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Das Sehen nach der Sonne. – Religiöse Feierlichkeit. – Rauchen des K'nick-K'neck. – Pfeifen. – Kalumet oder Friedenspfeife. – Tomahak und Skalpmesser. – Tanz der Häuptlinge. – Das Skalpieren.
An dem Tage, an dem das Hundefest stattgefunden hatte, wurde ich aufgefordert, mich an das Ufer des Tetonflusses zu begeben, wo ein Mann »nach der Sonne sehe«. Ich fand dort einen Mann, der, bis auf das Nokkä (ein Stück Zeug zur Bekleidung des Unterleibes), ganz nackt war. Auf der Brust waren zwei Stäbchen durch das Fleisch gesteckt, die mittelst eines Seiles an die Spitze einer im Boden steckenden Stange befestigt waren, die, da sie fast das ganze Gewicht des Körpers zu tragen hatte, sich ganz krumm bog, während er, rückwärts gelehnt, nur eben mit den Füßen den Boden berührte. In der linken Hand hielt er seinen Lieblingsbogen und in der rechten seinen Medizinbeutel, während das Blut über seinen mit weißem und gelbem Ton bemalten Körper herabrann. In dieser Stellung mußte er unverwandt die Sonne von ihrem Aufgange bis zu ihrem Untergange ansehen, während einige Medizinmänner die Trommeln schlugen, die Rasseln schüttelten und durch lauten Gesang ihn zum ausharren zu ermutigen suchten, wobei sie von den Zuschauern eifrig unterstützt wurden. Besteht er die Probe, so wird er bei Sonnenuntergang losgeschnitten und erhält, außer den Geschenken, die während des Tages vor ihm niedergelegt werden, noch den ehrenvollen Titel eines Medizinmannes.
Ich habe bei keinem anderen Stamme von diesem Brauche gehört. Es ist dies eine Art freiwilliger Buße, die indes nur sehr selten vorkommt, denn wer sich ihr unterzieht und ohnmächtig zu Boden fällt, verliert seinen Ruf als Held oder Medizinmann und folglich auch die Achtung seines Stammes.
Bei den Sioux scheinen mehrere Arten der Verehrung des großen oder guten Geistes und der Versöhnung des bösen Geistes üblich zu sein; sie haben verschiedene Fasten und Festlichkeiten und Opfer, scheinen diese aber weniger streng zu beobachten, als die Mandaner, was wohl größtenteils ihrer herumschweifenden Lebensweise zuzuschreiben ist.
Einige Tage vor meiner Ankunft hatte auf der Prärie in der Nähe des Forts ein Medizinfest stattgefunden, das nach der Beschreibung mit der religiösen Zeremonie oder dem Okippe der Mandaner (s. das 22. Kapitel) einige entfernte Ähnlichkeit zu haben scheint. Sie hatten eine große Hütte von Weidenzweigen errichtet, in deren Mitte ein Pfahl stand, an dem mehrere junge Männer an den durch das Fleisch gesteckten Stäbchen aufgehängt worden waren. Die Wunden bluteten noch bei meiner Ankunft.
Während meines Aufenthalts unter den Sioux galt ich für einen großen Medizinmann und erhielt daher als Zeichen der Achtung und Freundschaft viele Pfeifen und andere Gegenstände zum Geschenk; da ich aber eine so viel wie möglich vollständige Sammlung von ihren Kostümen, Waffen usw. zu haben wünschte, so kaufte ich viele Dinge dieser Art, die ich natürlich teuer bezahlen mußte.
Das Rauchen ist bei allen Indianerstämmen Nordamerikas in ihrem Urzustande gebräuchlich, selbst noch ehe sie den Tabak kennen, der ihnen von den weißen Abenteurern zugeführt wird, die sie zugleich auch mit dem Genusse des Branntweins bekannt machen. In ihrem Urzustande sind sie gewaltige Raucher und manche verbringen die Hälfte ihres Lebens damit. Der Grund hiervon ist wohl, daß sie bei ihrem müßigen Leben in dem Rauchen zugleich Beschäftigung und Unterhaltung suchen. Es gibt in diesem Lande viele wildwachsende Kräuter, Blätter und Rinden von Bäumen, die narkotisch sind und von den Indianern getrocknet, pulverisiert und geraucht werden; so zubereitet führen sie in mehreren Sprachen den Namen K'nick-K'neck.
Da das Rauchen so leidenschaftlich von ihnen betrieben wird, so verwenden sie auch viele Mühe auf die Anfertigung ihrer Pfeifen, von denen ich mir mehrere hundert verschafft habe. Die Köpfe sind gewöhnlich aus rotem Pfeifenton gemacht und oft sehr geschmackvoll mit Figuren und Gruppen in erhabener Arbeit verziert. Dieser Ton darf nur zu Pfeifenköpfen verwendet werden, weil, wie sie sagen, der Große Geist ihn zu diesem Zwecke gegeben habe; seinen Fundort halten sie sehr geheim. Sie geben den Köpfen die Gestalt nur mit einem Messer und höhlen sie dadurch aus, daß sie einen harten Stab zwischen den Händen hin- und herdrehen, während sie beständig etwas scharfen Sand und Wasser in die Höhlung gießen – eine sehr mühsame und viel Geduld erfordernde Arbeit.
Die Pfeifenrohre sind zwei bis vier Fuß lang, zuweilen rund, meistenteils aber flach, einen bis zwei Zoll dick und zur Hälfte ihrer Länge mit Stachelschweinstacheln umwunden und oft mit den Schnäbeln und Federbüschen des Spechts, mit Hermelinfellen oder mit langem, rot gefärbtem Haar von Pferden oder dem Schwanze des weißen Büffels geschmückt. Sie werden auf sehr mannigfaltige Art geschnitzt und stets aus den Stämmen der jungen Eschen gemacht, die sehr gerade wachsen und ein dünnes Mark haben, das mit einem heißgemachten dünnen Draht oder mit einem harten Stück Holz ausgebohrt wird.
Die mit den Federn des Kriegsadlers verzierte Friedenspfeife, Kalumet, ist eine heilige Pfeife und darf nur bei Friedensschlüssen gebraucht werden. Wenn bei solchen Gelegenheiten die gegenseitigen Bedingungen festgestellt und angenommen worden sind, so wird, zur Besiegelung der Verträge die Friedenspfeife von den Häuptlingen geraucht und nachdem dies geschehen, wieder sorgfältig eingewickelt und in der Hütte des Häuptlings aufbewahrt.
Die Pfeife ist die beständige Begleiterin des Indianers und wird nebst dem Tomahak und der Kriegskeule mit ihm begraben, um ihm auch in die lang ersehnten »milden und schönen Jagdgefilde« zu folgen.
Die Waffen dieses Volkes sind eben so mannigfaltig wie ihre Pfeifen und werden größtenteils von ihnen selbst verfertigt. Mehrere davon, wie Bogen, Pfeile, Lanzen usw., wurden bereits im fünften Kapitel beschrieben; sie haben indes noch viele andere, als Messer, Kriegskeulen und Tomahaks, die ich von jedem Stamme gesammelt habe.
Die Skalpmesser und Tomahaks werden von den Weißen ausdrücklich für die Indianer angefertigt und diesen jährlich zu tausenden für sehr hohe Preise verkauft. Die Scheiden für die Messer und die Stiele für die Tomahaks machen die Indianer selbst und verzieren sie oft sehr schön. In ihrem rohen Zustande und solange sie mit den Weißen nicht in Verkehr treten, wissen sie nichts von solchen Waffen, da sie keine Metalle bearbeiten. Sie verfertigten ihre rohen Beile aus einem Stück Stein, die Spitzen ihrer Pfeile und Lanzen aus Feuerstein und ihr Messer ist ein zugeschärfter Knochen oder ein zerbrochener Kiesel mit scharfem Rande. Auch die Kriegskeule ist durch die Weißen mit einer Stahlklinge versehen worden, die in eine hölzerne, mit Messingnägeln verzierte Keule eingefügt wird. Die ursprüngliche Keule besteht aus Holz mit einer Spitze von Eisen oder Knochen an dem dicken Ende. Sie ist zweckmäßig eingerichtet, um einen tötlichen Streich damit zu versehen und mit hübschem Schnitzwerk versehen.
Die sogenannten Pfeifen-Tomahaks sind zum rauchen eingerichtet, indem an dem oberen Ende ein Pfeifenkopf angebracht ist und der seiner Länge nach durchbohrte Stiel als Rohr dient. Dies sind die geschätztesten Waffen eines Indianers, da sie ihm in Friedenszeiten zum Zerkleinern des Brennholzes usw. dienen, im Kriege aber eine furchtbare Waffe bilden, die teils mit der Hand geführt, teils mit großer Geschicklichkeit geworfen wird.
Das Skalpmesser ist ein gewöhnliches Schlächtermesser mit einer Schneide, wie man sie in Sheffield in England verfertigt, wo sie vielleicht fünfzig Pfennig kosten, während die Indianer dieser wilden Gegend sie mit einem Pferde bezahlen müssen. Sie werden im Gürtel getragen. In meiner Sammlung befindet sich auch ein großes zweischneidiges Messer, das dem berühmten Mandanerhäuptling Mah-to-toh-pa gehörte. Ein Jahr nach dem Aussterben der Mandaner schrieb mir Herr Mackenzie: »Die armen Mandaner sind tot und auch Ihr alter Freund Mah-to-toh-pa. Ich kann Ihnen nur wenig senden, da die Rikkarier sich sogleich alles angeeignet haben; unter den Gegenständen, die ich mir verschaffen konnte, befindet sich auch Mah-to-toh-pa's Kriegsmesser, das jetzt hier im Lande als die größte Medizin betrachtet wird. Sie werden sich dessen noch erinnern und es dürfte daher für Sie wohl von großem Werte sein.«
Die erwähnten Waffen, sowie Bogen und Lanze, werden sämtlich zu Pferde mit großem Erfolge gebraucht, denn der Indianer reitet stets, sowohl im Kriege, als auf der Jagd, und das Wild wird gewöhnlich in vollem Jagen erlegt. Sie sind grausam gegen ihre Pferde, die sie mit einer Peitsche antreiben, deren Stiel gewöhnlich aus einer starken Zinke von dem Geweihe des Elen oder aus Holz gemacht wird; die Peitsche, aus rohem Leder, ist sehr schwer und entweder geflochten, gedreht oder in mehrere Streifen geschnitten. Sie wird stets an einem starken Riemen am rechten Handgelenk getragen, damit man sie in jedem Augenblicke gebrauchen und wieder loslassen kann, ohne sie zu verlieren.
Während ich mit malen beschäftigt war, bewog ich die jungen Männer, mir gegen kleine Geschenke ihre Tänze zum besten zu geben, die in der Regel nur von den jungen Leuten ausgeführt werden, indem die Häuptlinge und Doktoren es ihrer Würde nicht angemessen halten, daran teilzunehmen. Meine Medizin war indes so groß, daß die Häuptlinge und Doktoren beschlossen, mir zu Ehren einen Tanz aufzuführen. Es war dies, nach der Versicherung der Dolmetscher und Pelzhändler, die größte Ehre, die mir widerfahren konnte.
An diesem Tanze, den ich, in Ermangelung einer besseren Benennung, den »Tanz der Häuptlinge« nennen will, nahmen fünfzehn bis zwanzig Häuptlinge und Doktoren teil, unter denen sich einige sehr alte und ehrwürdige Männer befanden. Alle waren mit dem Kopfputz aus den Federn des Kriegsadlers geschmückt und trugen in der linken Hand eine Lanze oder einen Stab und in der rechten eine Rassel. Der Tanz fand in der Mitte des Siouxdorfes vor der Hütte des ersten Häuptlings statt, und außer dem Medizinmanne, welcher sang und die Trommel schlug, standen noch vier junge Frauen in einer Reihe, die ebenfalls sangen. Es ist dies einer von den wenigen Fällen, wo den Frauen erlaubt war, an einem Tanze, einem Spiel oder einer Belustigung teilzunehmen. Der Tanz gefiel mir sehr und alle Bewohner des Dorfes waren versammelt, um das nie gesehene Schauspiel, daß ihre alten und ehrwürdigen Häuptlinge an einem Tanze teilnahmen, zu betrachten.
Da ich oben von den Skalpmessern gesprochen habe, so will ich noch einige Worte über das Skalpieren sagen. Es ist dies ein bei allen Indianern Nordamerikas vorkommender Brauch, der darin besteht, daß man das Kopfhaar eines im Gefecht erschlagenen Feindes mit der linken Hand auf dem Scheitel fest zusammenfaßt, mit dem Messer rund herum einen Einschnitt macht und dadurch ein Stück der Kopfhaut etwa von der Größe eines Handtellers ablöst. Dieser Skalp wird getrocknet, oft wunderlich verziert und als ein sehr hochgeschätztes Siegeszeichen sorgfältig aufbewahrt. Das Skalpieren ist an sich nicht darauf berechnet, das Leben zu nehmen, da nur die Haut abgezogen, aber der Schädel nicht dabei verletzt wird. Ein echter Skalp muß den Scheitel, d. h. denjenigen Teil des Kopfes enthalten, wo die Haare sich teilen, und sie wissen genau zu unterscheiden, ob ein Versuch gemacht worden ist, zwei oder mehrere Skalpe von einem Kopfe zu nehmen. Gewöhnlich schneidet der Sieger, wenn es ohne Gefahr für seinen eigenen Skalp geschehen kann, dem erschlagenen Feinde auch noch das ganze Kopfhaar ab, das seine Frau dann in viele kleine Locken teilt und damit die Nähte seines Rockes und seiner Beinkleider besetzt; diese Haare werden ebenfalls als Siegeszeichen getragen und »Skalplocken« genannt. Die auf solche Weise verzierten Kleidungsstücke, von denen ich mehrere in meiner Sammlung besitze, verkauft der Indianer nur um einen hohen Preis, da er nicht weiß, ob er Gelegenheit haben wird, sie zu ersetzen.
Der Skalp, als ein Teil der Kopfhaut eines im Gefecht getöteten Feindes, dient zugleich dem Besitzer als ein Beweis seiner Tapferkeit, denn da es niemand gibt, der die Namen der berühmten Krieger und ihre Taten aufzeichnet, so muß ein jeder durch Aufbewahrung dieser Siegeszeichen seine Ehre und seinen Ruhm zu sichern suchen. Die Skalpe werden übrigens nie von Lebenden genommen, es sei denn, daß ein Feind von einer Wunde nur betäubt worden und nachdem der Skalp abgezogen, sich wieder erholt und das Schlachtfeld verläßt. Eine solche oberflächliche Kopfwunde heilt sehr bald, doch bleibt die Stelle kahl; an der westlichen Grenze der Vereinigten Staaten sieht man häufig solche Kahlköpfe. Ferner muß der Skalp von einem Feinde herrühren, sonst trifft seinen Besitzer ewige Schande. Es kommen Fälle vor, in denen es dem Indianer nach den Ansichten seines Stammes nicht nur erlaubt ist, sondern zu einer gebieterischen Pflicht gemacht wird, einen Menschen seines eigenen Stammes zu töten; aber niemals darf er dessen Skalp nehmen, wie schwer auch die ihm widerfahrene Beleidigung sein mag, wenn es nicht unauslöschliche Schmach auf sich laden will.
Kein Brauch bei den Indianern wird so allgemein verdammt, als das Skalpieren, und dennoch läßt er sich entschuldigen, da er, gleich so vielen anderen, die uns abgeschmackt und lächerlich vorkommen, notwendig in dem Leben dieses Volkes begründet ist. Seit den ältesten Zeiten haben diese Stämme die Gewohnheit, in den Krieg zu ziehen, und alles erwartet dann, daß sie mit den Skalpen ihrer erschlagenen Feinde, als Beweise ihrer Tapferkeit, zurückkehren; es ist mithin ein jeder verpflichtet, einen Brauch aufrecht zu erhalten, den der einzelne nicht abzuschaffen oder zu umgehen vermag.
Man hat diesen Brauch des Skalpierens hauptsächlich wegen seiner Grausamkeit getadelt; allein dieser Vorwurf ist wohl unbegründet und läßt sich vielmehr auf das Töten des Feindes als auf das Abziehen der Kopfhaut eines Getöteten anwenden. Man kann höchstens sagen, daß es ein widriger Brauch sei, und ich würde sehr erfreut sein, wenn ich mit Zuversicht behaupten könnte, daß zivilisierte Menschen und Christen (die Hunderte töten, während der arme Indianer nur einen tötet) ihre erschlagenen Feinde nicht auf eben so unpassende und widrige Weise behandeln, als die Indianer, wenn sie einen Skalp nehmen.
Die gewöhnliche Art, den Skalp für die Aufbewahrung zuzubereiten, besteht darin, daß man ihn über einen kleinen Reifen am Ende eines zwei bis drei Fuß langen Stockes spannt, um »ihn zu tanzen«, wie sie es nennen; dies wird bei dem Skalptanze beschrieben werden. Sehr kleine Skalpe, die nicht größer sind, als ein Kronentaler, werden nicht zubereitet, sondern als Verzierungen an verschiedenen Teilen der Kleidung befestigt. Bei öffentlichen Aufzügen hängt man sie an das Gebiß oder die Zügel des Pferdes. Zuweilen schneidet man sie in Streifen und verziert damit der Länge nach den Stiel der Kriegskeule oder befestigt sie an ihrem Ende. Bei schönem Wetter hängt zuweilen der Häuptling eines Dorfes alle seine Skalpe an einer Stange, die Skalpstange genannt, über seinem Wigwam auf und alle Häuptlinge und Krieger des Stammes folgen seinem Beispiele, so daß jedermann die Skalpe zählen und das Ansehen eines jeden Kriegers bestimmen kann, das in hohem Grade von der Anzahl der Skalpe abhängt, die er seinen Feinden im Gefecht abgezogen hat.