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Abmarsch der Dragoner zu den Camantschen. – Mündung des falschen Waschita in den roten Fluß. – Schönes Prärieland. – Arkansas-Trauben; wilde Pflaumen; wilde Rosen. – Ermordung des Richters Martin und seiner Familie. – Krankheit unter den Truppen am Waschita. – Ausbruch des halben Regiments nach dem Lande der Camantschen. – Erkrankung des Generals Leavenworth.
Unter dem Schutze der Dragoner, die nach langem Zögern endlich ihren Marsch angetreten hatten, erreichte ich auf meinem Wege zur Aufsuchung des »fernen Westens« (siehe das 9. Kapitel) die Mündung des falschen Waschita in den roten Fluß und befand mich abermals in dem Lande der Büffel und Antilopen. Unser Lager war auf der Landspitze zwischen der Vereinigung der beiden Flüsse aufgeschlagen, und jenseits des Waschita liegt Texas. Das umliegende Land, abwechselnd aus Prärie und Wald bestehend, bildet ein unbeschreiblich schönes Panorama; das Laub hatte überall eine tiefdunkelgrüne Farbe und die Ebenen waren buchstäblich mit Büffeln bedeckt. Das Fort Gibson ist von hier etwa 40 Meilen entfernt, die wir in zehn Tagen zurücklegten.
Der größte Teil des Weges geht über leicht gewellte Prärie, die gut bewässert ist und auf angenehme Weise mit Gebüsch und Wald abwechselt. Eines Tages ritt ich mit meinen Freunden, dem Leutnant Wheelock und Joseph Chadwick, auf einen der Präriehügel und wir bemerkten, daß auch unsere Pferde die schöne Aussicht bewunderten, denn ohne das treffliche Gras unter ihren Füßen zu beachten, schauten sie mit einem tiefen Seufzer und weit vorgestrecktem Halse über die zu unseren Füßen sich ausbreitende Landschaft in die Ferne. Von unserem Standtpunkte aus war der Horizont überall von blauen Bergzügen begrenzt; unter uns marschierten die Dragoner in schöner Ordnung und bildeten mit den Packwagen und den Indianern einen Zug von einer englischen Meile Länge, der, den Unebenheiten des welligen Bodens folgend, das Ansehen einer riesenhaften schwarzen Schlange hatte, die sich über den reichen grünen Teppich hinschlängelte.
Das malerische Land, das wir auf weiter Strecke durchzogen, gehört den Crihks und Tschoktahs und bietet den schönsten Boden für den Ackerbau.
Fast täglich kamen wir über Hügelzüge von einigen englischen Meilen Breite, deren sandiger Boden mit zerstreuten Eichen bewachsen und mit Weinreben bedeckt war, die eine solche Menge von Weintrauben darboten, daß man in einem Weinberge zu sein glaubte; die Beeren hatten über einen halben Zoll im Durchmesser. Von diesen Hügeln stiegen wir dann wieder in breite, grüne Täler oder Prärien hinab, wo kleine wilde Pflaumenbäume von vier bis sechs Fuß Höhe auf einem Raum von mehreren hundert Morgen so dicht gedrängt standen, daß sie uns völlig den Durchzug versperrten und uns zwangen, einen weiten Umweg zu machen. Die meisten dieser Bäume waren so mit wohlschmeckenden Früchten beladen, daß man kein Blatt sah und die Zweige sich zur Erde bogen. Zwischen diesen standen gruppenweise Büsche wilder Rosen, Johannis- und Stachelbeeren und an einigen Stellen Kaktus ( prickly pears – Cactus opuntia). Zuweilen stößt man hier plötzlich auf eine große gelbe Klapperschlange oder eine Kupferschlange.
Am achten Tage unseres Marsches trafen wir die erste Büffelherde an, und da ich mit dem General Leavenworth, Obersten Dodge und mehreren anderen Offizieren den Truppen voraus war, so hatten wir Gelegenheit, den Mut unserer Pferde und unsere eigene Geschicklichkeit zu erproben. Die Jagdlust ergriff sogleich alle; der General und der Oberst erlegten eine schöne Kuh. Ich war nicht so glücklich, denn obgleich ich mir ebenfalls eine junge Kuh auswählte, so mußte ich sie doch erst eine weite Strecke verfolgen, ehe ich zum Schusse nahe genug herankommen konnte, und als ich sie endlich erreichte, griff sie mein Pferd mit den Hörnern bei den Schultern an, meine Flinte versagte, verwickelte sich in die Mähne und zerbrach; ich griff zwar sogleich zu den Pistolen und verwundete sie schwer, allein es gelang ihr, in das Dickicht zu entkommen, so daß ich ohne Beute umkehren mußte. Unsere indianischen Jäger versorgten uns seit diesem Tage reichlich mit Büffelfleisch.
Wir machten hier Halt, um Menschen und Pferden einige Tage Ruhe zu gönnen. In dieser Gegend wurde vor einigen Wochen der Richter Martin nebst seinem Diener von den Pahnis oder Camantschen ermordet und sein Sohn geraubt. Das Dragonerregiment hat nunmehr den Auftrag, die Auslieferung der Mörder zu verlangen.
Der Richter Martin, ein achtbarer und unabhängiger Mann, der am unteren Teile des roten Flusses (Red River) wohnte, hatte die Gewohnheit, im Sommer mit seinen Kindern und einigen schwarzen Dienern in die Prärie zu gehen und dort zu seinem Vergnügen mehrere Monate mit der Jagd auf Büffel und andere Tiere zu verleben. Vor wenigen Wochen erhielt man nun plötzlich im Fort Gibson die Nachricht, daß er von Indianern überfallen und ermordet worden sei. Es wurde sogleich eine Abteilung Truppen nach der bezeichneten Stelle abgesandt, wo man den Körper des Richters und eines seiner Neger furchtbar verstümmelt fand; seinen Sohn, einen hübschen Knaben von neun Jahren, hatten die Indianer wahrscheinlich mitgenommen.
Der General Leavenworth hatte, um den Marsch der Dragoner zu erleichtern, Wege von Fort Gibson und Fort Towson bis hierher anlegen lassen und wir fanden hier zwei Kompagnien Infanterie gelagert, die den Dragonern so weit als nötig folgen, die Transportwagen decken und erforderlichenfalls sie unterstützen sollten.
Der Abmarsch der Truppen wurde durch ein Gallenfieber verhindert, das den General Leavenworth, mehrere Offiziere und etwa die Hälfte des Regiments ergriff; auch die Pferde erkrankten etwa in demselben Verhältnisse und, wie es schien, an der nämlichen Krankheit. Der Oberst Dodge erhielt daher den Befehl, mit den gesunden Menschen und Pferden vorauszumarschieren, weil man sie dadurch vor der Erkrankung zu schützen hoffte. Der Befehl über die Zurückbleibenden wurde dem Obersten Kearney übertragen.
Als das Regiment Fort Gibson verließ, zählte es statt 800 nur 400 Mann und da von diesen die Hälfte erkrankte, so blieben dem Obersten Dodge nur etwa 200 Mann, um in die wilden und unerforschten Regionen der Camantschen einzudringen. Ich schloß mich den abziehenden Truppen an.
In dem vorhergehenden Kapitel erwähnte ich kurz eine Büffeljagd, an der der General Leavenworth und der Oberst Dodge teilnahmen. Als wir am nächsten Tage dem Regiment eine Strecke vorausritten und uns beklagten, daß alle unsere Glieder von der Jagd wie zerschlagen seien, äußerte der General zu dem Obersten: »Diese Büffeljagd paßt nicht mehr für uns, wir werden zu alt und müssen Vergnügungen dieser Art jüngeren Leuten überlassen. Ich habe in meinem Leben genug Büffel gejagt und bin entschlossen, nicht mehr meine Arme und Beine aufs Spiel zu setzen und mein Pferd zu ermüden; es ist eine Torheit für uns und schickt sich nur für junge Männer.« Der Oberst und ich pflichteten ihm vollkommen bei, obwohl mich hauptsächlich die Rücksicht auf mein Pferd, das noch einen langen Weg vor sich hatte, bewog, dem Vergnügen der Jagd zu entsagen.
Kaum waren diese gegenseitigen Erklärungen gegeben, als der General, der eben auf den Gipfel eines kleinern Hügels hinaufritt, plötzlich sein Pferd umwandte und uns mit leiser Stimme zurief, daß jenseits des Hügels eine kleine Büffelherde grase und wenn ich die linke, der Leutnant Wheelock die rechte Seite nehmen und ihm und dem Obersten die Mitte lassen wollten, so könne es eine treffliche Jagd geben! Bei den letzten Worten warf er seinen Mantelsack zur Erde und sprengte davon; ich wollte ihm folgen, wurde aber durch einen Baumzweig zur Erde geworfen, war zwar schnell wieder auf den Füßen und im Sattel, aber von den Büffeln war nichts mehr zu sehen. Bei diesem Angriff wurde weder Mensch noch Pferd oder Büffel verletzt. Der Oberst und der Leutnant hatten sich bereits wieder dem Regiment angeschlossen, als ich dem General begegnete, der in demselben Augenblick ein schönes Büffelkalb, das sich während der Jagd verborgen hatte, erblickte und mit den Worten: »Das Kalb muß ich haben, bevor ich weiterreite« abermals davonsprengte. Ich ritt den Hügel hinauf, um Zeuge seiner Jagd zu sein und bemerkte, wie das Kalb plötzlich zur Seite sprang, und das Pferd, dadurch erschreckt, niederstürzte. Ich jagte schnell hinzu und fand den General auf seine Hände und Knie gestützt und bemüht, aufzustehen. Ich sprang vom Pferde, hob ihn auf und fragte ihn, ob er verletzt sei, worauf er zwar erwiderte: »Nein, doch hätte es leicht geschehen können,« dann aber ohnmächtig wurde. Ich legte ihn auf das Gras nieder, und da ich Mantelsack und Feldflasche zurückgelassen hatte, auch kein Wasser in der Nähe war, so nahm ich meine Lanzette zur Hand, um ihm eine Ader am Arm zu öffnen. Er erholte sich indes wieder und da er sah, was ich vorhatte, versicherte er, daß er nicht verletzt sei. Nachdem er mit meiner Hilfe sein Pferd bestiegen hatte, ritten wir fort und erreichten nach zwei oder drei Stunden das Regiment.
Von diesem Augenblick an hatte sich das Gesicht des Generals auffallend verändert; er war bleich und schwach und wurde beständig von einem heftigen Husten gequält, auch äußerte er selbst mehrmals, er fürchte, daß er sich schwer verletzt habe.