Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Vierzehntes Kapitel


Trachten der Mandaner. – Zwei Pferde für einen Kopfputz aus Adlerfedern und Hermelinfellen. – Kopfputz mit Hörnern. – Eine jüdische Tracht.


Die Mandaner kleiden sich zum größten Teile sehr zierlich und einige sogar glänzend. Da sie noch im Naturzustande leben, so verfertigen sie alle ihre Kleidungsstücke selbst und zwar aus den Häuten der verschiedenen Tiere, die jene Gegenden bewohnen. Es herrscht eine auffallende Ähnlichkeit der Tracht unter den meisten nordwestlichen Stämmen und ich kann nicht sagen, daß die Kleidung der Mandaner von derjenigen der Krähen-Indianer, Schwarzfüße, Assinneboins oder Sioux bestimmt verschieden sei; allein es gibt in jedem Stamme gewisse Arten der Näherei oder Stickerei, woran der Reisende, der mit den Moden dieser Völker bekannt ist, sogleich die Tracht jedes Stammes zu erkennen vermag. Diese Unterschiede bestehen gewöhnlich in der Anfertigung des Kopfputzes, oder in dem Besetzen der Kleider mit den Stacheln des Stachelschweines, die sie in großer Menge verbrauchen.

Da die Indianer Nordamerikas aus so vielen verschiedenen Nationen bestehen, die einander beständig bekämpfen und gegenseitig von ihren Sprachen nichts verstehen, und da ferner ihre Moden selten, wenn überhaupt jemals, wechseln, so mag es auffallend erscheinen, daß diese Völker einander in den Formen und Moden ihrer Kleidung und ihres Kopfputzes so genau nachahmen sollten. Dies ist jedoch wirklich der Fall und läßt sich auch, wie mir dünkt, erklären, ohne ein einziges Argument zu Gunsten der Theorie einer gemeinsamen Abstammung von einer Familie oder einem Stamme aufzustellen. Denn wenn in dem fortwährenden Kampfe Häuptlinge oder Krieger fallen, so kommen ihre Kleidungsstücke und Waffen in den Besitz der Sieger, die sie nunmehr tragen, und der übrige Stamm wird diese natürlich mehr oder weniger nachahmen; auch ist es gebräuchlich, bei ihren Ratsversammlungen oder Friedensschlüssen Kleidungsstücke und andere Gegenstände auszutauschen, die dann von dem anderen Stamme angenommen werden, und so entsteht allmählich die Ähnlichkeit der Tracht usw. bei den verschiedenen Stämmen.

Die Tunica oder der Rock der Mandaner ist dem der Schwarzfüße in der Form sehr ähnlich, aus zwei Häuten vom Hirsch oder Bergschafe gemacht und mit Skalplocken, Glasperlen und Hermelin besetzt. Die Beinkleider sind gleich denen der anderen schon erwähnten Stämme, aus Hirschhaut gefertigt, schließen genau an und werden mit Stachelschweinstacheln und Skalplocken verziert. Die Mokassins sind von Bocksleder und zierlich mit Stachelschweinstacheln besetzt. Über den Schultern (oder vielmehr über der einen Schulter und unter dem anderen Arm hindurch) tragen sie mit großem Anstande die Haut von dem Rücken eines jungen Büffels, die zuweilen bis zur Hälfte weggeschnitten wird, um sie bequemer für den Gebrauch zu machen. Viele dieser Mäntel sind auch auf der einen Seite mit Skalplocken besetzt und auf der Fleischseite mit gemalten Darstellungen der ehrenvollen Kämpfe und Ereignisse aus dem Leben des Besitzers geschmückt.

Der Kopfputz ist verschieden, und zuweilen außerordentlich malerisch und schön; er wird aus den Federn des Kriegsadlers ( Aquila chrysaëtos), oder des Raben und aus Hermelinfellen gemacht. Dies ist der kostbarste Teil der Kleidung eines Indianers in diesem ganzen Lande, da die Federn und das Pelzwerk so schwierig zu erlangen sind; denn der Kriegsadler ist ein seltener Vogel und das Hermelin das seltenste Tier in diesen Gegenden. Der Schwanz eines Kriegsadlers, der sechs bis acht ausgezeichnet schöne Federn enthält, die sich zu einem Kopfputze eignen, wird hier mit einem ziemlich guten Pferde bezahlt (die Pferde sind jedoch hier wohlfeiler, als in den meisten anderen Ländern). Da ich viele Kleidungs- und Putzgegenstände kaufte, so hatte ich häufig Gelegenheit zu erfahren, welchen hohen Wert die Indianer auf dergleichen Dinge legen. Die von ihnen geforderten Preise haben mich häufig überrascht, und ich will nur ein Beispiel hiervon anführen. Ein Häuptling, den ich in seiner schönen Tracht mit einem bis auf die Erde reichenden Kopfputze aus Adlerfedern und Hermelin in ganzer Figur gemalt hatte, war bereit, mir auf meinen Wunsch den ganzen Anzug zu verkaufen, nur nicht den Kopfputz, denn »er werde niemals imstande sein, sich Adlerfedern und Hermelin von solcher Schönheit wieder zu verschaffen, um sich einen neuen Kopfputz zu machen.« Auf mein inständiges Bitten willigte er jedoch endlich ein, mir diesen kostbaren Gegenstand für zwei Pferde zu verkaufen, die ich denn auch sofort von den Pelzhändlern für 25 Dollars das Stück erstand, und somit den Kopfputz meiner Sammlung hinzufügte.

Zuweilen hat ein Häuptling oder Krieger einen so außerordentlichen Ruf, daß es ihm gestattet ist, Hörner an seinem Kopfputze zu tragen, was ihm ein sonderbares und majestätisches Ansehen gibt. Diese Hörner werden aus dem Horn des Büffelstiers gemacht, indem man es der Länge nach spaltet, ein Drittel davon ganz dünn schabt, poliert und dann zu beiden Seiten an dem oberen Teile des Kopfputzes in derselben Stellung wie am Büffelkopfe befestigt; die Hermelinfelle und -Schwänze, die vom Kopfe herabhängen, sind eine Nachahmung der den Büffelkopf bedeckenden Mähne.

Denselben Gebrauch fand ich bei den Sioux, den Krähen-Indianern, den Schwarzfüßen und Assinneboinern, und er ist so auffallend, daß ich noch einige Worte darüber sagen muß. Diese und viele anderen sonderbaren und unerklärlichen Erscheinungen in den Gewohnheiten der Indianer haben eine eigentümliche Bedeutung oder Wichtigkeit, während man sie gewöhnlich als abgeschmackt und lächerlich betrachtet, weil man sie nicht begreift, oder sich nicht die Zeit nimmt, ihren Nutzen oder ihre Bedeutung kennen zu lernen.

Die Hauptursache, weshalb wir den Wilden geringschätzen und verachten, liegt darin, daß wir ihn nicht verstehen, und wir sind hauptsächlich deshalb so unbekannt mit ihm und seinen Moden, weil wir uns nicht die Zeit nehmen, sie zu erforschen – man ist zu sehr daran gewöhnt, ihn als ein untergeordnetes, tierisches und unvernünftiges Wesen zu betrachten, das nicht wert sei, sich genauer mit ihm zu beschäftigen. Und wenn man einmal länger bei ihm verweilt, so geschieht es nur, um aus seiner Unwissenheit und Leichtgläubigkeit Vorteil zu ziehen – ihn des Reichtums und der Hilfsquellen seines Landes zu berauben – ihn mit Branntwein betrunken zu machen und Mißbräuche bei ihm einzuführen, an die er in seiner Unwissenheit nie gedacht hat. Auf diese Weise wird die Bedeutung der vielen interessanten und charakteristischen Gebräuche von den ersten Besuchern gänzlich übersehen und niemals verstanden, und indem sie zugleich seine ursprüngliche Lebensweise verändern, werden diese für immer dem Forscher entzogen.

Aus der Beobachtung von tausend kleinen und scheinbar unbedeutenden Zügen und Gewohnheiten des indianischen Lebens muß man den Charakter des Indianers kennen lernen. Der zivilisierte Mensch betrachtet eine Indianergruppe in ihrer klassischen Tracht mit ihren wenigen und einfachen Zierraten, deren jede ihre Bedeutung hat, und lacht darüber, weil sie anders sind als bei uns; »warum«, fragt man, »tragen diese einfältigen Geschöpfe so große Federbüschel auf dem Kopfe? solche Massen und Streifen von Farbe und Bärenfett auf dem Körper? Abscheulich!« – Und unzählige andere ebenso einfältige Fragen werden aufgeworfen, ohne jemals daran zu denken, daß die Natur es sie so gelehrt hat, daß jedes dieser Dinge seine bestimmte Wichtigkeit oder Bedeutung hat, die ein Indianer uns leicht erklären könnte, wenn man ihn danach fragte und er geneigt wäre, zu antworten – daß jede Feder auf seinem Kopfe in den Augen seines Stammes ein Zeichen eines von seiner Hand getöteten Feindes ist – daß jeder rote Streifen eine Wunde bedeckt, die er im ehrenvollen Kampfe erhielt – und daß das Bärenfett, womit er sich an jedem Morgen vom Kopf bis zu den Füßen bestreicht, den Körper reinigt, die Haut vor den Stichen der Moskitos schützt und zugleich ihn vor Erkältung und Husten bewahrt.

Ein Indianer unter zivilisierten Menschen betrachtet unsere, sowohl scheinbar als wirklich lächerlichen Gebräuche und Moden gewiß mit gleichem, wenn nicht größerem Erstaunen; aber er lacht und spottet nicht darüber, auch fragt er nicht, denn sein natürlicher Verstand und seine guten Sitten verbieten ihm dies. Erst wenn er heimgekehrt und mit den Seinigen um das Feuer des Wigwams gelagert ist, läßt er seinem Spotte über die zivilisierte Welt, die ihm so reichen Stoff darbietet, freien Lauf.

Ein Indianer wird den weißen Mann niemals fragen, warum er seinen Körper nicht bemalt oder mit Bärenfett bestreicht, oder warum er einen Hut auf dem Kopfe und Knöpfe auf der Rückseite des Kleides hat, wo sie niemals gebraucht werden können; warum er einen Backenbart trägt und einen Hemdkragen bis zu den Augen; oder warum er mit dem Kopfe und nicht mit den Füßen nach dem Feuer gewendet schläft; warum er auswärts statt einwärts geht; oder warum sich die weißen Männer zu Hunderten versammeln, um einen Indianer essen zu sehen – aber daheim in seinem Wigwam macht er »die Wolken erzittern« mit seinen Scherzen und Witzen über die Unwissenheit und Torheit der weißen Männer.

Ein wilder Indianer wird in der zivilisierten Welt bald einen Mann sehen, der einen ausgekrempten Hut, und einen anderen, der einen mit Tressen besetzten Hut und goldene oder silberne Epauletten auf der Schulter trägt, ohne daß er deren Bedeutung und Zweck kennt oder danach fragt. Ebenso wird der weiße Mann, der unter den unzivilisierten Indianern reist, einen von diesen außerhalb des Dorfes herumstolzieren sehen mit einem Kopfputze von Adlerfedern und Hermelin und zwei schön polierten Büffelhörnern, und er wird in bezug auf deren Bedeutung und Wichtigkeit ebenso unwissend sein, und zwar um so mehr, da der Indianer glauben wird, daß Epauletten und aufgekrempte Hüte bei den zivilisierten Völkern irgendeine wichtige Bedeutung haben – aber der weiße Mann setzt voraus, daß die Hörner auf dem Kopfe eines Indianers nichts weiter sind und nach seiner Meinung sein können, als indianischer Unsinn und Dummheit.

Der Gebrauch, Hörner zu tragen, der sich bei allen nordwestlichen Stämmen findet, ist unstreitig sehr alten Ursprungs, und nur demjenigen gestattet, dessen Tapferkeit und Ansehen von dem ganzen Stamme anerkannt sind, und dessen Stimme im Rate ebenso großes Gewicht hat, wie die eines Häuptlings ersten Ranges; diese Auszeichnung beschränkt sich daher nicht auf die Häuptlinge allein. Unter den Mandanern war Mah-to-toh-pa, der zweite Häuptling, der einzige Mann, dem es seiner außerordentlichen Heldentaten wegen gestattet war, Hörner zu tragen, auch führte er stets die Krieger in den Kampf.

Dieser Kopfputz mit Hörnern wird nur bei gewissen seltenen Gelegenheiten getragen, z. B. wenn fremde Häuptlinge, Indianeragenten oder andere bedeutende Personen einen Stamm besuchen; oder bei Kriegsaufzügen, bei der Feier eines Sieges, bei öffentlichen Festen usw. Zuweilen, wenn ein Häuptling seine Krieger zum Kampfe führt, schmückt er sich mit diesem Symbol der Macht, um seine Krieger zu ermutigen, an deren Spitze er kämpft und die Feinde herausfordert, ihre Geschosse auf ihn zu richten.

Die Hörner sind an dem Hauptschmucke nur lose befestigt, so daß sie leicht vor- oder rückwärts fallen, je nachdem der Kopf vor- oder rückwärts bewegt wird, und durch eine eigentümliche, kaum bemerkbare Bewegung des Kopfes neigt sich oft das eine Horn nach hinten und das andere nach vorn, wie die Ohren eines Pferdes, was dem Träger dieses Schmuckes ein eigentümliches Ansehen gibt. Es hat dies eine auffallende Ähnlichkeit mit dem jüdischen Kostüm, nämlich mit den Hörnern, welche die Abessinischen Häuptlinge und die Hebräer als ein Zeichen der Macht und der Gewalt bei großen Aufzügen und Siegesfesten trugen.

»Und Zedekia, der Sohn Knaenas, hatte ihm eiserne Hörner gemacht.« (Erstes Buch der Könige, 22. Kapitel, Vers 11 nach Luthers Übersetzung.) »Hebt Eure Hörner nicht so hoch; sprecht nicht mit einem steifen Nacken.« (Psalm 72, Vers 5 nach der englischen Übersetzung.) – Nach Luthers Übersetzung, wo es Vers 6 ist, lautet diese Stelle: »Pochet nicht so hoch auf Eure Gewalt, redet nicht halsstarrig,« – die man unmaßgeblich auch so wiedergeben könnte: »Traget die Nase nicht so hoch, schwatzet nicht übermütig.«

Die letzte Stelle Nach der Lutherschen Übersetzung paßt diese Stelle gar nicht hierher. scheint mir das oben erwähnte Bewegen der Hörner durch eine Bewegung des Kopfes so bestimmt anzudeuten, daß ich glaube, dieser Gebrauch ist jetzt unter diesen Stämmen fast genau derselbe wie früher bei den Juden, und daß er, gleich vielen anderen, von denen ich später sprechen werde, von jenem alten Volke überkommen und mit sehr geringen Änderungen beibehalten ist.


 << zurück weiter >>