Autorenseite

 << zurück 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

20. Kapitel.
Der versöhnliche Abschluß.

Vierzehn Tage waren seitdem vergangen, als an einem Sonntagabend die Beteiligten sich bei Witte einfanden, auch Kriminalkommissar Meißner. Er hatte es sich nicht nehmen lassen, dem alten Lange eine förmliche Entschuldigung zu sagen, und der alte Mann hatte ihm mit Freuden die Hand gedrückt. Das Glück, das so unverhofft bei ihm Einkehr gehalten, hatte ihn mit allem Ungemache versöhnt. Hatte sich der Traum von Reichtum und Glück auch spät verwirklicht, so war doch das Geld sein unbestrittenes Eigentum, und die Stunde war ihm die schönste seines Lebens, als er seinem lieben Hans die 50 000 Mark in die Hand drücken konnte. Hans stand schon in Unterhandlung wegen Uebernahme einer Fabrik, und die nächsten Tage sollten den Abschluß bringen. Eva war von Witte ein für allemal als Pflegetochter aufgenommen worden. Er wollte nie heiraten, dafür liebte er seinen Beruf zu sehr, und der vertrug keine Frau. Alle Liebe, deren sein Herz fähig war, übertrug er nun auf Eva, seinen Abgott, und die Kleine durfte sich getrost als eine reiche Erbin betrachten, denn abgesehen von den 50 000 Mark, die ihr die Großmut des Bankiers in den Schoß geworfen, war sie ja doch des Detektivs Erbin. Die Tochter des Kassenboten Franz Schrader wurde also in heiratsfähigem Alter eine gute Partie.

Witte wurde bestürmt, den Anwesenden einen abgerundeten Bericht über den ganzen Fall zu geben, und man horchte gespannt seinen Ausführungen.

»Und Rudolf?« fragte man schließlich.

»Ich war gestern bei dem Leiter der Anstalt, in welcher Rudolf Schrader interniert ist,« antwortete Witte. »Der teilte mir mit, daß Schrader unrettbar dem Wahnsinn verfallen sei. Ich glaubte, Grund zu haben, mir Vorwürfe zu machen wegen der starken Mittel, die ich anwandte, um den Mörder zum Geständnisse zu bringen, aber das angewandte Mittel war eben das meiner Meinung nach aussichtsvollste, wie ja auch der Erfolg gelehrt hat. Nach Ansicht des Gefängnisdirektors war Schrader schon bei Begehung der Tat nicht mehr völlig geistig normal. Die Sucht nach schnellem Reichtum ist wohl bei ihm zur fixen Idee geworden und hat ihn umnachtet. Eine fürchterliche Strafe, aber er fühlt sie nicht. Er ist im allgemeinen still und ruhig, nur zuweilen packt ihn der Verfolgungswahn. Stumpfsinnig und gebrochen dämmert er seiner Auflösung entgegen, und wir wollen wünschen, daß ihm bald Ruhe und Frieden wird. Die Tote kann Ruhe finden, denn Gott selbst hat sie gerächt.«

Es war still geworden nach den letzten Worten. Nur vom Sofa her klang unterdrücktes Schluchzen. Die kleine Eva weinte bitterlich.

Es war mittlerweile spät geworden, und Hans, dessen Tagewerk früh begann, drängte zum Aufbruch. Witte stand mit seiner Pflegetochter am Fenster und schaute den Scheidenden nach.

 

Ende.

 


Titel des nächsten Bandes:

Der tolle Sander.

Romantische Liebesgeschichte von I. Schönermark.

 

Verantwortlicher Redakteur: Herman Seyffert, Berlin.

Druck und Verlag: Verlagshaus für Volksliteratur und Kunst G. m. b. H.
Berlin SW.

 


 << zurück