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4. Oder gibt es etwa im Gebiete der Philosophie Gegenstände, über die irgend ein Weissager zu entscheiden pflegte, oder worüber man ihn zu Rathe zöge, was ein Gut, was ein Uebel, oder was keins von beiden sey? Denn Das ist das eigenthümliche Gebiet der Philosophen. Oder erkundigt sich etwa Jemand beim Haruspex was er für Pflichten im Verhältnisse zu seinen Eltern, seinen Geschwistern, seinen Freunden habe? wie er das Geld anwenden, wie er sich bei einem Ehrenamte, oder einer Befehlshaberstelle benehmen müsse? Darüber zieht man doch in der Regel die Weisen, nicht die Weissager zu Rathe. Und in Beziehung auf die Gegenstände der Dialektik oder der Naturforschung, kann doch wohl Keiner von den Letztern durch seine Weissagungskunst bestimmen, ob es eine Welt oder mehrere gebe? was denn die Uranfänge der Dinge seyen, ans denen sie sämmtlich entstehen? Das müssen die Naturforscher verstehen. Und Wer lehrt dich denn den Lügenschluß,Bei Gellius (18, 2,) lautet er so: »Wenn ich lüge, und sage, daß ich lüge, lüge ich, oder sage ich die Wahrheit? Bei Cicero (Acadd. II, 29.). »Sagst du du lügest, und sagst damit die Wahrheit, so lügst du; du sagst aber du lügest, und sagst damit die Wahrheit, also lügst du.« den sie ψευδόμενος nennen, 890 auflösen? oder wie willst du dich des Streites erwehren, den man, wenn es nöthig ist, Haufenschluß [lat. Acervalis]Er lautet ungefähr so: Wenn ein Haufen aus Körnern besteht, so ist die Frage: »Das wievielste Korn macht einen Haufen? oder bei der Wegnahme des wievielsten Kornes hört ein Haufen auf ein Haufen zu seyn?« nennen könnte? Doch es bedarf keiner Uebersetzung; denn so wie das Wort Philosophie selbst, und viele Griechische Ausdrücke, so ist auch Sorites in unserer Sprache gebräuchlich genug. Also auch darüber werden die Dialektiker Aufschluß geben, nicht die Weissager. Und wenn die Frage ist, welches die beste Staatsverfassung und die besten Gesetze seyen; welche Sitten etwas taugen, und welche nichts; wird man zur Beantwortung Haruspices aus Etrurien kommen lassen, oder werden die ersten Staatsmänner und ausgewählte, der bürgerlichen Einrichtung kundige Leute darüber entscheiden? Gibt es nun für die Gegenstände keine Weissagung, die in das Gebiet des Sinnengebrauches fallen, und keine für die, welche in der Philosophie erörtert werden; endlich keine für diejenigen, welche das Staatsleben betreffen; so sehe ich wahrhaftig keinen Wirkungskreis mehr für sie, den sie in Anspruch nehmen könnte. Denn sie muß sich entweder auf Alles erstrecken, oder es muß ihr doch ein Stoff angewiesen werden, in welchem sie ihren Spielraum haben kann. Allein auf Alles kann sie sich nicht erstrecken, Das hat sich durch meine Folgerungen erwiesen; und doch findet sich auch kein 891 (einzelner) Raum oder Stoff, den wir der Weissagung als ihr Gebiet anweisen könnten. Und darum möchte es am Ende wohl gar keine Weissagung geben.