverneur hörte, wandelte ihn ein wenig die Lachlust an, allein schon bei dem Gedanken, daß ein Mann wie dieser, und noch dazu einer, der in der Medizin doktoriert hatte, so einfältig daherredete; aber er bezwang sich nach Möglichkeit und erklärte ernst: »Ich wundere mich sehr, Messer, daß Ihr solche Dummheiten sagt«, ermahnte ihn und berief sich auf die Aussprüche vieler Gelehrter und sagte dann: »Seht Ihr denn nicht, wie Ihr Euch selbst Schande macht; ein so kluger Mann wie Ihr dürfte so etwas, selbst wenn es die Wahrheit wäre, niemals sagen. Ihr macht ja die bisher verborgene Schande durch Eure Worte kund, und wo Ihr bisher nur die Hörner versteckt getragen, pflanzt Ihr sie Euch jetzt auf den Kopf. Kein Arzt kann Euch da helfen, und Ihr tut am besten, wenn Ihr davon schweigt.«
So sagte ihm der Gouverneur ganz offen, was er tun sollte; aber der närrische Doktor machte es wie jeder, dem man etwas abschlägt: je mehr der Gouverneur es tat, desto eigensinniger beharrte er auf seinem Begehren; da der Gouverneur also nicht nach seinem Wunsch handeln zu wollen schien, verließ er ihn endlich, suchte einige nahe Verwandte auf und erzählte ihnen alles. Noch närrischer wie er, hetzten sie ihn auf; in kurzer Zeit bewaffnete der tolle Doktor ihrer eine Menge, und darauf zogen sie zum Hause des Gouverneurs. Das sahen viele Viterbesen, die ob ihrer Parteikämpfe in zwei Lager sich geteilt hatten, und die andere Partei, die den Grund der Zusammenrottung nicht kannte, geriet in große Furcht.
Von vielen nach dem Grund des Aufruhrs befragt, erklärte der Arzt, ehe er zum Haus des Gouverneurs zog, was er zu tun vorhabe. Als Mann von wenig Verstand, stieg er auf eine Bank und rief: »Brüder, ich habe mir durch viel Arbeit und Mühe Ehre erworben und will sie nicht durch ein Weib einbüßen. Nun, liebe Brüder, der Pisaner, der beim Gouverneur ist, hat mich gehörnt, das will ich nicht ertragen, und wenn er auch Sekretär und Kanzler des Gouverneurs ist, so will ich ihn doch töten.«
Kaum hatte er das gesagt, so erhob der Haufe einen großen Lärm, da ihm das Gehörte sehr mißfiel; und in großer Wut liefen sie bewaffnet zum Palast des Gouverneurs. Als die Wachen des Palastes den andringenden Haufen sahen und den Grund nicht wußten, warum er in Waffen war, schlossen sie um ihrer Sicherheit willen das Tor. Der Palast aber ward von jenen auf allen Seiten umgeben und bewacht, daß niemand herauskäme. Der Lärm rief den Gouverneur ans Fenster, und als er fragte, was der bewaffnete Auflauf bedeute, antworteten sie den Juden gleich, als sie zu Pilatus sagten: »Kreuzige ihn, kreuzige ihn«, und riefen alle wie aus einem Munde: »Gebt uns den Pisaner, wenn Ihr nicht sterben wollt!«
Darob erschrak der Gouverneur sehr, denn er kannte das hitzige, tolle Blut der Viterbesen, verlor aus Angst vor ihrer Wildheit alles Ehrgefühl, dachte nicht an die Schmach, die er sich auflud, dachte nur an sein Leben und gab ihnen ohne jede Rücksicht den Pisaner unter den folgenden Bedingungen preis: »Gut, ich will ihn Euch geben, aber ich will sehen, ob er gefehlt hat oder nicht. Hat er gefehlt, so soll das Recht seinen Lauf nehmen und alles den gesetzmäßigen Weg gehen; andernfalls werde ich ihm nichts anhaben, da es nicht gerecht wäre. Nun legt die Waffen nieder, ich lasse ihn ins Gefängnis bringen, und wenn Ihr es nicht glaubt, kommt, wenn Ihr die Waffen abgelegt habt, und überzeugt Euch davon.«
Da die Worte des Gouverneurs den Haufen befriedigten, legte er die Waffen nieder. Der Gouverneur aber meinte sich der Sache leicht entledigen zu können und sagte zu dem Sekretär: »Du hast gehört, geh ein wenig ins Gefängnis, bis diese Wut vorüber ist.« Der Jüngling, da er das ganze Volk in Waffen sah und die Natur der Viterbesen kannte, hatte nicht weniger Furcht als sein Herr und ging zu seiner eignen größeren Sicherheit ins Gefängnis.
Kaum hatten sie die Waffen abgelegt, da eilten der Doktor und alle andern zum Palast und fanden den Pisaner im Gefängnis; darauf bemächtigten sie sich eines Buchs, in dem ihre Kapitel und Statuten verzeichnet waren, fanden das gesuchte Statut und zeigten es dem Gouverneur; darin stand: alle jenen, Männer wie Frauen, die auf der Sünde mit einer verheirateten Frau oder mit einem verheirateten Mann ertappt worden seien, sollten, außer es wären öffentliche Dirnen, ohne Gnade zum Tode verurteilt werden. Darin stand auch, daß, wenn zwei solches begangen hätten, von denen die Frau keinen Mann, noch der Mann ein Weib hätte, sollte der Mann sie heiraten, wenn die Frau ihn wollte, und wenn er sie nicht heiraten wollte, sollte er ihr eine bestimmte Mitgift geben.
Das war dem Gouverneur sehr unbequem; denn er sah ein, daß, wollte man nach diesem Statut handeln, in Viterbo wenig Männer und Frauen übrig bleiben würden; und wenn es nach Recht und Gesetz ging, würde kaum einer, glaubte er, am Leben bleiben. Darum rief er den Doktor zu sich und sagte zu ihm insgeheim: »Gewiß, Doktor, Ihr habt heute sicherlich den Verstand verloren, daß Ihr Euch die Hörner, von denen bis jetzt, wie ich schon sagte, noch niemand weiß, auf so schimpfliche Weise auf den Kopf setzen wolltet. Laßt mich machen, ich will ihn im geheimen verhören, denn von diesen Dingen braucht doch nicht jeder zu wissen, und solche Sachen darf man nicht überhasten. Ihr wißt wohl, daß späte Reue nichts nützt.« Der Gouverneur konnte ihm jedoch keinen Verstand beibringen, er hatte es sich nun einmal in den Kopf gesetzt, daß der Pisaner nach dem Statut sterben sollte und verlangte, daß er sofort in Gegenwart aller, die mit ihm gekommen waren, verhört würde, worauf der Gouverneur erklärte: »Wenn keine sonstigen Indizien vorhanden sind, kann ich ihn nicht foltern lassen, sonst beschwere ich mein Gewissen.« Wie der Doktor das hörte, geriet er in Zorn und drohte, den Gouverneur samt all seinen Leuten in Stücke hauen zu lassen.
Der arme Gouverneur, der schon Proben der viterbesischen Narrheit erhalten hatte, fürchtete für sein Leben. Er rief alle seine Leute zusammen, ließ sich den Pisaner vorführen, gerade als wäre er ein Straßenmörder, und begann ihn ohne Folter in Gegenwart vieler zu verhören.
Als der Doktor sah, daß der Pisaner leugnete, setzte er es durch Drohungen durch, daß der Gouverneur ihn ohne andere Indizien, ohne Beweise an das Seil knüpfen und hochziehen ließ, wobei der Jüngling bitter sein Unglück beklagte; doch angesichts der Todesgefahr und im Gedanken an die Ehre der Frau leugnete er weiter und wollte nichts gestehen; viermal ward der arme Pisaner so gewippt, und auch darauf gab sich der Doktor nicht zufrieden.
Da der Gouverneur dem Jüngling so großes Unrecht geschehen sah, suchte er in dem Buch nach und fand ein andres Statut, das besagte: daß man niemanden foltern könne ohne wahre Indizien, und es besagte ferner, daß, wenn nicht sehr glaubwürdige Beweise vorhanden wären und wenn Leute zugegen wären, die an der Verurteilung interessiert seien, so sollten die Personen, von denen die Beschuldigung ausginge und ebenso nachher diejenigen, die falsches Zeugnis abgelegt hätten, für jedes Mal, daß der Angeklagte dreimal gewippt worden wäre, sich dieser Prozedur zweimal unterziehen. Darum ging man mit Rücksicht auf das Statut an diesem Tage nicht mehr weiter vor mit dem peinlichen Gericht, und der Pisaner kehrte in den Kerker zurück. Das ärgerte den Doktor sehr, da er ihn gern gehängt gesehen hätte. Wie jener nun seine Sünde nicht bekannte, verließ der Doktor zornig den Palast, nachdem er dem Gouverneur befohlen, ihn in guter Hut zu behalten so lange, bis er den Beweis gefunden, denn er dachte noch immer, ihn sterben zu lassen.
Als der Haufe den Palast verlassen hatte, schrieb der Gouverneur, der unrecht getan zu haben meinte, einen Brief, in dem er von allem Meldung machte, und sandte ihn durch einen Eilboten nach Rom. Der Bote ward in Rom bei Seiner Heiligkeit, unserem Herrn, sofort vorgelassen, und Seine Heiligkeit, nachdem sie von der Ungebühr Kenntnis genommen, ernannte einen Kommissar und sandte ihn unverzüglich ab. Angekommen, ließ sich der Kommissar den Fall vortragen, der ihm sehr mißfiel, obgleich er bereits unterwegs von dem Bruder des Pisaners von allem unterrichtet worden war, der aus brüderlicher Liebe, um den Bruder zu retten, nach Rom gereist war und dem Kommissar die Gefahr, in der sein Bruder schwebte, geschildert hatte.
Der Kommissar ließ die ganze Mannschaft des Bargello antreten, und um nicht parteiisch zu erscheinen, den Jüngling gebunden auf ein Pferd setzen und führte ihn mit nach Sutri; letzteres tat er nur, um ihn den wilden Viterbesen zu entziehen und den Eindruck zu erwecken, daß er gesetzmäßig vorging. In Sutri übergab er die Sache dem Gericht und ließ den Herrn Doktor vorladen, daß er komme und seine Beschuldigungen vertrete. Die Sache ging ihren gewöhnlichen Gang, und der Kommissar verfehlte nicht, den Jüngling in einer Kammer, mit Eisen an den Füßen, zu halten.
Der Doktor kam mit Prokuratoren, Statuten, Advokaten und all dem, was zu einem Streitführenden gehört; denn der Elende wollte unter allen Umständen dem Jüngling ans Leben; aber er hatte keinen Beweis dafür, daß der Jüngling bei seiner Frau gewesen war, und da er ihn nicht gesehen hatte, wollte er die Probe mit dem Seile nicht bestehen.
Da der Jüngling abermals leugnete und verlangte, daß er für den Schaden, die Kosten und Zinsen aufkomme, wurde das Urteil gefällt, daß der Doktor im Unrecht sei und den Pisaner für die erlittenen Schmerzen und allen Schaden zu entschädigen habe, den er in dreißig Tagen erlitten.
Da nun der Doktor Unrecht bekommen hatte, ward der Pisaner freigelassen. Der Kommissar rief den Doktor zu sich und verurteilte ihn zu allen in Sutri für den Gefangenen und dessen Bruder entstandenen Kosten, ebenso zu den durch den Prozeß aufgelaufenen; danach sagte er ihm, seine Frau wäre brav und ehrbar und er ein Narr und der Schuldige, und entließ ihn mit harten Worten.
Als der Doktor sich so zurechtweisen hörte und sah, daß er hier nicht auftrumpfen konnte, schwieg er aus Furcht für sein Leben und aus Schreck über seine Verurteilung; es war ihm das sogar recht, denn er meinte nun all seine Ehre wiedergewonnen zu haben, meinte im Unrecht zu sein und glaubte seiner Frau ganz sicher zu sein, nur, weil er gehört, daß seine Frau keinen Fehltritt begangen hätte; er zahlte also alles, was er zu zahlen hatte und kehrte zufrieden nach Viterbo zurück.
Kaum war er daheim vom Pferde gestiegen, da eilte der Narr zum Kloster, fragte nach seiner Frau und wollte sie mit nach Hause nehmen; aber die brave Frau, die sich von ihrem Mann so beschimpft sah, wollte nicht mehr zu ihm zurückkehren und machte ihn auf eine Weise herunter, wie wohl noch nie ein Mann von einer erzürnten Frau heruntergemacht worden ist: »Wagst du dich noch vor mir zu zeigen?« rief sie. »Bin ich denn ein Hund, daß du, der du mich so beschimpft hast, glaubst, ich käme gleich wieder, wenn du mir gute Worte gibst? Ich muß an mich halten, daß ich dir nicht die Augen auskratze. Es wäre besser, die Väter ersäuften ihre Töchter, als daß sie sie mit solchen Narren, Einfaltspinseln, lästigen, argwöhnischen, eifersüchtigen, unausstehlichen Menschen wie Ihr verheirateten, die der Teufel hole allesamt! Fort von mir, ich will weder mit dir, meinem Mann, noch mit einem andern etwas zu schaffen haben. Ich will dein Weib nicht mehr sein und hier im Kloster bleiben, solange du lebst. So wie du mich diesmal behandelt hast, würdest du es auch ein andermal tun. Aber es wird nicht lange dauern, da schlagen sie dir den Kopf ab, und das ist's was ich hoffe.
Damit verließ sie ihn und ging ins Kloster zurück, und aus Liebe zu dem Pisaner wollte sie abgeschlossen von der Welt bleiben, solange ihr Mann lebte; aus Liebe zu dem Jüngling, der so viele Strafe und Pein ertragen hatte, wollte sie die Buße der Keuschheit auf sich nehmen.
So also ward der Pisaner frei. Der Doktor ward von der Frau verlassen, und die Frau, aller der Freuden beraubt, die uns Frauen so beglücken, wollte, ihren Mann verschmähend, im Kloster bleiben und nichts mehr von ihm hören. Es vergingen aber noch nicht volle vierzig Tage, da hörte sie, er hätte in Rom einen Denkzettel im Gesicht erhalten, worüber sie sich sehr freute. Sonst wollte sie nie etwas von ihm wissen, und so wie er ohne Frau, so lebte sie ohne Mann.
Einem kranken Lombarden wird vom Arzt ein Klistier aus einem Hammelkopf verordnet. Wie der Lombarde das hörte, überfällt ihn große Furcht, denn ihm bangt davor, daß die Hörner ihm ein Leid antun könnten, und aus Angst davor befällt ihn ein Fieber, so daß er fast mehr aus Furcht als infolge der Krankheit gestorben wäre.
Ihr wißt, wie grob der Verstand und wie plump die Redeweise der Lombarden sind, ich meine die der gewöhnlichen und niedrig geborenen Menschen, die mehr dazu geschaffen sind, auf ihren Schultern jede schwere Last zu tragen und die härteste Strapaze auszuhalten als fein und gebildet zu sprechen und fein und anständig zu leben, und gerade wegen ihrer plumpen Lebensart findet man diese Leute entweder als Bauern oder als Lastträger, manchmal auch als Knechte von Edelleuten.
Ein solcher Mensch stand auch in den Diensten eines unserer Edelleute, der ihn auf dem Lande beschäftigte, wo er um einige Pflanzungen von Fruchtbäumen Mauern ohne Mörtel schichtete und andre anstrengende Arbeiten mehr verrichtete. Nachdem nun der Lombarde lange Zeit im Dienst gestanden hatte, erkrankte er infolge seiner unvernünftigen Lebensweise, nicht etwa ob der allzu großen Arbeit, sondern infolge des übermäßigen Essens und Trinkens, und er glaubte, die allzu geringe Arbeit wäre an seinem Zustand schuld. Als seine Krankheit mit jedem Tage wuchs und er bereits schwerleidend zu Bett lag, ohne Wartung und irgendwelche Diät, kam es seinem Herrn zu Ohren, daß sein Lombarde krank sei; er ließ ihn als wahrer Edelmann und auch mit Rücksicht auf seine guten Dienste auf seinen Gütern, nach Siena bringen, wo er kuriert werden sollte. Als er hier angekommen war, ließ der Herr den gescheitesten Arzt holen, der ihn auch selbst im Notfall behandelte und ließ ihn alle Mittel versuchen, die zu seiner Genesung helfen könnten, führte ihn ans Bett des kranken Lombarden und zeigte ihn ihm.
Der tüchtige Arzt betrachtete den Kranken und den Urin, erkannte sofort sein Übel und fand, daß er zuviel Galle habe, woran das allzugute Essen und das fortwährende Nichtstun schuld war, während er doch sehr an Anstrengung und an Wasser mit Brot gewöhnt war, hier aber herrlich und in Freuden lebte. Um dem Übel abzuhelfen, verordnete der Arzt ein Klistier, und er wandte sich zu diesem Zwecke an die Frauen, die im Hause dienten und sagte zu ihnen: »Gebt ihm morgen früh ein Klistier von einem Hammelkopf, dann wollen wir weiter sehen!« und dann fügte er, um den Kranken zu trösten, hinzu: »Mein guter Simone (so hieß er), du sollst nicht länger leiden, wir haben dir ein Klistier von einem Hammelkopf verordnet, das stärkt und erfrischt, laß es dir morgen früh machen, dann wollen wir weiter sehen«, und damit verließ ihn der Arzt.
Kaum hatte der Arzt so gesprochen, als Simone ein heftiges Fieber mit Schüttelfrost und eine wahnsinnige Angst überfiel, so daß er keine Ruhe fand, und all das kam von der törichten Einbildung und Furcht her, weil er vom Hammelkopf hatte sprechen hören. Der Schöps, und einfältig wie er war, fürchtete, er könnte ihm mit den Hörnern und allem andern in den Leib kommen, und den ganzen Tag beherrschte ihn diese Furcht.
Am Morgen bereiteten die Frauen das Klistier und kamen dann in die Kammer, um es ihm zu geben. Als Simone sie kommen hörte, begann er in toller Angst sich im Bett zu wälzen, gerade wie eine Schlange im Feuer, oder wie ein Aal im siedenden öl und jammerte dabei laut. Wie nun die Frauen kamen und ihn fragten: »Sollen wir dir nicht jetzt, Simone, das Klistier geben, das dir der Arzt verordnet hat?« blieb Simone mäuschenstill, antwortete den Frauen mit keiner Silbe, sondern stöhnte nur manchmal, als phantasierte er: »Ich werde sterben, es ist aus mit mir!«
Die Frauen fragten wiederum: »Hörst du nicht, Simone? Antworte uns, ob du das Klistier haben willst oder nicht! Wenn du es nicht willst, werden wir es dem Herrn sagen und es dir mit Gewalt durch einen Apotheker geben lassen, und wenn du nicht ruhig liegst, werden wir dich mit Stricken festbinden, oder wir lassen dich wie einen Schelm sterben.«
Als Simone diese Drohungen vernahm, ward er noch mehr von Furcht erfüllt und antwortete mit gebrochener Stimme gerade wie die, die zur Richtstätte gehen: »Ich will gern tun, was Ihr wollt, aber nehmt wenigstens die Hörner weg, damit sie mir nicht weh tun.«
Durch diese Worte wurden die Frauen derart zum Lachen gereizt, daß sie kaum reden konnten, und ebensowenig konnten sie infolgedessen auf die Bitte des Kranken antworten. Nach langem Lachen erklärten sie: »Habt keine Furcht, wir haben sie schon abgeschnitten und das übrige haben wir in viele Stücke gebrochen, so daß es dir nicht mehr weh tun kann.«
Als das Simone hörte, kam er wieder zu sich, denn, wie gesagt, er glaubte, der ganze Hammelkopf wie er war, müsse in seinen Leib hinein, und da er schon viel Hammelköpfe gegessen hatte und die spitzen Knochen in ihnen kannte, rief er: »O weh, mir werden die scharfen Knochen weh tun und die Därme zerreißen.«
Wie die lustigen Frauen von dieser zweiten Befürchtung hörten, mußten sie noch mehr lachen, und als sie endlich genug gelacht, entgegnete eine der Frauen: »Simone, wir wollen diesen Hammelkopf beiseite lassen und einen andern nach unserer Art herrichten, denn nur schwer könnten diese Knochen hineingehen, ohne dir weh zu tun. Laß uns nur machen!«
Simone, der sich vor der Prozedur fürchtete, verließ sich darauf nicht, obwohl ihm ihr Rat gut schien, und fragte, bevor er einwilligte: »Sagt mir, könnte ich nicht diesen Hammelkopf essen, wie ich die andern früher auch gegessen habe, und die Brühe trinken?« »Jawohl«, entgegneten die Frauen, »aber du müßtest alles trinken«, und Simone, der, wenn es zwei Hammelköpfe und noch einmal soviel Brühe gewesen wäre, alles verschlungen hätte, erklärte schließlich: »Ich will keine Klistiere, lieber will ich den Hammelkopf essen und die Brühe trinken, bringt ihn mir und laßt mich machen.«
Als das die Frauen hörten, sagten sie: »Wenn es nur in den Leib kommt, ist es genug, woher es kommt, ist dann gleich«, und da sie sahen, daß er es lieber trinken als sich hinten applizieren lassen wolle, verließen sie die Kammer, holten den gekochten Kopf und brachten das Klistier samt allem, was dazu gehörte.
Wie Simone den gekochten Kopf sah, glaubte er sich genesen, war er doch der Gefahr des Klistiers entgangen. Er setzte sich eilig im Bett aufrecht, und damit es die Frauen nicht reute, schlug er wie ein hungriger Wolf die Zähne in den Kopf, und in einem Nu hatte er alle Knochen abgenagt; dann setzte er den Topf mit dem Klistier an den Mund und trank in zwei Zügen die ganze Brühe so rein aus, daß der Topf wie ausgewaschen aussah, gab ihn den Frauen zurück und fragte, ob sie noch mehr hätten.
Als die wackeren Frauen ihn voll sahen, ließen sie ihn alsbald unter die Decke kriechen, hüllten ihn in Tücher und verließen ihn mit der Mahnung: »Nun ruht ein wenig!« Simone, des Hammelkopfes ledig, glaubte einer großen Gefahr entgangen zu sein, denn jene hatte ihn mehr als das Fieber gequält. Das Fieber verließ ihn nunmehr, sei es infolge der ausgestandenen Furcht oder der Freude über die Abwendung der Gefahr, und damit ward er auch alle andern Schmerzen los. So ward ihm das Klistier zur Arznei, mit jedem Tag mehr ging es Simone besser; und wenn er sich auch noch nicht ganz wohl fühlte, kam er doch nach einigen Tagen fieberfrei aus dem Bett. Wie der Herr von dem glücklichen Erfolg hörte, wäre er samt dem Arzt vor Lachen fast gestorben; Simone aber ward durch den Trank von seinem Übel befreit.
Eine Frau verteidigt sich schlagfertig gegen die beißenden Worte eines Jünglings.
Vor wenigen Tagen, als ich zufällig im Laden eines mir befreundeten Apothekers war und dort, da ich nichts zu tun hatte, mit einigen anderen jungen Leuten die Stunden verschwatzte, kam zufällig eine Frau hinein, die über die besten Jahre hinaus, vielleicht fünfundvierzig bis fünfzig Jahre alt war, wohlgebaut, freundlich von Gesicht und zum Scherz aufgelegt. Als diese Frau also eingetreten war, fragte der Apotheker dem Brauch gemäß, was sie wünschte, und die wackere Frau forderte, ohne sich im geringsten zu genieren, von ihm für zwölf Soldi Sublimatschminke. Um etwas zu verdienen, nahm der Apotheker aus einem Schrank einen Kasten mit Bleiweiß, Salben, Federalaun, Alaunzucker, Alaun in Blättchen, Steinsalz, Salpeter, Quecksilber und gediegenes Silber, Moschus von der Levante und tausend andere Dinge, aus denen man Salben und Pflaster für Gesicht und Haare macht, und die hier aufzuzählen zu weit führen würde. Aus diesem Kasten nahm er eine kleine Schachtel, in der das Sublimat in Pastillen nicht größer als der Durchmesser einer kleinen Kerze sich befand.
Während ihn der Apotheker hervorsuchte, begann ich, der nichts zu tun hatte, lächelnd: »Das ist wirklich schön! Ihr solltet Euch doch schämen, auf diese Weise die armen Jünglinge zu betrügen. Mit Euren Schminken da macht Ihr aus einem Ding ein andres, denn wenn Ihr geschminkt seid, seht Ihr ganz anders aus, das ist doch gewiß wahr; gar viele Frauen, könnte man sie morgens ganz früh sehen, wenn sie aufstehen, ehe sie sich geschminkt haben, sehen doch gerade wie Zigeunerinnen aus, oder, besser gesagt, wie die Weiber aus unsern Maremmen. Aber das Schminken allein ist Euch noch nicht genug, Ihr betrügt sie auch sonst noch tausendfach, indem Ihr Euch falsche Zöpfe aufsteckt, Stirn und Brauen enthaart, Euch von den Hüften aufwärts fest verschnürt und Eure Brüste hinaufbändigt, Euch mit allen möglichen kleinen Kissen ausstopft und einen Busen, der so schlaff ist wie zwei leere Schweinsblasen, rund und fest erscheinen laßt. Aus einem kleinen Mädchen, das kaum eine Brust hat, macht Ihr eine Amme, und aus einer Amme ein kleines Mädchen; denn wenn eine Frau zu viel Brust hat, preßt Ihr sie in der Mitte zusammen und schnürt einen Teil davon unter den Armen fest und wenn sie hängende Brüste hat, hebt Ihr sie hoch und drückt sie zusammen, so daß sie fest und rund erscheinen. Aber damit noch nicht genug, Ihr stopft Euch hinten und vorn mit Filz und Baumwolle aus, um eine bessere Figur zu bekommen. Ist eine nicht groß und stattlich, so laßt ihr sie auf Schuhen gehen, die eine halbe Elle hoch sind, und wenn das noch nicht langt, dann legt Ihr ihnen in die Schuhe Korksohlen, zwei Finger hoch, und wenn sie einen Zoll höher erscheinen sollen, laßt Ihr ihnen Schuhe mit doppelten Sohlen machen, und wenn sie mager und dürr sind, dann polstert Ihr sie gut aus mit Unterröcken, eingenähten Schnüren und was dergleichen Trug mehr ist!«
Die wackere Frau wechselte bei meinen Worten nicht die Farbe, zeigte auch ebensowenig Eile, den Laden zu verlassen; da sie mich aber hatte aussprechen lassen, mußte sie nun auch ihrer Meinung Ausdruck geben, zumal sie mehr vom Mann als vom Weibe an sich hatte, und sie begann mit offener Miene und in wohlgesetzten Worten: »Hört bitte auf mit diesen Räubergeschichten, Ihr Männer betrügt im Gegenteil die Frauen, und vor allem die armen Mädchen, indem Ihr Euch ihnen in diesen großmächtigen Hosenlätzen zeigt, eine halbe Elle lang, so daß man denkt, die ganze Welt steckt drin. Wenn man aber näher zusieht, ist so gut wie nichts Brauchbares drin, und sie stecken voller Lappen und Plunder. Der Teufel hole den, der die Auswüchse erfunden hat, die immer der reine Kramladen sind; denn außer dem Zeug, das der Schneider hineingestopft hat, sind noch zwei Sacktücher drin, der Geldbeutel und anderes mehr; das Wichtigste aber fehlt, nämlich das, wofür der Latz da ist, und weswegen die Frauen darauf hinschauen; da ist keine Lanze stets zum Turnier bereit, wie es den Anschein hat, da ist wenig oder nichts; und darum dürft Ihr nicht sagen, daß wir Frauen die Männer betrügen. Wir Frauen sind vielmehr die Betrogenen, nicht Ihr; denn wir finden nie, was wir möchten und was uns genügte, und meist fehlt uns das Nötige, denn es ist nicht unsere Art, mit wenig vorlieb zu nehmen; Ihr aber findet stets genug und meist mehr, so daß Ihr nicht so große Worte zu machen braucht.«
Hier mußte ich zwei Wörtchen bemerken und sagte: »Höret Madonna, Ihr irrt darin; was Ihr da anführt, ist zum Teil falsch, und ich will es Euch durch den Augenschein beweisen. Faßt nur hin, wenn Ihr wollt; man macht die Lätze nicht mehr so groß wie früher, seht nur her, sie sind bedeutend kleiner, und die meisten sind sogar kleiner als das Glied, das sie bergen sollen, – das ist die reine Wahrheit. Seht Euch die Lätze von uns allen an, die wir hier zugegen sind, und Ihr werdet erkennen, daß es sich so verhält, wie ich Euch gesagt habe, und daß sie nicht so sind, wie Ihr behauptet, auch bin ich gewiß, daß Ihr bei allen findet, daß der Inhalt größer ist als die Hülle.«
Die wackere Frau wollte aber durchaus nicht hinsehen und auch nicht weitere Worte von mir abwarten, nahm das Sublimat, legte das Geld schweigend dafür hin, ging ganz aufgeregt davon und ließ uns, wie wir es verdienten, aufs heiterste gestimmt, zurück; und die Geschichte gab uns so viel Stoff zum Lachen, daß wir noch heute darüber lachen.
Wie der Meister Arzt, Bruder Don Sebastiano, eines Nachts zum Abte von San Galgano gerufen wird und, von einem Diener desselben bedroht, davonläuft, in eine Pfanne mit gelöschtem Kalk fällt und aus Angst vor dem Bargello also eingekalkt die ganze Nacht durch wartet, bis es hell wird.
Vor nicht langer Zeit lebte zu Siena ein Mönch vom Predigerorden des heiligen Dominikus, der mehr gefallen daran fand, hinter den Weibern her zu sein, als sich in Geduld der Klosterregel zu fügen. Da ihm also das Klosterdasein wenig behagte, verließ er den Orden und installierte sich als Lehrer, Bursche, Verwalter und Beschäler bei einer wohlhabenden Witwe aus sehr guter Familie. Dort brachte er deren beiden Söhnen das Lesen bei und erledigte für die Dame die laufenden Geschäfte, wie die Verwaltung der Güter, die Einziehung der Außenstände, die Verproviantierung des Hauses, half ihr ihre Bedürfnisse befriedigen und besorgte ihr ähnliche Dinge, die ihm Vorteil brachten und ihn einiges Geld erübrigen ließen. Da der entkuttete Mönch nun bei der Witwe manche Zechine verdiente, warf er sich, um bei ihr im Sattel zu bleiben, aufs Studieren und spielte mit dem bißchen Latein, über das er verfügte, den Gelehrten und tat gewaltig dick damit. Wenn die Herrin, die nichts von der Sache verstand, ihn zuweilen mit ihren Söhnen ein dürftiges Lateinchen pauken hörte, dachte sie, er müsse ein zweiter Sankt Thomas (von Aquino) an Gelehrsamkeit sein; und da er sich von ihr sehr angestaunt sah, meinte er, die andern Leute müßten ihn ebenfalls bewundern. Es wandelte ihn daher die Lust an, Doktor der Medizin zu werden; er verzichtete demzufolge gänzlich auf sein Mönchhabit (sein äußeres meine ich) und kleidete sich als Weltpriester.
Und wie er ein wenig in die Logik hingerochen hatte, begann er jetzt ein wenig in die Medizin hineinzuriechen und meinte, nachdem er sich die Deckel der Bücher dieser Wissenschaft gründlich angesehen hatte, bereits ein Aristotels, ein Avicenna, ein Hippokrates, ein Mesuë oder ein ähnlich großer Mediziner und Philosoph zu sein, und es gelüstete ihn danach, Doktor zu werden, um sich als Arzt zu betätigen.
Um nun seiner mönchischen Gepflogenheit nicht untreu zu werden, erkor er die pfäffische Knickrigkeit zum Gespons und doktorierte, um wenig Geld auszugeben, in seinen vier Pfählen. Als echter Neapolitaner wollte er das Geld für sich behalten, auch weil er ein Ignorant war und übrigens auch nicht viel mehr Geld hatte als er bedurfte, wiewohl die Witwe eifrig die Hände geregt hatte; denn wo nicht viel ist, da kann man nicht sehr viel holen.
Er studierte solange, bis er zum Doktorgrade von eigenen Gnaden gelangte, und nachdem er wenige Tage darauf nach Siena zurückgekehrt war, rühmte er sich, ganz aufgebläht von Strohfeuerrauch, große Beweise seines Wissens gegeben zu haben und suchte ganz von selbst, ohne gerufen worden zu sein, die Kranken auf, denen er mit vielen schmeichlerischen Worten seine Kunst anpries: er vermaß sich mit hohen Worten, sie zu heilen, gleich als wenn er Gott selber gewesen wäre, und wenn man ihn hörte, so war er der erste Arzt von der Welt.
Als er eines Tages einen Kranken in der Kur hatte, tat er mächtig groß und verordnete ihm eine Latwerge, die, wenn man die einzelnen Posten des Rezepts zusammenrechnete, ein Gewicht von fünfundzwanzig Libbren ergab, was für ganz Siena auf zehn Jahre gereicht hätte. Der Dummkopf, der mehr scheinen wollte, als die andern, heilte die Leute mit seinen gelehrten Medizinen eins, zwei, drei, ohne sie von der Krankheit zu befreien. Eines Tages geschah es, daß dieser Messer Allwissend, als er mit einigen Edelleuten sprach, sich über alle andern Ärzte geringschätzig äußerte, die seiner Behauptung nach nichts wüßten und alle Ignoranten seien, während er selbst allein gelehrt und sachkundig sei. Alle Leute, die etwas verstanden, kannten nun freilich diesen als Doktor verkleideten Büffel, und nur unwissendes Volk schenkte ihm Glauben. Einige junge Leute, die ihn auch kannten und sahen, daß der Tor nur geistig Arme und Hirnlose gleich ihm behandelte, beschlossen, ihm einen Streich zu spielen, und es wurde eines Abends bestimmt, daß der größte Spaßvogel unter ihnen, ein sehr witziger und lustiger Gesell von etwa zweiundzwanzig Jahren namens Christofano Tolomei, diesen ausführen solle.
Eines Tages um die sechste Nachtstunde – es war mitten im Winter – begab sich dieser ganz allein mit der Laterne in der Hand zum Hause des Arztes und pochte wie wild in höchster Eile ans Tor. Alsbald wurde ihm von einer Magd geantwortet, die ihm sagte, der Arzt liege im Bett. Da rief Christofano, um der Sache den Anstrich größerer Wichtigkeit zu geben, hinauf: »Sagt ihm doch bitte, es stehe ein Edelmann draußen, der ihn einen Augenblick wegen eines wichtigen Krankheitsfalles sprechen wolle.«
Die Magd glaubte, diese Nacht müsse der Arzt ein reicher Mann werden, eilte geschäftig in sein Schlafgemach und richtete ihm die Botschaft aus. Der tüchtige Arzt, der sich für mehr hielt, als er war, hieß die Magd, den Edelmann hinaufkommen zu lassen. Gehorsam stapfte sie die Treppe hinunter, öffnete die Haustür und sagte dem jungen Mann, er möge heraufkommen. Da dieser ihm einen Streich spielen wollte, ließ er sich's nicht anfechten, daß der Arzt, der, wie er wußte, nicht nur ein Ignorant, sondern auch ein Bauer, während er selbst vornehm und reich war, ihn heraufkommen ließ, um ihn im Bett liegend zu empfangen, wo er doch nicht einmal würdig war, seinen Dienern die Schuhriemen zu lösen. Er begab sich also hinauf und sagte, in der Schlafkammer des Arztes angelangt, in aller Freundlichkeit und Ergebenheit, mit unterwürfigen Worten, nachdem er eine Verbeugung gemacht hatte, als wenn er einen Kardinal vor sich gehabt hätte, mit der Mütze in der Hand: »Meister Messer Sebastiano, der Abt von Santo Galgano, ist heute abend vom Schlage getroffen worden und so schwach, daß es mit ihm zu Ende geht. Da sein Vater, wie Ihr wißt, Erzbischof von Melfi ist und der Ruhm Eurer Kunst bis nach Rom gedrungen ist, hat er mich zu Eurer Exzellenz geschickt, im Glauben, es werde ihm durch Eure Hände das nahezu verlorene Leben seines Sohnes diese Nacht wiedergegeben werden. Er wird Euch auch ein gutes Trinkgeld geben.«
Dem Arzte schien dies eine gute Kunde; denn er hatte noch nie Leute dieses Schlages behandelt. Um sich aber ein wenig nötigen zu lassen, spielte er den Großen und sagte: »Morgen werde ich in aller Frühe kommen, ich werde nicht verfehlen, zu erscheinen.« Der wackere Jüngling, der wohl merkte, daß der Arzt mehr Lust hatte zu kommen, als er ihn zu führen, brannte darauf, ihm den geplanten Streich zu spielen. Und um seine Absicht zu erreichen und nicht vergeblich gekommen zu sein, sagte Christofano: »Meister Messer Don Sebastiano, ich habe Euch gewißlich bis jetzt stets für einen edlen, vornehmen und höflichen Mann gehalten, die Worte, die ich soeben von Euch gehört habe, lassen mich jedoch erkennen, daß Ihr gerade das Gegenteil davon seid.«
»Wieso?« fragte der Bruder Arzt.
»Weil Euresgleichen«, erwiderte ihm Christofano, »wenn es sich um einen Kranken handelt, schnell bei der Hand und voller Sorge sein müßte, und das um so mehr, wenn es sich um einen Mann handelt, wie den Abt. Ist er denn etwa nicht der Mann, Euch Gutes zu tun?«
Der einfältige Arzt glaubte, der junge Mann spreche im Ernste, und da er sah, daß er einer der Adelsfamilien von Siena angehörte und einen seidenen Mantel anhatte, sagte er: »Gut, ich will Euch zuliebe gleich mitkommen; wartet, bis ich angekleidet bin.«
Damit fing er an, sich eilends anzukleiden, während der Jüngling ihn beständig zu größter Eile drängte, indem er sagte: »Ihr könnt Euch doch denken, daß ich nicht um diese Stunde gekommen wäre, wenn ich bis morgen früh hätte warten können«, – so daß er ihn sich nicht zur Hälfte fertig anziehen ließ. Doch wollte sich der Arzt durchaus das lange Übergewand anziehen, als ob es Mittag und helles Wetter gewesen sei, und also feierlich angetan nahm ihn der Jüngling mit sich. Sie schlugen den Weg nach dem alten Kastell ein und gingen flotten Schritts auf San Galgano zu, so daß der Arzt kaum folgen konnte. Der Jüngling versuchte mehrmals, ihn auf gute Art lozuwerden, aber es wollte ihm nicht gelingen; denn der Arzt folgte ihm dicht auf den Fersen, weil er fürchtete, der Bargello könnte ihn ins Gefängnis abführen, da er kein Licht bei sich hatte.
Schließlich beschloß Christofano, ihn sich selbst zu überlassen, als er mit ihm unter der Brücke in der Nähe von San Galgano angelangt war, und rief plötzlich ganz bestürzt mit einem lauten Fluche: »O weh! ich bin ruiniert!«
»Was ist denn los?« fragte der törichte Arzt. »Was ist Euch passiert?«
Der junge Mann, der ein Raufbold war und wenig Achtung vor Gott und noch weniger vor den Heiligen hatte, fing von neuem an zu fluchen und rief: »Ich habe ein Taschentuch mit fünfunddreißig Goldskudi und zwei Ringen von noch weit höherem Werte verloren«, und er versicherte, es bei der San Giorgiokirche noch gehabt zu haben: »ich habe mir«, sagte er gröblich lästernd, »damit die Nase getrocknet und hörte, als ich es wieder in die Tasche stecken wollte, etwas fallen, dachte aber nicht, daß es das Taschentuch sein könne. Seid doch so gut und steigt hinauf, ich werde gleichzeitig mit Euch an Ort und Stelle sein.«
Von Mitleid über einen so schweren Verlust bewegt und auch, weil er aus Furcht vor dem Bargello nicht in der Finsternis bleiben wollte, sagte der Arzt: »Ich werde mit Euch kommen und Euch suchen helfen.«
»Nein, nein, das sollt Ihr nicht«, erwiderte Christofano, »denn das Leben des Abtes wiegt mehr als das Taschentuch, das ich verloren habe. Geht nur immer zu ihm, ich möchte um keinen Preis, daß Ihr mit mir umkehrtet; denn wenn inzwischen eine Verschlimmerung einträte, so könnte ich nie wieder froh werden. Wir sind jetzt unten an den Stufen zur (Magdalenen)-Kirche; steigt bitte schnell hinauf und erzählt ihm den Fall und warum ich nicht mit Euch gekommen bin. Ich muß unbedingt mein Taschentuch finden, da es Nacht ist, auch noch niemand des Wegs gekommen ist und es mir nicht weit von hier zu Boden gefallen ist.« Und indem er so tat, als suche er auf der Erde herum, ließ er den Arzt die Außentreppe hinaufsteigen.
Der törichte Arzt, der bei dem Abte auf seine Rechnung zu kommen dachte, ging eilends in den Palast von Santo Galgano, während der Jüngling, sobald er an der Säule war, in die Fiera Vecchia-Straße einbog und einige Genossen aufsuchte, die auf den Ausgang des gemeinsam ausgeheckten Streiches warteten und bisher auf dem ganzen Wege den Spuren des Arztes gefolgt waren. Als sie einander gefunden hatten, lachten sie weidlich über die gelungene Nasführung und stellten sich, um alles weitere zu sehen, unter den Bogen, der gegenüber der San Galgano-Kirche einmündet und zur Fiera Vecchia-Straße führt, auf und warteten dort verborgen, was mit dem Arzte geschehen würde.
Zufälligerweise befanden sich diesen Abend eine Anzahl junger Raufbolde im San-Galgano-Palaste bei dem Abte, woran es dort übrigens weder bei Tage noch bei Nacht jemals fehlt; denn meist sind ihrer acht oder zehn da und dazu vier oder sechs Kinder und mindestens ein paar Huren nebst der Puffmutter, die aus dem Kloster eine Spielhölle und ein Bordell machen. Und jeden Abend wird dort bis Mitternacht in mehreren Partien gespielt, dazu geflucht und viel Unanständiges getrieben, genau wie unter Soldknechten. Und zufälligerweise hatten der Abt und sein Vater mit einem ihrer Diener gespielt und ihm acht Skudi im Primspiel abgewonnen, so daß er, ohne einen Groschen in der Tasche, ganz blank und unbeschwert war. Der arme Diener war fast verzweifelt und ging wütend im Kreuzgang auf und ab.
Als der Arzt das Tor des Hauses erreicht und offen gefunden hatte, ging er in den Kreuzgang und begegnete dort zufälligerweise dem über seinen Verlust verzweifelten Mönch. Als der Diener das dumme Tier wie ein Gespenst im Finstern herumpoltern hörte, fragte er: »wer da?«
Der Arzt, der offenbar eine brennende Fackel bei sich zu haben glaubte, antwortete: »Ich bin Messer Sebastiano von Cocensia, der Arzt.« Da erwiderte der Diener voller Zorn: »Was wollt Ihr hier, dummes Tier, daß Euch der Krebs befalle!?«
»Ich bin hergekommen«, entgegnete Messer Bastiano, »weil der Abt und der Bischof wegen der Krankheit des Abtes nach mir geschickt haben. Wie fühlt er sich?«
Da glaubte der Diener, der Arzt sage das zu ihm, um sich über ihn lustig zu machen, und fragte: »Was fehlt denn dem Abt?«
Der unverständige Arzt merkte nicht, daß er mit einem Verzweifelten stritt und antwortete: »Der junge Mann, der mich geholt hat, sagte, er habe einen Schlaganfall gehabt und vermöge sich nicht aufrecht zu erhalten. Wie steht's?«
»Gott gebe, daß Euch der Henker hole! so steht's! Wartet, daß ich einen Stock hole!« Dieser Diener war überzeugt, der Arzt wolle ihn foppen, weil er noch kurz zuvor mit dem Abte gespielt und ihn quietschvergnügt, von Fett strotzend wie ein aufgeblasener Schlauch, samt seinem Vater, dem Erzbischof, inmitten der Jünglinge und zwei der schmutzigsten Huren der Stadt zurückgelassen hatte, wie sie ein solennes Bordell machten. Und da er wußte, daß der Abt an keinem andern Übel litt als an Fettleibigkeit, ergriff er einen Stock, um dem Arzte den Buckel gerade zu machen.
Als der gute Viehdoktor hörte, daß der Diener ihm von Schlägen zu sprechen anfing, ergriff er alsbald die Flucht und rannte durch den Kreuzgang davon, da er sich den Weg aber nicht eingeprägt hatte, fand er den Ausgang nicht; er stolperte vielmehr auf seiner Flucht durch den Kreuzgang zu seinem Unglück über eine Pfanne mit gelöschtem Kalk, die dort für Maurerarbeiten aufgestellt war, fiel hinein so lang er war und kalkte sich über und über ein. So schnell er vermochte, raffte er sich wieder auf, fand endlich die Tür und wischte aus Angst vor den Prügeln hinaus, um auf und davon zu gehen. Als er dann niemand hinter sich herkommen hörte, blieb er stehen, um sich zu säubern, aber nicht nur darum, sondern auch weil er unter jenem Bogen eine kleine brennende Laterne bemerkte und Geräusch von Menschen herauftönen hörte, so daß er fürchtete, es könnten die Häscher des Bargello sein. So wollte er seinen Weg nicht fortsetzen, damit man ihn wegen des fehlenden Lichts nicht ins Gefängnis abführe; vor den Schlägen andrerseits fühlte er sich durch die vermeintliche Nähe des Bargello gesichert, der ihm eine treffliche Zuflucht und Hilfe dünkte.
So blieb er denn unter einem Dach in einem Winkel auf einem kleinen Mauervorsprung, dicht in seinen Mantel und den Kalküberzug gehüllt, hocken und wartete auf den Anbruch des Tages.
Der Diener suchte den Kreuzgang ab, und als er ihn nicht fand, ging er zum Abte und erzählte ihm die Sache. Die Gesellschaft lachte darüber nicht wenig; denn es war niemand darunter, der den Arzt nicht gut gekannt hätte, und man dachte sich wohl, daß er aus Ulk zum Abte geschickt worden war. Der Abt aber zankte sich, aus Ärger darüber, daß der Diener den Arzt nicht hatte zu ihm heraufkommen lassen, eine halbe Stunde mit dem Diener herum und war versucht, ihm zur Entschädigung für die verlorenen Taler eine Tracht Prügel zu verabreichen.
Nachdem Christofano und seine Kumpane den Diener den Arzt mit Stockschlägen hatten bedrohen hören und diesen sodann weiß wie Schnee in der Tür erscheinen sehen, konnten sie kein Ende finden mit Lachen, da sie nicht wußten, was für ein weißes Etwas das sei. Da sie nachgerade müde geworden waren, begaben sie sich zur Ruhe und ließen den Arzt in seinem Unglück voll Scham und Argwohn, letzteres weil er aus Furcht vor dem Bargello seinen Platz nicht zu verlassen wagte. So blieb er denn so lange hocken, bis die Nachtglocke das Schlußzeichen gab. Als er es endlich vernahm, war er bereits ganz erstarrt vor Kälte und klappte mit den Zähnen. Nun war er endlich sicher und ging nach Hause, wo er infolge der Kälte, der ausgestandenen Angst und Pein, der Scham und des erlittenen Schadens so heftig erkrankte, daß er dem Tode nahe war und viele Tage lang das Haus nicht verlassen konnte.
Jene, die mit dem Abte die Nacht durchschwärmten, brachen beim Läuten der Glocke mit ihren Huren auf, um mit ihnen bis Mittag im Bett zu liegen. Der arme Arzt aber konnte niemals den Abt sehen oder erwähnen hören, ohne daß ihm der Streich einfiel, den man ihm gespielt hatte.