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Von einem Doktor des kanonischen Rechts, den ein Ochse so schwer verletzte, daß er nicht wußte, an welchem Bein es war.
Ein Doktor an der kanonischen Rechtsfakultät ging, um in den Schulen (der vier Nationen) zu lesen und begegnete einem Trupp Ochsen (oder der Trupp Ochsen begegnete ihm), den ein Metzgerknecht vor sich hertrieb. Einer dieser Ochsen streifte, als der Herr Doktor auf seinem Maultier vorbeiritt, seine Robe ein wenig, worauf er sofort anfing zu schreien: »Zu Hülfe! zu Hülfe! der böse Ochse hat mich umgebracht, oh, oh, – ich bin tot!« Auf dies Geschrei strömte eine Menge Leute zusammen; denn er war sehr gut bekannt, da er sich seit dreißig oder vierzig Jahren nicht aus Paris hinausgerührt hatte, und als sie sein Jammern hörten, glaubten alle, er sei aufs schwerste verletzt. Die einen stützten ihn auf der einen, die andern auf der andern Seite, in der Besorgnis, er möchte von seinem Maultier fallen. Zwischen die lauten Schreie, die er ausstieß, hinein rief er seinen Famulus, der Corneille hieß, zu: »Komm her! Ah! mein Gott! lauf zu den Schulen und sag meinen Hörern, daß ich tot bin und daß ein Ochse mich getötet hat und ich nicht zur Vorlesung kommen kann und daß ich sie ein andermal abhalten würde.« Die Schulen waren über diese Nachricht ganz bestürzt und auch die Herren von der Fakultät. Und alsbald gingen einige von ihnen als Abgesandte zu ihm und fanden ihn auf einem Bett ausgestreckt. Der Barbier war auch schon da mit Binden, Ölen, Salben, Eiweiß und allen nötigen chirurgischen Werkzeugen. Der Herr Doktor jammerte laut über sein rechtes Bein und konnte es nicht aushalten, daß man ihm Schuh und Strumpf abzog, man mußte ihm vielmehr sofort den Schuh auftrennen. Als der Barbier das Bein nackt vor sich sah, vermochte er keine Spur von einer Verletzung zu finden, obwohl der Herr Doktor in einem fort schrie: »Ich bin tot, mein Lieber, ich bin tot!« »Wo fühlt Ihr denn den größten Schmerz, Herr?« fragte der Barbier. »Ja seht Ihr's denn nicht?« rief dieser, »ein Ochs hat mich getötet, und da fragt Ihr mich noch, wo er mich verwundet hat! Ah! ich bin hin!« Da fragte ihn der Barbier: »Ist es hier?« »Nein.« »Etwa hier?« »Nein.« Kurz, es fand sich nichts. »Du lieber Gott!« rief der Doktor aus, »was soll das heißen – diese Menschen können nicht einmal die Stelle finden, die mir weh tut! Ist denn keine Anschwellung da?« fragte er den Barbier. »Nein, nirgends«, lautete die Antwort. »Dann« – meinte der Herr Doktor, »muß es am andern Bein sein; denn ich weiß genau, daß der Ochs mich gestoßen hat.« Man mußte also das andere Bein seiner Hüllen entledigen, aber man fand es ebenso verwundet wie das andre. »Bah! dieser Barbier versteht nichts davon – holt mir einen andern!« Man ging ihn holen, er kam und er fand nichts. »Bei Gott! das ist aber merkwürdig«, sagte der Herr Doktor, »sollte ein Ochs mich gestoßen haben, ohne mir etwas zu leide zu tun? Komm her, Corneille! Von welcher Seite kam der Ochse, als er mich verwundete – kam er nicht auf der Seite der Mauer?« »Ja, Domine«, antwortete der Famulus, »es muß also an diesem Bein sein.« »Das habe ich Ihnen ja von Anfang an gesagt, aber sie meinen, daß ich mir einen Spaß mit ihnen machen will.« Der Barbier, der wohl sah, daß der biedere Doktor nur in seiner Einbildung verletzt sei, legte nur ein leichtes Pflaster auf und verband ihm das Bein, indem er sagte, das würde fürs erste genügen. »Und dann, Herr Doktor« – fügte er hinzu, »wenn Ihr Euch darüber klar seid, an welchem Bein Eure Wunde ist, wollen wir noch diese oder jene andere Maßregel ergreifen.«
Von dem augenkranken Richter Coquillaire, den die Ärzte glauben machten, er sähe.
In der Landschaft le Maine lebte vor nicht langer Zeit ein Stellvertreter des obersten Richters, namens Coquillaire, der sich aufs Prozeßführen verstand und die List des stellvertretenden Oberrichters Maillard kannte. Als letzterer nämlich eines Tages einen Menschen beim Wickel hatte, der ein hübsches Sümmchen Schandtaten begangen, aber geltend machte, daß er die Tonsur habe, ließ er ihn erst einmal eine Zeitlang im Gefängnis mürbe werden. Als es ihm dann an der Zeit schien, ließ er ihn holen und fing an, sich ganz harmlos mit ihm zu unterhalten! »Wahrhaftig!« sagte er (indem er ihn bei seinem Namen nannte), »es ist nicht mehr als recht und billig, daß Ihr Eurem Bischof überantwortet werdet. Ich habe nicht die Absicht, Euer Privileg zu mißachten, ich möchte Euch vielmehr darauf hinweisen, falls Ihr nicht daran denken solltet, ich rate Euch jedoch, in Zukunft die Stätten aufzusuchen, die zu ehrenvollen Taten Gelegenheit geben. Ihr seid ein schöner, starker Kerl, Ihr müßtet in die Dienste des Königs treten, Ihr würdet da sofort auffallen, und es würde Euch leicht werden, eine Charge zu erlangen und in die Höhe zu kommen. Das ist besser, als wenn Ihr in den Städten und auf den Landstraßen herumlungert, Euer Leben in Gefahr bringt und Euch für immer entehrt.«
Als der Schelm sich loben hörte, sagte er sofort: »Herr, man sieht's mir jetzt gar nicht an, daß ich den Rock des Königs getragen habe. Ich war aber vor Pavia, als er gefangen genommen wurde, und zwar stand ich unter dem Kapitän Lorge und später war ich im Gefolge des Herrn von Lautrec in Mailand und im Königreich Neapel.« Da brachte Maillard seinen Prozeß zum Abschluß und ließ ihn samt seiner Tonsur ohne viel Federlesens aufknüpfen, indem er zu verstehen gab, das eben sei der Dienst des Königs. Auf dergleichen verstand sich auch Coquillaire vortrefflich, und mit seinen geistigen Augen vermochte er selbst da, wo es so dunkel war, wie in einem Sack, recht klar zu sehen, mit den Augen seines Kopfes hingegen sah er keine vier Finger weit, und man hätte ihn nicht zu fragen brauchen, was ihm lieber sei: die Nase so lang wie das Gesicht, oder das Gesicht so lang wie die Nase; denn sie reichten beide nicht weit. Eines Tages geschah es, daß der Bischof von Le Mans, der eine Visitationsreise durch seine Diözese machte, ihn auf der Durchreise sehen wollte, weil er ihn als guten Richter kannte und sein Weg ihn gerade bei ihm vorbeiführte. Er fand ihn im Bett, an einem Katarrh leidend, der seine armen Augen befallen hatte. »Nun, Herr Richter«, fragte er ihn, »wie befindet Ihr Euch?« »Herr«, antwortete dieser, »schon seit einem Monat und länger liege ich hier.« »Ihr habt immer schlimme Augen«, fuhr der Bischof fort, »wie steht es augenblicklich damit?« »Ich hoffe, daß es damit besser gehen wird«, antwortete Coquillaire, »der Arzt hat mir gesagt, daß ich sehe«. War das nicht närrisch, in der Frage, ob er sah oder nicht, der Entscheidung des Arztes zu glauben? Was hingegen die Gefangenen in ihrer Sache geltend machten, fand bei ihm nicht so leicht Glauben wie das, was der Arzt ihm in seiner allereigensten sagte.
Von dem Studiosus iuris und dem Apotheker, der ihn in die Medizin einweihte.
Ein Student kam, nachdem er sich eine Zeitlang in Toulouse aufgehalten hatte, in eine kleine Stadt namens Sainct-Anthonin in der Nähe von Cahors in Quercy, um dort seine Gesetzestexte zu repetieren – nicht als hätte er von der Juristerei schon groß profitiert, hatte er sich doch bisher immer nur mit praktischer Lebenskunde befaßt, in der er sich gediegene Kenntnisse erworben hatte, sondern weil er sich dachte, er dürfe, nachdem er sich einmal auf das Rechtshandwerk geworfen, ihm nicht leichtfertig den Rücken kehren, und weil er bedachte, daß er darin nicht wie die andern Red' und Antwort stehen könne. Kaum nun war er in Sainct-Anthonin, so suchte ihn – wie man denn in solchen kleinen Städten sofort auffällt und bemerkt wird – ein Apotheker auf und begrüßte ihn: »Schön willkommen, Herr!« worauf er ein Gespräch mit ihm anknüpfte. Im Verlauf desselben ließ der Student einige Worte fallen, die der medizinischen Terminologie angehörten, wie ja ein studierter und nicht auf den Kopf gefallener Mann immer auf allen Gebieten etwas zu sagen weiß. Als der Apotheker ihn hatte reden hören, sagte er zu ihm: »Ihr seid also Mediziner, mein Herr, soviel ich sehen kann?« »Das nicht gerade«, antwortete der Student, »ich habe aber ein bißchen hineingerochen.« »Ich glaubte, Ihr wollt's nur nicht sagen«, meinte der Apotheker, weil Ihr nicht die Absicht habt, Euch in dieser Stadt aufzuhalten, ich versichere Euch aber, daß Ihr hier keine schlechten Geschäfte machen würdet. Wir sind augenblicklich ohne Arzt; denn der, den wir hatten, ist jüngst gestorben und hat ein Vermögen von vierzigtausend Francs hinterlassen. Wenn Ihr hier bleiben wollt, werdet Ihr finden, daß hier gut sein ist; ich würde Euch Quartier geben und wir würden zusammen, vorausgesetzt, daß wir uns gut verstehen, das beste Leben führen. Erlaubt, daß ich Euch zum Mittagessen einlade.« Als der Student den Apotheker, der kein Dummkopf war, denn er hatte die großen Städte Frankreichs besucht, um sich für seine Profession vorzubereiten, also reden hörte, ließ er sich zum Mittagessen mitnehmen und dachte bei sich selbst: »man muß dem Glück die Hand reichen, und wenn dieser Mann hält, was er verspricht, so werde ich schon auf meine Rechnung kommen: das ist eine abgelegene Gegend, und kein Mensch kennt mich hier. Ich will sehn, wie der Hase läuft.« Der Apotheker führte ihn also zum Essen in seine Wohnung. Als die Mahlzeit, während welcher sie das angefangene Gespräch fortgesetzt hatten, vorüber war, waren sie auch schon die besten Freunde. Um es kurz zu machen: der Apotheker suchte ihm einzureden, daß er Mediziner sei, worauf der Student Farbe bekannte: »Wißt Ihr, wie die Sache steht«, sagte er, »ich habe mich noch nie in unserer Kunst betätigt, wie Ihr vielleicht denkt, meine Absicht war vielmehr, mich nach Paris zurückzuziehen, um dort noch ein und das andre Jahr zu studieren und mich dann in meiner Heimatstadt der Praxis zuzuwenden, da ich jedoch Euch gefunden habe und sehe, daß wir uns gegenseitig nützen können, so wollen wir das Geschäft machen; ich bins zufrieden, hier zu bleiben.« »Macht Euch keine Sorgen, Herr«, entgegnete der Apotheker, »ich werde Euch den ganzen Medizinbetrieb in weniger als vierzehn Tagen beibringen. Ich habe lange Zeit in Frankreich und anderwärts bei den Ärzten gearbeitet und kenne ihre Art und Weise und alle ihre Rezepte auswendig. Außerdem braucht man in dieser Gegend den Leuten nur ein freundliches Gesicht zu zeigen und sich aufs Erraten zu verstehen, da ist man auch schon der größte Arzt von der Welt.« Am nächsten Tage begann der Apotheker, ihm zu zeigen, wie man eine Unze, ein Viertellot, ein Skrupel, eine Handvoll, eine Prise schreibe, und am übernächsten Tage brachte er ihm die Namen der üblichsten Drogen bei und lehrte ihn dann dosieren, mischen, verrühren und all dergleichen Manipulationen. Dies nahm wohl zehn bis zwölf Tage in Anspruch, während welcher Zeit der Student das Zimmer hütete und durch den Apotheker sagen ließ, er befinde sich nicht ganz wohl. Der Apotheker vergaß nicht, in der ganzen Stadt zu erzählen, dieser Mann sei der geschickteste und gelehrteste Arzt, der je nach Sainct-Anthonin gekommen. Darüber waren die Bewohner hocherfreut und fingen, kaum daß er das Haus wieder verließ, an, ihn zu umwerben und stritten sich um die Ehre, ihn zu Gast zu laden, ja, man hätte sagen können, sie hätten schon darauf gebrannt, krank zu sein, um ihn in Tätigkeit zu setzen, damit er Mut bekomme, sich dauernd niederzulassen. Der Student (aber was sage ich Student! der aus den Händen eines Apothekers hervorgegangene Doktor) ließ sich jedoch bitten, verkehrte nur mit wenig Leuten, setzte eine gewichtige Miene auf und rührte sich vor allen Dingen kaum aus dem Hause des Apothekers, der ihm seine Orakel im Handumdrehen soufflierte. Die Urinproben kamen drum von allen Seiten. In jener Gegend nun mußte man aus dem Urin erraten, ob der Patient männlich oder weiblich war, wo er Beschwerden fühlte und wie alt er war. Unser Arzt tat aber noch viel mehr; denn er erriet, wer der Vater und die Mutter des Patienten, ob er verheiratet oder nicht und wielange, und wieviel Kinder er hatte. Kurz und gut, er sagte alles, was sich nur sagen ließ, Vergangenes und Gegenwärtiges aus dem Urin, und alles mit Hilfe seines Meisters Apotheker; denn wenn er jemand sah, der ein Uringlas brachte, ging der Apotheker ihn ausfragen, während der Arzt sich im Obergeschoß aufhielt und fragte ihn von A bis Z nach all den genannten Dingen, worauf er den Überbringer etwas warten ließ und heimlich seinen Arzt von allem in Kenntnis setzte, was er erfahren hatte. Wenn der Arzt dann den Urin in die Hand nahm, beschaute er ihn sofort von allen Seiten, hielt die Hand zwischen Glas und Licht, senkte es und drehte es mit den Mienen, die in einem solchen Fall erforderlich sind und sagte schließlich: »S'ist eine Frau.« »Kruzitürken! Recht hamm's, Herr!« »Sie hat einen heftigen Schmerz auf der linken Seite unter der Brust« (– oder im Kopf, oder im Bauch, je nachdem ihm der Apotheker souffliert hatte). »Erst vor drei Monaten hat sie ein Töchterchen bekommen.« Der Überbringer wußte sich dann gar nicht zu lassen vor Staunen und ging sofort hin und erzählte überall, was er von diesem Arzte gehört hatte, so daß sich wie ein Lauffeuer das Gerücht verbreitete, der größte Mann der Welt sei gekommen. Und wenn zufällig einmal der Apotheker nicht zu Hause war, zog unser Arzt diesen Rouerguesern selbst die Würmer aus der Nase, indem er Verwunderung heuchelnd ausrief: »Recht krank!« worauf der Überbringer des Urins alsbald antwortete: »er« oder »sie«. Nachdem er so seinen Zweck erreicht, sagte er nach einer kurzen Prüfung des Urins: »Es ist ein Mann, nicht wahr?« »Jo freili! s'isch e Mo«, antwortete darauf der Rouergueser. »Seht, das hab' ich sofort gesehen!« erklärte der Arzt. Wenn er jedoch vor den Leuten selbst ordinieren mußte, hielt er sich stets in der Nähe seines Magisters, der zu ihm im medizinischen Latein redete, das damals fein war wie gefärbter Wollfries. Und unter diesem Deckmantel sagte ihm der Apotheker das ganze Rezept vor, während er so tat, als rede er von ganz etwas anderm. Da könnt Ihr Euch vorstellen, was das für ein Anblick war: ein Arzt, der nach dem Diktat eines Apothekers schrieb. Tatsächlich aber, sei es nun infolge der hohen Meinung von seiner Kunst, die er den Leuten zu suggerieren wußte, oder durch irgendwelchen Zufall, befanden sich die Kranken bei seinen Verordnungen wohl, und es gab keinen, der auf sich hielt und nicht zu diesem Arzte gegangen wäre, und alle redeten sich ein, es sei gut krank sein, solange er im Städtchen weile, und daß sie nie wieder einen solchen bekommen würden, wenn er ginge. Sie schickten ihm tausend Geschenke, wie Wildbret und Flaschen Wein, und die Frauen machten ihm Taschentücher und Hemden. Er wurde behandelt wie ein Hahn im Korbe, so daß er in kaum sechs oder sieben Monaten einen Haufen Geld verdiente und sein Apotheker desgleichen, indem sie sich gegenseitig in die Hände arbeiteten.
Infolgedessen traf er Anstalten, Sainct-Anthonin zu verlassen und gab vor, er habe Briefe aus seiner Heimat erhalten, die ihn nach Haus riefen, versicherte aber, er werde nicht verfehlen, in Bälde wiederzukommen. Er begab sich darauf nach Paris, wo er sich dann auf das Studium der Medizin verlegte, und vielleicht war er in der Folge nie wieder ein so guter Arzt wie während seiner Lehrzeit in Sainct-Anthonin – ich meine, daß er nie mehr mit so viel Erfolg arbeitete, denn manchmal hilft das Glück den Verwegenen mehr als den allzu Gewissenhaften; denn der gelehrte Mann ist zu umständlich: er denkt an die näheren Umstände, es entsteht in ihm eine Besorgnis und ein Zweifel, wodurch er das Vertrauen der Leute wankend macht und sie entmutigt, sich an ihn zu wenden. Und in der Tat sagt man, es sei besser in die Hände eines glücklichen Arztes fallen als in die eines gelehrten.
Offenbar hatte dies jener italienische Arzt begriffen, der, als er nichts zu tun hatte, zwei- oder dreihundert Rezepte für verschiedene Krankheiten schrieb, von denen er eine Anzahl in die Tasche seines Mantels tat, und wenn dann jemand mit Urin zu ihm kam, auf gut Glück eins dieser Rezepte herauszog, wie man es bei der Lotterie macht, und es dem Betreffenden mit den Worten: »Dio te la daga buona!« überreichte. Wenn sich der Kranke dabei gut befand: In buona hora. Wenn schlecht: Suo danno. So ist der Welt Lauf.
Von dem Affen, der die Medizin austrank.
Ich weiß nicht, ob es derselbe Affe war, von dem wir eben gesprochen haben, aber das ist ganz gleich: wenn der's nicht war, war's ein anderer. Was ich erzählen will, ist Folgendes: Der Herr dieses Affen verfiel in ein hitziges Fieber. Er ließ die Ärzte rufen, und diese verordneten ihm vor allem andern das Klistier und den Aderlaß, die damals hochmodern waren, dann Sirups vier Tage lang jeden Morgen und zwischendurch eine Medizin, die der Apotheker ihm am festgesetzten Tage in aller Frühe brachte. Da er jedoch seinen Patienten schlafend gefunden, hatte er ihn nicht aufwecken wollen, um so mehr als er vorher lange Zeit keine Ruhe hatte finden können. Er ließ aber die Medizin im Becher, mit einem Leinentüchlein bedeckt, auf dem Tisch zurück und ging wieder fort, in der Erwartung der Patient werde bald erwachen, was er denn auch nach einiger Zeit tat. Er sah auch seine Medizin auf dem Tisch stehen, es war aber niemand da, sie ihm zu reichen, denn alle hatten das Zimmer verlassen, um ihn ruhen zu lassen. Zufällig hatten sie aber die Türe aufgelassen, und das hatte zur Folge, daß der Affe hereinspazierte, um seinen Herrn zu besuchen. Das erste, was er tat, war, daß er auf den Tisch sprang, wo er den silbernen Becher mit der Medizin entdeckte. Er entfernte das Tuch und näherte das Gebräu seiner Nase und fand den Geruch ein wenig unangenehm, was ihn zu ganz neuartigen Grimassen veranlaßte. Schließlich wagte er es, davon zu kosten; denn niemals hätte er sich das versagt. Die gezuckerte Bitternis, die er spürte, ließ ihn jedoch die Schnauze wieder zurückziehen, die Lippen auf- und niederbewegen und die seltsamsten Gesichter von der Welt schneiden. Da die Medizin jedoch einen süßlichen Geschmack hatte, probierte er sie noch einmal und noch ein drittes Mal. Kurz, er kostete so lange davon, daß er dieser Medizin auf den Grund kam und sie ganz und gar austrank und sich zu guter Letzt noch den Bart ableckte. Der Kranke, der ihm zusah, fand unterdessen so viel Vergnügen an den Grimassen, die er ihn schneiden sah, daß er darüber seine Krankheit vergaß und so laut und aus vollem Herzen zu lachen begann, daß er ganz gesund wurde. Denn infolge der plötzlichen und unerwarteten Freude gewannen die Lebensgeister neue Kraft, verbesserte sich das Blut, und traten die Säfte an ihre Stelle zurück, so daß das Fieber sich verlor. Bald darauf erschien der Arzt und fragte den Liegenden, wie er sich fühle und ob die Medizin ihre Wirkung getan habe. Der aber mußte so laut lachen, daß er kaum zu sprechen vermochte. Das schien dem Arzte ein sehr schlechtes Zeichen; denn er dachte, er befinde sich im Stadium des Irreredens, und das habe er durch seine Medizin bewirkt. Endlich antwortete er jedoch dem Arzt und sagte: »Fragt den Affen, welche Wirkung sie getan hat.« Der Arzt verstand diese Sprache erst, als er, nachdem er eine Weile ratlos dagestanden hatte, sah, daß der Affe durch das ganze Zimmer auf den Teppichen Schlitten fuhr, sprang, hin und her rannte und sich wie unsinnig gebärdete. Daran erkannte der Arzt sogleich, daß er der Stellvertreter des Kranken gewesen war. Letzterer erzählte nun dem Arzt und den andern die Geschichte, wie sie sich zugetragen hatte, doch mußte er dabei so heftig lachen, daß er kaum damit zustande kommen konnte. Hierüber empfanden alle lebhafte Freude, noch größere aber der Kranke selbst; denn er verließ, ohne sich lange zu besinnen, das Bett und ließ es sich wohl sein, Gott und dem Affen sei Dank.
Von einem abergläubischen Arzte, der mit seiner Frau nur schäkern wollte, wenn es regnete, und von dem Glück, das ihr nach seinem Tode zuteil wurde.
In der Stadt Paris geschah es jüngst, daß ein Arzt sich in so abergläubische Anschauungen auf dem Gebiete der Geheimwissenschaften, insbesondere der Astrologie verbohrte, daß es ihm sehr gegen den Strich ging, bei trockenem Wetter mit seiner Frau zu scherzen und der ehelichen Pflicht zu genügen, weshalb er sich dessen gänzlich enthielt, ja selbst wenn er sah, daß das Wetter feucht war, beobachtete er den Lauf des Mondes. Dies behagte seiner Frau durchaus nicht, und sie forderte ihn häufig auf, seine eheliche Pflicht zu erfüllen und bemühte sich, da sie ein starkes Bedürfnis danach empfand, ihn dazu zu bringen, sich mit ihr zu vereinigen, aber sie hatte damit kein rechtes Glück; denn statt sich dazu zu entschließen, gab er ihr zu verstehen, daß der Zeitpunkt hierzu nicht günstig und diese Sache für ihn eher schädlich als nützlich sei. So brachte er seine Frau dazu, auf das Werk zu verzichten. Nun geschah es, daß die Frau des Arztes einer Nachbarin im Vertrauen ihr Leid klagte. Diese gab ihr den Rat, sie solle sofort, nachdem sie sich zu Bett gelegt habe, drei oder vier Eimer Wasser auf ihren Speicher tragen und sie in ein Bleibassin gießen lassen, das neben dem Fenster besagten Speichers angebracht war und dazu diente, das Regenwasser aus den Traufen in sich aufzunehmen, um es durch eine Bleiröhre bis auf den Grund des Hofes (wie es in den guten Häusern zu geschehen pflegt) zu leiten. Und sowie sie das Rauschen des Wassers höre, soll sie ihren Mann davon benachrichtigen. Dies führte die wackere Arztfrau sehr gerne aus, und zwar trotzdem der Tag heiß und trocken war.
Als die beiden in ihrem Bett lagen, ließ das Zimmermädchen seiner Instruktion gemäß allmählich das Wasser durch besagte Röhre rinnen. Dies verursachte Geräusch, und als die Frau des Arztes es hörte, weckte sie ihren Mann und lud ihn ein, seiner ehelichen Pflicht nachzukommen, was dieser nach Maßgabe seiner Kräfte auch tat, doch nicht ohne über die schnelle Änderung des Wetters erstaunt zu sein. Diese List gebrauchte die Dame einige Tage hintereinander und befand sich sehr wohl dabei. Eine Zeitlang darauf geschah es, daß der Arzt starb, und da die genannte Dame eine sehr schöne Frau, dazu jung und reich war, begehrte sie mehrere Männer zur Ehe; nie aber wollte sie einem ihr Jawort geben, mochte er so reich sein wie er wollte, bevor sie mit ihm gesprochen hatte. Nach Ärzten fragte sie nicht mehr, und an die andern richtete sie die Frage, ob sie sich auf die Sterne und den Mond verständen. Mehrere von den letzteren, die nicht wußten, warum sie das tat, antworteten ihr, sie hätten sich alles zu eigen gemacht, was man darüber wissen müsse, und das war der Grund, warum sie ihnen den Laufpaß gab. Nun geschah es, daß ein wackerer Gesell, der aber etwas vierschrötig war, sie fragte, ob sie ihn nicht zum Gatten wolle. Und während sie sich scherzend miteinander unterhielten, fragte sie ihn, ob er sich auf die Sterne verstünde. Da antwortete er, er verstehe sich weder auf die Sonne, noch auf die Sterne, noch auf den Mond und erkenne nur daran, daß Schlafenszeit sei, wenn er gar nichts mehr sehe. Dieses Wort gefiel der Dame, und daher nahm sie ihn zum Mann. Und sie fand, daß er ihr Land gehörig unter den Pflug nahm und zu ihrem Nutz und Frommen bearbeitete und rühmte sich später, sie habe nun zuviel von dem Segen, von dem sie bislang zu wenig gehabt.
Von dem Gaukler, der mit einem Herzog von Ferrara wettete, daß es in seiner Stadt mehr Ärzte als andre Leute gebe, und wie er seine Wette gewann.
Ein Gaukler und Spaßmacher, der in mehreren der ersten Häuser Italiens gern gesehen war, stellte sich eines Tages dem Markgrafen Niccolò von Ferrara, einem ausgezeichneten und sehr zu Spaß aufgelegten Fürsten, vor, der, um diesen Possenreißer auf die Probe zu stellen, ihn lachend fragte, welcher Stand oder welches Gewerbe seiner Meinung nach in Ferrara die meisten Mitglieder zähle. Der Gaukler, der die Art des Markgrafen kannte, nahm sich vor, ihm in der Form einer Wette Geld aus der Tasche zu locken und antwortete auf seine Frage, indem er sagte: »Eh! wer zweifelt wohl daran, daß die Zahl der Ärzte in dieser Stadt größer ist als die der Angehörigen aller andern Stände?« »O armer Tor!« erwiderte der Markgraf, »da sieht man doch gleich, daß du noch nicht oft in dieser Stadt warst, sintemalen man hier mit knapper Not zwei Ärzte auftreiben könnte, seien es nun Einheimische oder Auswärtige.« Da antwortete der Gaukler und sagte: »Oh, wie doch ein Fürst durch wichtige und dringende Geschäfte behindert sein muß, daß er seine Städte nicht besucht hat und nicht weiß, was für Untertanen und Vasallen er hat!« Da sagte der Markgraf zu dem Possenreißer: »Was willst du bezahlen, wenn das, was du mir versichert hast, sich als nicht wahr herausstellt?« – »Was wollt Ihr mir aber geben«, fragte der Gaukler. »Wenn Ihr Euch von der Richtigkeit meiner Behauptung überzeugt habt?« Darauf einigten sich der Markgraf und der Gaukler über das, was der Verlierende dem Gewinnenden zu geben hatte. Am Morgen des nächsten Tages nun erschien der Gaukler in Felle gekleidet am Tor der Hauptkirche der Stadt, öffnete den Mund und hustete gottsjämmerlich, womit er die Leute glauben machte, er sei sehr krank. Jeder, der die Kirche betrat, bemerkte ihn und viel fragten ihn, was für eine Krankheit ihn quäle. Er sagte, das Zahnweh sei's, worauf ihm eine ganze Menge Leute Mittel angaben, es zu heilen. Er ließ sich ihre Namen und Heilmittel nennen und schrieb sie auf ein kleines Täfelchen; und um seine Wette noch sicherer zu gewinnen, ging er in der Stadt herum und bat die ihm Begegnenden, ihm doch irgend ein Mittel gegen sein Übel anzugeben. Auf diese Weise verzeichnete er mehr als dreihundert Personen, die ihm Mittel empfohlen hatten, mit Vor- und Nachnamen auf seinem Täfelchen. Nachdem er dies getan hatte, begab er sich in das Haus des Markgrafen, den er an der Tafel beim Mittagmahl fand und ließ sich vor ihm, vermummt wie er war, sehen, indem er so tat, als würde er heftig von seiner Krankheit gequält. Als der Markgraf seiner ansichtig wurde, kam ihm nicht im entferntesten der Gedanke, dies möchte sein Gaukler sein, der ihn da auf sein Zahnleiden aufmerksam machte, und er rief: »Nimm die Medizin, die ich dir verordne und bitte Herrn Sankt Nikolaus, und du wirst alsbald geheilt sein!« Nachdem der Gaukler dies Rezept gehört hatte, kehrte er nach Hause zurück, nahm ein Blatt Papier und schrieb alle Heilmittel und die Namen der Leute, die sie ihm empfohlen hatten, ohne Ausnahme auf; den Markgrafen an der Spitze und die andern der Reihe nach darunter. Drei Tage später tat er, als sei er so gut wie gesund, suchte vermummt wie vorher und ein dickes Tuch um den Hals den Markgrafen auf und überreichte ihm das Blatt Papier, auf dem er alle Mittel verzeichnet hatte, die man ihm empfohlen und bat, er möge ihm die gewonnene Summe aushändigen lassen. Nachdem der Markgraf gelesen, was auf dem Blatte stand, und gesehen hatte, daß er an der Spitze der Ärzte marschiere, brach er in ein schallendes Gelächter aus und seine ganze Umgebung, die von der Wette unterrichtet war, mit ihm, worauf er sich durch den Gaukler für besiegt erklärte und befahl, man möge ihm auszahlen, was er ihm versprochen.