Marcus Tullius Cicero
Von der Weissagung
Marcus Tullius Cicero

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29. »Aber (wendet man ein) es trügen gar viele.« Vielleicht sind sie vielmehr für uns nur dunkel. Doch seyen auch einige täuschend; Was können wir gegen die wahren vorbringen? Dergleichen würden sich aber weit mehrere ereignen, wenn wir uns mit uneingenommenem Geiste zur Ruhe begäben. Jetzt, mit Speise und Trank überladen, kommen uns durcheinander gemengte und verworrene Bilder vor. Höre nur, was Socrates in Plato's Republik sagt. Da heißt es: »Wenn im Schlafe derjenige Theil der Seele, der im Besitze des Verstandes und der Vernunft ist, umnebelt und betäubt ist, der aber, in welchem das Thierische und wilde Rohheit waltet, durch unmäßigen Genuß von Trank und Speise sich aufbäumt, da empört er sich denn im Schlafe und bekommt, alle Schranken durchbrechend, das Uebergewicht, und so finden sich in allen Erscheinungen, die ihm vorkommen, keine Spuren von Verstand und Vernunft, so daß Einem von fleischlicher Vermischung mit seiner Mutter, oder mit andern 836 Menschen, Wer es nur seyn mag, oder gar mit einer Gottheit, oft mit einem Thiere träumt; daß ihm ist, als schlage er Jemand todt, und beflecke sich frevelhaft mit Blut, und begehe viele unzüchtige, scheusliche, tollkühne und schamlose Handlungen. Wer sich aber nach dem Genusse gesunder und mäßiger Leibespflege und Nahrung zur Ruhe begibt, wobei der Theil der Seele, in welchem Verstand und Besonnenheit waltet, rege und lebhaft ist, und mit dem Mahle guter Gedanken gesättigt, dagegen derjenige Theil der Seele, der in der Sinnenlust seine Befriedigung findet, weder durch zu große Kargheit erschöpft, noch durch Uebersättigung in Aufruhr gebracht ist (wie denn Beides in der Regel die Schärfe des Geistes abstumpft, sey es daß die Forderungen der Natur nicht genug, oder daß sie zu viel und im Uebermaße befriedigt werden), und dabei auch der dritte Theil der Seele, in welchem die Glut des Zornes aufflammt, beruhigt und gedämpft ist; dann kann, wenn jene beiden leidenschaftlichen Theile der Seele gezügelt sind, jener dritte vernünftige und verständige Theil sein Licht leuchten lassen, sich lebhaft und kräftig auch im Traume zeigen, und dann werden ihm Traumgesichte vorkommen, die unverworren vor die Seele treten und Wahrheit verkünden.« Hier hast du eine Uebersetzung von Plato's eigenen Worten.


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