Marcus Tullius Cicero
Von der Weissagung
Marcus Tullius Cicero

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7. Wer dir sagt, du werdest einen Schatz finden, oder eine Erbschaft bekommen, auf Was gründet er seine Versicherung? oder wo liegt ein natürlicher Grund eines solchen Erfolges? Und hat etwa Dieses oder Aehnliches der Art einen solchen in der Naturnothwendigkeit liegenden Grund, was berechtigt dann noch zu der Annahme, es geschehe durch Zufall oder von Ungefähr? Denn Nichts ist so unverträglich mit der Vernunft und der Consequenz, als der Zufall; so daß ich wirklich nicht einmal es für die Gottheit für möglich halte, zu wissen, Was durch Zufall und durch's Ungefähr sich begeben werde; denn weiß es die Gottheit, so ist es ja wohl gewiß, daß es geschehen wird; ist es gewiß, daß es geschehen wird, so ist kein Zufall da; nun aber gibt es einen Zufall, folglich ist Vorausahnung des Zufälligen unmöglich. Läugnest du aber die Wirklichkeit des Zufalls, und behauptest, es sey Alles, was geschieht und geschehen wird, von aller Ewigkeit her vom Schicksal bestimmt, so mußt du deine Definition der Weissagung ändern, weil du sie für eine Vorausahnung derjenigen Dinge erklärtest, die im Gebiete des Zufalls liegen. Kann nämlich Nichts geschehen, Nichts vorfallen, sich Nichts ereignen, außer was von aller Ewigkeit her zu vorausbestimmter Zeit sich zu ereignen verhängt war; wo bleibt dann der Zufall und seine Möglichkeit? und ist diese verschwunden, wo bleibt dann Raum für die Weissagung, die du ja Vorausahnung zufälliger Dinge genannt hast? Wiewohl du sagtest, Alles, was geschehe oder geschehen werde, liege im Bereiche des Schicksals. 895 Wahrhaftig, der Name Schicksal ist ein Popanz für alte Weiber, und öffnet dem Aberglauben Thür und Thore. Und dennoch wissen die Stoiker von diesem Schicksal so viel zu sagen. Doch davon ein andermal; jetzt zur Hauptsache.


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