Autorenseite

 << zurück 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

XXI.

Bis zu dem Dach vergraben in Schaum, hängt steil die Kirche über den Wassern. Es wankt der Turm mit dem Glockengestühl, aus klaffenden Rissen bröckelt der Kalk, und knirschend feilt die Riesenbrandung tief an der Mauern irdenen Wurzeln.

Schon stürzen Kreuze hier und dort, in offenen Gräbern wühlt die Flut, des Dünenkirchhofs Frieden brechend, daß auf Gebeine, rings verstreut, das Licht der Bogenfenster fällt.

Am Steinportal stockt zagend das Volk, beseelt von unheilvoller Ahnung.

»Die Kirche erleuchtet? Hilf uns Gott.«

Sie murmeln es zwischen den Zähnen hervor und halten sich dicht an Praest Petersen, der, seiner erschöpften Sinne kaum mächtig, die schwere Eichenpforte aufstößt und allen voran in das Längsschiff tritt, zum Altar den verlorenen Haufen geleitend, auf daß er ihn tröste und segne zum Sterben.

Gebeugt schleppt sich die Schar ihm nach quer durch den matterhellten Raum. Bunt glüht das Glas im Ampelschein, der von der Kanzelbrüstung rinnt. Der Scheiben Bleirand hebt sich schwarz, ein Netzwerk, aus dem Purpurgrunde, und schwelend steigt der Kerzendunst in krausen Wolken zur Decke empor.

Und dann:

»Zurück!«

Ein Ruf durchschneidet die Kirchenstille, so voller Qual und Schmerz und Haß, daß, niedersinkend in die Kniee, das geängstigte Volk am Boden bebt und in der Bänke schmalem Gang Praest Petersens Hand nach der Holzfüllung greift, die, braun, verziert mit rohem Schnitzwerk, entlangläuft an den steiflehnigen Betstühlen.

Des Alten Augen öffnen sich weit und quellen hervor aus den buschigen Höhlen.

War das ein Traum, der alle sie in ihrer letzten Stunde höhnte?

Da flammte der Altar im Lichterglanz. Die Weihgefäße funkelten grell. Doch auf den Stufen lag es wie Blut.

Wie Blut?

Praest Petersens Stirne feuchtet sich heiß.

Kein Blut, die rote Samtdecke war's, die, heruntergezerrt vom Tische des Herrn, ihre schweren Falten zur Erde goß, eines leblosen Mannes Körper umhüllend, dess' wachsgelber Kopf, durch Kissen gestützt, in starrer Ruhe am Altar lehnte. Und neben ihm – fassungslos sieht es der Alte – neben ihm hob sich ein Weib von den Steinen, die Fäuste ausstreckend gegen das Volk, den Weg versperrend mit ihrem Leibe.

»Zurück vom Altar, ihr Leute von Strandby!

Was kommt ihr, zu stören des Toten Ruhe?«

Den greisen Praest trifft einem Blitze gleich die verzweifelte Rede.

»Silke, mein Kind.«

Er breitet zitternd die Arme aus, nichts anderes wähnend, als daß die Nacht mit ihrer Schrecknisse Übermaß der Frau Jens Lie's die Sinne verwirrt.

Doch Silke achtet Praest Petersen's nicht. Ihr Blick glüht drohend die Menge an.

»Den Mörder heraus, gebt den Mörder her, den ihr verberget in eurer Mitte!«

Auf stöhnt das Volk, vor die Brust sich schlagend.

»Was will sie von uns, die wir schuldlos sind? Kein Mord geschah, dessen Täter je, versteckt, wir der Strafe vorenthielten.«

Und beteuerndes Wehklagen tönt aus dem Haufen, vermischend sich dem düsteren Getöse, mit dem die sturmgetriebenen Wasser hinfegen über die Bogenfenster.

Silke schüttelt das glänzende Haar, das wirr ihr über das Antlitz hängt.

»Ich weiß, daß ein Mörder unter euch ist, und werd ihn euch zeigen im Augenblick.«

Sie schreitet festen Schritts durch den Gang, die Gasse hinauf, die ausweichend das Volk ihr frei gibt, scheu sich bekreuzigend, und hält vor einem der Mauerpfeiler, an dem in schlotternder Todesangst kalkweiß sich Steuermann Tymme krümmt.

»Praest Petersen, hört, und ihr anderen seht!«

Sie legt die Hand auf des Steuermanns Schulter. Wie Edelmetall schwingt dunkel die Stimme.

»Der Mann hier lockte in dieser Nacht ein Schiff durch Irrfeuer auf den Strand. Zu Grunde gingen Besatzung und Fahrzeug im tückischen Wirbel der Westerbänke. Nur einen spülten die Wogen ans Land, den einen, der droben am Altar schläft und den ihr kennt so genau als ich selbst.«

»Jens Lie«, schwebt dumpf es von Mund zu Mund.

»Jens Lie!«

Das entsetzte Volk bäumt auf und wälzt sich auf Steuermann Tymme zu, den kampfbereit seine Leute umstehen. Doch ehe die Männer von Strandby heran, wirft sich Praest Petersen vor den Mörder, Einhalt gebietend dem Ansturm der Schar mit hocherhobenen, flehenden Händen.

»Was wollt ihr tun, Unselge?

Bedenkt, daß eure eigene Stunde schlägt, ehe denn die Sonne den Morgen krönt. Nicht ist es an euch, den Frevel zu strafen, entweihend durch Blut den heiligen Boden.

Denn, »Mein ist die Rache«, spricht der Herr.« Da schmettert ein Lachen durch den Raum, so schneidend lästernden Hohnes voll, daß rings das Volk, an die Stelle gebannt, abläßt von Tymme und seinen Genossen.

»Mein ist die Rache!«

Silke springt vor.

»Mein ist die Rache, und keiner von euch vermag zu entrinnen dem Tod, den sie schuf. Denn Gott, Praest Petersen, Gott, der die Untat geschehen ließ, ohne sich mein zu erbarmen, der würde ein schlechter Rächer wohl sein, und straflos bliebe des Mörders Haupt.

Drum führte ich selber an Gottes Statt das Verhängnis herauf, dem ihr alle erliegt! Drum brach meine eigene Hand den Damm und rief das Meer zu eurem Verderben, nicht Gott, wie ihr wähnt.

Denn es ist kein Gott!«

Silke verstummt. Zu Eis erstarrt vernehmen die Menschen die letzten Worte. Betäubt halb von den krachenden Schlägen, die immer stärker die Wände erschüttern, drängt sich die Masse zum Altar hinauf in sinnloser Flucht vor dem rasenden Weibe, an dem zu vergreifen ein Grauen sie hindert, ein Grauen, das ihre Zungen lähmt und ihre Hirne des Denkens beraubt.

Denn nahe schon ist das Ungeheure, das draußen wartet unabwendbar, und ächzend wankt die kleine Kirche, gepackt von den Schauern des Todeskampfes.

Silke allein bleibt im Gange zurück, des Endes harrend, das ihr die Erlösung. Teilnahmslos hält sie den Nacken gesenkt, erschöpft von der Qual der vergangenen Stunden. Mechanisch streicht sie das Haar aus der Stirn, das aufgelöst ihr durch die Finger rinnt als ein warmer Strom. Ihr Gesicht ist schneeig. Blaß wölbt sich die Lippe, und ihre Augen wandern irr, wie suchend durch die Kirchendämmerung.

Fern brennen Kerzen. Leuchter blinken. Die Totentafeln kränzen die Wände, und am Altar des Gekreuzigten Bild gießt seiner Wunden tiefe Schwermut herab in dunkelroten Tropfen.

Da plötzlich hebt Silke lauschend den Kopf. Weit streckt sich der Körper, zum Sprunge gespannt.

Was ist das?

Gott, mein Gott! Ein, zwei, nein mehr, hundert Stimmen rufen ihren Namen.

Sie gleitet über die grauen Fliesen den Gang hinauf bis zur Kanzelstiege.

Die großen Lichte flackern düster.

Hoch über dem Volk steht Praest Petersen, das greise Antlitz leuchtend von unsäglicher Milde, und stammelnd spricht sein Mund die Worte:

»Silke, Silke! Es ist ein Gott!«

Vom Altar zittert ein seltsames Rauschen. Die Samtdecke über dem Körper Jens Lie's wirft Falten auf von purpurner Schwere. Leicht zuckt empor der wachsgelbe Kopf. Sekunden öffnen sich matt die Lider, um sich zu schließen mit glückseligem Lächeln.

»Silke.«

Ein Hauch schwebt durch die Halle voll süßen Klanges.

»Mich – traf – der – Mast. Bewußtlos – nahm – – mich – – die – Brandung – – – – – an Land. Nun – – – bin – ich – – bei – dir.«

Auf schluchzt das Volk. Die Kerzen knistern.

Vor Silkes Augen schwindet das Licht. Hart stürzt sie zu Boden, die Finger verkrallt in die Fugen der rissigen Grabsteinplatten.

»Gnade!«

Ihr herzzerreißendes Jammern versinkt im Donnerrollen der berstenden Mauern. Mit hohlem Brausen schleudert das Meer seine dunklen Wogen gegen die Kirche, und während riesigen Schlangen gleich die Wasser eindringen durch die Spalten, neigt langsam sich der schwingende Turm vom wellengelockerten Kupferfirst.

Die Glocken läuten dumpf und schwer, sie läuten Liebe und läuten Haß.

Gerührt von unsichtbarer Hand, dröhnt ihres Dreiklangs eherner Ton, Vergebung kündend und rächende Strafe.

Von menschlichem Kurzsinn predigt ihr Mund, von Weibestreue und trutzigem Sterben.

Sie singen das Lied des grauen Meeres.

Sie läuten zu Grabe das Totenvolk.

Sepp Frank

Torbyll hatte geendet.

Fröstelnd zog er die Schultern ein und beugte sich tief vornüber, als wolle er uns statt seiner trüben Augen das gleichgiltig speckige Äußere des Ölrocks zeigen, der steif und ungefüge seinen Körper umstand.

»Ich hab sie aus guter Hand, die Geschichte, von einem Zeugen, der übrig blieb als einziger unter den vielen.«

Dumpf schnitt die Stimme des Alten durch das brütende Schweigen, das ringsum leichenstill über den nächtlichen Wassern lag.

»Der Mann war blöde, als ich ihn fand. Wie ein Hund lief er droben am Strand hin und her, die Hölzer sammelnd, die er der Brandung gierigen Armen entriß mit eigener Gefahr für Leben und Leib. Und jedesmal, wenn er im letzten Augenblick dem rückwärts saugenden Strom der Wogen entrann, stieß er ein grauenvoll gellendes Lachen aus, wie einer, der seinen Feind erstochen im Zweikampf.«

Torbyll richtete schwerfällig sich in die Höhe und starrte verloren zu mir und Karen hin, die, an meiner Brust ihre salzfeuchten Haare trocknend, regungslos seinen Worten zugehört.

»Und was geschah weiter?«

»Was weiter geschah?

In den Dünen des Festlands traf ich ihn wieder zur Abendzeit. Nach meinen Netzen wollte ich sehen, die ich morgens ausgeworfen zum Fang.

Der Weg war öde. Über den schwarzen Wrackstücken jenseits der Hügel lärmten die Möwen. Ein seltsamer Ton ließ mich stutzen. Es war ein irres Geheul, wehmütig, klagend, kaum menschenähnlich, das da an meine Ohren klang.

Als ich näher herangekommen, sah ich den Blöden am Boden hocken, wo er mit blutigen Nägeln schmal längliche Löcher im Sande gekratzt.

»Für die Toten!«

Mit einem wunden Blick, als ein krankes Tier, zeigte er mir den Haufen splittriger Balken, die er mühsam vom Strande heraufgeschleppt. Dann nahm er behutsam jedes einzelne Holz und verscharrte es unter Gebeten in die schneit verwehenden Höhlungen, eintönig leiernd Ursach und Hergang des Unglücks erzählend.

So, Herr, kam's, daß ein Irrer die Leichenrede gehalten hat an Stelle des Praests für die Seelen des untergegangenen Volkes.« –

Torbyll verstummte.

Der Nebel, der lange Stunden hindurch als eine grau dicke Bleiplatte sich zu unseren Häupten gewölbt, begann unmerklich, lautlos zu schmelzen. Gen Westen schritt schwarzen Leibes die Nacht auf des Himmels Gewölbes unendlicher Straße. Denn schon erhob der Vogel der Dämmerung im Osten ferne die schattenden Fittige, und schüchtern lugte das erste Licht am Saume des Horizonts hervor.

Da war es mir plötzlich, als fühle ich ein schwaches Zittern in Karens Hand, die kalt und feucht in der meinen lag. Aufschreckend sah ich zu Torbyll hin, und was ich schaute, vermochte ich gleich Karen mir nicht zu erklären in seiner seltsamen Unheimlichkeit.

Der Alte, der teilnahmslos bisher im Grunde des Boots auf den Segeln gelegen, kroch jäh emporschnellend vorwärts zum Bug und spähte hinaus in das fahle Dunkel, die Nebelnaht vor uns zu trennen suchend mit scharfen Blicken. Und nie vergeß ich den grünen Schein seiner Augen, als er taumelnd nach dem Maste griff und langsam sich zu uns herumwandte mit unbeholfen kindischem Lallen.

»Torbyll, was gibt's?«

Krampfhaft preßten sich seine Kinnbacken zusammen in knirschend feilender Bewegung, ehe er mir als Antwort selbst eine stammelnde Frage hinüberwarf.

»Stille! Was war das? Hörtet ihr nichts?«

»Wir hören? Was?«

»So hört ihr nicht das dumpfe Gemurmel? Menschen sind ganz in der Nähe!«

»Menschen? Unsinn, Torbyll, die Brandung ist's, die trommelnd die Westerbänke umspült.«

»Das ist nicht die Brandung, Herr! Das ist – – – – – – – – – – – – – –«

Sein heiser keuchender Schrei brach schrill ab, endend in kaum verständlichem Winseln:

»Das Totenvolk!«

»Das Totenvolk?«

Ein ungläubiges Lachen wallte aus meiner Kehle empor, doch fand es den Weg zu den Lippen nicht.

Denn unaufhaltsam quoll es heran, mit schleppenden Schritten über den Wasserspiegel, in Dunst gehüllt, auf schwankenden Füßen, mit dampfendem Haar, Angst und Sorge in blassen Gesichtern, so quoll es heran, ein banger Zug von Männern und Weibern mit Kindern im Arm, zog vorbei und entschwand im grauenden Morgen.

Sprachlos stierte ich Torbyll an, der, wie um Jahre gealtert, mit greisenhaft verzerrtem Gesicht in den Tauen hing, lauschend dem dünnen Stimmengewirr, das, allgemach schwächer werdend, gespenstisch in der Weite verklang.

Dann aber scheuchte mich Karen mit leiser Berührung aus meiner Sinne Lähmung auf.

Waren wir toll geworden während dieser Nacht, daß wir uns selber vergaßen, uns als lebende Wesen von Fleisch und Blut?

Und aus voller Lunge brüllend, schleuderte ich ein lautes »Halloh« in den Nebel hinein, daß raschelnden Fluges die Seevögel ihre Lager verließen und uns umschwirrten mit klirrendem Kreischen. Ein frischer Wind trug die Töne davon, verjagend die hängenden Gazefahnen mit kraftvoll blasendem Atem, daß zwischen eilenden Wolkenfetzen in milchigem Glanz die Sonne erschien, aus tausend Kelchen silberne Strahlen gießend über die träge rollende Dünung.

Und nun erstand uns des Rätsels Lösung:

Denn einige Meter nur abseits der Inselküste saß unser Boot auf der Untiefe fest.

In Rufweite lagen schimmernd die Dünen, aus deren Tälern ein bunter Schwarm ungestüm drängender Menschen sich zu uns hinunterwälzte mit Händewinken und dröhnenden Ausbrüchen einer ehrlichen Freude.

Es war das ganze Inselvolk, das, um unser langes Ausbleiben schwer bekümmert, sich auf die Suche nach uns gemacht und, schon uns verloren gebend, vor wenigen Minuten erst im Nebel an uns vorübergeglitten, ohne des Schiffes gewahr zu werden. –

Torbyll allein war anderer Ansicht. Er hatte das Totenvolk gesehen mit seinen Augen von Angesicht zu Angesicht. Und davon brachte ihn niemand ab. Nicht Karens freundlich flehende Rede, nicht Jens Peter Jenssens gutmütige Grobheit vermochten ihm jenen Glauben zu nehmen, und meine spöttelnde Freigeisterei wies er vollends mit tiefer Entrüstung zurück.

Stumm schlich er durch die schwatzende Menge und ward von Stund an ein fruchtlos grübelnder Mann, dessen Wille zum Leben erloschen war.

Das Boot schlief einsam seit diesem Tag dort, wo es mit uns gestrandet war, und grub die mürben, zerfressenen Planken in fußhoch steigenden Triebsand ein. Wohl kam sein Herr noch dann und wann, des treuen Gefährten nicht vergessend. Doch fuhr er nicht mehr auf See hinaus, ging nicht zur Schenke und mied unsere Nähe. Bei unsichtigem Wetter saß er stets in sich versunken am Rande des Wassers, dem Plätschern nachsinnend und dem weichen Pfeifen der Wattenläufer zur Ebbezeit.

Und hatte er vorher das Siechtum gebannt in steter Erprobung der eisernen Muskeln, so ward er hinfällig jetzt und schwach, eine wehrlose Beute jener finsteren Gesellen, die mit emsig zersetzender Arbeit das Werk ihres Meisters vorbereiten.

Es war, als hätte das Nachtgesicht des Alten urwüchsige Kraft gebrochen für immerdar.

 

Über die Insel brausten die Herbststürme. Zu kurzem Leuchten glühte die Sonne auf.

Torbyll rang mit dem Tode.

Aufrecht wollte er sterben, den Mast im Arm, dem Salzhauch des Meeres preisgebend seine nackte Brust, die röchelnd, mühsam um Atem bettelte.

Karen und ich pflegten den Alten, bis es zu Ende ging. Mit großen Kommandoworten stellte er noch seines Bootes Segel zur letzten Fahrt, dann reckte er kerzengerade sich in die Höhe, fiel hintenüber und war tot.

Ich aber wachte an seiner Leiche die ganze Nacht. Ich ging auch unter den Männern, die ihn einsenkten im grauen Sande an der Insel Ostseite.

Es war ein kühler, regenstiller Tag. Wie aus Silber gesponnen blitzten die Spätsommerfäden auf unsern schwarzen Kleidern und Hüten, als wir, ein kleiner Kreis, dicht um das offene Grab uns drängten, in dessen Tiefe der schmucklose, nackte Holzsarg an Seilen hinuntergelassen ward.

In der Ferne schrie irgendwo laut das Meer. Zu unseren Füßen knisterten welke Kränze. Sonst war es ruhig, niemand sprach ein Wort. Und dieser trostlose Eindruck ward noch verstärkt durch das gleichgiltig steife Gebaren des jungen Priesters, der, von einer der Nachbarinseln geholt, mit eintönig plätscherndem Tonfall für den ihm unbekannten Toten Gebete murmelte, indes die Höhlung sich langsam schloß über Torbyll, dem ältesten von den Alten des Eilands.

»Erde zur Erde, Asche zu Asche, Staub zum Staub!«

Gellenden Hammerschlägen gleich hallte der kurze Spruch an mein Ohr, der unseres Lebens Nichtigkeit kündet.

Dann machten wir alle uns auf den Heimweg. Einer in die Fußtapfen des andern tretend, zogen wir durch die nassen, sturmesverwehten Dünen dem Dorfe zu. Man sah unsere Spur noch den nächsten Morgen als einen bläulichen Faden weithin dunkeln im blaßgelben Sandfelde. Man sah sie noch den nämlichen Tag, an dem mir klar geworden, daß meines Bleibens nun nicht mehr länger sei auf der Insel.

Karen nickte stumm mit dem Kopf, da sie aus meinem Munde die Nachricht erfuhr.

»Ich wußte, daß du nicht immer hier sein würdest.«

Nicht immer?

Sie hatte recht! Es gibt nichts, das ewige Dauer hat auf dieser zerbrechlichen Erde.

Meine Sachen waren bald gepackt. Eine Nacht noch gehörte uns. Und dann kam der Abschied.

Er war lange und schwer.

 


 << zurück