Marcus Tullius Cicero
Von der Weissagung
Marcus Tullius Cicero

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5. Gerade diese Gegenstände waren nun schon verschiedene Male der Inhalt einer philosophischen Unterhaltung für mich; am gründlichsten aber wurden sie neulich durchgesprochen, als ich mich mit meinem Bruder Quintus auf meinem 802 Tusculanischen Landsitze befand. Wir lustwandelten nämlich gerade im Lyceum (Dieß ist der Name des obern Gymnasiums); da sagte Jener zu mir: so eben bin ich mit der Durchlesung deines dritten Buches von dem Wesen der Götter zu Ende, in welchem Cotta meine Ansicht von der Sache zwar erschüttert, aber doch nicht von Grund aus umgestoßen hat. Ganz gut, erwiederte ich: das war ja eben der Zweck des Cotta, mehr die Beweise der Stoiker in ihrer Nichtigkeit darzustellen, als die Religion in dem menschlichen Gemüthe zu untergraben. Ja, sagte Quintus, Das versichert er freilich, und zwar wiederholt; vermuthlich um dem Rechte, das seine Schule in Anspruch nimmt, Nichts zu vergeben: allein in seinem Eifer, die Stoiker in ihrer Blöße darzustellen, läßt er, scheint mir, der Religion selbst keinen Raum und Halt mehr. Uebrigens bin ich um eine Antwort auf seine Einwürfe nicht verlegen; denn der Vortrag des Lucilius im zweiten Buche enthält eine hinlängliche Schutzrede für die Religion; und dieses Mannes Beweisführung schien dir ja selbst, nach deiner Aeusserung am Schlusse des dritten Buches, der Wahrheit ziemlich nahe zu kommen. Ein Punkt ist indessen in jenem Werke übergangen worden; vermuthlich weil es dir zweckmäßiger schien, ihm eine eigene Untersuchung zu widmen, und sich besonders über ihn zu verbreiten: ich meine die Weissagung, oder die Voraussagung und die Vorahnung derjenigen Dinge, die für zufällig gelten. Diesen Punkt nun wünschte ich, wenn dir's beliebt, in Beziehung auf 803 seinen Werth und sein Wesen einer gegenseitigen Erörterung gewürdigt zu sehen. Meine Ansicht ist kurz die: sind die sämmtlichen hergebrachten und mit religiöser Achtung von uns behandelten Gattungen der Weissagung wahr und zuverläßig, so ist das Daseyn der Götter erwiesen; und umgekehrt: hat es mit dem Daseyn der Götter seine Richtigkeit, so muß es auch Menschen geben, die weissagen.


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