Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Giovanfrancesco Straparola

1.

Der von schwerer Krankheit befallene König Wilhelm von Britannien läßt alle Ärzte kommen, um die Gesundheit wieder zu gewinnen und sich zu erhalten. Meister Gottfried, ein armer Arzt, gibt ihm drei Vorschriften, nach denen er sich richtet und durch die er gesund wird.

König Wilhelm von Britannien verfiel einmal in eine schwere Krankheit, doch da er noch ziemlich jung und sehr mutig war, ließ er sich das Übel wenig oder gar nicht anfechten. Die Krankheit wollte aber nicht weichen, verschlimmerte sich im Gegenteil von Tag zu Tag und gewann schließlich ein so ernsthaftes Aussehen, daß kaum mehr Hoffnung auf Erhaltung seines Lebens vorhanden war. Daher befahl der König, daß alle Ärzte der Stadt vor ihm erscheinen und ihm ihre Ansicht frei heraus sagen sollten.

Als nun alle Ärzte, welchen Rang sie auch einnehmen und in welchen Verhältnissen sie auch leben mochten, den Willen des Königs vernommen hatten, begaben sie sich in den königlichen Palast und erschienen vor dem Herrscher. Es befand sich unter ihnen einer, genannt Meister Gottfried, ein rechtschaffener und in seiner Wissenschaft wohl bewanderter, aber armer, schlecht gekleideter und noch schlechter mit Schuhen und Strümpfen versehener Mann. Da er nun so schlecht angezogen war, wagte er nicht unter so viel weisen und hervorragenden Männern zu erscheinen und hielt sich aus Scham hinter der Tür zum Gemach des Königs, so daß man ihn kaum sehen konnte und lauschte dort still auf das, was die hochweisen Ärzte sagten.

Wie nun also sämtliche Ärzte vor dem König standen, sprach Wilhelm: »Vortreffliche Doktoren, ich habe Euch aus keinem andern Grunde vor mir versammelt, als weil ich von Euch die Ursache meiner schweren Krankheit erfahren will und bitte Euch, alle Eure Sorgfalt auf ihre Heilung zu verwenden, mir alle Mittel zu verschreiben, die dazu erforderlich sind und mir meine frühere Gesundheit wiederzugeben. Und wenn dies geschehen ist, sollt Ihr mir die Ratschläge erteilen, die Euch zu ihrer Erhaltung geeignet erscheinen.«

Da antworteten die Ärzte: »Heilige Majestät, die Gesundheit zu verleihen, liegt nicht in unsrer Macht, sondern in der Hand dessen, der durch einen einzigen Wink alles lenkt, wohl aber werden wir uns nach Kräften bemühen, alle erdenkliche Vorsorge zu treffen, um Euch die Gesundheit wieder zu verschaffen und sie dann zu erhalten.« Hierauf begannen die Ärzte über den Ursprung der Krankheit des Königs und über die anzuwendenden Heilmittel zu disputieren, und jeder von ihnen brachte (wie sie es zu tun pflegen) seine Meinung besonders zum Ausdruck und zitierte Galenus, Hippokrates, Avicenna, Äskulap und seine sonstigen Autoritäten.

Nachdem der König ihre Meinung zur Genüge angehört hatte, sah er, als er seine Augen auf die Tür seines Gemaches richtete, eine unbestimmte Gestalt, die sich dort zeigte und fragte, ob dort noch jemand sei, der seine Meinung noch nicht ausgesprochen habe. Man antwortete ihm: »Nein.« Doch der König, der jemand gesehen hatte, sagte: »Mich dünkt, ich sehe jemand hinter der Tür, wenn mich nicht alles täuscht, – wer ist das?« Da antwortete ihm einer jener Weisen: »Est homo quidam«, gleich als wollte er ihn verspotten und sich über ihn lustig machen, ohne zu bedenken, daß gar häufig die Wissenschaft von der Wissenschaft beschämt wird. Da ließ der König dem Verborgenen sagen, er möge vor ihm erscheinen. Und er, der so schlecht gekleidet war, daß er gar nicht wie ein Arzt aussah, trat vor, verneigte sich ganz ängstlich und demütig vor dem Könige und grüßte ihn. Dieser wies ihm einen ehrenvollen Sitz an und fragte ihn sodann nach seinem Namen.

»Ich heiße Gottfried, heilige Majestät«, antwortete er. Worauf der König: »Über meinen Krankheitsfall dürftet Ihr Euch durch die Disputation, die bis jetzt zwischen diesen ehrenwerten Ärzten stattgefunden hat, klar geworden sein, es ist daher nicht nötig, das Gesagte zu wiederholen. Was sagt Ihr also über meine Krankheit?«

Da antwortete Meister Gottfried: »Heilige Majestät, obwohl ich mich mit Recht der geringste, ungelehrteste und am wenigsten beredte unter diesen ehrenwerten Vätern nennen kann, da ich arm und wenig geschätzt bin, werde ich mich dennoch, um dem Befehl Eurer Hoheit zu gehorchen, bemühen – soweit es in meinen Kräften steht, den Ursprung Eurer Krankheit zu erklären und Euch dann eine Norm und Regel geben, die Euch in den Stand setzen wird, künftighin in Gesundheit zu leben. Wisset denn, Herr, daß Eure Krankheit keine tödliche ist; denn sie ist nicht durch einen organischen Fehler verursacht, sondern unvorhergesehen und akut und kann daher ebenso schnell, wie sie kam, auch behoben sein. Damit Ihr die Gesundheit wiedererlangt, will ich daher nichts andres von Euch, als daß Ihr, abgesehen von der erforderlichen Diät, ein wenig Kassiablüte zur Erfrischung des Blutes nehmt. Wenn Ihr dies tut, werdet Ihr in acht Tagen gesund sein. Habt Ihr dann Eure Gesundheit wieder, so müßt Ihr, wenn Ihr sie Euch lange Zeit erhalten wollt, folgende drei Vorschriften beobachten: erstens müßt Ihr den Kopf gut trocken halten, zweitens dafür sorgen, daß Eure Füße warm sind und drittens Euch in der Wahl der Nahrung so verhalten wie die Tiere. Tut Ihr also, so werdet Ihr lange Zeit von aller Krankheit verschont bleiben und gesund und im Besitze Eurer vollen Kräfte leben.«

Als die Ärzte diese schönen Verhaltungsmaßregeln vernommen hatten, die Gottfried dem Könige verordnet, brachen sie in ein solches Gelächter aus, daß sie sich beinahe die Kinnbacken ausrenkten und riefen, zum Könige gewandt: »Das also sind die Vorschriften, das die Regeln Meister Gottfrieds, das die Früchte seiner Studien, – das sind ja nette Verhaltungsmaßregeln für einen König!« Auf diese Weise höhnten sie über ihn.

Als der König die Ärzte so gewaltig lachen sah, befahl er allen zu schweigen und mit Lachen aufzuhören und forderte Meister Gottfried auf, seine Vorschläge zu begründen. »Gnädiger Herr«, sagte Gottfried, »die hochehrenwerten, in der ärztlichen Kunst sehr erfahrenen Väter hier wundern sich nicht wenig über die Vorschriften, die ich Euch für Eure Lebensweise gegeben habe, würden sie aber mit unbefangenem Urteil die Ursachen der menschlichen Krankheiten bedenken, so würden sie wahrscheinlich nicht lachen, sondern den anhören, der vielleicht – ohne ihnen zu nahe treten zu wollen, sei's gesagt – weiser und erfahrener ist als sie. Wundert euch also nicht, heilige Krone, sondern seid überzeugt, daß alle Krankheiten, von denen die Menschen befallen werden, entweder aus Erhitzung oder aus Erkältung, oder aus einem Überfluß an schlechten Säften entstehen. Wenn der Mensch daher infolge von Übermüdung oder großer Hitze in Schweiß geraten ist, muß er sich sofort abtrocknen, damit die Feuchtigkeit, die aus dem Körper ausgetreten ist, nicht wieder zurücktrete und Krankheit erzeuge. Dann muß der Mensch die Füße warmhalten, damit die Feuchtigkeit und die Kälte, welche die Erde ausströmt, nicht zum Magen und vom Magen nicht in den Kopf steige und Kopfschmerz, Magenverstimmung und unzählige andere Übel erzeuge. Das Sichnähren nach Art der Tiere endlich will besagen, daß der Mensch jene Speisen genießen muß, die seiner Leibesbeschaffenheit angemessen sind, wie es die unvernünftigen Tiere tun, die sich nur von Dingen nähren, die ihrer Natur entsprechen. Wenn wir, um ein Beispiel zu wählen, dem Ochsen oder dem Pferd einen Kapaun, einen Fasan, ein Rebhuhn oder das Fleisch eines guten Kalbes oder sonst eines Tieres reichen, werden sie es sicherlich verschmähen, weil es keine ihrer Natur gemäße Speise ist. Legt Ihr ihnen aber Heu und Hafer vor, so werden sie sich sofort darüber hermachen, weil das ein Futter ist, das für sie paßt. Wenn Ihr aber den Kapaun, den Fasan oder das Fleisch einem Hunde oder einer Katze gebt, so werden sie es sofort verzehren, weil es eine ihrer Natur entsprechende Nahrung ist, während sie anderseits das Heu und den Hafer verschmähen werden, eben weil sie ihnen nicht zusagen, da sie ihrer Natur zuwider sind. Ihr werdet also, gnädigster Herr, diejenigen Speisen beiseite lassen, die Eurer Natur nicht entsprechen, und jene wählen, die Eurer Konstitution dienlich sind. Tut Ihr also, so werdet Ihr lange und gesund leben.«

Gottfrieds Rat gefiel dem König sehr, er schenkte ihm Vertrauen und richtete sich danach. Die andern Ärzte aber verabschiedete er und behielt ihn als seinen Leibarzt, hielt große Stücke auf ihn wegen seiner Tüchtigkeit und Gewissenhaftigkeit und machte ihn, wie er es verdiente, zu einem reichen Manne. So führte Gottfried als einziger Arzt des Königs ein glückliches Leben.

 

2.

Nerino, Sohn Galleses, Königs von Portugal, verliebte sich in Genobbia, die Frau des Physikus Meister Raimondo Brunello, erlangt ihre Liebe und nimmt sie mit nach Portugal. Meister Raimondo aber stirbt vor Herzeleid.

Gallese, König von Portugal, hatte einen Sohn namens Nerino, welchen er dergestalt erziehen ließ, daß er bis zu seinem achtzehnten Lebensjahr keine andere Frau zu sehen bekam, als seine Mutter und die Amme, welche ihn stillte. Als nun aber Nerino zur Volljährigkeit gelangt war, beschloß der König ihn auf die Universität Padua zu schicken, damit er dort die lateinische Literatur, die Sprache und die Sitten Italiens kennen lerne. Und so tat er. Als der junge Nerino in Padua angelangt war, schloß er Freundschaft mit vielen Studenten, welche ihm täglich den Hof machten. Unter diesen war auch ein Arzt, welcher sich Meister Raimondo Brunello, der Physikus, nannte. Da sie sich nun oft über verschiedene Dinge miteinander unterhielten, kamen sie eines Tages, wie es unter jungen Leuten zu geschehen pflegt, auch auf die Schönheit der Frauen zu sprechen, und der eine sagte dies, der andere jenes. Nerino aber behauptete, weil er ja früher keine Frau gesehen hatte, außer seiner Mutter und seiner Amme, mit großer Entschiedenheit, daß seinem Urteil nach in der ganzen Welt keine schönere, anmutigere und stattlichere Frau zu finden sei, als seine Mutter, und alle, die man ihm zeigte, erklärte er mit seiner Mutter verglichen für garstige Vetteln. Meister Raimondo, welcher eine der schönsten Frauen hatte, die je die Natur geschaffen, rückte sich über diese Possen die Halskrause zurecht und sprach: »Herr Nerino, ich kenne ein Weib von so großer Schönheit, daß Ihr es, würdet Ihr es sehen, für nicht minder schön, vielmehr für schöner als Euere Mutter erachten würdet.« Nerino antwortete, er könne nicht glauben, daß jene Frau schöner sei als seine Mutter, aber es werde ihm Vergnügen machen, sie zu sehen. Worauf Raimondo versetzte: »Wenn es Euch gefällig ist, sie zu sehen, so bin ich erbötig, sie Euch zu zeigen.« »Das wird mir sehr lieb sein«, entgegnete Nerino; »ich werde Euch dafür verbunden sein.« »Wenn es Euch also beliebt, sie zu sehen«, schloß Meister Raimondo, »so kommt morgen früh in den Dom, und ich verspreche Euch, sie Euch zu zeigen.« Darauf ging er nach Hause und sagte zu seiner Frau: »Steh morgen zeitig auf, ordne dein Haar, mach dich schön und kleide dich prächtig; denn ich will, daß du zum Hochamt in den Dom gehst, um dem Gottesdienst beizuwohnen.« Genobbia – so hieß die Gattin Meister Raimondos – war nicht gewohnt, überflüssige Wege zu machen, sondern brachte fast den ganzen Tag mit Nähen und Sticken zu Hause zu. Sie verwunderte sich daher über dieses Ansinnen nicht wenig; weil es aber sein Wunsch und Wille war, so ergab sie sich darein und kleidete und richtete sich so herrlich her, daß sie nicht eine Frau, sondern eine Göttin schien. Als Genobbia nun nach ihres Gatten Befehl in den heiligen Tempel gegangen war, kam auch Nerino, der Königssohn, in die Kirche, und da er Genobbia sah, erklärte er sie bei sich selbst für außerordentlich schön. Als die schöne Genobbia sich entfernt hatte, kam Meister Raimondo, trat zu Nerino und sprach: »Nun was dünkt Euch von der Frau, die soeben aus der Kirche gegangen ist? Meint Ihr, daß sich irgendeine neben sie stellen dürfe? Ist sie nicht schöner als Eure Mutter?« »In der Tat«, erwiderte Nerino, »sie ist schön; die Natur könnte keine schönere schaffen. Aber seid so gut und sagt mir, wessen Frau sie ist und wo sie wohnt.« Meister Raimondo tat ihm den Gefallen aber nicht; denn er wollte es ihm nicht sagen. »Lieber Meister Raimondo«, sagte hierauf Nerino, »wenn Ihr mir nicht sagen wollt, wer sie ist und wo sie wohnt, so laßt sie mich wenigstens noch einmal sehen.« »Recht gerne«, antwortete Meister Raimondo. »Kommt morgen wieder her in die Kirche, so will ich machen, daß Ihr sie wie heute sehen könnt.« Zu Hause angekommen, sagte Meister Raimondo zu seiner Frau: »Genobbia, halte dich morgen früh bereit; denn ich will, daß du zur Messe in den Dom gehst, und wenn du dich jemals schön gemacht und prachtvoll gekleidet hast, so tu es morgen!« Darüber verwunderte sich Genobbia von neuem; weil sie aber dem Befehl ihres Mannes Gehorsam schuldig war, tat sie, was er von ihr verlangte. Am anderen Morgen begab sich Genobbia in reicher Kleidung und mehr als gewöhnlich geschmückt in die Kirche. Es währte nicht lange, da kam auch Nerino, und als er sie so strahlend schön sah, erglühte er so heftig in Liebe zu ihr, als nur je ein Mann für ein Weib geglüht hat. Meister Raimondo kam nun auch hinzu, und Nerino bat ihn, er möge ihm sagen, wer sie sei, er fände sie wunderschön. Aber Meister Raimondo, der sich stellte, als habe er seiner Praxis wegen große Eile, wollte es ihm jetzt nicht sagen, sondern ließ den Jüngling in seinem Fette schmoren und ging lachend davon. Einigermaßen erzürnt wegen des Mangels an Achtung, den Meister Raimondo ihm gegenüber zu beweisen schien, sprach Nerino bei sich selbst: »Du willst nicht, daß ich wissen soll, wer sie sei und wo sie wohne, aber ich werde es dir zum Trotz schon erfahren.« Er verließ die Kirche und wartete draußen so lange, bis die schöne Frau ebenfalls herauskam, worauf er sie ebenso bescheiden wie freundlich grüßte und bis zu ihrem Hause begleitete. Da nun Nerino die Wohnung der Dame ermittelt hatte, begann er ihr den Hof zu machen und ließ selten einen Tag verstreichen, ohne zehnmal vor ihrem Hause vorübergegangen zu sein. Er wünschte eine Unterredung mit ihr zu haben und zerbrach sich den Kopf, wie er es einrichten könne, seinen Zweck zu erreichen, ohne die Ehre der Frau zu schädigen. Trotz langem Hin- und Hersinnen und Plänemachen wollte ihm doch kein Mittel einfallen, das ihm heilsam schien, bis er schließlich die Bekanntschaft einer Alten machte, welche dem Hause Genobbias gegenüber wohnte. Dieser machte er verschiedene kleine Geschenke, wodurch er ihre Freundschaft gewann und heimlich in ihrem Hause aus- und eingehen konnte. Das Haus dieser Alten hatte ein Fenster, das nach dem Saal von Genobbias Wohnung blickte; von dort aus konnte Nerino sie mit Muße betrachten, wie sie sich in ihrem Hause hin- und herbewegte. Doch wollte er sich selbst nicht zeigen, um ihr keinen Anlaß zu geben, sich künftig vor seinen Blicken zu verbergen. Als Nerino nun alle Tage auf seinem geheimen Beobachtungsposten zubrachte und der heißen Flamme nicht widerstehen konnte, die ihm das Herz verzehrte, beschloß er bei sich, ihr einen Brief zu schreiben und ihn zu einer Zeit ins Haus zu werfen, wo er ihren Mann nicht daheim glaubte. Und also tat er und zwar mehrmals, aber Genobbia warf seine Episteln ungelesen und ohne viel Bedenken ins Feuer. Doch, nachdem sie dies mehrmals getan, fiel es ihr ein, auch einmal eine zu öffnen und zu sehen, was darin stehe. Als sie sie aufgemacht, sah sie, daß der Schreiber Nerino, der Sohn des Königs von Portugal sei, der sich heftig in sie verliebt habe, worüber sie erst eine Weile in Nachdenken versank, dann aber das üble Leben, das sie bei ihrem Manne führte, bedenkend, guten Mut schöpfte und Nerino freundliche Blicke zuwarf, ja ihn sogar auf geschickte Weise ins Haus schaffte, wo ihr der Jüngling dann die heiße Liebe erklärte, die er zu ihr im Herzen trage und die Qualen, die er um ihretwillen stündlich erdulden müsse, und ihr erzählte, wie er sich in sie verliebt habe. Und sie, die schön, liebreizend und mitleidig war, versagte ihm ihre Liebe nicht. Während sie nun in gegenseitiger Liebe vereinigt waren und verliebter Gespräche pflogen, siehe da klopfte plötzlich Meister Raimondo an die Haustür. Als Genobbia dies hörte, hieß sie Nerino sich aufs Bett legen, zog die Vorhänge zu und wies ihn an, hier die Entfernung ihres Gatten abzuwarten. Raimondo trat ins Haus, steckte irgend etwas von seinen Siebensachen zu sich und entfernte sich wieder, ohne etwas gemerkt zu haben. Ein gleiches tat auch Nerino. Des anderen Tages, als Nerino sich auf dem Marktplatze erging, kam zufällig Meister Raimondo des Wegs. Nerino deutete ihm durch Winken an, daß er ihn zu sprechen wünsche, ging dann auf ihn zu und sagte: »Messere, ich habe eine gute Nachricht für Euch!« »Und welche?« fragte Meister Raimondo. »Ich kenne jetzt die Wohnung jener wunderschönen Frau, auch hatte ich bereits eine anmutige Unterredung mit ihr. Und als ihr Mann nach Hause kam, verbarg sie mich im Bett und zog die Vorhänge zu, damit er mich nicht sehen könne, worauf er sich auch sogleich wieder entfernte.« »Nicht möglich?« rief Meister Raimondo. »Möglich«, versetzte Nerino, »und tatsächlich, und in meinem ganzen Leben habe ich kein herrlicheres, holdseligeres Weib gesehen. Solltet Ihr sie vielleicht nächstens besuchen, so empfehlt mich ihr und bittet sie, mich in gutem Andenken zu behalten!« Meister Raimondo sagte ihm dies zu und nahm verstimmt von ihm Abschied. Doch fragte er Nerino zuerst: »Werdet Ihr wieder hingehen?« »Das könnt Ihr Euch denken!« versetzte Nerino. Meister Raimondo begab sich nach Hause, entschloß sich aber, seiner Frau nichts zu sagen, sondern abzuwarten, bis er sie zusammen fände. Am folgenden Tage besuchte Nerino Genobbia wieder und während sie sich den Freuden der Liebe und ergötzlichen Gesprächen hingaben, kam plötzlich der Mann nach Hause. Sie aber verbarg Nerino geschwind in einer Truhe und warf eine Menge Kleider darüber, die sie lüften wollte, um sie vor den Motten zu bewahren. Der Mann stellte sich, als suche er etwas von seinen Sachen, durchstöberte das ganze Haus, guckte sogar ins Bett hinein, aber er fand nichts und ging darauf beruhigter weg und besorgte seine Praxis. Ebenso entfernte sich auch Nerino, und als er Meister Raimondo wieder begegnete, sagte er zu ihm: »Herr Doktor, da komme ich eben von der schönen Frau; aber das neidische Geschick hat mir allen Genuß verdorben; denn ihr Mann kam dazu und störte alles.« »Und wie entwischtet Ihr?« fragte Meister Raimondo. »Sie schloß einen Koffer auf«, antwortete Nerino, »und steckte mich hinein, und darüber warf sie eine Menge Kleider, die sie behandelte, damit die Motten nicht hineinkämen. Er aber kehrte das Bett um und um, und als er nichts fand, ging er seiner Wege.« Wie verdrießlich hier Meister Raimondo gewesen sein muß, kann sich jeder vorstellen, der weiß, wie die Liebe tut. Inzwischen hatte Nerino Genobbia einen schönen kostbaren Diamanten geschenkt, in dessen goldner Fassung innen sein Kopf und sein Name eingegraben standen. Am anderen Tage, als Meister Raimondo ausgegangen war, seine Kranken zu besuchen, ließ die Frau Nerino wieder ins Haus; und kaum war sie mit ihm in den Freuden der Liebe und anmutigen Wechselreden begriffen, so kehrte jener schon wieder nach Hause zurück. Aber die verschlagene Genobbia hatte kaum die Rückkehr ihres Gatten wahrgenommen, so öffnete sie einen großen Schrank, der in ihrer Kammer stand und verbarg Nerino darin. Meister Raimondo trat ins Haus, stellte sich, als suche er etwas von seinen Sachen und kehrte in der Stube alles zu unterst zu oberst, und als er im Bett und in den Truhen nichts fand, nahm er wie ein Rasender einen Feuerbrand und hielt ihn, fest entschlossen, die ganze Kammer mit allem, was darin war, zu verbrennen, an die vier Ecken des Gemachs. Schon hatten die Wände und die Querbalken Feuer gefangen, als Genobbia sich zu ihrem Mann wandte und rief: »Was soll das heißen, Mann? Seid Ihr etwa toll geworden? Wollt Ihr das Haus einäschern, so tut's meinetwegen! Aber meiner Treu, diesen Schrank sollt Ihr mir nicht verbrennen, der die Schriftstücke birgt, die zu meinem Heiratsgut gehören.«

Hierauf ließ sie vier starke Lastenträger kommen und den Schrank in das Haus der alten Nachbarin tragen, wo sie ihn heimlich, ohne daß es jemand merkte, öffnete und sich dann nach Hause zurückbegab. Der sinnlose Meister Raimondo hatte nur sehen wollen, ob jemand hervorkomme, der ihm nicht angenehm wäre, aber er sah nichts als einen unerträglichen Rauch und das lohende Feuer, welches das Haus verzehrte. Inzwischen waren die Nachbarn herbeigeeilt, um die Feuersbrunst zu ersticken und arbeiteten so lange, bis sie sie endlich bemeisterten. Am folgenden Tage, als Nerino auf dem Wege nach dem Prato della Valle begriffen war, stieß er auf Meister Raimondo, grüßte ihn und sprach: »Lieber Meister, ich muß Euch wieder eine Geschichte erzählen, die Euch viel Spaß machen wird.« »Und was?« fragte Meister Raimondo. »Ich bin der schrecklichsten Gefahr entgangen, der jemals ein Mensch entronnen sein mag«, fuhr Nerino fort. »Ich ging wieder in das Haus jener edlen Dame und war mit ihr in anmutigem Gespräch begriffen, als plötzlich ihr Mann heimkam, das ganze Haus auf den Kopf stellte, endlich einen Brand ergriff und das Zimmer an allen vier Ecken ansteckte, so daß alles verbrannte, was darin war.« »Und Ihr«, fragte Meister Raimondo, »wo stecktet Ihr?« »Ich war in einem Schranke verborgen«, antwortete Nerino, »welchen sie aus dem Hause tragen ließ.« Als Meister Raimondo dies vernahm und an der Wahrheit der Erzählung nicht zweifeln konnte, meinte er vor Schmerz und Ärger zu sterben. Aber er durfte sich nicht verraten, weil er hoffte, ihn auf der Tat zu ertappen. »Nun, Herr Nerino«, fragte er ihn, »werdet Ihr wohl noch einmal zu ihr zurückkehren?« »Da ich dem Feuer entgangen bin, wovor sollte ich mich noch fürchten?« versetzte Nerino. Meister Raimondo brach nun dieses Gespräch ab und bat Nerino, am folgenden Tag zu ihm zum Frühstück zu kommen. Der Jüngling nahm die Einladung mit Freuden an. Am nächsten Tag lud Meister Raimondo alle seine Verwandten und die seiner Frau zu sich und bereitete ein pomphaftes, glänzendes Mahl, – nicht in seinem Hause, welches halb abgebrannt war, sondern anderwärts, und wies auch seine Frau an, sich dahin zu begeben, jedoch nicht mit bei Tisch zu sitzen, sondern sich verborgen zu halten und das nötige zu besorgen. Als nun die ganzen Verwandten, sowie auch der junge Nerino, versammelt waren und man sich zu Tisch setzte, suchte Meister Raimondo durch erkünstelte Lustigkeit Nerino betrunken zu machen, um nachher seinen Anschlag ausführen zu können. Nachdem er ihm des öfteren den mit Malvasier gefüllten Becher gereicht und Nerino ihn jedesmal geleert hatte, sagte er zu ihm: »Ach, Herr Nerino, erzählt doch unseren Verwandten hier irgendein drolliges Geschichtchen!« Der arme Nerino wußte nicht, daß Genobbia Raimondos Frau sei und begann nun sein Abenteuer mit ihr zu erzählen, jedoch ohne irgendeinen Namen zu nennen. Es geschah nun, daß einer der Diener in die Kammer ging, wo sich Genobbia befand und zu ihr sagte: »Madonna, wärt Ihr in irgendeiner Ecke versteckt, so könntet Ihr die schönste Geschichte vernehmen, die Ihr in Euerm Leben gehört habt. Ich bitte Euch, kommt mit mir!« Sie versteckte sich also in einem Winkel und erkannte bald die Stimme ihres Liebhabers Nerino und daß die Geschichte, welche er erzählte, ihre eigene sei. Da nahm die kluge, geistesgegenwärtige Frau den Diamanten, den ihr Nerino geschenkt hatte, warf ihn in eine silberne Schale, die sie mit dem köstlichsten Trank füllte und sagte zu dem Diener: »Nimm diese Schale und reiche sie Nerino! Sag ihm, er möge sie austrinken, er wird dann um so besser erzählen können.« Nerino nahm die Schale und trank den Wein in einem Zuge aus. Da sah und erkannte er den Diamanten, der darin lag, ließ ihn in den Mund gleiten, tat dann als wolle er den Mund abwischen und nahm ihn dabei heraus und steckte ihn an den Finger. Jetzt wußte er, daß die schöne Frau, von welcher er erzählte, Meister Raimondos Gattin sei und wollte nicht weiter gehen, vielmehr antwortete er, als Meister Raimondo und seine Verwandten ihn aufforderten, die angefangene Geschichte fertig zu erzählen: »Ja, und da, – da krähte der Hahn und siehe es war Tag; ich erwachte aus einem Traum und aus war's.« Als die Verwandten Meister Raimondos, welche vorher geglaubt hatten, alles, was sie von Nerino über seine Dame vernommen, sei wahr, dies hörten, behandelten sie den einen wie den anderen als Erztrunkenbolde. Einige Tage darauf traf Nerino Meister Raimondo, stellte sich, als wisse er nicht, daß er der Mann Genobbias sei und sagte ihm, daß er in wenigen Tagen abreisen werde, da ihm sein Vater geschrieben habe, er solle unverzüglich in sein Reich zurückkehren. Meister Raimondo wünschte ihm alles Glück zur Reise. Aber Nerino hatte heimliche Abrede mit Genobbia getroffen, entfloh mit ihr und brachte sie nach Portugal, wo er lange in Freuden mit ihr lebte. Als aber Meister Raimondo nach Hause kam und seine Frau nicht fand, starb er wenige Tage darauf vor Verzweiflung.

.


 << zurück weiter >>