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Badr

Hier kommt eine Karawane der Quraiš mit Schätzen beladen. Zieht ihr entgegen, vielleicht wird sie euch Gott als Beute schenken.

Mohammed

Die Mekkaner maßen den Wüstenritten ihres ehemaligen Mitbürgers keine größere Bedeutung bei. In der Wüste gab es seit jeher genug Räuber, die auf die reichen Karawanen lauerten. Jetzt hatte sich die Zahl der Räuber lediglich um eine kleine Bande vermehrt. Daß sich ihr Führer als Prophet ausgab, spielte natürlich keine Rolle. Es gab in der Wüste manche Räuber, die sich gern als Propheten bezeichneten. Trauriger war schon, daß diese Banditen gebürtige Mekkaner, Quraiš«, zum Teil früher recht angesehene Mitbürger waren. Doch brauchte man deshalb keinesfalls der Trauer zu verfallen. Diese Flüchtlinge, die sich jetzt durch Raubzüge ihren Unterhalt zu verdienen hofften, waren von ihren Verwandten, aus ihren Familien verstoßen, womit der ganze Fall für die Mekkaner rechtlich wir moralisch hinreichend geklärt war. Durch die Flucht Mohammeds schien jegliche Gefahr für die dreihundertsechzig Götzen der Kaʿba verschwunden zu sein, und die Geschäfte gingen so gut wie schon lange nicht. Man hatte allen Grund, den dreihundertsechzig Götzen dankbar zu sein. Zudem hatten sich die Räuber aus Medina als nicht sonderlich tapfer erwiesen. Sie wagten nichts Großes, und ihr Mut schien höchstens dazu auszureichen, im heiligen Monat ein paar vertrauensselige Kaufleute hinterlistig zu überfallen und auszuplündern. Man sah wirklich keinen Grund zur Besorgnis. Außerdem, und das wirkte besonders beruhigend, hatten die Quraiš, um ihre Reisen möglichst zu sichern, mit allen Wüstenstämmen, deren Gebiet sie passierten, Freundschaftsverträge abgeschlossen. Sie brauchten also von dem armseligen Wüstenräuber Mohammed wirklich keine besondere Notiz zu nehmen. Sie schränkten auch in der Tat ihre Geschäfte keinesfalls ein.

Wie alljährlich rüsteten sie im November 623 eine große Karawane für Syrien aus. Tausend Kamele zogen, mit großen Schätzen beladen, gen Norden. Der Wert der Ware belief sich auf fünfzigtausend Miṭqāl, das heißt auf über eine Million Mark. Zwei große mekkanische Banken, die Häuser Maḫzūm und Umaiya, also Abū Ǧal und Abū Sufyān, die Hauptfeinde Mohammeds, waren mit je dreihunderttausend Mark an der Expedition beteiligt. Das übrige verteilte sich auf fast sämtliche Familien Mekkas, denn die Karawanenführer nahmen auch die kleinste Beteiligung an. Es kam vor, daß Kinder und Sklaven Beiträge bis zu einem halben Goldstück einzahlten, um dann, bei der glücklichen Rückkehr der Karawane, einen sicheren Gewinn von fünfzig Prozent einzustecken. Ganz Mekka war also an der Karawane interessiert. Wie gewöhnlich übernahm die Führung der Karawane Abū Sufyān, das Haupt der Umaiya, weil diese am meisten an der Karawane interessiert waren. Da man durch friedliche Gebiete der befreundeten Sippen zog, begnügte man sich mit einem Schutz von nur siebzig Reitern.

Die Reise nach Syrien verlief ungestört. Zwar lagerten irgendwo hinter den Hügeln muslimische Räuber; die stolzen Quraiš brauchten sich aber nicht darum zu kümmern. Glücklich gelangte die Karawane nach Syrien, verkaufte ihre Waren und bereitete sich zur Rückreise vor, die wie immer im März stattfinden sollte. Auch Mohammed wußte, daß die Karawane im März durch die Wüste ziehen mußte, und beschloß, sie nicht entkommen zu lassen. Die Waffen Gottes brauchten einen großen entscheidenden Sieg, die Kasse aber einen stärkeren Zuschuß. Monatelang streifte der Prophet mit seinen Getreuen durch die Wüste, besuchte mächtige Scheichs, saß mit ihnen an den Lagerplätzen in der Wüste und verteilte Geschenke und Versprechungen. Gewalttätige Nomaden hörten ihm interessiert zu. Ein heiliger Mann, der bei vielen Leuten Ansehen genoß, versprach ihnen lockende und konkrete Dinge, für die er nichts weiter verlangte, als daß sie nötigenfalls ein Auge zudrückten. Man schloß also mit dem heiligen Mann, ohne seine Heiligkeit unbedingt anzuerkennen, ein freundschaftliches Neutralitätsabkommen ab. Mehr wollte Mohammed im Moment auch gar nicht erreichen. Er wartete, bis die Karawane den Rückzug antrat. Dann erließ er an alle, die Allāh und seinem Gesandten dienen wollten, einen Aufruf, sich bewaffnet an einem Brunnen bei Medina zu versammeln, denn große Beute stand den Gläubigen bevor. Am 8. März des Jahres 623 fand Mohammed am Brunnen dreihundert Männer vor, die in Reih und Glied standen. Der Prophet konnte bereits eine kleine Parade abnehmen. Zuerst prüfte er den Glauben, denn es war ein Glaubenskrieg, der geführt werden sollte. Wer kein Muslim war, mußte daher ausscheiden oder zum Islam übertreten, denn es handelte sich nicht um einen einfachen Beutezug. Der gleiche Glaube aller Kriegsteilnehmer ersetzte dem Propheten den Waffeneid. Auch Kinder unter sechzehn Jahren mußten in die Stadt zurückkehren.

Mit den übrigen zog der Prophet nunmehr in den ersten größeren Krieg des Islam. Die erste Armee der Gläubigen erinnerte wenig an die kampfentschlossenen Truppen des späteren Islam. Diese Truppe trug einfache, kleine bunte Bänder als Abzeichen. Auch die berühmte spätere arabische Kavallerie, die die größten Siege des Islam erfocht, bestand nur aus wenigen Reitern. Die ganze Armee hatte nur zwei Pferde und siebzig Kamele, so daß die Krieger nur abwechselnd reiten konnten. Die meisten mußten zu Fuß in den Kampf ziehen. Auch die Waffen ließen manches zu wünschen übrig. Die meisten Männer hatten nur Säbel und Lanzen, nur wenige besaßen ein Panzerhemd. Aber auch diese wenigen Panzerhemden waren bei den medinensischen Juden, den erfahrenen Waffenschmieden, gegen hohe Gebühren geliehen. Dafür hatte aber die kleine Schar etwas, was noch nie eine Truppe in Arabien besessen hatte: Disziplin und innere Haltung.

Mitten in der Wüste auf der großen Karawanenstrecke zwischen Syrien und Mekka liegt die Oase Badr. Zahlreiche Brunnen, Palmen und kühlender Schatten erwarten dort die Reisenden. Hier lagerten die Karawanen, erholten sich die Wanderer, rasteten die Kaufleute. Die Beduinen, denen diese Oase gehörte, nahmen eine hohe Gebühr und kümmerten sich nur wenig um ihre Gäste. – Hierher, in diese einsame Oase zog das Heer der Muslims, vom Propheten geführt. Früher oder später mußte die große mekkanische Karawane diese Stelle passieren.

Doch ist die Wüste keine menschenleere Welt. Tot liegt der Sand, unbeweglich hängt über den Menschen der Himmel, aber die Wüste lebt. Der heiße Wind weht durch die Dünen, der Sand bewegt sich, der wolkenlose Himmel blickt drohend herab. Am Horizont zeigen sich einsame Reiter, blicken spähend auf die Vorbeiziehenden, schwingen die Lanze über dem Haupt und verschwinden wieder. Tausend Augen hat die Wüste, und in tausend Sprachen spricht sie zu dem Wissenden. Auch Abū Sufyān war ein Wissender, auch er verstand die Zeichen der Wüste zu lesen und zu deuten. Mohammeds Reiter ritten in die Wüste hinaus, um den Weg seines Reichtums auszukundschaften. Abū Sufyān sah sie nicht. Er sah nur den Kot ihrer Kamele. Schon das genügte dem Wissenden. »Diese Kamele kommen aus Medina«, sagte er, »in ihrem Kot sind Dattelkörner, und diese Datteln sind in Medina gewachsen. Mohammed umkreist uns.« Und da der Wissende weise und erfahren war, schickte er einen Reiter in die Stadt Mekka, und der Reiter rief in Mekka folgendes aus: »Gefahr droht der Karawane. Der Räuber Mohammed umzingelt sie. Er will unsere Reichtümer erbeuten, er will unsere Schätze plündern, denn nichts ist ihm heilig, ihm, der selbst die heiligen Monate nicht achtet.« Abū Sufyān selbst änderte aber seine Wegroute, er bog ab und hastete in Eilmärschen durch die Wüste, um seine Schätze zu retten. Davon wußte Mohammed nichts. Er zog nach Badr, zur großen Rast aller Karawanen.

Die Nachricht von der Gefahr, die der Karawane drohte, verursachte in Mekka begreifliche Aufregung. Kapital nebst Zinsen stand auf dem Spiel. In solchen Fällen begann das mekkanische Herz höchst kriegerisch zu schlagen. Der alte Groll gegen Mohammed erwachte. Abū Ǧahl, der Siebzigjährige, hielt kriegerische Reden, hetzte und rief zum Kampf auf. Junge Bankierssöhne warfen sich in die Brust und schworen, für die Ehre ihrer Vaterstadt zu sterben. Alte, vornehme Kaufleute griffen tief in den Geldbeutel, um ihre Diener zum Feldzug auszurüsten. Über Nacht war ein Heer von neunhundertfünfzig Kriegern, siebenhundert Kamelen und hundert Pferden kampfbereit. Die Führung übernahm Abū Ǧahl, der dreihunderttausend Mark in der Karawane investiert hatte.

Die Stunde der Abrechnung schien gekommen zu sein. Selbst Mitglieder der Sippe Hāšim rüsteten gegen den Propheten; auch der listige Onkel ʿAbbās schloß sich der kriegerischen Expedition an. Am nächsten Tag zog die Karawane ins Feld. Es war eine Armee von Aristokraten, und der Feldzug war äußerst vornehm. Je höher man an der Karawane beteiligt war, desto kriegerischer trat man auf. Leute dagegen, die nur einige Goldstücke zu erwarten hatten, rechneten sich klugerweise aus, daß es wenig Sinn habe, deshalb Leib und Leben aufs Spiel zu setzen. Ihre Kriegsbegeisterung war nicht überwältigend. Sie mußte gefördert werden, und in diesem Punkt beschlossen die Bankiers nicht zu knausern. Hübsche Sklavinnen begleiteten die Armee und ergötzten die Krieger, Trommelmusik und Gesang erfreuten das Ohr der Tapferen. Die Reichen ließen Proviantvieh in Unmengen schlachten. Das ganze erinnerte mehr an einen vornehmen Ausflug reicher Kaufleute als an eine Armee, die ins Feld zog. Doch zweifelte keiner an dem Sieg. Tausend Mann würden wohl ausreichen, um dem Wüstenräuber Respekt einzuflößen. Mohammed würde nicht wagen, der Karawane nahezukommen. Er würde sich nach einigem Geplänkel zurückziehen.

Diese Annahme schien sich zu bewahrheiten. In der Wüste erreichte ein Bote Abū Sufyāns die Armee und brachte die erfreuliche Nachricht, daß die Karawane außer Gefahr sei. Abū Sufyān hatte einen sicheren Küstenweg eingeschlagen, die Schar der Räuber hatte sich aber hoffnungslos bei Badr verlaufen und lauerte auf falscher Fährte. Das Ziel der Expedition schien erreicht zu sein. Die vornehmen Krieger sehnten sich nach dem heimatlichen Markt, um den Gewinn, den die Karawane brachte, einzuheimsen.

Anders dachte Abū Ǧahl, der Führer der Armee, der grimmigste unter den Feinden des Propheten. Er wollte mit dem Propheten ein Ende machen, er wollte die Wüsten Arabiens endlich von diesem ewigen Ruhestörer befreien, und nie schien ihm die Gelegenheit so günstig wie gerade jetzt. Er führte ein Heer von tausend Mann, das gut bewaffnet und mit Pferden und Kamelen reichlich versehen war. Was war im Vergleich dazu die Horde der Wüstenräuber, die es lediglich auf Gewinn absahen. Es bedurfte der größten Anstrengung des alten Kriegers und seiner wenigen Gesinnungsgenossen, um die freie Aristokratenarmee zu bewegen, wenigstens, wie ursprünglich geplant, bis Badr vorzudringen und den Platz zu behaupten. Wenn Mohammed dann den Kampf aufnimmt, dachte Abū Ǧahl, so wird er geschlagen, zieht er sich aber zurück, so wird er in den Augen aller Araber für ewige Zeiten mit Schande bedeckt sein.

Mit großer Bestürzung erfuhr die Armee der Gläubigen, daß sie bei Badr anstatt der wenig geschützten Karawane eine Armee von tausend Mann erwarte. Den Muslims erschien jetzt der ganze Feldzug völlig sinnlos. Die Beute war ja auf jeden Fall entkommen. Aber es zeigte sich gerade jetzt die innere Wirkung des Islam. Während die Quraiš zweifelten und zauderten, während alle angaben, nicht gegen ihre Verwandten kämpfen zu können, versammelte Mohammed seine Getreuen und erklärte: »Die Pforte des Paradieses liegt im Schatten des Schwertes. Wer jetzt im Kampfe für den Glauben fällt, wird ungeachtet aller Sünden Einlaß ins Paradies finden.« – »Gott will«, führte Mohammed aus, »den Mut der Gläubigen auf die Probe stellen.« Und so eindringlich, mit solcher Wucht vorgetragen waren die Worte Mohammeds, daß die Gläubigen einstimmig antworteten: »Wir wollen dir folgen, selbst wenn du uns in die Sandwirbel Südarabiens oder in die Fluten des Meeres führst.« Die Bande der Verwandtschaft bestanden für die Muslims nicht mehr. Der Prophet hißte die große schwarze Kriegsfahne, segnete die Krieger und zog mit ihnen nach Badr. Zum erstenmal in seinem Leben sollte der Dreiundfünfzigjährige eine Schlacht leiten. Die Quraiš bei Badr erwarteten die Muslims und ergötzten sich mit ihren Sklavinnen.

Zwei Heere, in beiden nahe Blutsverwandte, alte Freunde und einstmals Bürger einer Stadt, lagen einander feindlich gegenüber.

Mohammed war kein Stratege, kein Heerführer, kein General. Er war aber ein Genie. Er übersah wie kein anderer die Situation. Er erfaßte das Wesen des arabischen Kampfes. Dieses Wesen ist Anarchie und Unordnung. Zuerst werden die Streitgedichte vorgetragen, dann reißt man einander durch kühne Reiterkunststücke hin, dann kämpfen die Recken ersten Ranges, dann die Helden zweiter Klasse, und erst danach folgt ein allgemeines Handgemenge, bei dem die Fahnen die Zentren der Zusammenstöße bilden. Das ganze dauert Stunden und Stunden, und fortwährend glüht die heiße Sonne auf die Kämpfer herab.

Unter diesen Umständen war die Sicherung des frischen Wassers das einzig Wichtige. Mohammed verstand es nicht nur meisterhaft, seine Leute vor dem Brunnen zu formieren, sondern er ließ auch alle Brunnen, die der Feind passieren mußte, zuschütten. Zwar widersprach auch das allen Gesetzen der Wüste, denn die Brunnen sind heilig. Der Gesandte Gottes setzte sich aber auch diesmal über die Gesetze der Heiden hinweg.

Am Morgen des 16. März näherten sich die Quraiš der Oase Badr. An Stelle eines unorganisierten Haufens wilder Räuber sahen sie zum erstenmal am Fuß eines kleinen Hügels einen Trupp in Reih und Glied stehen. Auf dem Hügel, unter einem Palmendach, umringt von seiner Leibgarde, saß der Prophet.

Die Quraiš rückten zum Kampfe vor, doch sollte sich der Kampf nach allen Gepflogenheiten der Wüste abspielen. Zuerst ritten sie am Gegner vorbei, spotteten und rezitierten Verse. Dann begaben sie sich außer Schußweite. Nun ritten drei edle Quraiš heraus, um den Feind zum Zweikampf herauszufordern. Diesen drei Quraiš beschloß Mohammed ebenbürtige Gegner entgegenzuschicken. Das erste Blut dieses Kampfes sollte seine eigene Familie opfern. ʿAlī, Ḥamza und ʿUbāda, drei Blutsverwandte des Propheten, stürmten dem Feind entgegen. ›Die drei Löwen Gottes‹ werden diese Kämpfer von den Gläubigen genannt. Ḥamza und ʿAlī erschlugen mit einem wilden Schlag ihre Gegner. Dann erledigten sie auch den Feind des alten ʿUbāda, der vom Felde der Ehre eine Todeswunde mit heimbrachte. Nach der Wüstenregel hätte der Kampf jetzt ein Ende finden müssen. Doch waren die edelsten unter den Quraiš neuerlich gereizt. In kleinen Gruppen ritten sie gegen die Muslims, kämpften und stießen sich wund an der festen Reihe der Gläubigen. Das Heer der Muslims verstand es, Disziplin zu wahren. Während die Quraiš außer Schußweite saßen und teilnahmslos zuschauten, wie ihre besten Krieger in Todesverachtung auf den Feind losstürzten, erfüllten die Muslims strikt des Propheten Befehle, rückten nicht vor, sondern empfingen gemeinsam den Feind. Der Prophet erwies sich als militärischer Taktiker; mit genialer Sicherheit gelang es ihm, die Truppe richtig zu dirigieren.

Der ganze Tag verging in Plänkeleien. Zu einem einigermaßen durchdachten Angriff reichte die Kriegskunst der Quraiš nicht aus. Sie kämpften, wie es schon ihre Väter und Großväter getan hatten, planlos und ohne die Grundregeln der Taktik zu beherrschen. Sie kämpften Mann gegen Mann und verloren. In diesem Kampf fielen nach und nach die besten Krieger von Mekka, von einem mächtigen Säbelhieb wurde auch der greise Abū Ǧahl, der größte Feind Mohammeds, erschlagen, und selbst im Todeskampf hörte er nicht auf, Mohammed zu verfluchen. – Mohammed stand auf der Anhöhe, zum erstenmal in seinem Leben überblickte er ein Kriegsfeld. Er sah Blut fließen, hörte Schreie und Stöhnen und verfiel für kurze Zeit in leblose Lethargie. Dann erwachte er wieder, betete, erteilte Befehle, beobachtete den Kampf und brachte mit intuitiver Schnelligkeit die unerwartetste unter all seinen Leistungen hervor, eine neue arabische Kriegskunst, die arabische Infanterie, die in zehn Jahren die Welt eroberte. Die Befehle von Badr, die später zu den Grundregeln der arabischen Strategie wurden, besagten nicht viel: Disziplin und Zusammenhalt der Infanterie, die in geschlossenen Karrees jedem Kavallerieangriff gewachsen war und erst am Ende der Schlacht, als der Feind erschöpft war, auf Befehl des Führers zu einem Sturmangriff überging. Alle großen Kämpfe des Islam wurden auf diese Weise gewonnen.

Der Tag von Badr neigte sich dem Ende. Kalter Wirbelwind wehte durch das Tal. Staub bedeckte das Kampffeld. Da erhob sich Mohammed und rief: »O Gläubige, zwischen euch und dem Paradies liegt nur der Tod von der Hand dieser Leute.« Dann bückte er sich, hob Sand auf und warf ihn in die Richtung der Feinde, darauf sagte er: »Möge Verwirrung über ihr Angesicht hereinbrechen.« Das war das Signal zum Sturm. Der Angriff der Muslims begann. Der Kampf war kurz. Die ermüdeten Quraiš flohen in die Wüste, ihr Lager und eine Unzahl Gefangener fielen in die Hände der Muslims. Auf dem Felde der Ehre blieben siebzig Quraiš und nur vierzehn Muslims. Es war ein einwandfreier Sieg der Dreihundert über die Tausend. Gott hatte dem Islam seine Gnade erwiesen.

Sofort wurde die Beute gesammelt, die Leichen der Feinde in eine Zisterne geworfen, und die Armee zog in die Heimat zurück. Einhundertfünfzig Kamele, zehn Pferde, siebzig Gefangene sowie zahlreiche Waffen und Kleider waren die Beute der Sieger. ʿAlī, der Adoptivsohn des Propheten, erhielt aber als Auszeichnung für seine besondere Tapferkeit die Tochter Mohammeds, Fāṭima, zur Frau.

Von den Gefangenen wurden nur zwei hingerichtet. Unter den lebenden Gefangenen befand sich unter anderen aber auch ʿAbbās, der schlaueste unter den Hāšims, der Onkel des Propheten. Mohammed behandelte ihn gut und verlangte für seine Freilassung ein hohes Lösegeld, das er auch erhielt. Der Onkel kehrte nach Mekka zurück und war Mohammed über das erpreßte Lösegeld nicht weiter böse. Einige wollten sogar wissen, daß er in Mekka für seinen Neffen spionierte, ohne selbst öffentlich dem Islam anzugehören. Das Haupt der Hāšims aber, Abū Lahab, der Erzfeind des Propheten, starb aus Gram und Neid, als er in Mekka von dem Sieg seines Neffen erfuhr. So endete der Tag von Badr, der entscheidendste Tag des Islam. An diesem Tag nämlich wurde der Prophet aus einem Prediger und Wüstenräuber zum Feldherrn.

Am Abend desselben Tages sagte der Prophet zu seinen Getreuen: »Nicht ihr, sondern die Engel Gottes haben heute den Sieg erfochten« (8,9). Diesen Ausspruch verstand man wörtlich, und noch heute erzählen die Frommen, wie die Schar der Engel gemeinsam mit dem Wüstenwind die Feinde zerstreute. Einer von den Engeln, so berichtet die Sage, verlor im Sande von Badr sein Schwert, das der Prophet fand und behielt. Er gab ihm den Namen Ḏū ʾl-Faqār. Das Schwert war sieben Meter lang, hatte zwei Scheiden und war mit Versen des Koran geziert. Nach dem Tode des Propheten erhielt das Schwert ʿAlī, der Löwe Gottes.

Mit diesem Schwert besiegte der Islam Völker und Kaiserreiche, Meere und Kontinente. Nicht umsonst führt die Tradition die Herkunft dieses Schwertes auf die Schlacht von Badr zurück: In Badr erstand der Islam als Weltmacht. Die dreihundert armseligen Wüstenräuber bildeten den Wendepunkt der Weltgeschichte.


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