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In derselben Stunde, in welcher Franz Schrader sein verfehltes Leben vernichtet hatte, meldete mit wimmernden Tönen ein junges Menschenkind sein Eintreffen in dieser trügerischen Welt an. Frau Schrader gab in dieser schrecklichen Nacht, die ihr das Haar gebleicht hatte, einem Mädchen das Leben.
Während man dem Gatten einige Tage später still und klanglos sein letztes Bett grub, kämpfte die Verlassene einen erbitterten Kampf mit dem Leben.
An ihrem Bett saß unermüdlich der junge, gemütvolle Sohn des in der Untersuchungshaft schmachtenden Langeschen Ehepaares.
Rudolf, der Stiefsohn der Schwerkranken, hatte keine Geduld zur Krankenpflege. Der Tod des Vaters war ihm nicht nahe gegangen, und was kümmerte ihn dessen Frau, die nicht seine eigene Mutter war! Mit dem schreienden Kinde wußte er auch nichts anzufangen, also zog er es vor, zu seinen gleichgesinnten Kameraden zu flüchten. Der Teufel mochte die Sorgen holen!
Man war nur einmal jung und das Leben winkte und lockte!
Am ersten Tage war er ja beständig um das Bett der kranken Frau herumgeschlichen. Er war in der Nacht zuvor zu Haus gewesen und hatte von dem letzten Gespräch seiner Eltern manches Wort erlauscht.
Donnerwetter, das wäre ein Geschäft, wenn er das Versteck erfahren könnte, wo das gestohlene Geld verborgen lag! Aber von der fiebernden, besinnungslosen Frau war nichts zu erfahren. Da mußte man eben warten.
Frau Lange wurde nach einigen Tagen entlassen, sie war fraglos unschuldig. Verbitterten Herzens, aber pflichtgetreu half sie der Genesenden den Weg in das Leben zurückzufinden.
An dem Tage, an welchem sich die gebrochene Witwe zum. ersten Male erheben konnte, fand die Verhandlung gegen Hugo Lange statt. In Anbetracht seiner schweren Verfehlung wurde er zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt.
Kommissar Witte hatte nichts unversucht gelassen, um dem Verbleib des Geldes nachzuforschen. Seine Bemühungen aber waren ohne Erfolg. Bei dem toten Schrader fand man nur wenige Silbermünzen, die genesende Witwe lehnte jede Mitwisserschaft müde und schweigend ab, der Tote schien sein Geheimnis mit in das Grab genommen zu haben. Frau Schrader wurde lange sorgfältig beobachtet, aber die gebrochene Frau tat nichts, was den forschenden Beamten in dem Glauben bestärken konnte, als hätte sich ihr Mann ihr anvertraut. Sie trug Sorge, den Forderungen der Welt gerecht zu werden und nähte den ganzen Tag bis in die sinkende Nacht hinein, um ihrem Kinde das Leben zu erhalten.