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Mekka, die glänzendste unter den Städten, der Lieblingsschatz Allāhs.
Mohammed
Es zogen durch die Wüsten Zehntausend, und ihr Führer war der Gesandte Gottes. Sie zogen abseits vom großen Karawanenweg, über schmale Bergpfade, durch tiefe Schluchten und über hohe Gipfel. Denn niemand in der Wüste sollte dem Volke Quraiš die Nachricht vom Aufbruch des Heeres bringen. Auf dem großen Wüstenwege fingen kleine Trupps die Boten ab, die eventuell nach Mekka eilen würden, verjagten sie in alle Richtungen und verwirrten den Sinn des Wüstenvolkes. Niemand wußte, was Mohammed plante und gegen wen sich sein Feldzug richtete. Durch unbewohnte, menschenleere Gegenden zog das Heer, und trotzdem verbot der Prophet Feuer anzuzünden, die Trommeln zu schlagen oder fromme Lieder zu singen. Geräuschlos, schweigend, wie ein Zug von Schatten bewegten sich die Zehntausend durch die Wüste.
Auf halbem Wege erblickte der Prophet plötzlich hinter einem Hügel einen Reiter. Der Reiter näherte sich dem Heere. Voll Erstaunen erkannte Mohammed seinen Onkel ʿAbbās. ʿAbbās war ein kluger und listiger Mann. Nichts blieb ihm verborgen. Als einziger von den Quraiš hatte er von dem Zug der Zehntausend erfahren und verstand daraus sofort alle Konsequenzen zu ziehen. Er verließ insgeheim die bedrohte Stadt und stellte fest, daß es jetzt Zeit sei, von der Verwandtschaft mit dem Gesandten Gottes Gebrauch zu machen. Er ritt zu Mohammed heran, stieg von seinem Kamel ab, kniete nieder und bekannte sich zum Islam. ʿAbbās hatte lange genug gezögert und überlegt, bis Gott ihm endlich Klarheit über die Sendung seines Neffen geschenkt hatte. Mohammed verachtete ihn deshalb gründlich. »Du bist der letzte unter den Auswanderern«, sagte er ironisch. Doch war Onkel ʿAbbās immer noch rechtzeitig genug gekommen, um lebenslänglich damit prahlen zu können, daß auch er unter den Muhāǧirūn gewesen sei und am Feldzug gegen Mekka teilgenommen habe.
Die Gabe prophetischer Vorausahnung war Mohammed nicht gegeben, so konnte er nicht ahnen, daß das Geschlecht dieses Verachtetsten unter den Gläubigen jahrhundertelang auf dem Thron des Kalifen sitzen würde und den größten Kalifen des Islam, den weisen und märchenhaften Hārūn ar-Rašīd, hervorbringen würde.
Zwei Dynastien sollten ruhmvoll über die Welt des Islam herrschen: die Dynastie der Umaiyaden, die Erben Abū Sufyāns, und die Dynastie der ʿAbbāsiden, die Erben des Onkels ʿAbbās.
Davon ahnte der Prophet nichts, er zog in den Kampf gegen Abū Sufyān und verachtete den listigen ʿAbbās. Unverdrossen marschierte er vorwärts, bis sich schließlich das viereckige Heiligtum der Kaʿba in der Ferne zeigte. Jetzt erst hielt das Heer des Propheten, jetzt wurden Biwakfeuer angezündet, denn jetzt sollte es jeder in Mekka wissen: das Heer des Propheten liegt vor den Toren.
Das Heer belagerte Mekka, und die Stadt vermochte nichts gegen das Heer zu unternehmen. Die Belagerung war völlig überraschend gekommen. Abū Sufyān mußte einen Esel besteigen, um ins Lager des Propheten zu reiten. Er machte sich keine Hoffnungen mehr. Der Stolz des vornehmen Umaiya war aus seinen Zügen gewichen. Er empfand nur simple, gar nicht mehr aristokratische Angst um sein Leben, um den Reichtum des Hauses Umaiya und um die glänzenden Geschäfte der Stadt. Demütig ritt Abū Sufyān zum Lager des Propheten. Der erste Mensch, der ihn dort erkannte, war ʿUmar. Von diesem hatte Abū Sufyān nichts Gutes zu erwarten. Und in der Tat faßte ʿUmar den vornehmen Quraiš beim Kragen, schleppte ihn zu Mohammed und schrie: »O du Gesandter Gottes, hier ist Abū Sufyān, der, von keinem Vertrag geschützt, durch Allāh in unsere Gewalt fiel. Erlaube mir, daß ich ihm den Hals abschneide.« ʿUmar war sehr verwundert, daß Mohammed hiermit gar keine Eile hatte. Im Gegenteil, er befahl Abū Sufyān in Gewahrsam zu nehmen und ihn am nächsten Tage wieder vorzuführen.
Dieser nächste Tag sollte allerdings der schlimmste in dem ganzen langen Leben Abū Sufyāns werden. Als er wieder vor dem Propheten erschien, empfing ihn dieser mit den Worten: »Wehe dir, Abū Sufyān, siehst du nicht ein, daß es keinen Gott gibt außer Allāh.« Und der stolze Umaiya fiel Mohammed zu Füßen und rief: »O Mohammed, du bist mir teurer als mein Vater und meine Mutter. Wie mild, wie zart, wie edel bist du. Ich glaube wirklich, daß Allāh der einzige Gott ist, denn sonst würden die anderen Götter wenigstens etwas nützen.« – »Wehe dir, Abū Sufyān«, rief darauf Mohammed, »erkennst du nicht, daß ich der Gesandte Gottes bin.« Das war aber für den alten Abū Sufyān entschieden zu viel. Jetzt sollte er auch noch den Propheten öffentlich anerkennen. Abermals sank der Umaiya in die Knie und sprach: »O Mohammed, du bist mir teurer als alles, was ich besitze, ich liebe dich mehr als Vater und Mutter, was aber dein Prophetentum anbetrifft, so birgt mein Inneres noch einiges Widerstreben.« In anderen Zeiten hätte sich Mohammed zu Abū Sufyān geneigt, hätte ihn aufgehoben und ihn geduldig zu überreden begonnen. Jetzt schwieg er. Dagegen rief ʿUmar, der neben dem Propheten stand: »Es gibt kein besseres Argument als das Schwert, um halsstarrige Ungläubige zu überzeugen.« Darauf zog er sein Schwert aus der Scheide, wandte sich zu Abū Sufyān und sagte: »Gestehe augenblicklich die Wahrheit, oder ich trenne dir den Kopf vom Rumpf.« Da beugte sich Abū Sufyān nieder, bekannte sich zum Islam und sagte die Glaubensformel: »Ašhadu an lā illāh ilā Allāh. Ašhadu anna Muḥammadan Rasūl Allāh.« (Ich bezeuge, daß es keinen Gott gibt außer Allāh. Ich bezeuge, daß Mohammed der Gesandte Gottes ist.) So bekannte sich Abū Sufyān zum Islam, ohne zu ahnen, daß sein Sohn der fünfte Kalif des Islam werden sollte. Mohammed erhielt volle Genugtuung, eine bessere Vergeltung konnte er sich nicht wünschen.
Ehe Abū Sufyān nach Mekka heimkehrte, beschloß Mohammed, den neuen Muslims die Macht Allāhs in voller Deutlichkeit vor Augen zu führen. In einem zwischen zwei Bergen gelegenen Tal wurde eine glänzende Parade abgehalten. Vorweg marschierten die einfachen Beduinen, die Hilfstruppen, dann folgten die regulären, gepanzerten, disziplinierten Regimenter, und zuletzt erschien, inmitten der Auserwähltesten, in voller Kriegsrüstung Mohammed, der Gesandte Gottes.
Von einem kleinen Hügel aus betrachteten diese Parade zwei Neubekehrte, ʿAbbās und Abū Sufyān. Als der Prophet, umringt von seiner Garde, am Hügel vorbeizog, seufzte Abū Sufyān und sagte zu ʿAbbās: »Wahrlich, das Reich deines Neffen hat große Dimensionen erreicht. Man kann ihm nicht widerstehen.« ʿAbbās erhob aber seine Augen fromm gen Himmel und sagte andächtig: »Es ist eben die Macht seines Prophetentums.«
Noch am gleichen Tage eilte Abū Sufyān nach Mekka zurück, versammelte die Quraiš und erzählte, was er gesehen und erlebt hatte. Die vornehmen Bankiers waren bedrückt. Nur Hind, die der Versammlung beiwohnte, erhob sich mit wutverzerrtem Gesicht, faßte ihren Mann am Barte und schrie: »Erschlagt diesen schmutzigen, unbrauchbaren Schlauch, der uns Schande macht.« Doch nützte diesmal die Energie dieser mekkanischen Xantippe nichts. Nur wenige Quraiš, hauptsächlich aus dem Hause Maḫzūm, dem Abū Ǧahl angehört hatte, waren zum Kampf entschlossen. Unter diesen befand sich auch Suhail ibn ʿAmr, der unglückselige Diplomat von Ḥudaibiya. Die übrigen nahmen mit Freuden den Friedensvorschlag Mohammeds zur Kenntnis, den ihnen Abū Sufyān überbrachte. Dieser Vorschlag lautete: »Mohammed besetzt für immer die Stadt Mekka. Die Quraiš aber, die sich bei seinem Einzug friedlich in ihren Häusern aufhalten, sollen ihres Lebens sicher sein.«
Am nächsten Tag begann der siegreiche Marsch auf Mekka. Nur eine kleine Schar unentwegter Heiden, von dem Sohn Abū Ǧahls geführt, leistete Widerstand und wurde mit Leichtigkeit geschlagen. Der Weg nach Mekka, der Weg zur glänzendsten der Städte, zum Lieblingsschatz Allāhs war frei. Schon feierten die Medinenser den Sieg, schon rief der Anṣār Saʿd ibn ʿUbāda aus: »Heute ist der Tag des Krieges, heute wird das Heiligtum entweiht.«
Niemand zweifelte daran, daß jetzt der Tag der großen Rache angebrochen sei, daß man die reichste unter den Städten Arabiens plündern, die Feinde des Propheten vernichten und damit die große Tat der Vereinigung Arabiens vollenden werde. Mohammed aber und die ältesten unter den Gläubigen, die Muhāǧirūn, dachten anders. Sie selbst stammten aus Mekka. Dieser Stadt gehörte ihre Liebe. Jeder Stein, jede Straße, jede Ecke in Mekka war ihnen vertraut, war ihnen durch vielerlei Erinnerungen teuer. Sie fühlten sich plötzlich alle wieder als Quraiš. In ihnen erwachte der Stolz des alten Geschlechts. Nie war die edle Stadt Mekka von Fremden geplündert worden, auch jetzt sollte kein fremdes Heer mit Beute aus Mekka zurückkehren. In der langjährigen Verbannung hatten die Muhāǧirūn sich das bewahrt, was keine Emigration vor und nach ihnen behalten hatte: die wahre Liebe zum Vaterland.
In weiser Voraussicht ließ der Prophet an diesem Tag nur Muhāǧirūn, gebürtige Mekkaner, das Heer führen. Am Morgen, nachdem der Feind geschlagen war, zog der Gesandte Gottes das Gewand des Pilgers an, bestieg ein schneeweißes Kamel und ritt, von Abū Bakr begleitet, nach Mekka. Als er die Grenze der Stadt erreichte, erschienen am Horizont die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne. Sie umgaben das Haupt Mohammeds wie ein Heiligenschein. Tot, menschenleer, wie ausgestorben lagen die Straßen der Stadt Mekka. Die Bevölkerung hielt sich ängstlich in ihren Häusern verborgen. Niemand kannte die Pläne des Propheten. Niemand wußte, ob er die Burgen schonen werde.
Mohammed ritt durch die Straßen Mekkas. Rechts von ihm erhob sich das Haus der Ḫadīǧa, in dem er die glücklichsten Jahre seines Lebens verbracht hatte. Jetzt ritt er achtlos daran vorüber. Er ritt geradeaus zum großen Hof der Kaʿba. Und hier am heiligen Hause vollbrachte Mohammed die Tat, um derentwillen er einst sein Haus, seine Familie und auch den heiligen Hof der Kaʿba verlassen mußte. Siebenmal umkreiste er die heilige Kaʿba, siebenmal berührte er ehrfurchtsvoll mit seinem Stab den heiligen Stein. Und dann kam für Mohammed, den Gesandten Gottes, der Höhepunkt seines langen, ereignisreichen Lebens. Er stieg vom Kamel herab, begab sich hocherhobenen Hauptes zu den Idolen und begann mit seinem Stab die steinernen und hölzernen Idole zu zerschlagen. Die Muslims folgten seinem Beispiel. Bald lagen in Staub der mächtige Hubal, die drei Mondjungfrauen und alle dreihundertsechzig Götter der Quraiš. Die Tat, die Mohammed vor Jahren verkündet hatte, war jetzt vollbracht.
Wie immer waren auch hier die Neubekehrten die eifrigsten Gegner der alten Götter. Ḫālid ibn ăl-Walīd und ʿAmr ibn al-ʿĀṣ durchrasten mit ihren Reitern das ganze heilige Gebiet. Sie drangen in die Tempel und in die heiligen Haine der Araber, zerschlugen die Statuen der Götter und töteten die wenigen Priester, die noch Widerstand leisteten. Bald gab es weder in Mekka noch an einer anderen Stelle des heiligen Gebietes auch nur einen einzigen Götzen. Sogar die Statuen Abrahams und Ismaels, sogar das Bild der heiligen Jungfrau Maria wurden, wie Mohammed sagte: ›aus Ehrfurcht vor ihrer Heiligkeit‹ vernichtet. Selbst eine kleine, kunstvoll aus Holz geschnitzte Taube zerbrach Mohammed mit eigener Hand.
Der Vernichtung der Götter folgte aber nicht, wie man allgemein erwartet hatte, das Signal zur Plünderung. Das Eigentum wurde den Quraiš belassen. Das mißfiel sogar manchen unter den Muhāǧirūn. Als sie einst aus Mekka vertrieben worden waren, war ihr Besitz den Quraiš zugefallen. Jetzt, nach dem endgültigen Sieg, hielten sie sich für berechtigt, wenigstens ihr beschlagnahmtes Eigentum zurückzufordern. Mohammed verbot auch das. Er selbst verlangte nichts von seinem früheren Eigentum zurück. Er betrat nicht einmal das Haus der Ḫadīǧa. Während des ganzen Aufenthaltes in Mekka lebte er in seinem Zelt.
Im Innern fühlte aber Mohammed, daß er unrecht handelte. Die Liebe zur Stadt Mekka drohte in ihm über die Pflichten des Herrschers zu triumphieren. Hatte er doch selbst gesagt: ›Muslim sein, heißt die Gemeinschaft der Gläubigen höher stellen als die Sippe, heißt der Gemeinde gehorchen und nicht den Gesetzen der Sippe, denn alle Muslims sind gleich, und es gibt zwischen ihnen keine Völker, keine Sippen, keinen Haß‹ (49,9-10). Jetzt war es ihm unmöglich, gegen seine eigene Sippe, gegen das edle Geschlecht der Quraiš vorzugehen. Er versammelte deshalb die Muslims und hielt eine wohlerwogene Ansprache: »O ihr Männer«, sagte er. »Gott hatte Mekka geheiligt am Tage, als er Himmel und Erde schuf. Diese Stadt bleibt heilig bis zum Tage der Auferstehung. Es ist keinem Gläubigen erlaubt, Blut in der Stadt zu vergießen oder einen Baum zu fällen. Es war niemandem vor mir erlaubt, und es wird niemandem nach mir erlaubt sein. Nur mir war es in dieser Stunde gestattet, als Vollstrecker des Zornes Gottes gegen die Bewohner der Stadt vorzugehen. Jetzt ist aber diese Stadt wieder geheiligt. Die Anwesenden mögen es den Abwesenden berichten. Sagt euch jemand: Mohammed habe je in Mekka Krieg geführt – so antwortet: Gott hat es seinem Gesandten erlaubt, aber nicht euch.«
Und wie immer bei Mohammed wurde dieser aus dem Gebot des Augenblicks geborene Beschluß bestimmend für die ganze Geschichte des Islam. Mekka erhielt eine Sonderstellung. Es wurde der allgemeinen Politik entrissen – es wurde heilig. Die vier heiligen Monate der Quraiš erstreckte Mohammed auf das ganze Jahr – für die Ewigkeit. Die Heiligkeit und der Friede der Stadt wurden bis in die Neuzeit vom Islam geachtet. Mit diesem Gesetz, mit diesem Gebot, in Mekka kein Blut zu vergießen oder gar Kriege zu fuhren, wurde der Stadt jede politische Bedeutung genommen. Denn Blut und Politik sind im Orient untrennbar. Mekka, die Stadt der Gebetsrichtung, ward künftig der geistige, nicht der politische Mittelpunkt des Islam.
Die Rede des Propheten und die ungeahnte Milde, mit der er in der Stadt auftrat, beunruhigte die Anṣār, die Helfer, die gebürtigen Medinenser. Einst, als der Prophet, von allen verfolgt, sich unter ihren Schutz stellte, hatte er sich feierlich von der Gemeinschaft des Stammes Quraiš losgesagt. Medina hatte sich seiner erbarmt, seine Kämpfe gekämpft, seine Leiden gelitten. Wie sollte es jetzt belohnt werden? Die Anṣār kamen zu den Propheten und erinnerten ihn an die Worte, die er gesprochen, als es niemanden in der Wüste gab, der sich seiner annehmen wollte.
Jetzt schaute der Prophet zärtlich auf die Stadt seiner Geburt und sagte: »O Mekka, du bist die herrlichste der Städte und die geliebteste Allāhs. Wäre ich nicht von meinem eigenen Stamm aus dir vertrieben worden, so würde ich dich nie verlassen haben.« Und die Anṣār entgegneten: »Seht, Mohammed hat seine Vaterstadt erobert. Jetzt wird er Medina verlassen.« Da entsann sich Mohammed an alles, was das Volk von Medina für ihn getan hatte. Auch hatte er sein Versprechen von damals nicht vergessen. Er stellte die Pflicht des Staatsmannes über die Liebe zur Heimat, berief alle Anṣār zu sich und sagte: »Als ihr mir Treue geschworen habt, schwur auch ich, mit euch zu leben und zu sterben. Ich wäre nicht der Gesandte Gottes, wenn ich euch jetzt verlassen würde.« Und in der Tat, nur zwei Wochen verweilte der Prophet in seiner Geburtsstadt, dann kehrte er nach Medina zurück. Medina blieb die Hauptstadt des Propheten und der ersten vier seiner Nachfolger, die wie er selbst alle aus Mekka stammten. Es waren Abū Bakr, ʿUmar, ʿUṯmān und ʿAlī.
Langsam sprach es sich in Mekka hinter verschlossenen Fenstern und verriegelten Türen herum, daß der Prophet nicht als blutdürstiger Rächer in seine Heimatstadt zurückgekehrt sei. Allmählich öffneten sich die Türen, Menschen erschienen auf den Straßen, gingen in die Kaʿba und staunten über den großen Trümmerhaufen der Götzen. Dann sahen sie auf dem Dache der Kaʿba den Neger Bilāl, den ehemaligen, hart gefolterten Sklaven eines Vetters von Abū Sufyān, und hörten, wie er mit lauter Stimme verkündete: »Steht auf zum Gebet. Das Gebet ist besser als der Schlaf.« Man sah sich das an und schüttelte den Kopf. Ein Neger, ein Sklave stand im Islam in hohen Würden, war der erste Muezzin. Der Prophet machte wirklich keinen Unterschied zwischen Rassen und Völkern.
Nur sehr wenige von seinen alten mekkanischen Feinden verurteilte der Prophet zum Tode. Die meisten unter diesen Verurteilten hat er zudem vor der Hinrichtung wieder begnadigt. Nur zwei Todesurteile wurden vollstreckt. Eins an einem Muslim, der vom wahren Glauben abgefallen war und den Koran gefälscht hatte, das andere an einer Frau, die den Propheten in bissigen Satiren verletzt hatte. Denn Gedichte verwundeten ihn schmerzlicher als Schwerter.
Jetzt, nach vollendetem Sieg, nachdem sich die Mekkaner wieder auf die Straßen wagten, beschloß der Prophet, unblutig Rache zu nehmen, indem er zu seiner Genugtuung die einstigen Mitbürger zu einem peinlichen Schauspiel lud. Genau wie vor vielen, vielen Jahren, wie im ersten Jahr der Sendung, ließ der Prophet – wie eine alte Sage berichtet auf den Straßen und Plätzen Mekkas ausrufen: »Mohammed ibn ʿAbdallāh aus der Sippe Hāšim bittet die Bürger, sich am Berge Ṣafā zu versammeln, weil er ihnen Wichtiges mitzuteilen hat.« Und wie damals, vor langer, langer Zeit, kamen die Bürger zum Berge Ṣafā. Ihre Gesichter waren jetzt weder neugierig noch stolz. Angst und bange Erwartung sprachen aus ihren Zügen. Vor versammeltem Volke verkündete dann der Prophet die Grundsätze des neuen Glaubens: »Alle Menschen kommen vom Staub und werden zu Staub. Deshalb sind alle vor Gott gleich, und es gibt keinen Unterschied zwischen Rassen, Stämmen und Völkern, zwischen Herren und Sklaven. Blutgemeinschaft muß geehrt werden, doch viel höher steht die Gemeinschaft des Glaubens, die Gemeinschaft derer, die an einen Gott, an den großen Allāh, glauben.«
Im Gegensatz zu der ersten Versammlung am Berge Ṣafā wirkten jetzt die Worte des Propheten Wunder. Einer nach dem andern kamen jetzt die Mekkaner zu Mohammed und traten zum Islam über. Viele alte Feinde, die manche Beschimpfung, manche Mißhandlung Mohammeds auf dem Gewissen hatten, kamen zitternd vor Furcht zum Propheten, denn sie zweifelten, ob er ihr Glaubensbekenntnis annehmen würde. »Habt keine Furcht«, sagte der Prophet zu ihnen, »ich bin kein König, ich bin nur der Sohn einer einfachen Quraiš, die an der Sonne getrocknetes Fleisch aß.« – »Du bist der Sohn eines edlen Geschlechtes«, beteuerten demütig die Quraiš. Der Prophet blickte sie verachtungsvoll an und sprach: »Geht, ihr seid frei.« Unter den Neubekehrten befand sich auch Hind, die Frau Abū Sufyāns, die Furie von Uḥud. Sie wurde fast gewaltsam von anderen Frauen zum Propheten geführt, legte dann aber ein reumütiges Glaubensbekenntnis ab. Auch ihr wurde verziehen. Voll Wut zerschlug sie in ihrem Hause die Idole, die ihr nicht geholfen hatten.
So fiel Mekka wie eine reife Frucht in die Hand des Propheten. Doch hatte Mohammed seinen Landsleuten die Niederlage leicht gemacht. Wenn man später den Mekkanern ihre Feigheit bei Badr, beim Graben und bei Mekka vorwarf, so durften sie auf Anraten des Propheten antworten: »Wir kämpften ja nicht nur gegen die Armee des Propheten, wir kämpften auch gegen Engel, die sich an seiner Seite schlugen. Nur gegen die Engel, nicht aber gegen die Anṣār waren wir machtlos.«
So vollendete Mohammed die Tat, die er vor achtzehn Jahren am selben Berge Ṣafā begonnen hatte. Durch Armut, Bann und Verfolgung führte sein Weg, jetzt war er beendet. Ganz Arabien unterwarf sich dem Willen des Propheten, und mit Arabien unterwarf sich auch Mekka, die Lieblingsstadt Gottes.
Jetzt hieß es den Staat zu festigen, den er aus dem Nichts erschaffen hatte.