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Ansicht des Dorfes aus der Vogelperspektive. – Das »große Kanoe«. – Medizinhütte. – Beisetzung der Verstorbenen auf Gerüsten. – Achtung vor den Toten; Unterhaltung mit ihnen; ihre Gebeine.
Es ist bereits oben gesagt worden, daß die Hütten oder Wigwams mit Erde bedeckt sind, daß sie 40–60 Fuß im Durchmesser haben, mit einer Tür und oben im Dache mit einer Öffnung für das Licht und den Rauch versehen sind, daß sie so nahe beisammen liegen, daß man nur eben zwischen ihnen gehen und reiten kann, daß sich die Bewohner zuweilen auf dem Dache versammeln, um sich zu unterhalten oder zu belustigen usw., und dennoch weiß der Leser nicht genau, wie sie aussehen, noch wie die sonderbare Welt, die mich umgibt, eigentlich beschaffen ist. Es ist in der Tat alles neu und wild um mich her. Die Hunderte von Wohnungen sind einzig in ihrer Art, sie sind sämtlich mit Erde bedeckt, alle Bewohner sind rot und doch verschieden von allen roten Menschen, die ich gesehen; die Pferde sind wild, jeder Hund ist ein Wolf, alles ist mir fremd, alles Lebende hat den Charakter unzähmbarer Wildheit, und die Toten werden nicht beerdigt, sondern auf Gerüsten getrocknet.
Die Hütten gleichen am meisten umgekehrten Pottaschekesseln. Auf ihnen sieht man Gruppen stehen und liegen, deren wilde und malerische Erscheinung schwer zu beschreiben ist. Ernste Krieger stehen hier, gleich Bildsäulen, in ihre bemalte Büffelhaut gehüllt, das Haupt mit den Federn des Kriegsadlers geschmückt, und deuten mit der Hand nach Osten oder Westen, wo sie die ruhmvollen Kämpfe bestanden, die sie einander erzählen. Dort sieht man, wie der Geliebte das Herz seiner Taih-nah-tai-a durch die Töne seiner einfachen Laute zu rühren sucht. Auf anderen Hütten beschäftigen sich Gruppen mit dem Mokassin- oder dem Schüsselspiel; andere verfertigen Kleidungsstücke, während noch andere, der Arbeit oder des Vergnügens müde, sich im Sonnenschein dem Schlafe überlassen, und mitten unter diesem wilden und mannigfaltigen Treiben sieht man die Hunde, die dem Indianer so nahestehen, daß sie wesentlich zu seiner Existenz zu gehören scheinen.
In der Mitte des Dorfes ist ein offener kreisförmiger Raum von 150 Fuß Durchmesser, der zu allen öffentlichen Spielen und Festen sowie zur Abhaltung ihrer jährlichen Religionsgebräuche dient, über die ich in einem der folgenden Kapitel einiges mitteilen werde. Die Hütten um diesen Platz haben sämtlich ihre Türen nach diesem hin und in seiner Mitte steht ein Gegenstand, der wegen seiner Wichtigkeit bei den religiösen Gebräuchen in großer Verehrung steht. Es ist dies ein großes, 8–10 Fuß hohes Faß, das einige ihrer besten Medizinen enthält und als ein Symbol des »Großen Kanoes« gewissenhaft erhalten wird.
Eine der an diesem Platze liegenden Hütten ist die »Medizinhütte« oder das Versammlungshaus, worin die wunderbaren Gebräuche zur Erinnerung an die Flut stattfinden; es ist eigens zu diesem Zwecke erbaut und jetzt verschlossen. Pelzhändler haben mir erzählt, daß bei dieser Gelegenheit die abscheulichsten Grausamkeiten verübt würden.
Außer den lebenden Wesen sieht man auf den Dächern der Hütten noch Büffelschädel, Kanoes von Fellen, Töpfe und Küchengerät, Wagen und Schlitten, und an schönen Tagen über der Tür der Wigwams, auf 20 Fuß hohen Stangen, die als Siegeszeichen aufbewahrten Skalpe der Krieger. An anderen Punkten erblickt man ebenfalls auf Stangen die reinen weißen Schilde und die Köcher der Krieger nebst den Medizinbeuteln und hier und da ein Stück rotes Zeug oder einen anderen kostbaren Stoff über der Tür eines wohltätigen Häuptlings, als ein aus Dankbarkeit dem großen Geiste dargebrachtes Opfer aufgehängt. Dies ist ein Teil des wunderlichen Gemisches von Gegenständen, das mich umgibt, und zwischen all diesen Dingen und den blauen Rauchsäulen hindurch erblickt man die grüne unabsehbare, baum- und gebüschlose Prärie, und auf dieser, dicht an den das Dorf umgebenden Palisaden, an hundert Gerüste, auf denen, wie sie sagen, »ihre Toten leben«.
Sie begraben ihre Toten nicht, sondern legen sie auf leichte Gerüste (Maschottä), die so hoch sind, daß weder Menschen noch Wölfe oder Hunde die Körper erreichen können, und dort werden sie der Verwesung überlassen. Diese Ruhestätte liegt dicht hinter dem Dorfe und ist einer der sonderbarsten und interessantesten Gegenstände bei diesem eigentümlichen Menschenschlage.
Sobald in dem Dorfe der Mandaner jemand stirbt und die Ehren- und Beileidsbezeigungen bei den Hinterbliebenen vorüber sind, so wird der Verstorbene mit seinem besten Anzug bekleidet, bemalt und mit Öl bestrichen, und man gibt ihm Bogen, Köcher, Schild, Pfeife, nebst Tabak, Messer, Feuerstein und Stahl mit und soviel Lebensmittel, als er für die einige Tage dauernde Reise, die er zu machen hat, bedarf. Sodann wird die Leiche in eine frisch abgezogene Büffelhaut gehüllt, vom Kopf bis zu den Füßen mit Riemen von roher Büffelhaut fest umwickelt und dann das Ganze noch in mehrere, im Wasser erweichte Häute eingehüllt und mit Riemen so sorgfältig und fest zusammengeschnürt, daß die Luft zu keinem Teile des Körpers Zutritt erhalten kann.
Es wird sodann ein eigenes Gerüst errichtet, das aus vier aufrechtstehenden Pfählen besteht, die etwas höher als ein Mensch mit der Hand reichen kann und durch schwächere Pfähle verbunden sind. Quer über die letzteren werden Weidenruten befestigt, die eben stark genug sind, um die Leiche zu tragen, die mit dem Rücken darauf gelegt wird, die Füße gegen Sonnenaufgang gekehrt.
Alle Leichen, deren einige Hundert sich hier befinden, sind genau auf dieselbe Weise aufgestellt und nur bei einem Häuptling oder Medizinmann ist zuweilen ein Stück rotes oder blaues Tuch als Zeichen der öffentlichen Achtung und Verehrung über die Leiche gebreitet. Die Indianer nennen diesen Ort das Totendorf, und den Reisenden überrascht nicht nur die Neuheit des Anblicks, sondern die Verehrung, die diesem geheiligten Orte erwiesen wird, muß ihn überzeugen, daß kindliche, eheliche und Elternliebe nicht notwendig die Folgen der Zivilisation sind, sondern daß der Große Geist sie auch dem Menschen in seinem Naturzustande verliehen hat.
Es vergeht kein Tag im Jahre, an dem er nicht Beweise hiervon sehen könnte, die ihn zu Tränen rühren und Achtung und Mitgefühl für den armen Wilden in seiner Brust erwecken werden. Väter, Mütter, Frauen und Kinder sieht man unter den Gerüsten, mit dem Gesicht zur Erde gewendet liegen, wie sie auf die rührendste Art das Unglück ihrer Verwandten beklagen; sie raufen sich das Haar, zerfleischen sich mit Messern und unterwerfen sich noch anderen Büßungen, um die Geister der Abgeschiedenen zu versöhnen, deren Tod sie durch irgendeine Sünde oder Unterlassung verschuldet zu haben glauben.
Wenn die Gerüste, auf denen die Toten liegen, verfallen und umstürzen, so werden die Gebeine durch die nächsten Verwandten beerdigt, die Schädel dagegen, nachdem sie vollkommen gereinigt, auf der Prärie in Kreisen von 20–30 Fuß Durchmesser zu mehreren Hunderten, 8–9 Zoll voneinander entfernt und mit dem Gesicht nach der Mitte des Kreises gerichtet, aufgestellt. Hier werden sie als Gegenstände religiöser und inniger Verehrung auf das gewissenhafteste in ihrer Stellung erhalten und beschützt.
Es gibt mehrere dieser Schädelstätten, in deren Mitte sich eine Erhöhung von etwa drei Fuß befindet, auf der stets zwei Büffelschädel (einer vom Stier und einer von der Kuh) liegen, und in der Mitte der Erhöhung steht eine 20 Fuß hohe Medizinstange, an der mehrere sonderbare geheimnisvolle Gegenstände aufgehängt sind, von denen sie glauben, daß sie die Schädel beschützen. Auch diese Plätze werden von den Hinterbliebenen besucht, um ihre Liebe zu den Abgeschiedenen an den Tag zu legen, doch geschieht dies nicht mehr durch Tränen und Klagen, denn die Zeit hat den Schmerz gemildert, sondern Liebe und Anhänglichkeit werden hier erneuert und man führt Gespräche mit den Toten.
Jeder dieser Schädel liegt auf einem Büschel von wilder Salbei ( Artemisia Columbiensis). Die Frau erkennt an irgendeinem Zeichen den Schädel ihres Gatten oder Kindes, und selten vergeht ein Tag, an dem sie ihn nicht besucht und eine Schüssel der besten Speisen, die ihr Wigwam bietet, am Abend vor den Schädel hinstellt; am Morgen kehrt sie dann zurück, um die Schüssel zu holen. Sobald die Salbei, auf welcher der Schädel ruht, anfängt zu verderben, wird ein frisches Büschel geschnitten und sorgfältig dem Schädel untergelegt.
Außer den genannten Pflichten, die die Frauen nach diesen Plätzen rufen, besuchen sie diese auch aus Neigung, um mit den Toten zu plaudern und ihnen Gesellschaft zu leisten. An schönen Tagen sieht man stets mehrere Frauen neben dem Schädel ihres Gatten oder ihres Kindes sitzen und sich mit ihm, wie sie es früher gewohnt waren, auf die anmutigste und zärtlichste Weise unterhalten. Nicht selten kommen die Frauen mit ihrer Arbeit und verbringen den größten Teil des Tages neben dem Schädel ihres Kindes, mit dem sie unaufhörlich plaudern, während sie ein Paar Mokassins anfertigen; zuweilen sieht man sie vor Ermüdung einschlafen, während sie den Schädel mit ihren Armen umschlungen halten.
Es liegt etwas ungemein Interessantes und Ergreifendes in diesen Szenen, die so sehr verschieden und doch nur wenige Schritte voneinander entfernt sind; an dem einen Orte überlassen sie sich den heftigsten Ausbrüchen ihres Schmerzes – den anderen besuchen sie, um mit den Toten zu scherzen und zu plaudern.
Die große Mannigfaltigkeit in der Bildung dieser Schädel würde sie zu einem interessanten Studium für den Kraniologen machen, allein es würde sehr schwierig, wenn nicht unmöglich sein, sich jetzt zum Besten der wissenschaftlichen Welt dergleichen zu verschaffen.