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Einundfünfzigstes Kapitel


Fort Moultrie. – Seminolen. – Der Floridakrieg. – Kriegsgefangene. – Osceola; die Wolke; König Philipp; Co-ih-hä-dscho; Crihk Billy; Mückenopah. –Osceolas Tod.


Von Rock-Island durchwanderte ich wie gewöhnlich das Land, bis ich endlich nach dem etwa 400 Meilen von dort entfernten Fort Moultrie in Süd-Karolina kam.

Hier befanden sich 250 kriegsgefangene Seminolen und Iutschihs (Euchees), die von hier nach dem ihnen angewiesenen Lande, 150 Meilen westlich vom Mississippi und 300 Meilen vom Fort Moultrie, versetzt werden sollten. Unter den Gefangenen waren der berühmte Os-ce-o-la, der Häuptling des Stammes, Mick-i-no-pah, und mehrere andere, die sich in dem Kriege mit den Vereinigten Staaten ausgezeichnet haben.

Ich will mich hier nicht darauf einlassen, die frühere Geschichte und den gegenwärtigen Zustand dieses Stammes, sowie seinen mehrjährigen Kampf mit den Vereinigten Staaten ausführlich zu schildern; dies will ich anderen überlassen. Für diejenigen, die von den Seminolen nichts wissen, will ich nur bemerken, daß dieser Stamm aus 3000–4000 Seelen besteht, die Halbinsel Florida bewohnt und die Sprache der Krihs redet, die bereits früher erwähnt wurden.

Das Wort »Seminole« stammt aus der Krih-Sprache und bedeutet »Ausreißer, Flüchtling«; dieser Name wurde einem Teile der Krihs gegeben, die nach einem südlicheren Lande wanderten, wo sie bis auf die gegenwärtige Zeit gewohnt haben. Sie dehnten ihr Gebiet dort allmählich immer weiter aus, indem sie den einst zahlreichen Stamm der Iutschichs, welcher das Südende von Kap Florida bewohnte, fast ganz vertilgten und zuletzt die, welche noch übrig waren, unter ihren Stamm aufnahmen. Mit diesem Stamme hat die Regierung der Vereinigten Staaten fünf Jahre lang einen mörderischen Krieg geführt, der dadurch veranlaßt wurde, daß die Regierung die Abtretung des von den Seminolen bewohnten Landes verlangte, wozu sie kraft eines Vertrages verpflichtet seien, während die Indianer behaupteten, der Vertrag sei nicht in gehöriger Form abgefaßt und folglich nicht bindend für sie. Aus dem Bericht des Kriegssekretärs vom Jahre 1840 ergibt sich, daß damals dieser Krieg bereits 36 Millionen Dollars und 1200–1400 Offizieren und Soldaten, nebst vielen wehrlosen Einwohnern das Leben gekostet hatte, und im August 1841 ersah ich aus den Zeitungen, daß der Krieg noch in derselben Weise fortdauerte und daß noch ebenso wenig Aussicht aus seine Beendigung vorhanden war, wie fünf Jahre früher.

Es befanden sich, wie bereits erwähnt, bei meiner Anwesenheit im Fort Moultrie 250 Gefangene: Männer, Frauen und Kinder; der bemerkenswerteste unter diesen war jedenfalls Os-ce-o-la, gewöhnlich Powell genannt, weil man allgemein glaubt, daß er ein Halbindianer, d. h. der Sohn eines weißen Mannes namens Powell und einer Krih-Indianerin sei. Auf dem Kopfe trug er einen Turban von einem bunten baumwollenen Shawl mit drei Straußfedern; seine Kleider waren aus Kaliko gemacht und um den Leib trug er einen schönen Gürtel von Glasperlen. Dieser junge Mann wurde, obgleich er kein Häuptling ist, von den Seminolen als die Seele des Krieges betrachtet. Von seinen Knabenjahren an hatte er sich durch Energie und Kühnheit ausgezeichnet und als der Krieg ausbrach, gewann er sehr bald einen solchen Ruf, daß sein Name in den entferntesten Teilen der Union und unter den Indianerstämmen bis zu dem Felsengebirge genannt wurde. Als er, wenige Monate vor meiner Ankunft, mit mehreren Häuptlingen und Kriegern gefangen genommen wurde, brachte man sie zuerst nach dem Fort Mellon im Florida, später aber, der Sicherheit wegen, nach Fort Moultrie, wo er dem Gram erliegt. Der Doktor Weedon, der stets um ihn ist, erklärte, daß er nicht mehr lange leben werde.

Während meines Aufenthaltes in dem Fort Moultrie besuchten mich an jedem Abend Os-ce-o-la, Mick-e-no-pa, Ji-hau-lo-dschih (die Wolke), und Ih-mat-la (König Philipp) und erzählten mir, oft bis spät in die Nacht hinein, von dem Kriege und von der Art, wie sie in Gefangenschaft geraten waren, worüber sie sich bitter beklagten.

Os-ce-o-la war von mittlerer Größe und gewandt in seinen Bewegungen; sein Gesicht hatte einen etwas weiblichen, aber zugleich einen so eigentümlichen Ausdruck, daß man schwerlich seinesgleichen finden möchte. In seinem Wesen war er sehr sein und höflich, sprach aber nur seine Landessprache und zeigte sich überhaupt als ein echter, wilder Indianer.

Ji-hau-lo-dschich, gewöhnlich die »Wolke« genannt, ein Häuptling und ein gutmütiger, fröhlicher Mann, der in der Gefangenschaft sehr beleibt wurde, da er vollauf zu essen und zuweilen auch von den Offizieren, bei denen er sehr beliebt war, etwas Branntwein erhielt.

Ih-mat-la (König Philipp), ebenfalls ein Häuptling und einst ein sehr berühmter Mann, aber zu alt, um noch am Kriege teilnehmen zu können, starb wenige Monate, nachdem ich sein Bildnis gemalt hatte.

Co-ih-ha-dscho, ein sehr angesehener Häuptling, hatte sich in dem Kriege sehr ausgezeichnet.

Unter den Gefangenen befand sich auch ein Knabe von neun Jahren, Namens Os-ce-o-la Nick-a-no-tschih, den der Doktor Welch, der sich mehrere Jahre in Florida aufgehalten, nach London mitgenommen hat, wo er väterlich für seine Erziehung sorgt. Dieser Doktor hat ein interessantes Werk herausgegeben, das eine Geschichte dieses Knaben, sowie ausführlichere Nachrichten über Os-ce-o-la und den Krieg in Florida enthält.

Mick-e-no-pah, Oberhaupt des Stammes, ein sehr kräftiger, würdiger Mann, fand ein großes Vergnügen daran, täglich in mein Zimmer zu kommen und zuzusehen, wie ich seine Landsleute malte, allein ich konnte ihn nicht bewegen, sich auch malen zu lassen, bis er endlich eine Flasche Branntwein und eine Flasche Wein entdeckte, die mit Bewilligung meines Freundes, des Kapitän Morrison, für diejenigen bestimmt waren, die zu ihrem Bildnisse saßen. Dies bewog ihn endlich, sich auch malen zu lassen, wenn ich »seine Beine getreu darstellen könne«, die er mit roten Beinkleidern geschmückt hatte.

Als ich Os-ce-o-la's Bildnis vollendet hatte, wurde er von einer Halsentzündung befallen, die an dem Tage nach meiner Abreise seinem Leben ein Ziel setzte. Der Doktor Weedon teilte mir über seine letzten Augenblicke nachstehende interessante Einzelheiten mit:

Etwa eine halbe Stunde vor seinem Tode schien er es zu fühlen, und da er nicht sprechen konnte, so gab er durch Zeichen zu verstehen, daß die Häuptlinge und die Offiziere der Garnison zu ihm kommen möchten; sodann befahl er seinen beiden Frauen, die sich nebst zwei hübschen kleinen Kindern bei ihm befanden, seinen vollständigen Anzug, wie er ihn im Kriege trug, herbeizubringen. Als dies geschehen war, erhob er sich von seinem Bette, kleidete sich vollständig an, umgürtete sich mit dem Kriegsgürtel, hing Kugelsack und Pulverhorn über die Schulter und legte sein Messer neben sich auf die Erde. Dann forderte er rote Farbe und einen Spiegel und während ihm der letztere vorgehalten wurde, bemalte er die eine Hälfte des Gesichtes, den Hals, die Knöchel und die Oberfläche der Hände und den Griff seines Messers mit roter Farbe, als ob er in den Krieg ziehen wollte, steckte das Messer in die Scheide und beides in den Gürtel und brachte dann seinen Turban mit den drei Straußfedern sorgfältig in Ordnung. So geschmückt legte er sich nieder, erhob sich aber nach wenigen Minuten wieder, reichte lächelnd allen Offizieren, Häuptlingen, sowie seinen Frauen und Kindern die Hand und gab dann das Zeichen, man möge ihn niederlegen; als dies geschehen war, zog er sein Skalpmesser mit der rechten Hand hervor, legte diese über die linke auf der Brust und starb ruhig und ohne allen Kampf.


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