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Ein Nichts war Arabien – als Land – als Staat – als Kultur.
Aus diesem Nichts entstand über Nacht eine Welt. Sie erstreckte sich von Marokko bis Indien und ist bis heute nicht untergegangen.
Die Welt aus dem Nichts wurde durch den Geist erzeugt.
Der Geist war Mohammed.
Ich stelle ihn unter den Schutz des Einzigen, daß er ihn vor der Bosheit aller Neider bewahre, und nenne ihn Mohammed.
Āmina, die Mutter des Propheten
Im Süden Arabiens, im Lande Jemen, herrschte der Tyrann Abraha, der Statthalter des Negus Negesti, des christlichen Kaisers von Abessinien. Schwarz wie der Körper Abrahas war auch seine Seele. Großer Neid lebte in ihm.
Weit von Jemen lag Mekka, und Mekka war reich. Zu den Göttern der Kaʿba pilgerten die Völker, und niemand achtete auf die glänzende Stadt Ṣanʿāʾ, den Sitz Abrahas. Da erbaute Abraha in seinem Neid inmitten der Stadt Ṣanʿāʾ eine große, prachtvolle Kirche. Marmorn waren ihre Mauern und golden die Kuppeln. Niemals hatte man in Arabien ähnliche Pracht gesehen. Hierher, statt zur Kaʿba, sollten von nun ab die Araber pilgern. Das Volk der Wüste lachte aber über den neidischen Abraha, denn das Volk wollte der Kaʿba treu bleiben. Man beschloß, Abraha den Hohn Arabiens zu zeigen. Ein junger Mekkaner kam nach Ṣanʿāʾ und tat, als wäre er von der Pracht der Kirche erschüttert. »Laß mich in die Kirche, Abraha«, sprach er, »die ganze Nacht will ich dort in Andacht verbringen.« Als die Nacht anbrach, verrichtete der Mekkaner in der Kirche seine Notdurft, besudelte die Mauer mit Kot und floh. Außer sich vor Zorn war Abraha. Er sammelte ein mächtiges Heer, bestieg einen großen weißen Elefanten und ritt gen Mekka, um die Stadt zu zerstören. Das Heer von Mekka hatte noch nie einen Elefanten gesehen und floh voll Schrecken. Das Volk von Mekka aber sagte: »Die Kaʿba gehört nicht uns, sondern Gott. Uns gehören die Kamele, die Schafe und das Gold. Wir müssen unser Gut retten, denn Gott wird das seinige allein verteidigen können.« Und sie zogen mit ihrem Gut in die Berge bei Mekka. Nur wenige Krieger blieben in der Stadt. Auf seinem großen weißen Elefanten reitend, erschien Abraha vor den Mauern Mekkas und begann es zu belagern. Mekka schien dem Untergang geweiht. Da geschah ein Wunder. Aus der Richtung des Meeres kamen tausend Schwalben und bedeckten den Himmel. Jede Schwalbe hielt drei Steine, einen im Schnabel und zwei in den Krallen. Tausende von Steinen fielen auf das Heer Abrahas, und im Heer brach eine Panik aus. Krieger flohen, Zelte wurden zerstört, und der große weiße Elefant kniete vor der Kaʿba nieder. Ein todbringender Wüstenwind vernichtete das Heer. Mit dem Rest seiner Streitmacht floh Abraha nach Ṣanʿāʾ, wo er ein elendes und ruhmloses Ende fand. So schützte Gott sein Haus, die Kaʿba.
Das Jahr des Wunders nannten die Mekkaner das Jahr des Weißen Elefanten.
In diesem Jahre wurde zu Mekka der Prophet Mohammed geboren. Sein voller Name war Mohammed ibn ʿAbdallāh ibn ʿAbd al-Muṭṭalib, ibn Hāšim, der Quraiš. Als Quṣai, der sagenhafte Gründer des Reichtums der Quraiš, starb, hinterließ er einen Sohn, Abd al-Manāf. Dieser herrschte in Mekka. Unter seinen Söhnen war einer namens Hāšim, der eine Frau aus Yaṯrib heiratete und der Gründer der Sippe der Hāšim wurde. Dieser Sippe entstammt der Prophet. Einst soll diese Sippe reich und mächtig gewesen sein. Sie verwaltete erblich den heiligen Bach Zamzam bei Mekka, den einst Gott der durstenden Hagar und ihrem Sohn Ismael erschlossen hatte. Die Sippe soll durch ihre Freigebigkeit in Almosen berühmt gewesen sein. Doch weiß man hierüber nichts Genaues. Man weiß nur, daß, als die Zeit des Propheten anbrach, die Sippe weder reich noch sonderlich angesehen war. Der Großvater Mohammeds, ʿAbd al-Muṭṭalib, soll der letzte große Mann der Sippe gewesen sein. Durch große Almosen soll er sich ruiniert haben, was für sein Ansehen zuerst ohne Folgen blieb. Wichtiger war in den Augen der Araber, daß er keine Söhne hatte. Das zeigte, daß Gott ihm ungnädig war. Da schwor ʿAbd al-Muṭṭalib, wenn ihm zwölf Söhne geboren würden, einen davon der Kaʿba zu opfern. Daraufhin wurden ihm hintereinander zwölf Söhne geboren. Einen davon, ʿAbdallāh brachte er zur Kaʿba. Als er jedoch das Messer erhob, ertönte vom Himmel eine Stimme, die ihm befahl, ʿAbdallāh leben zu lassen und statt seiner hundert Kamele zu opfern. So geschah es, daß ʿAbdallāh am Leben blieb und eine Frau namens Āmina heiratete, die ihm im Jahre des Elefanten einen Sohn namens Mohammed, was der Gepriesene bedeutet, gebar.
Soweit die fromme Legende. Was an ihr wahr ist, weiß man nicht. Man weiß, daß das Heer Abrahas tatsächlich gegen Mekka zog und von Pocken vernichtet wurde. Man weiß fernerhin, daß in der ärmlichen Sippe Hāšim um die gleiche Zeit bei einem Manne namens ʿAbdallāh, was nichts weiter bedeutet als Sklave Gottes, ein Sohn Mohammed geboren wurde.
Viele fromme Legenden umgeben die Geburt des Propheten. In der Nacht seiner Geburt herrschte unter den himmlischen Engeln ein großer Jubel. An den göttlichen Gestaden feierte man die Geburt des Propheten. Die Geister der Finsternis, die Dämonen und Dschinnen, merkten, daß im Himmel ein Fest stattfand. Die Ursache des Festes konnte sich aber niemand erklären. Da schlichen sich die bösen Geister zur Pforte des Himmels, um das Geheimnis der göttlichen Mächte zu ergründen. Sie sollten aber den Grund der Freude nicht erfahren. Die Erzengel erschienen an den Himmelstoren und warfen große, brennende Fackeln nach den Geistern. Die Menschen sahen es und nannten es Sternschnuppen. Die Weisen wußten aber, daß immer, wenn eine Sternschnuppe vom Himmel fällt, die Engel, mit der Fackel in der Hand, böse Geister von der Himmelspforte vertreiben. In der Geburtsnacht Mohammeds erlosch in Persien das ewige Feuer, das seit Jahrhunderten brannte. Ein Erdbeben suchte das Land heim. In Ktesiphon stürzte der Palast des Khosrau I. ein. Nur vierzehn Säulen blieben stehen. Das war die Zahl der Heidenherrscher, die bis zum Sieg des wahren Glaubens den Iran noch beherrschen durften. Unzählig waren die Wunder, die in der Nacht der Geburt geschahen.
Und doch war es nur ein armes Kind, das in einem ärmlichen Haus zu Mekka geboren wurde. Zwei Monate vor der Geburtsnacht wurde das Haus von einem Unglück heimgesucht. ʿAbdallāh, der Vater Mohammeds, starb in der Wüste auf einer Reise nach Yaṯrib. Die Erbschaft, die er seinem Sohn hinterließ, war nicht besonders groß. Sie bestand aus dem kleinen Haus, fünf hungrigen Kamelen und einer alten Sklavin.
Von glühenden Felsen umgeben, lag in dem unfruchtbaren Tal die Stadt Mekka. Enge Gassen durchzogen die Stadt, und der Schmutz war groß auf diesen Straßen. Schwer war die Luft in Mekka. Krank, blaß und schwach mußten die Kinder heranwachsen. Rund um Mekka zog sich die Wüste. Die Luft der Wüste war klar, und das Volk war edel, ritterlich und gesund. Wer sich Araber nennen wollte, mußte die Luft der Wüste geatmet haben. Deshalb war es Sitte in Mekka, die Säuglinge einem Beduinenstamm zur Erziehung anzuvertrauen. Mit der Milch einer Beduinenfrau sog man die Gesetze der Wüste, das freie, ritterliche Denken der Beduinen ein. In der Wüste wurde man zum Araber.
Zweimal im Jahr kamen nach Mekka Sippen, die Säuglinge zur Erziehung suchten. Denn Säuglinge aus Mekka waren in der Wüste begehrt. Die Eltern beschenkten die Amme und ihre Familie, außerdem konnten die Bande der Milchverwandtschaft mit einem edlen Stamm der Quraiš jedem Beduinen einmal von Nutzen sein.
Auch im Jahre der Geburt Mohammeds kamen nach Mekka Leute aus der Sippe Banū Saʿd, um Säuglinge zu suchen. Mohammed wollte aber niemand nehmen. Zu arm erschien seine Familie, als daß es sich gelohnt hätte, den Waisenknaben aufzunehmen. Erst als alle Banū Saʿd Säuglinge erhalten hatten und in die Heimat ziehen wollten, beschloß eine arme Frau namens Ḥalīma, die bei der Säuglingsverteilung leer ausgegangen war, den Knaben zu nehmen.
So kam Mohammed in die Wüste, zum Stamme Banū Saʿd, wo er nach dem Brauch der Beduinen bis zum zweiten Lebensjahr Muttermilch bekommen sollte.
Gelber Sand, unfruchtbare Steppen, das trockene Gebiet der ärmsten unter den Stämmen, der Banū Saʿd. Kleine, schwarze Zelte, Kamelmilch, Beduinen und die Vision der Unendlichkeit, die an der Schwelle des Zeltes beginnt. Diese Vision, diese Zelte, dieses arme, trockene Land waren das erste, was Mohammeds Augen halb bewußt aufnahmen.
Die Banū Saʿd waren reine Beduinen, und so war auch das erste, was die Ohren des Propheten hörten, lange, weise Gespräche über die Kraft des Wortes und über feine Sprachwendungen der edelsten aller Sprachen.
Schwer, brutal und voller Gefahren ist das Leben eines kleinen Stammes. Auch ein Kind wird in die Gefahren hineingezogen. Doch gehörte Mohammed nicht zu den Banū Saʿd, er war ein edler Quraiš. Hinter ihm stand schützend die große Stadt Mekka, die er selbst nur aus Erzählungen kannte. Das erste Gefühl war: Die Wüste, die Unendlichkeit, die Gefahren, die sie in sich barg, und das feste Bewußtsein, im schlimmsten Fall, irgendwo ganz weit, jenseits der großen Steppe, eines festen, unerschütterlichen Schutzes sicher zu sein. Auch für die Banū Saʿd war er ein Auserwählter, einer, der kraft seiner Geburt zu der Königin der Städte, zu den mächtigen Quraiš gehörte. So erlebte das Kind Mohammed nur halb bewußt die Unendlichkeit, die Furcht vor Gefahren, den Schutz der unbekannten Hand und das Gefühl, turmhoch über den anderen wehrlosen und schutzlosen Banū Saʿd zu stehen.
Nach dem zweiten Lebensjahr kehrten gewöhnlich die Säuglinge zu ihren Familien zurück. Die Banū Saʿd baten aber, Mohammed noch für ein Jahr behalten zu dürfen. Er sollte ihnen Glück gebracht haben. Auch bei den Nomaden ist das Leben des Propheten von Legenden umgeben. Schafe neigten sich vor ihm, wenn er vorüberging, der Mond kam zu ihm herab, Gras sproß an den Stellen, die er betrat. Eine schöne Legende, die mit dem Aufenthalt des Propheten in der Wüste verbunden ist, soll hier erzählt werden. Einst, als der Prophet vier Jahre alt war, spielte er mit seinem Milchbruder Masrūt am Rande der Wüste. Da erschienen plötzlich in weißen, schimmernden Gewändern zwei Engel, Gabriel und Michael, legten den Knaben sanft auf den Boden und öffneten ihm die Brust. Sie nahmen sein Herz heraus, reinigten es von allen Seiten und preßten den Tropfen der Erbsünde heraus, den jeder Mensch seit Adam in sich trägt. So bereiteten sie ihn für die künftige Sendung vor.
Vier Jahre alt war Mohammed, als er aus der Wüste seiner Mutter zurückgebracht wurde, und sechs Jahre zählte er, als seine Mutter Āmina das Zeitliche segnete.
Arm und verwaist blieb Mohammed zurück. In der Wüste bei Yaṯrib starb die Mutter, und es gab in der Wüste niemanden, der sich seiner angenommen hätte. Die alte Sklavin Baraka brachte ihn schließlich zum Großvater ʿAbd al-Muṭṭalib in die prächtige Stadt Mekka. Dort lebte Mohammed als jüngster und ärmster unter den Hāšims. Alt und gebrechlich war ʿAbd al-Muṭṭalib, er wußte nicht, daß ein Prophet in seiner Sippe heranwuchs. Vor dem Tode entsann er sich aber Mohammeds und befahl seinem Sohne Abū Ṭālib, der jetzt bei den Hāšims herrschen sollte, sich des Knaben anzunehmen.
Arm war auch Abū Ṭālib und mit vielen Kindern gesegnet. Er nahm den Neffen zu sich ins Haus und gab ihm Essen und Trinken, mehr aber konnte er für ihn nicht tun. Als Herr der Hāšims trieb Abū Ṭālib Handel. Er reiste mit seinen Karawanen nach Syrien und Jemen. Allein blieb dann Mohammed in der großen Stadt Mekka. Einst, als Abū Ṭālib wieder einmal seine Karawane rüstete, kam Mohammed zu ihm, schmiegte sich an ihn und sagte: »Nimm mich mit, o Abū Ṭālib, denn niemand ist in Mekka, der für mich sorgen wird.« Und Abū Ṭālib nahm Mohammed den Propheten als Kameltreiber mit sich in die Wüste Syriens, in der Öde von Irak. In endlosen Ritten zog die Karawane durch Wüsten und Steppen. Man sah das große Land, das Volk des Kaisers von Byzanz und fromme Mönche, die einsam in der Wüste um ihr Seelenheil beteten.
Mehrmals durchzog Mohammed mit seinem Onkel die Welt zwischen Syrien und Jemen. Dann kehrte die Karawane nach Mekka zurück. Mohammed wuchs heran und verblieb auch weiterhin bei seinem Onkel als ärmster der Hāšims. Dann kam ein Krieg, ein typischer Krieg der Beduinen. Verwandte der Koreischiten, der Stamm Banū Kināna, wurden angegriffen. Die reichen Kaufleute zögerten keinen Augenblick, ins Feld zu ziehen und ihre Blutsbrüder zu verteidigen. Auch Mohammed ging ins Feld, als sechzehnjähriger Pfeilträger der Hāšims. Doch war sein Herz offenbar kriegerischen Taten abhold. Aus dem Feldzug zurückgekehrt, trat er einem mekkanischen Verband bei, dessen Aufgabe es war, die Redlichkeit unter den mekkanischen Kaufleuten aufrechtzuerhalten.
Die kaufmännischen Erfolge Mohammeds waren keinesfalls überragend. Im Gegenteil, die Geschäfte gingen schlecht, und eines Tages mußte Abū Ṭālib seinen Neffen als Schafhirten bei den reichen Mekkanern unterbringen. Vor den Toren Mekkas weidete Mohammed das Vieh und erhielt dafür kargen Lohn. Später wurde er dann ein kleiner Händler, der die Basare um Mekka mit seinen Waren aufsuchte. Auch das brachte ihm keinen Reichtum. Dafür gewann er allmählich unter den Mekkanern den Ruf eines äußerst anständigen und korrekten Menschen, eines Kaufmannes, auf dessen Wort man sich unter allen Umständen verlassen konnte. Das brachte ihm auch den Beinamen al-Amīn ein, was der Zuverlässige heißt.
In der Kaufmannsstadt Mekka galt Zuverlässigkeit als die größte Tugend des Mannes. Wer sie besaß, brauchte nicht zu verhungern. Einflußreiche nahmen sich daher des ehrlichen Jünglings an. Als in seinem fünfundzwanzigsten Jahr eine Hungerszeit anbrach, wurde ihm der Posten eines Geschäftsführers bei der reichen Witwe Ḫadīǧa angeboten. Auf Anraten seines Onkels nahm er diesen Posten an.
So wurde der Prophet Gottes Geschäftsreisender, der fremde Karawanen durch die Welt führte, Ware einkaufte und verkaufte und Reichtümer erwarb, die anderen zugute kamen.