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Der Koran? Welch schlechte Astronomie, aber welch hohe Poesie!
Puschkin
Im Islam entstanden Heldengenerationen. Todesverachtung und äußerste Kampfentschlossenheit wurden zum Kennzeichen dieser Religion. Die nüchternen, rationalistischen Beduinen entwickelten sich zu fanatischen Glaubenskämpfern. Heldenhaften Mut und absolute Hingabe an die Sache Gottes verstand der Islam sämtlichen Völkern einzuflößen, die er jemals beherrscht hat. Araber, Perser, Türken, Berber, sie alle wurden im kriegerischen Fanatismus vereint.
Ungern setzt der Beduine sein Leben aufs Spiel, wenn er keinen ausreichenden Lohn zu erwarten hat. Es war vielleicht die weitsichtigste Tat Mohammeds, gerade die einfachen Wüstensöhne zu packen und zu begeistern. Das Ideal der Beduinen wurde die Lehre vom Jenseits, die Lehre vom Paradies, von der Vergeltung der Taten, die Lehre vom Lohn, der den Märtyrer und Glaubenskämpfer erwartet. Diese Lehre hat Mohammed dem Beduinen als ein unerschütterliches Gut beizubringen verstanden.
Die rhythmischen Verse, die in den glühendsten Farben den Lohn der Frommen schildern, entflammten die Begeisterung der Völker des Orients. Der naive Glaube an die wörtliche Bedeutung der Schilderungen machte aus den räuberischen Beduinensippen ein opferbereites, kampfentschlossenes Heer. Das Bild vom Jenseits, das Mohammed entwarf, packte und erschütterte den schwärmerischen Orient. In unzähligen Varianten wurden die Worte Mohammeds, die er anläßlich der Schlacht bei Badr aussprach, wiederholt: ›Nur der Schwertschlag des Feindes trennt euch vom Paradies.‹ Man sehnte sich nach dem Märtyrertod, nach der blitzschnellen Verwirklichung der lebensnahen Schilderung des göttlichen Buches. Nicht die mehr nüchternen sozialen als religiösen Lehren, sondern der plötzlich sich entfaltende Glaube an das Paradies führte die Armee des Islam von Sieg zu Sieg, entwickelte die friedliche, lebensbejahende Religion zu einem kämpferischen Glaubensbekenntnis.
Hören wir aber, was der Koran selbst den Beduinen zu sagen hatte, wie er sie überwältigend in seinen Bann schlug:
›Das irdische Leben ist nur ein trügerisches Zerrbild (Koran Sure 3, Vers 182), ist nur ein Spiel, denn das wahre Leben des Menschen ist das Jenseits (29,64). Der Tod ist der Übergang von der einen Welt in die andere. Sagt nicht, daß diejenigen, die auf dem Pfade Gottes (also im Kriege) fielen, tot sind. Nein, sie leben in Gott, durch ihn bekommen sie Nahrung, durch ihn sind sie von Freude erfüllt‹ (3,163).
Die Seele des Menschen ist unsterblich, doch ist der Glaube an diese Unsterblichkeit für den Araber nur schwer begreiflich. ›Die Ungläubigen fragen‹, sagt der Koran, ›wenn wir zu Knochen werden oder zu Staub, wie wird es dann möglich sein, daß wir neu erstehen?‹ Antwortet: ›Ihr werdet auferstehen, selbst wenn ihr zu Stein oder zu Eisen werden solltet.‹ – ›Wer soll uns aber das Leben wiedergeben?‹ Sprich: ›Der, der euch zum erstenmal erschaffen hat‹ (17,52/53).
›Weiß der Mensch nicht, wie wir ihn schufen, als er noch ein Nichts war? Wir schufen ihn aus Staub, und der Staub streitet jetzt mit uns‹ (17,101). ›Du sahst die Erde ausgedörrt von der Sonne, wir aber schickten Wasser, da wurde sie weich und gebar Früchte. So gab das himmlische Wasser der toten Erde neues Leben, so wird auch die Auferstehung stattfinden (50,11). Den Beweis von der Unsterblichkeit leitet der Koran von den einfachsten Lebenserscheinungen her: ›Sahst du das Feuer, wie es durch die Reibung entsteht? Wer schafft das Holz, das es zur Reibung braucht? Du oder wir?‹ (56,70-72)
Wann die Auferstehung kommen wird, weiß man nicht. Es ist auch unnötig, darüber nachzugrübeln. Dieser Tag kommt plötzlich und gleicht einem Blitzschlag. Dem Frommen sollen aber seine Merkmale bekannt sein: ›Vor dem Tage der Auferstehung wird Gott ein Volk erstehen lassen, durch das die Juden schreckliche Qualen erdulden müssen‹ (7,166). ›Dann erscheint der Heiland Jesus und wird die Erde durchschreiten. Am Tage der Auferstehung und des Jüngsten Gerichts werden die Berge zu wandern beginnen, und die Erde wird, von der Last der Berge befreit, erbeben‹ (99.1). ›Aus der Tiefe der Erde wird ein Ungeheuer sich brüllend erheben und verkünden: »Wahrlich, die Menschen glauben nicht an die Wunder Gottes.« Dann verläßt die Amme den Säugling, die Mutter das Kind, der Bruder die Schwester. Die Menschen werden trunken vor Angst sein‹ (22.2). ›Wilde Tiere sammeln sich in Horden, und Berge werden durch die Luft fliegen wie die Flocken der Wolle. Der Himmel wird sich zusammenrollen wie ein Schriftstück in der Hand Gottes‹ (81,2-5; 21,104).
›Der Mond spaltet sich, die Sonne schrumpft zusammen. Sterne stürzen vom Himmel, Meere steigen aus den Ufern, und ein dicker Qualm bedeckt die Erde‹ (81,1,2,3; 44,9). ›Dann ertönt plötzlich eine Trompete, und alles auf Erden sinkt tot zu Boden. Dann läßt Gott zum zweitenmal die Trompete blasen, und alles, was je gelebt hat, entsteht zu neuem Leben‹ (39,68).
Eine große Schlucht öffnet sich dann, und ein haarscharfes Schwert as-Sīrat wird über die Schlucht gelegt. Jeder Mensch muß auf des Schwertes Schneide über die Schlucht gehen. Die Frommen werden ohne Mühe die Schlucht passieren können. Wehe aber den Sündern. Sie stürzen in die Tiefe, und weder Reichtum noch Macht wird sie retten können. Denn jetzt beginnt das Jüngste Gericht.
›Der allmächtige Richter erscheint in der Dunkelheit der Wolken, und Engel werden ihn umgeben (2,206). Schweigend wird vor ihm die Menschheit stehen, und er scheidet sie in drei Teile. Ein Teil der Menschheit steht rechts vom Allmächtigen (o wie glücklich werden die Leute zur Rechten sein), ein Teil in der Mitte und ein Teil links. Rechts stehen die Frommen, links die Sünder, in der Mitte aber die Frömmsten unter den Frommen, die Lieblinge des Allmächtigen (56,7-11). Für jedes Volk, für jeden Menschen wird ein Zeuge gestellt. Und jedes Volk der Welt wird zum Buche seines Schicksals berufen und wird kniend vor dem Allmächtigen liegen (45,27). Dann erheben sich die Propheten, die Gott zu jedem Volke gesandt hat, und sagen: »Wir wissen nichts, du allein kennst das Verborgene.« Und dann sagt Gott zu Jesus, dem Sohne der Maria: »Hast du den Menschen gesagt: Ich und meine Mutter sind Götter wie der Allmächtige?« Und der Sohn der Maria wird schwören, daß solche Worte nie über seine Lippen kamen. Und wieder verkündet dann der Allmächtige: »Der heutige Tag ist der Tag der Strafe und der Belohnung« (5,116,119). Und jeder Mensch tritt vor das Gesicht Gottes, und vor jedem wird das Buch seiner Taten aufgerollt, und er wird darin lesen müssen. Nichts wird dann verheimlicht bleiben, nichts wird dann den Sünder retten können. Alles wird gegen ihn zeugen – seine Augen, seine Ohren, seine Haut (41,19). Und Gott wird befehlen: »Nehmet ihn, fesselt ihn und brennt ihn im Feuer der Hölle.« Seine Kinder, seine Frauen, seine Eltern, sie alle wird der Sünder opfern wollen, um seinem Schicksal zu entrinnen. Nichts wird ihn aber erlösen können, denn jeder wird nach seinen Taten gerichtet. Doch werden gute Taten zehnfach belohnt, böse Taten werden aber nur gemäß ihrer Sündhaftigkeit bestraft (6,161). Denn groß ist die Gnade des Allmächtigen. –
Vom Lichte begleitet, vom Lichte umgeben strömen dann die Frommen und Märtyrer zur Pforte des Paradieses. ›Hier ist die Pforte des Paradieses, das den Frommen versprochen ward. Flüsse, deren Gewässer immer frisch sind, Flüsse mit Milch, deren Geschmack sich nicht ändert, Flüsse von Wein, Flüsse von süßem Honig und ewige Vergebung aller Sünde (47,16,17). Das Paradies ist so groß wie Himmel und Erde zusammen. Es ist in vier Teile geschieden gemäß der Frömmigkeit der Frommen. Die höchste Stufe gebührt denen, die auf dem Pfade Gottes ihr Gut und ihr Leben ließen (9,20). Das Glück des Paradieses kann nicht beschrieben werden. In großen Gärten werden Propheten und Märtyrer, Fromme und Wohltäter versammelt sein. Engel werden die Frommen begrüßen, und Gott selbst wird in ihrer Nähe weilen. Hier werden alle Brüder sein (15,47). Kinder werden sich mit den Eltern vereinen. Gold und Silber, Perlen und seidene Gewänder werden den Frommen umgeben. Sie werden auf weichen Kissen liegen, werden zufrieden um sich blicken, und aus ihren Gesichtern wird das Glück leuchten (83,23). Blühende Jünglinge werden die Frommen bedienen, und sie werden einer Perlenschnur gleichen. Wein, der nicht trunken macht, Essen, das nicht schwer macht, werden dem Frommen gereicht (56,17). Jungfrauen mit gewölbten Brüsten, mit großen schwarzen, demütigen Augen (78,33) werden neben dem Frommen ruhen. Wir schufen die Jungfrauen des Paradieses besser als die Frauen der Erde und schenkten ihnen die Gabe der ewigen, keuschen Jungfräulichkeit (56,33-37). Sie werden den Menschen, die am Tage des Gerichts rechts vom Allmächtigen standen, als Frauen dienen. Unter Lotusbäumen, Palmenblüten und Bananenblättern, geschützt vor Hitze und Kälte, wird das Leben der Frommen verlaufen. Kein leeres Gerede, kein Schimpfwort wird die Ohren der Frommen verletzen (56,24,25). Sie werden von wichtigen Dingen sprechen und werden sich lustig machen über die Ungläubigen, die sie einst auf Erden verspotteten‹ (83,29,36).
Schrecklich ist dagegen das Schicksal der Sünder. Der Tod wird sie von allen Seiten verfolgen, und sie werden trotzdem nicht sterben können (14,20). Sie werden Nahrung bekommen, und diese Nahrung wird sich in ihrem Innern in glühendes Metall verwandeln. Bäume werden in der Hölle stehen, aber sie werden keinen Schatten spenden. Sie werden Flammen in die Schar der Sünder werfen, die den rothaarigen Kamelen gleichen‹ (77,30,34).
Sieben Pforten hat die Hölle, und hinter jeder erwartet den Sünder eine neue Qual. Die größte Qual wird aber den Munāfiqūn zuteil werden, die heuchlerisch den wahren Glauben annahmen. –
Man muß die unzähligen Verse des Korans über Himmel und Hölle, Lohn und Strafe im Original gehört und gelesen haben, um die ungeheure Wucht ihrer Überzeugungskraft zu verstehen. Für den Beduinen, der nichts kannte als armselige Götzen, als das dürftige, karge Dasein der Wüste, waren es Offenbarungen Gottes. Die opferwillige Todesbereitschaft der islamischen Krieger wurde aus diesen Versen geboren, aus dem Wort Gottes, das die grausigen Bilder des Weltunterganges malte.
Doch war der Islam nicht nur für Krieger und Kämpfer bestimmt. Die furchterregenden Bilder hatten einen bestimmten Zweck. Sie sollten auf die Phantasie der naiven Wüstenkinder ihre Wirkung ausüben. Das Ziel war nicht der Kampf, sondern der Friede. Der endgültige Friede der durch die Regeln eines einheitlichen Glaubens gebändigten Menschheit. Die Beduinen, die des Paradieses und der Beute wegen in den Kampf zogen, wußten nicht viel von diesem Frieden. Ihnen genügte die Hoffnung auf das Jenseits. Dem Gesandten Gottes genügte sie nicht. Er dachte an den Frieden der Welt. Und so schuf er aus den Versen des Korans, aus dem Staat, den er beherrschte, aus den Menschen, die ihn umgaben, das mächtige Gebäude des Weltfriedens, der ihm vorschwebte – den Islam.