Marcus Tullius Cicero
Von der Weissagung
Marcus Tullius Cicero

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

22. Doch, wenden wir unsern Blick auf näher Liegendes. Was ist denn das für ein Traum des Tarquinius 825 Superbus, von dem Dieser in dem Brutus des Attius selbst spricht?

Als bei der Nacht Einbrechen ich den Leib der Ruh'
Hingab, die schlaffen Glieder stärkend durch den Schlaf,
Da träumte mir, es treib' ein Hirte zu mir her
Sein Wollenvieh; ein schön'res hatt' ich nie geseh'n.
Daraus erwählt' ich Widder mir, ein Zwillingspaar,
Und opferte den einen gleich, den trefflichsten.
Da rennt nun mit gehörnter Stirn der andre anDiese beiden Verse deuten auf den Brutus und dessen von Tarquinius getödteten Bruder. S. Livius I, 56.,
Stürmt auf mich ein, und fallen muß ich auf den Stoß.
Da lag ich, schwer verwundet, so dahin gestreckt,
Und rücklings schaut am Himmel ich ein wunderbar
Und seltsam Bild: es wendet rechts der Flammenkreis
Der Sonnenstrahlen abwärts sich auf neue Bahn.

Vernehmen wir nun, was diesem Traume die Ausleger für eine Deutung gegeben:

König, was bei Tag die Menschen treiben, denken, sorgen, seh'n,
Was sie wachend thun und streben, kommt im Schlaf es Einem vor,
Ist's kein Wunder: doch Bedeutung hat ein Traum in diesem Fall.
Sieh nur zu, daß nicht dir Einer, den du dumm glaubst gleich dem Vieh,
Edeln Sinn, bewehrt mit Weisheit, trag' in fester Mannesbrust,
Und vom Thron dich stoße. Was du an der Sonn' im Traum geseh'n,
Deutet an, daß naher Wechsel der Regierung blüht dem Volk.
Sey's dem Vaterland zum Heile! Doch, daß hin zur Rechten uns
Von der Linken bog der Sonne Machtgestirn, das deutet schön,
In der Zukunft groß und mächtig werde Roma's Staat erblüh'n.


 << zurück weiter >>