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Sechsundzwanzigstes Kapitel


Sioux oder Dah-co-ta. – Fort Pierre. – Mississippi- und Missouri-Sioux. – Der Häuptling Ha-wan-dschi-tah. – Der Puncah-Häuptling Schu-da-gatscha und seine Frau. – Vier Frauen auf einmal. – Frühzeitige Heiraten.


Der Stamm der Sioux oder Dahcotas ist einer der zahlreichsten, kräftigsten und kriegerischsten in Nordamerika, denn sie zählen 40,000 bis 50,000 Seelen und können gewiß, wenn der ganze Stamm versammelt ist, mindestens 8000-10,000 gut berittene und gut bewaffnete Krieger stellen. Sie haben viele Pferde, die sie auf den Ebenen nach den Rocky Mountains hin einfangen, und viele sind mit Flinten versehen; die meisten führen jedoch Bogen und Pfeil und lange Lanzen, womit sie zu Pferde und in vollem Jagen das Wild erlegen.

Den Namen Sioux (Si-uh), wie sie gewöhnlich genannt werden, haben sie von den französischen Pelzhändlern erhalten; über seine Bedeutung konnte ich nichts erfahren; sie selbst nennen sich Dahcota. Sie haben ein schönes und einnehmendes Äußeres, sind hoch und gut gewachsen, gewandt und anmutig in ihren Bewegungen und bedeutend größer als die Mandaner, Rikkarier und Schwarzfüße, aber den Krähen-Indianern, Assinneboinern und Mönnitarriern ungefähr gleich, denn wenigstens die Hälfte ihrer Krieger hat eine Größe von sechs Fuß und darüber.

Herr Laidlaw, ein Schotte im Dienste der nordamerikanischen Pelzkompagnie, bei dem ich wohnte, und der mit den Herren Mackenzie und Lamont die Geschäfte der genannten Gesellschaft für die Gegenden am oberen Missouri und dem Felsengebirge leitet, hat hier ein Fort erbaut, das 200-300 Fuß im Quadrat und acht bis zehn Faktoreien und Magazine enthält. Er selbst bewohnt geräumige und bequeme Zimmer, die mit allen Bequemlichkeiten des Lebens versehen sind. Seine Frau, eine hübsche, bescheidene Sioux-Indianerin, hat ihm mehrere Kinder geboren, denen sie eine liebevolle Mutter ist.

Dies Fort ist unstreitig einer der wichtigsten und einträglichsten Handelsposten der amerikanischen Pelzkompagnie, denn im Mittelpunkte des großen Sioux-Gebietes gelegen, werden jährlich Büffelhäute in unglaublicher Menge dorthin und von da aus nach New-York und anderen östlichen Märkten gebracht, wo man sie mit großem Gewinn verkauft. Das Fort, 280 Meilen von St. Louis entfernt, liegt am Westufer des Missouri auf einer schönen Prärie nahe der Einmündung des von Westen her dem Missouri zuströmenden Teton-Flusses. Es hat seinen Namen »Fort Pierre« zu Ehren des Herrn Pierre Chouteau erhalten, der Mitglied der Pelzkompagnie ist und in St. Louis wohnt.

Das Land um das Fort besteht fast gänzlich aus Prärie und nur an den Ufern der Flüsse zeigt sich leichter Holzwuchs. Die Lage des Forts hätte nicht schöner und vorteilhafter gewählt werden können, indem es in der Mitte einer der schönsten Ebenen des Missouri liegt, die aus allen Seiten von anmutig geformten und mit Rasen bedeckten Hügeln begrenzt wird, die allmählich, wie eine Reihe von Terrassen, 300-400 Fuß bis zu dem höchsten Niveau der Prärie ansteigen. Als ich den Missouri hinauffuhr, zeichnete ich diesen lieblichen Punkt von einem etwa eine englische Meile entfernten Hügel; es hatten damals die Sioux ein Lager von sechshundert Lederhütten bei dem Fort aufgeschlagen, um dort für Pelzwerk und Felle die Gegenstände des zivilisierten Lebens einzutauschen.

Der große Stamm der Sioux, der das weite Gebiet von den Ufern des Mississippi bis an den Fuß der Rocky-Mountains einnimmt und überall ein Wanderleben führt, wird in 42 Banden oder Familien geteilt, deren jede einen Häuptling hat, die sämtlich wieder unter einem gemeinsamen Oberhaupte stehen. Dies letztere ist indes jetzt wohl nicht mehr der Fall, seitdem durch die Pelzhändler und die Nähe der Zivilisation längs eines großen Teiles ihrer Grenze viele Neuerungen, namentlich in bezug auf ihre Verfassung und Religion, sich eingeschlichen haben.

Die Sioux teilen sich in zwei große Abteilungen, in die Mississippi- und Missouri-Sioux. Erstere wohnen an den Ufern des Mississippi und versammeln sich des Handels und anderer Zwecke wegen bei Prärie du Chien und Fort Snelling. Sie sind etwas zivilisiert, stehen seit vielen Jahren mit den Weißen in Verkehr und trinken Branntwein im Übermaß, weshalb sie auch nur ein sehr schlechtes Bild geben von den Sioux an den Ufern des Missouri, die furchtlos die weiten Ebenen zwischen diesem Strom und den Rocky-Mountains durchziehen und noch ganz im Naturzustande leben.

Es gibt vielleicht keinen schöneren Menschenschlag auf dem Kontinent, als die Sioux, und wenige Stämme, die besser und bequemer gekleidet und reichlicher mit allen Lebensbedürfnissen versehen sind; auch an Kühnheit bei der Büffeljagd und an Geschicklichkeit in der Zähmung und Abrichtung der wilden Pferde dürften sie wohl nicht leicht übertroffen werden. Die genannten Tiere kommen wahrscheinlich in keinem Teile der großen Ebenen Amerikas in solcher Menge vor, als in den von diesem Stamme bewohnten Gegenden.

Ich erwähnte oben, daß die Sioux sich oft in großer Menge bei dem Fort Pierre versammeln, um mit der amerikanischen Pelzkompagnie Handel zu treiben und daß ich bei meiner Fahrt stromaufwärts 600 Familien daselbst fand, die in Zelten von Büffelhäuten wohnten und zwanzig oder mehr verschiedenen Horden angehörten, deren jede ihren Häuptling hatte, die sämtlich wieder unter einem Oberhaupte, Namens Ha-wan-dschi-tah (das eine Horn) standen. Es war dies ein Mann von mittlerem Alter und mittlerer Größe, mit edlen Gesichtszügen und einer wahren Apollogestalt. Seine außerordentlichen Verdienste haben ihn schnell bis zu der höchsten Würde in dem Stamme erhoben. Er erzählte mir, daß er den Namen »das eine Horn« (oder Muschel) von einer Muschel angenommen habe, die er um den Hals trug und die er von seinem Vater geerbt und die ihm teurer sei als alles, was er besitze, auch ziehe er diesen Namen allen vor, die er wegen seiner Taten wohl anzunehmen das Recht hätte. Er behandelte mich mit großer Güte und Aufmerksamkeit, denn er fand sich sehr dadurch geschmeichelt, daß ich ihn zuerst von allen seinen Stammesgenossen malte. Sein Anzug von Elenhaut war sehr schön und mit vielen Stachelschweinstacheln und Skalplocken verziert; sein sehr langes und starkes Haar war in zwei Teile geteilt, auf dem Scheitel gekreuzt und mit einem einfachen Bande gebunden, so daß es das Ansehen eines Turbans hatte.

Ehe er zum Häuptlinge erwählt wurde, war er wegen seiner körperlichen Gewandtheit berühmt. Auf der Jagd war er stets der vorderste, holte den Büffel im Laufe ein und schoß ihm den Pfeil durchs Herz; er war der schnellste Läufer im ganzen Stamme und gewann bei jedem Wettlauf den Preis. Es war sprichwörtlich in seinem Stamme, daß Ha-wan-dschi-tah's Pfeil niemals fehle, und sein Wigwam enthielt eine Menge Skalpe, die er seinen Feinden im Kampfe geraubt hatte.

Ich will hier noch einige Bemerkungen über meine Reise von St. Louis den Missouri auswärts bis zum Fort Pierre einschalten. Auf dieser Strecke von etwa 300 Meilen kam ich bei den Sacs, Joways (Aiówähs), Kanzas, Omahaws und Otos vorüber, von denen ich später sprechen werde, und landete bei den Puncahs, einem kleinen Stamme, der nur ein Dorf am Westufer des Missouri, etwa 60 Meilen unterhalb Fort Pierre und 200 Meilen oberhalb St. Louis, bewohnt.

Die Puncahs wohnen in 75-80 zeltförmigen, aus Büffelhäuten gemachten Hütten; das Gerüst besteht aus Stangen von 15-20 Fuß Länge, die mit dem starken Ende auf dem Boden stehen, während die dünnen Enden oben zusammenstoßen und dadurch einen Kegel bilden, der, mit Büffelhäuten überspannt, vollkommen gegen Wind und Regen schützt. Der geringe Überrest dieses Stammes zählt nur noch 400-500 Seelen, wovon wenigstens zwei Drittel Frauen sind. Dies ungleiche Verhältnis ist dadurch entstanden, daß die Männer (da die Büffel in neuerer Zeit diese Gegend verlassen haben) der Büffeljagd wegen genötigt sind, sich weit von ihrem Dorfe zu entfernen, und daher häufig mit ihren zahlreichen Feinden zusammentreffen.

Den Häuptling dieses Stammes, Schu-de-ga-tscha (Rauch) und seine Frau Hih-lah-dih (die reine Quelle) habe ich gemalt; letztere, ein junges, hübsches Weib, war am Halse und auf den Armen tätowiert, was dadurch bewirkt wird, daß man feine Stiche in die Haut macht und Pulver und Zinnober hineinreibt. Der Häuptling, der eine Büffelhaut trug, ist ein würdiger und verständiger Mann, der wohl verdient hätte, das Oberhaupt eines zahlreicheren und glücklicheren Stammes zu sein. Er sprach, während er auf dem Verdecke des Dampfboots saß, mit großer Offenheit über die Armut und Not seines Stammes und sagte unter Tränen seinen baldigen Untergang voraus, den abzuwenden nicht in seiner Macht stehe. Er erzählte mir, daß der Stamm einst mächtig und glücklich gewesen, daß die auf den grünen Prärien früher in Überfluß vorhandenen Büffel, die der Große Geist ihnen zur Nahrung gegeben, durch die Weißen, die sich Büffelhäute verschaffen wollten, getötet oder vertrieben worden seien; daß es in ihrem Lande, das eine einzige weite Prärie sei, weder Wild noch Wurzeln mehr gebe, und daß die jungen Leute, um Büffel zu erlegen, genötigt seien in das Land ihrer Feinde einzudringen, wo sie in großer Anzahl erschlagen würden. Sein Volk sei mit dem Feuerwasser (Branntwein) bekannt geworden, das bereits viele Krieger getötet habe und die übrigen auch noch vertilgen werde; sein Stamm sei zu schwach und die Zahl der Krieger zu gering, um mit den benachbarten Stämmen kämpfen zu können; im Norden würden sie von den Sioux, im Westen von den Pahnis, im Süden von den Osagen und Kanzas angegriffen; aber noch weit gefährlicher seien ihre Feinde im Osten, die immer weiter vordringenden bleichen Gesichter mit dem Branntwein und den Pocken, wodurch bereits vier Fünftel seines Stammes vertilgt wurden, und auch die noch Lebenden würden bald verarmt sein und dem Untergange anheimfallen.

Auf diese Weise beklagte der scharfsinnige Häuptling das traurige Schicksal seines Stammes und ich bemitleidete ihn von ganzem Herzen, denn es befindet sich wohl kein Stamm an der Grenze in größerer Not und keiner verdient mehr das Mitgefühl der christlichen Welt, als dieser.

Der Sohn dieses Häuptlings, ein junger Mann von achtzehn Jahren, hatte am Tage vor unserer Ankunft vier Frauen auf einmal genommen und dieser beispiellose Einfall machte ihn in den Augen des Volkes zu einem der größten Medizinmänner, so daß er sein künftiges Glück wahrscheinlich diesem Umstande zu danken hat, der ihn plötzlich zu einem bedeutenden Manne machte.

Als er das Alter der Reife erlangt hatte, um seinen eigenen Haushalt zu führen, gab ihm sein Vater einen schönen Wigwam, neun Pferde, nebst mehreren anderen wertvollen Geschenken, worauf der junge Mann, der Hongs-kay-di (der große Häuptling) heißt, den oben erwähnten Entschluß faßte und auf folgende sinnreiche und unterhaltende Weise ausführte. Da er sich mit einigen der einflußreichsten Männer zu verbinden und dadurch deren Unterstützung zu verschaffen wünschte, so ging er zu einem der angesehensten, von dem er, als Sohn eines Häuptlings, leicht die Zusage erhielt, daß er an einem bestimmten Tage und zu einer bestimmten Stunde die Hand seiner Tochter empfangen solle, wofür er dem Vater zwei Pferde, eine Flinte und mehrere Pfund Tabak zu geben versprach. Als Bedingung der Heirat wurde dem Vater das tiefste Stillschweigen anempfohlen. Dasselbe Abkommen traf er noch mit drei anderen angesehenen Männern, von denen jeder eine junge, schöne, heiratsfähige Tochter hatte; er versprach jedem dieselben Geschenke und legte jedem dieselbe Bedingung des Schweigens auf. An dem bestimmten Tage forderte er einige seiner jungen Freunde auf, ihm die acht Pferde führen zu helfen. Er selbst ging nun, indem er mit der einen Hand zwei Pferde am Zügel führte und die übrigen Geschenke in der anderen Hand hielt, zu dem ersten der vier Väter, neben dem die Tochter stand, und sprach: »Du hast mir die Hand deiner Tochter versprochen, wofür ich dir zwei Pferde gebe.« Der Vater willigte ein, empfing die Geschenke und gab dafür seine Tochter hin, als plötzlich die anderen drei Väter, die ebenfalls mit ihren Töchtern gekommen waren, Einspruch erhoben und sich nun gegenseitig die mit dem jungen Manne getroffenen Verabredungen mitteilten. Sobald dieser sich Gehör verschaffen konnte, rief er freudig aus: »Ihr alle habt jetzt Eure mir gegebenen Versprechungen anerkannt und ich hoffe, Ihr werdet sie erfüllen. Ich bin hier, um den von mir eingegangenen Verpflichtungen nachzukommen und erwarte dasselbe von Euch.« Es wurde nun nichts weiter gesprochen; er übergab die Geschenke und führte seine vier Bräute in seinen Wigwam.

Ich besuchte diesen jungen Medizinmann mehrmals in seiner Hütte, wo ich auch seine vier kleinen Frauen sah, die sich sehr gut zu vertragen und in ihrem neuen Ehestande ganz glücklich zu sein schienen. Eine von ihnen, Mong-schong-schah (die sich beugende Weide) malte ich in ihrer hübschen Kleidung aus Elenshaut, über der sie die prächtig verzierte Haut eines jungen Büffels trug. Alle vier waren wohl zwischen zwölf bis fünfzehn Jahren, denn in diesem Alter treten hier die meisten Mädchen in den Ehestand.

Es ist eine auffallende Tatsache, daß das weibliche Geschlecht in diesen Gegenden so frühzeitig mannbar wird; man hat Beispiele, daß die Mädchen sich schon im elften Jahre vermählten und im zwölften Jahre Mutter wurden! Es hat dies entweder in einer natürlichen Verschiedenheit des weiblichen Geschlechts dieser Gegenden von dem in zivilisierten Ländern, oder in ihrer tätigen und allen Einflüssen ausgesetzten Lebensweise seinen Grund. Eine andere und allgemeinere Ursache der frühen Heiraten ist jedoch darin zu suchen, daß die meisten Ehen mit den Eltern verabredet und ihre Vollziehung teils durch die Ungeduld der jungen Männer, teils dadurch beschleunigt wird, daß die Eltern so bald wie möglich in den Besitz der Geschenke, die sie für ihre Töchter erhalten, zu kommen wünschen. Auch die Leichtigkeit, womit bei den Indianern eine Ehe getrennt wird, trägt wohl nicht wenig zu ihrer schnellen und frühzeitigen Schließung bei.

In dem oben erwähnten Falle wurde der junge Mann von seinem Volke laut belobt, denn die Vielweiberei ist gestattet, und da es in diesem Stamme zwei- bis dreimal so viel Frauen als Männer gibt, so ist sie eine Wohltat für die Familien, deren Töchter auf diese Weise versorgt werden, und zwar um so mehr, wenn ein Häuptling oder der Sohn eines Häuptlings sie in seinen Wigwam führt, weil man dies für eine Ehre hält und sie daselbst um so sicherer auf Schutz rechnen können.


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