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II.

Winter wechselte mit Sommer, Sommer mit Herbst. Das Berry glühte im Purpur weißbesponnener Bäume. Die Lieder der Landleute waren verstummt, Nebel quoll trübe aus dem Fluß, und Nohant schlief mit grün verschossenen Läden, denn Friedrich und George weilten in Paris.

Getrennt am Tage durch Herkommen, Sitte, Wohnung und Beruf, eilten sie nächtlich zueinander, schürten die Flamme des Genusses bis zum körperlichen Schmerz, ruhten erschöpft und trennten sich mit einem seufzend getauschten Kuß, der Dank und Abrede für den Abend war.

Indessen ließ so innige Gemeinschaft Friedrich eine Sorge nicht vergessen, die sich mählich zu Angst, ja zu tödlicher Beklemmung auswuchs: er war krank, kränker als je zuvor!

Ein tückischer Husten quälte ihn, verschärft durch Auswurf und fieberische Mattigkeit, und dieser Tatsache galt eine Beratung, die um die Mitte des Oktober in Friedrichs Hause an der Chaussée d'Antin stattfand.

Wie er sie sah, die Freunde: den vornehm zurückhaltenden Grzymala, Julian Fontana, als Virtuose in der Hauptstadt ansässig, und endlich Matuszynski, den teuren Jas, nun Lehrer an der Ecole de Médecine, mit eckigen Schultern, die den Militärarzt nicht verleugneten, stieg eine Träne der Rührung in seinem braunen Auge auf.

Hier war Gesundheit, Jugend, Vaterland!

Er schloß die Weste, die er vor der Untersuchung aufgeknöpft, und sagte zu Matuszynski, der in einer Ecke mit Fontana sich beriet:

»Nun, was ist eure Meinung?«

Worauf vielstimmig die Antwort kam:

»Luftveränderung, Ruhe, Diät!«

Und Matuszynski fügte hinzu:

»Paris ist kein Aufenthalt für dich! Du brauchst Sonne, ein trockenes Klima und jemand, der deine Pflege übernimmt! Im andern Fall stehe ich für nichts …«

Friedrich war plötzlich ernst geworden.

Im andern Fall? Das hieß also …

Und doch, fortreisen, jetzt, wo die Saison anhub? Arbeit, Schüler aufgeben? Woher das Geld nehmen?

»Ich will es mir überlegen,« antwortete er nach einer Weile und bat die Freunde, ihn allein zu lassen.

Als jene gegangen waren, begann er fieberhaft zu denken.

Wenn Pleyel hülfe?

Es war sein Freund, nicht nur sein Verleger! Ein Vorschuß auf jene schwankenden Gebilde, die, alter Form entrafft, gleich den Blättern eines Tagebuchs Trauer, Beseligung, Ohnmacht und Ekstase kündeten, und die er bescheiden als » Préludes« bezeichnete, würde genügen, ihm den Unterhalt zu sichern.

Dies war das eine! Und dann … George ging mit ihren Kindern nach Majorka: Maurice, fünfzehnjährig und rheumatisch ihr vom Vater übergeben, Solange, um vieles jünger, schmiegsam wie eine Katze und bis auf ein mädchenhaftes Ungestüm gesund.

Mit ihnen – fühlte er – würde ihm der Abschied leicht sein, würden die Boulevards von Paris verblassen neben dem tiefen Indigo des Mittelmeeres, und, wie gestählt durch die Nähe unbekannten Landes, hob er den Blick, nun festen Willens, in ihrer Begleitung seine Reise zu verwirklichen.

»Ich weiß, daß es für dich ein Opfer ist,« sagte er wenige Stunden später, da er bei George das Nachtmahl nahm und diese in einem Peignoir von englischer Seide das braune Getäfel ihres Schlafzimmers, den riesigen Teppich, die plüschbezogenen Sessel und das viereckige Perserbett mit einem rosenfarbenen Schein erfüllte.

»Indes, du erhältst mich für dich selbst! Man wird dir mein Leben zu verdanken haben!«

»Und du wirst mich dafür nicht hassen?« fragte George, die in jenem Augenblick die Daunendecke von den Polstern zog.

Friedrich stürzte auf sie zu.

»Ich werde dich lieben,« rief er, »und dein Leib wird weißer als der Schaum der Brandung sein …«

Am andern Tage beschlossen sie die Fahrt.

 

Bei spanischer Sonne erreichten sie Anfang November Barcelona: die Felsburg des Mont Jouy gelblich gegen das Blau des Himmels abgesetzt, schlanke Balkone mit grell herabhängenden Teppichen, Volkssänger, Guitarren, Castagnetten und zwischen der Manta von gestreifter Wolle oder einer spitzenfächelnden Mantilla das Silbergrau der Maultiere, deren rote Bänder durch die Menge flatterten.

Friedrich und George tauchten freudig ins Gewühl. Die Kinder der Obhut des Mädchens überlassend, sahen sie Rambla, Kathedrale und Castell, weilten im »Kaffee zu den sieben Türen« und ließen sich, nachdem sie zu fünft die Umgegend durchstreift, spätnachmittags an Bord des Dampfboots rudern, das sie nach Majorka bringen sollte.

Es war ein südlich warmer Abend. Das Meer, in milchigem Perlmutterglanz, ebbte geräuschlos aus dem Hafen, und als die Sterne langsam aufglommen, Nachtbläue Maurice und Solange in ihre Kojen scheuchte und Friedrich an Georges Arm im Dunkel des Laufdecks auf und ab schritt, erhob sich über dem Kielwasser, vage wie der Rauch des Schiffes und gleich jenem vom Winde fortgetragen, die gedämpfte Weise des Matrosen, der das Steuer führte:

» Diguem tù, la dells ulls negres,
La dell rebosillo blanch,
La del giponet de saya,
La dels gonellons rallato
 …

Sage mir, du mit den schwarzen Augen,
Du mit dem weißen Rebosillo,
Mit dem Mieder von Sarja
Und dem gestreiften Rock …«

Der fremdartig einschmeichelnde Rhythmus, das Plätschern des Wassers und ein sanft zurückgeworfenes Echo lösten in Friedrich Schauer des Entzückens aus. Er lehnte sich an Georges Brust, und während sie träumend ineinanderglitten, schwoll die Stimme des Sängers zu leidenschaftlicherer Werbung:

» Diguem tù, l'espigolera,
Si volrás espigolar
Lo camp del meu cor, fa estona
Segat per los desenganys?

Sage mir, Aehrenleserin,
Willst du nicht lesen
Auf dem Felde meines Herzens, das seit langem
Von Enttäuschungen geschnitten wurde?«

»Er singt mallorquinisch,« sagte George, die sich in Nohant mit dem Inseldialekt vertraut gemacht.

Friedrich schloß ihr durch einen Kuß den Mund.

»Er singt von dir,« flüsterte er, und sie lauschten, nun verschlungen, der wechselnden Modulation des Sängers, bis ein Windstoß den Nebel spaltete und die Morgendämmerung tropisch schnell hereinbrach.

Von rotem Feuer angeglüht, strahlten die Zacken schneeiger Gebirge. Palmen und Aloës wiegten in den Tag. Ein gelber Strand, die glänzende Bläue einer Bai, goldfarbene Wälle und über diesen, in Terrassen aufgebaut, Palma, die Stadt der Balearen.

Friedrich starrte, bis zur Ergriffenheit geblendet.

»Der Himmel ein Türkis,« murmelte er, »das Meer der Azur, die Berge gleich Smaragden …,« und als er fast unbewußt die Hände faltete, erklang vom Ruder feierlich die Stimme des Matrosen:

» Deu te dó bona Ilevada y à noltros bona jornada …«

Und die Mannschaft wiederholte, sich zur Sonne neigend:

»Gott gebe dir einen guten Aufgang und uns einen guten Tag, ein Pater noster und Ave Maria dem Herrn der Welt!«

 

»Zwischen Fels und Meer, in einem verlassenen Kartäuserkloster, suche Dir mich in einer Zelle, deren Türe größer ist als in Paris die Haustore, unfrisiert, ohne weiße Handschuhe und bleich wie immer vorzustellen. Die Zelle hat die Form eines Sarges mit hohem, staubdämmerndem Gewölbe. Ein kleines Fenster, vor diesem Orangenbäume, Palmen und Zypressen. Dem Fenster gegenüber, bei einer Filigranrosette maurischen Ursprungs, steht mein Bett. Daneben ein alter, viereckig intouchabler Schreibkasten, der sich kaum mehr benützen läßt, auf ihm ein Bleileuchter (der Luxus ist hier groß!) mit einer kleinen Kerze. Bachs Werke, meine Manuskripte, nicht mir gehöriges Gerümpel. Eine Stille – man kann schreien – es bleibt ewig still. Ich schreibe Dir, Julian, von einer merkwürdigen Stätte …«

Friedrich spritzte die Feder aus und überlas nachdenklich den letzten Satz.

Ja, seltsam war dieser Ort, phantastisch und voll trauriger Geheimnisse!

Wer hatte hier gelebt, wer den Regenmond auf tröpfelnden Orangen glänzen sehn, dem Rauschen der Bergströme gelauscht, dem Schlag der Brandung und dem heiseren Schrei der Adler, die beutegierig in den Klostergarten niederstießen?

Ein Mönch, feurig wie er, durch sein Gelübde der Keuschheit überantwortet, unberührt vom Liebesduft der Mandelblüte, des Oleander und der Scharlachfrüchte des Granatbaums, leidend und doch getröstet in der Hoffnung, die süßer als Feigenbrot am Ende seiner Tage stand:

»Glückseliger, nimm in Besitz das Reich, welches Ich dir bereitet habe …«

Und Friedrich sah das Lächeln des Sterbenden. In gläubigem Des-dur strömte ihm die Melodie, gleich der Erlösung herabträufelnd auf sanft gebrochene Augen, erdentrückt und voll aller Lieblichkeit des Himmels.

Er fand nicht Zeit, den Bogen auszuwechseln. Denn während er rasch den ersten Teil skizzierte, schwoll ein düsterer Gesang ihm nah und näher.

Der Kreuzgang war plötzlich rot von Fackeln. Eine Glocke schlug eintönig in dumpfem Gis, und, jäh emporgesteigert zu furchtbarer Gewalt, dröhnte die Totenklage der dahinschreitenden Mönche, im Flackern der Kerzen, rhythmisch wallender Gewänder, die gleich dem weißen Dunst des Nebels Los und Mauern wie mit einem Leichentuch verhüllten.

Friedrich wich in die äußerste Ecke seiner Zelle. Ein Schrei drängt sich aus seiner Brust.

Doch als die Stimmen ferner klangen, das Läuten abstarb und der weiche Glanz des Mondes über die Ruinen fiel, kehrte er, sich bekreuzigend, an den Arbeitstisch zurück.

Noch bebte die Feder zwischen seinen Fingern. Dann aber, den Weg zum Frieden findend, beendete er in silbernem Des-dur die Niederschrift und legte den Bogen zu den andern Blättern der Préludes.

 

Südstürme erschütterten die Insel. Der Boden dampfte unter dem Anprall herabstürzender Wassermassen. Bäche wurden zu reißenden Strömen, die Eichbäume bedeckten sich mit Schnee, und auf den Bergen hielt der Winter seinen Einzug.

George trotzte ihm mit der gewohnten Energie. Ein Ofen ward aus Palma beschafft, Matten von Valenciennes erholt, und so im Schnitzwerk eines Kirchenstuhls vergraben, schuf sie an Eigenem oder unterwies die Kinder: Maurice in der Lektüre des Thucydides, Solange in den Regeln der Grammatik.

Friedrich aber litt. Schlaflos, mit Pflastern beheftet, die ihm Brust und Rücken brannten, kämpfte er mit den Schrecken dieser Einöde.

Vergessen war die Bläue der Lust, die Myrthenwälder und die heiteren Cansós der Winzer. Ein Grauen befiel ihn beim Toben der Natur, und er vermißte schmerzlich die helle Wärme seiner Wohnung in der Chaussée d'Antin.

George wagte kaum, ihn zu verlassen. Indes, der Hausrat bedurfte dringender Erneuerung, und da Friedrich versicherte, daß er sich leidlich fühle, Sonne zudem auf trockene Stunden hoffen ließ, stand sie nicht an, den Tag zu nützen, und machte sich mit Maurice auf den Weg nach Palma.

Friedrich blieb, ein Opfer sonderbarer Unruhe.

Sie gingen einsam!

Wenn ihnen etwas zustieße? Schluchten sie irreführten, Stege fortgerissen waren oder gar das Wetter umschlug?

Er trat zur Türe.

Das Wetter! Ja, was war mit dem Wetter?

Der Himmel jagte von Blau zu grünem Schwarz. Vögel schwirrten gleich weißen Schaumflocken aus der Lagune, dann plötzlich ein blendendviolettes Leuchten, ein Donner, als splittere das Firmament, und gleich darauf ein wütend herabgepeitschter Regen.

Friedrich flüchtete betäubt zurück.

Seine Gedanken stürzten durcheinander:

George in der Wildnis! Abgründe öffnen sich, sie zu verschlingen. Der Sturm entwurzelt Bäume, eine Riesenwoge rollt heran …

Und jäh auf den Klavierstuhl niedergleitend, sank er schwindelnd in die Tiefe, und Dunkel umgab ihn wie der Tod.

Ein Meer in grauem h-moll rauschte langsam und feierlich zu seinen Häupten. Schwere Tropfen netzten ihm taktmäßig die Brust, und eine unendliche Klage erfüllte die Stygischen Gewässer, von Seufzern durchbebt und einer hoffnungslosen Traurigkeit.

Indem er weinend und ohne sich darüber klar zu werden, daß er spiele, die Vision dem Instrument vertraute, eilten George und Maurice unerwartet in die Zelle. Bleich, mit durchnäßten Kleidern, zeugten sie von der überstanden Gefahr.

Friedrich empfing sie mit einem irren Schrei.

»Ich dachte, daß ihr gestorben wäret!« sagte er und hob abwehrend die Arme.

George riß ihn ungestüm an ihre Brust.

»Was ist dir?« rief sie mit entsetzter Stimme.

Friedrich aber krümmte den Rücken, und da er hustend das Taschentuch von seinen Lippen zog, färbte ein helles Rot das fein gesäumte Linnen.

 

Nun hielt Tod sie umklammert. Das Meer verlegte den Schiffen ihren Weg. Ein dumpfes Brüllen entrang sich den Gestaden, Schaumfetzen flogen über die Insel, und wenn der Sturz raubschnäbeliger Geier an die Scheiben klirrte, schien es, als poche ein knochig harter Finger.

George saß mutlos an Friedrichs Bett. Das Röcheln des Kranken, der Vorwurf, daß sie mitschuldig sei an der Verschlimmerung, machten ihr die Worte furchtbar, die Marie Antonia, ihre eingeborene Dienerin, fanatisch wiederholte:

»Der Schwindsüchtige wird zur Hölle fahren! Warum beichtet er nicht? Mögen die Fremden sehn, wo sie ihn einscharren …«

Ein Zupfen Friedrichs unterbrach ihren Gedankengang.

»Die Préludes sind fort?« murmelte er, ihr Knie berührend.

»Ich gab sie in Palma persönlich auf die Post.«

Friedrich bewegte unruhig die Hände.

»Pleyel soll sie für Frankreich haben! Der Mietzins ist noch nicht bezahlt. Es weht kalt vom Fenster! Erinnerst du dich, daß ich ertrunken war? Graue Wassertropfen perlten auf meine Brust, und ich erstarrte zu einer eisigen Verzweiflung.«

George schüttelte gereizt den Kopf.

»Du warst nicht ertrunken,« antwortete sie. »Der Regen fiel auf die Ziegel der Kartause, und was du spieltest, war imitative Harmonie!«

Friedrich richtete sich keuchend auf.

»Imitative Harmonie? Ich habe den Regen nicht nachgeahmt! Uebrigens: was weißt du von meiner Kunst?«

»Krankheit macht ungerecht!«

»Gesundheit anmaßend …«

Eine Weile schwiegen sie verstimmt. Dann sagte Friedrich, der seine Heftigkeit bereute:

»Verzeih', aber es geht mir herzlich schlecht! Du solltest an meinen Zustand denken.«

George zuckte die Achseln.

»Ich denke Tag und Nacht an ihn,« entgegnete sie. »Wird er davon bester? Die Reise war ein entsetzliches Fiasko!«

Fredrich tastete nach ihrer Hand.

»Wenn wir heimkehrten,« flüsterte er, »wir waren glücklich, wozu sollen wir es nicht mehr sein?«

»Der Dampfer fährt nicht.«

»Mieten wir eine Tartane!«

»Sobald es wärmer wird …«

»Dann aber mit dem ersten Boot?«

»Mit dem ersten Boot …«

 

Ein blauer Frühlingshimmel spannte sich über den Felsen von Marseille. Die Altstadt, im Kalk emporgetürmt, lag flimmernd als ein riesiges Amphitheater. Fächerpalmen spreizten ihr Grün, das Meer ebbte gleich dunklen Veilchen, und längs der Küste zog sich die Corniche, rötlich, zerstampft vom Eilmarsch römischer Legionen.

Die drei Spaziergänger, die von der Rue de Rome sich zur Cannebière begaben, schritten ungeachtet des Gewühls, das diese »Straße aller Straßen« füllte, als dicht geschlossene Gruppe:

Friedrich, auf einen Stock gestützt, zu seiner Linken George in einer Redingote aus weißem Cambric, und rechts ihn führend ein Herr mittleren Alters, mit lebhaften Augen, Röhrenfilz und horngefaßter Brille.

»Doktor Cauvières meint, daß wir vor Mai nicht reisen dürfen,« eröffnete George die Unterhaltung.

Friedrich drückte den Arm seines Begleiters.

»Warum nicht?« sagte er warm. »Sie haben Wunder an mir getan! Ich lebe wieder, kann schlafen, essen, gehen … Auch die Gastfreundschaft hat ihre Grenzen.«

Doktor Cauvières lächelte behaglich.

»Ich will Sie gesund machen, mein Lieber. Es paßt mir gar nicht, daß Sie heut für Nourrit spielen wollen!«

Friedrich sah bewegt zur Erde.

»Der arme Nourrit,« antwortete er. »Können Sie denken, daß er tot ist? Die herrliche Stimme verhallt? Sein Leichnam gleich einem Frachtstück unterwegs? Aufgebahrt zu kurzer Rast, und niemand, der dem Verblichenen huldigte?«

»Ein Abschied vom Tode, Doktor,« fügte er wie entschuldigend hinzu, als sie die Stufen zur Kirche Notre-Dame du Mont-Carmel erklommen und nach einem Blick auf Stadt und Hafen durch ein Seitenpförtchen in die Galerie eintraten.

Der Raum war bis auf den letzten Platz gefüllt. Kerzen röteten die Dunkelheit. Ein dürftiger Altar erhob sich vor den Bänken und zwischen diesen, unter einer Hülle künstlicher Blumen, Adolphe Nourrits Sarg.

Friedrich fühlte sich zu Tränen schwach. Der Gedanke, daß jener vor ihm dahingerafft, blühend, gesund, ein Bild männlicher Stärke, die Erinnerung endlich, wie aus seinem Munde » Les Astres« ihm zuletzt erklungen, machten ihn Alter und Stimmung des Orgelwerks vergessen.

Indem er die wenigst schreienden Register zog, begann er in dem Augenblick, da über gelben Weihrauchwolken die Hostie sichtbar ward, Schuberts »Gestirne«, nicht triumphierend, wie Nourrit sie gebracht, sondern weich, voll sanfter Klage, gleich einem Echo aus dem Jenseits.

Er durfte atmen, kaufte sich frei durch dieses Spiel!

Und während er mählich die Bälge schwellen ließ, sprach er voll Inbrunst die Worte des Klopstockischen Textes mit:

»Es tönet sein Lob Feld und Wald, Tal und Gebirg,
Das Gestad' hallet, es donnert das Meer dumpfbrausend
Des Unendlichen Lob, siehe, des Herrlichen,
Unerreichten von dem Danklied der Natur!

Ich preise den Herrn, preise den, welcher des Monds
Und des Tods kühlender, heiliger Nacht zu dämmern
Und zu leuchten gebot. Erde, du Grab, das stets
Auf uns harrt, Gott hat mit Blumen dich bestreut!«


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