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In der ersten Familie vereinigen wir die Tauben ( Columbidae) oder diejenigen Arten, welche unserer Haustaube im wesentlichen ähneln. Ihr Schnabel ist verschieden gestaltet, stets aber schwach, an der Wurzel biegsam, an den Schneiden gerade, der Fuß mäßig hoch, im Lauftheile nackt oder befiedert, der Flügel lang, der Schwanz mittellang, gerade oder abgerundet, das Gefieder großfederig, hart und spröde.
Obenan stellt man gewöhnlich die Fruchttauben, welche eine besondere Unterfamilie ( Treroninae) bilden. Sie kennzeichnen sich durch gedrungenen Leibesbau, kurzen, dicken Schnabel, kurze, sehr kräftige, breitsohlige Füße, mittellange Schwingen, kurzen, aus vierzehn Federn gebildeten, gerade abgeschnittenen, selten etwas keilförmig verlängerten Schwanz und prachtvolles Gefieder.
Die Fruchttauben leben im Süden der Alten Welt, besonders zahlreich auf den Inseln Oceaniens, hausen ausschließlich auf Bäumen und ernähren sich von Beeren und Früchten.
Wenn man, den ersten Wall des hohen Gebirges überschreitend, die ärmeren Niederungen der Samchara hinter sich gelassen hat und in jene reich bewachsenen Thäler eingetreten ist, in denen der vollklingende Ruf des Flötenwürgers der vorherrschende Ton wurde, nimmt man überall die farbenschönste aller nordostafrikanischen Tauben wahr; denn das hochpfeifende Fluggeräusch, welches die aufgescheuchten Schwärme verursachen, oder die sonderbar heulenden, durch die Silben »Hi ha hu« ungefähr wiederzugebenden Stimmlaute dieser Vögel müssen auch dem ungeübtesten Naturbeobachter auffallen.
Die Papageitaube oder Waalie ( Treron Waalia, abyssinica oder habessinica, Columba Waalia, abyssinica und humeralis, Vinago und Phalacrotreron abyssinica) ist gedrungen gebaut, langflügelig und kurzschwänzig, ihr Schnabel kurz, kräftig, sein Obertheil hakig übergebogen, seine Wurzelgegend nackt, der Lauf verhältnismäßig kurz, größtentheils befiedert, der Fuß selbst sehr breitsohlig und kurzzehig, der Fittig spitzig, in ihm die zweite Schwinge die längste, der Schwanz gerade abgeschnitten. Das Gefieder ist prachtvoll gefärbt, auf der Oberseite blaß olivengrün, auf der Unterseite hellgelb; Kopf, Hals und Brust sind aschgraulichgrün, die Schultern weinröthlich, die Flügeldecken schwärzlich, breit hellgelb gesäumt, die Schwingen schwärzlich, lichter gesäumt, die Steuerfedern aschgrau, unten von der Wurzel bis zur Mitte schwarz, von der Mitte bis zur Spitze silbergrau. Um den Augapfel zieht sich ein schmaler, königsblauer Ring; die übrige Iris ist purpurroth, ein nackter Ring ums Auge bläulich grauroth, der Schnabel an der Wurzel weiß, bläulich schimmernd, an der Spitze dagegen blaßroth, die Wachshaut schmutzig korallroth, der Fuß dunkel orangegelb. Die Länge beträgt einunddreißig, die Breite fünfundfunfzig, die Fittiglänge siebzehn, die Schwanzlänge elf Centimeter. Das gleichgefärbte Weibchen unterscheidet sich durch geringere Größe.
Die Papageitaube verbreitet sich über ganz Mittelafrika, von der Küste des Indischen und Rothen Meeres bis zu den westafrikanischen Inseln und vom sechzehnten Grade nördlicher Breite bis zum Sambesi. Temminck sagt, wohl Bruce's Angaben benutzend, daß sie in Habesch die Niederungen bewohne und während der Hitze des Tages auf den höchsten Bäumen sitze, ohne sich zu rühren, bei Annäherung der Regenzeit aber in großen Zügen und bewunderungswürdiger Höhe nach Südafrika wandere; ich halte sie für keinen Wandervogel, und auch alle neueren Beobachter scheinen mit mir derselben Ansicht zu sein. Nach meinen Erfahrungen bevölkert sie in kleinen Familien die tieferen Gebirgsthäler und die unmittelbar am Gebirge liegenden Niederungen der Samchara, in denen die Pracht der Wendekreisländer zur Geltung gekommen ist. Heuglin fand sie in Habesch bis zu dreitausend Meter unbedingter Höhe, aber auch im südlichen Sennâr, am Weißen Flusse und in Kordofân auf. Hochbewipfelte Mimosen, welche der Christusdorn schützend umsteht und der Cissus mit seinen vierseitigen Ranken durchsticht, bilden in der Samchara ihren bevorzugten Aufenthalt, während in den Gebirgsthälern die prachtvollen Tamarinden, Kigelien, mit ihrem dichten Gelaube, und endlich die schattigen Wipfel der gewaltigen Shkomoren zu noch geeigneteren Wohnsitzen werden. Da, wo drei oder vier dieser Bäume zusammenstehen, wird man die Papageitaube schwerlich vermissen, ja einzelne Shkomoren werden zum Versammlungsorte am Morgen und Abend und zum schattigen Ruheplatze in der Hitze des Mittags. Hier und da trifft man auch unsere Vögel paarweise, gewöhnlich aber schlagen sie sich zu Familien oder kleinen Flügen von acht bis zwanzig Stücken zusammen; zahlreichere habe ich nicht gesehen. Im Fluge selbst halten sich die einzelnen Paare in trauter Gesellschaft. Dicht aneinander geschmiegt sitzen die zärtlichen Gatten, und derjenige, welcher ruhig beobachtet, kann gar nicht in Zweifel bleiben, welche zwei im Fluge miteinander sich vereinigt haben. Die Papageitaube scheint in ihrer Zärtlichkeit die übrigen Verwandten noch zu überbieten und besondere Zeichen ihrer Gattenliebe an den Tag zu legen, wie ich solche wenigstens bei anderen Tauben noch nicht beobachtet habe. Das Aneinanderschmiegen, das Schnäbeln, das freudige, ich möchte sagen, aufjauchzende Emporsteigen des Männchens, das Klatschen mit den Flügeln und das darauf folgende sanfte Hinabschweben zur Gattin, wie es der Tauben Art ist, bethätigt auch sie; außerdem aber breitet sie noch mit unbeschreiblicher Zierlichkeit und Anmuth die aufgehobenen Flügel über den Gegenstand ihrer Liebe und versucht, um dem Gatten zu gefallen, Künste und Gewohnheiten nachzuahmen, welche sonst nur bei den Papageien beobachtet werden. Leider fiel unser Aufenthalt nicht in die allgemeine Brutzeit, und somit hatte ich nicht Gelegenheit, das Betragen dieser Tauben während der Paarung zu beobachten; aber ich sah doch genug, um eine Berechtigung für die eben ausgesprochene Ansicht zu erlangen.
Unsere Taube hat in der That große Aehnlichkeit mit Papageien. Schon die Färbung ihres Gefieders, das prächtige Grün und das lebendige Gelb, erinnern an diese. Dazu kommen aber noch das eigenartige Herumklettern in den Bäumen und die sonderbaren Stellungen, welche sie annimmt. Selbst der kundige Jäger wird im Anfange nicht selten getäuscht: er glaubt wirklich, einen Papagei vor sich zu haben. Als besondere Eigenthümlichkeit erwähne ich noch, daß sich die Papageitaube zuweilen fast wie ein schlafender Ziegenmelker platt auf die Neste niederlegt. Der Flug ist sehr rasch und reißend, aber hart und von einem laut pfeifenden Geräusche begleitet, welches sich von dem Fluggeräusche jeder anderen Taube unterscheidet. Nur die Stimme hat, wie angegeben, wenig anmuthiges, sondern eher etwas heulendes. Girrende oder rucksende Töne habe ich nicht vernommen.
In dem Magen der erlegten fand ich Beeren der verschiedensten Art, und Eingeborene im Lande sagten mir, daß man den Tauben nur da begegne, wo es beerentragende Bäume und Sträucher gibt. Wie Heuglin richtig angibt, sind es hauptsächlich die herrlich belaubten, fruchtreichen wilden Feigenbäume, auf denen sie ihre Nahrung sucht. Auf solchen Bäumen siedelt sie sich sozusagen dauernd an und verräth ihre Anwesenheit durch die am Boden liegenden oder beständig herabfallenden Fruchthülsen auch dann, wenn das dichte Laub sie dem Auge verbirgt. Zur Zeit der Feigenreife ist oft das ganze Gesicht mit dem gelben Safte dieser Früchte bekleistert, und ebenso nimmt das Fett eine gelbe Färbung an. Mit dieser Nahrung steht im Einklänge, daß unsere Taube nicht auf die Erde herabkommt; ich meinestheils habe sie wenigstens nur in Baumwipfeln gesehen.
Levaillant sagt, daß die Papageitaube in Baumhöhlen auf einem erhöhten Haufen von Moos und trockenen Blättern niste, und daß das Weibchen vier gilblichweiße Eier lege. Ich kann die Angabe freilich nicht durch eigene Beobachtung widerlegen, halte sie aber doch für irrig. Wenn unsere Taube wirklich in Baumhöhlungen nistet, trägt sie sicherlich keinen Moos- und Blätterhaufen ein, und ebensowenig legt sie vier, anstatt zwei Eier.
Die Jagd ist nur dann einfach und ergiebig, wenn man einen jener Lieblingsbäume aufgefunden hat und unter ihm sich anstellt. Der Vogel ist scheu oder wenigstens vorsichtig und läßt den Jäger nicht leicht ankommen.
Ob man alt gefangene Tauben dieser Art an Ersatzfutter gewöhnen kann oder nicht, vermag ich nicht zu verbürgen, bezweifle es jedoch nicht. Levaillant erzählt, daß er vier Junge aus einem Neste genommen und mit Früchten ernährt habe, daß dieselben aber zu Grunde gingen, als die Früchte fehlten, da sie jedes andere Futter verschmähten. Auch diese Angaben beruhen jedenfalls auf Erfindung, wie schon die angegebene Anzahl der Jungen beweist. Andersartige Fruchttauben, welche ich Pflegte, fraßen gekochten Reis und aufgequellte Rosinen, dauerten jedoch nie länger als einige Monate im Käfige aus.
Eine der prachtvollsten Arten dieser an schön gefärbten Tauben reichen Unterfamilie ist die Warzentaube ( Alectroenas pulcherrima, Columba pulcherrima und rubricapilla, Erythroena pulcherrima), Vertreterin einer gleichnamigen Sippe ( Alectroenas). Die Gestalt ist sehr gedrungen, der vordere Theil des Gesichtes, einschließlich des Augenfeldes nackt, die Nasengegend wie die Vorderwangen mit großen häutigen Auswüchsen und Warzen, die Stirne jederseits insbesondere durch einen in der Mitte seicht ausgehöhlten Lappen verziert, der Schnabel kurz, der Fuß klein und schwächlich, der Fittig mittellang, in ihm die dritte Schwinge die längste, der Schwanz kurz und sanft abgerundet, das Gefieder auf dem Kopfe zu haarähnlichen Gebilden umgewandelt, am Halse verlängert, zugespitzt, gegabelt und streifig gelagert, übrigens großfederig. Die haarigen Federn des Kopfes sind blutig kirsch- oder schmutzig karminroth, Hinterkopf und Nacken, Hals und Kropf bläulich aschgrau, obere Mantelgegend und Oberbrust perlgrau, alle übrigen Theile tief und dunkel purpurnindigoblau gefärbt. Der Schnabel ist schmutzig orangegelb, der nackte Theil des Gesichtes leuchtend zinnoberroth, das Auge citrongelb, der Fuß dunkelgrau. Die Länge beträgt sechsundzwanzig, die Fittiglänge fünfzehn, die Schwanzlänge acht Centimeter.
Die Warzentaube bewohnt wie ihre Verwandten die Gruppe der Madagaskarinseln, und zwar die Eilande Mahe, Silhouette, Praslin, Marianne und Felicité. Ueber ihre Lebensweise ist nichts bekannt. Von verwandten Arten wird berichtet, daß sie in Flügen von sechs bis acht Stück die Hochwälder beleben, sich von allerlei Früchten, insbesondere von denen der wilden Dattelpalme, ernähren, zur Zeit der Reisernte zahlreich in den Pflanzungen erscheinen, und hier bei reichlicher Nahrung bald sich feisten. Daß sie sich unschwer an die Gefangenschaft gewöhnen, beweist die oben beschriebene Art, von welcher ich ein Paar im Berliner Zoologischen Garten sah. Die Haltung dieser Vögel ist unschön und lässig; nur wenn ihre Aufmerksamkeit erregt wird, strecken sie den Hals und nehmen dann eine gefälligere Stellung an. Der einzige Stimmlaut, welchen ich vernahm, war ein sehr tiefes und hohles Girren, während dessen der Kopf nickend bewegt wurde. Das Paar hielt treu zusammen, zeigte sich jedoch, wie alle Fruchttauben, anderen Vögeln gegenüber unfreundlich und zänkisch. Wie alle Mitglieder gefräßig, feisteten die Vögel binnen kurzem sich so, daß sie bald an Verfettung zu Grunde gingen.
Die Tauben (Columbinae) unterscheiden sich von den Fruchttauben hauptsächlich durch ihren schwachen, nur an der Spitze hornigen, an der Wurzel aber weichen und mit einer Wachshaut bedeckten, mittellangen Schnabel, die etwas höheren, schmalsohligen, zum Gehen geschickten Füße, den aus zwölf Federn gebildeten, gerade abgestutzten oder abgerundeten Schwanz und die minder prächtige Färbung ihres Gefieders.
Zu dieser Unterfamilie gehören alle bei uns wild lebenden Tauben und diejenigen, welche uns am nächsten angehen, weil sie zu unseren Hausthieren geworden sind. Die Gruppe ist über alle Erdtheile verbreitet, in der Alten Welt aber gestalten- und artenreicher als in Amerika.
Unsere Ringeltaube, Holz-, Wald-, Wild-, Bloch- und Kohltaube ( Columba palumbus, pinetorum und torquata, Palumbus torquatus und excelsus), wegen ihrer Größe und ihres kräftigen Baues, des verhältnismäßig langen Schwanzes und der kurzen Füße auch wohl als Vertreter einer besonderen Untersippe (Palumbus) angesehen, ist auf Kopf und Nacken sowie an der Kehle dunkel mohnblau, auf dem Oberrücken und Oberflügel dunkel graublau, auf dem Unterrücken und Steiße lichtblau, auf Kopf und Brust röthlichgrau, auf der übrigen Unterseite licht graublau und auf dem Unterbauche weiß; der untere Theil des Halses ist jederseits mit einem glänzend weißen Flecke geziert und schillert in metallischen Farben (taubenhälsig); die Schwungfedern sind schiefergrau, die Schwanzfedern schieferschwarz, durch eine hellere Querbinde gezeichnet, ein breiter Streifen am Flügelbuge und ein großer Flecken auf den Schwanzfedern endlich weiß. Das Weibchen unterscheidet sich durch etwas geringere Größe, der junge Vogel durch mattere Färbung. Das Auge ist blaß schwefelgelb, der Schnabel blaßgelb, an der Wurzel roth, der Fuß bläulichroth. Die Länge beträgt dreiundvierzig, die Breite fünfundsiebzig, die Fittiglänge dreiundzwanzig, die Schwanzlänge siebzehn Centimeter.
Vom fünfundsechzigsten Grade nördlicher Breite an verbreitet sich die Ringeltaube über ganz Europa und wird in Asien durch eine nahe verwandte, vielleicht doch mit ihr zusammenfallende Art (Columba casiotus) ersetzt. Gelegentlich ihrer Wanderungen streift sie nach Nordwestafrika hinüber; den Nordosten des Erdtheiles aber berührt sie nicht. Schon in Südeuropa tritt sie viel einzelner auf als bei uns zu Lande, nach unseren Beobachtungen in Spanien jedoch an gewissen Orten in zahlreichen Gesellschaften.
Sie ist ein echter Baumvogel. In Deutschland begegnet man ihr in allen Waldungen, sie mögen groß oder klein sein und aus Schwarz- oder aus Laubholz bestehen, im Gebirge wie in der Ebene, nahe bei Dörfern wie fern von den menschlichen Wohnungen; doch scheint es, als wenn sie den Nadelwald bevorzugt, möglicherweise aus dem einzigen Grunde, weil Tannen-, Fichten- und Kiefernsamen mit zu ihren liebsten Nahrungsmitteln gehören. Ausnahmsweise siedelt sie sich auch inmitten der Dörfer oder selbst inmitten volkreicher Städte auf einzelnen Bäumen an: ich habe sie in den Spaziergängen Leipzigs und Dresdens sowie in den Gärten von Paris, Berlin und Jena als Brutvogel gesunden. Im Norden ihres Verbreitungskreises ist sie Zugvogel, welcher sehr regelmäßig wegzieht und wieder erscheint, schon im südlichen Deutschland und noch mehr in Spanien und Italien aber Standvogel. Die, welche in Skandinavien leben, überwintern zum nicht geringen Theile bereits in Südengland und Irland, die, welche von uns auswandern, ziehen höchstens bis Südeuropa und verbringen den Winter auch in solchen Gegenden, in denen zuweilen recht rauhes und unfreundliches Wetter wochenlang herrschen kann: wir haben sie und die Hohltaube in sehr zahlreichen Scharen während der Wintermonate bei Madrid und in der Sierra Nevada beobachtet, gleichzeitig aber auch erfahren, daß in dem genannten Gebirge gerade diese Art Sommer und Winter ziemlich gleich häufig sein soll. In Mitteldeutschland trifft sie bereits im März, ausnahmsweise sogar schon im Februar ein und verweilt hier bis Mitte oder Ende des Oktober. Nach meines Vaters Beobachtungen siedelt sie sich aber nicht alle Jahre in gleicher Anzahl in einem und demselben Gebiete an, sondern nimmt Rücksicht auf zufällige Umstände: wenn der Fichtensamen gut gerathen ist, ist sie im Schwarzwalde sehr häufig, wenn das Gegentheil stattfindet, verläßt sie die Nadelhölzer und wendet sich mehr den Laubhölzern zu.
Das Betragen ist zuerst von meinem Vater treu und ausführlich geschildert, und seine Beschreibung seitdem wohl umschrieben, aber weder bereichert, noch irgendwie berichtigt worden. »Die Ringeltaube ist ein äußerst rascher, flüchtiger und scheuer Vogel. Sie geht geschickt, aber nicht sehr schnell, trägt dabei den Leib bald wagerecht, bald aufgerichtet und bewegt den Hals unaufhörlich. Entweder sitzt sie auf dem Wipfel oder tief in den Zweigen verborgen. Sie hat gewisse Lieblingsbäume, auf denen man sie fast alle Morgen antrifft, entweder solche, welche weit über die anderen hinausragen, oder solche, welche dürre Wipfel haben. Ihr Flug ist schön, schnell, geschickt, verursacht beim Auffliegen Klatschen und dann ein Pfeifen in der Luft. Schon in weiter Entfernung kann man die fliegende Ringeltaube nicht nur an der Größe, sondern auch an dem langen Schwanze und den weißen Flecken auf den Flügeln erkennen.
»Um ein treues Bild vom Betragen dieser Taube zu geben, will ich ihre Lebensart kurz beschreiben. Die Nacht bringen beide Gatten in der Nähe des Nestes zu. Früh vor Tagesanbruch sind sie schon munter, und das Männchen begibt sich auf seinen Lieblingsbaum. Hier fängt es in der Dämmerung an zu rucksen, was der Feldtaube ähnlich, aber stärker, fast wie ›Ruckkuckkuck‹ und ›Kukuku‹ oder ›Rukuku, kuku‹ klingt. Es sitzt dabei fest auf einem Aste, bläst aber den Hals auf und bewegt ihn. Jedes Rucksen wird drei- bis viermal nach einander wiederholt und folgt, je hitziger der Taubert ist, desto schneller auf einander. Die in der Nähe befindlichen Tauberte werden dadurch herbeigelockt, setzen sich auf benachbarte Bäume und rucksen nun, mit einander wetteifernd. Merkwürdig ist, daß man gewöhnlich drei, seltener zwei, aber nie vier Männchen in geringer Entfernung von einander rucksen hört. Alle sitzen dabei auf hohen Bäumen und nicht selten auf den Wipfeln. Einmal beobachtete ich, daß ein Männchen dieser Taubenart auf der Erde vor dem Weibchen ruckste, und ein anderesmal flog eines rucksend über mich weg. Kommt das Weibchen auf das Rucksen herbei, so setzt es sich nahe bei dem Männchen nieder, und dieses ruckst nun nicht mehr, sondern schreit nur von Zeit zu Zeit ›Puh‹ oder ›Huh‹, was inniges Behagen ausdrückt. Es scheint dadurch den neben ihm sitzenden Tauberten seinen Sieg verkünden zu wollen. Das Rucksen ist am stärksten an windstillen, warmen Morgen; doch habe ich es auch bei Regen und spätem Schnee gehört und zwar vom April bis in den August, aber stets am häufigsten, wenn das Paar zu einer neuen Brut Anstalt macht. Um sieben, acht oder neun Uhr morgens (die Zeit ist verschieden) verstummt der Taubert und fliegt mit dem Weibchen, wenn dieses weder Eier noch kleine Jungen hat, nach Futter aus, geht auch auf die Salzlecke. Um zehn Uhr beginnt das Rucksen wieder, aber schwächer und weniger anhaltend, so daß man es von einem Taubert oft nur wenige Male hört. Nach elf Uhr geht die Ringeltaube zur Tränke und ruht nun in den Mittagsstunden in einem dichten Baume versteckt. Um zwei oder drei Uhr fliegt sie wieder nach Futter, fängt um fünf oder sechs Uhr, zuweilen früher, zuweilen später, zu rucksen an und begibt sich dann, wenn sie ihren Durst noch gestillt hat, zur Ruhe.
»Das Frühjahr und den Sommer über sieht man die Ringeltaube gewöhnlich paarweise, selten in kleinen und noch seltener in großen Gesellschaften. Bei der Paarung, zu welcher das Rucksen das Vorspiel ist, zeigt sich der Taubert äußerst unruhig. Er bleibt dann nicht auf einer Stelle, sondern fliegt von freien Stücken auf, steigt in schiefer Richtung in die Höhe, schlägt die Flügelspitzen so heftig zusammen, daß man es auf weithin klatschen hört, senkt sich hierauf schwebend nieder und treibt dieses Spiel oft lange Zeit. Die Täubin folgt ihm zuweilen, erwartet ihn aber gewöhnlich ruhig; denn er kehrt meist, nachdem er einen großen Kreis im Fliegen beschrieben, zu seinem Lieblingsaufenthalte zurück. Die Begattung selbst geschieht entweder auf den Bäumen, indem sich die Täubin auf einen Ast kauert, oder auf dem Neste. Daß zwei Tauberte einander gebissen hätten, habe ich nie bemerkt. Beide Gatten tragen, nachdem der Platz zum Neste ausgewählt ist, die Stoffe herbei, aber das Weibchen verarbeitet sie. Das Nest steht hoch und tief. Ich habe es auf Fichten, Kiefern, Tannen, Eichen, Buchen, Erlen und Linden angetroffen, und zwar in einer Höhe von drei bis dreißig Meter, doch gewöhnlich niedrig auf Stangenholz in hohen Dickichten, am Stamme starker Bäume und versteckt. Es besteht aus dürren Fichten-, Kiefern-, Tannen- und Buchenreisern oder aus den Zweigen einer dieser Baumarten, ist aber so locker und schlecht gebaut, daß man nicht selten die Eier von unten durchschimmern sieht; es ist platt, nur da, wo die Eier liegen, vertieft und hält dreißig bis vierzig Centimeter im Durchmesser. Obgleich es sehr schlecht gebaut ist, steht es doch fest und trotzt dem Wetter so, daß ich nicht ein einziges vom Sturme heruntergeworfenes gefunden habe. Oft aber bauen die Ringeltauben gar kein eigenes Nest, sondern bedienen sich der verlassenen Eichhornnester, welche dann oben platt gedrückt und zuweilen mit einigen Reisern belegt werden. Einst fand ich auch die Eier dieser Taube in einem alten Elsternneste, dessen Haube das Elsternpaar zum Baue seines frischen Nestes weggetragen hatte. Die zwei länglichen, auf beiden Seiten gleich zugerundeten, neununddreißig Millimeter langen, neunundzwanzig Millimeter dicken, dünn- und rauhschaligen, glänzendweißen Eier fand ich von der letzten Hälfte des April bis zur letzten Hälfte des Juli. Sie werden von beiden Gatten ausgebrütet und zwar so, daß das Männchen von neun oder zehn Uhr vormittags bis drei oder vier Uhr nachmittags darauf sitzt.
»Merkwürdig ist die geringe Anhänglichkeit der Ringeltaube an ihre Eier. Ich kenne keinen deutschen Vogel, welcher seine Eier so gleichgültig betrachtet. Jagt man die brütende Ringeltaube einmal vom Neste, dann kann man die Eier nur gleich mitnehmen; denn sie verläßt sie gewiß. Mir ist kein Fall vorgekommen, daß sie dieselben wieder angenommen hätte. Sind aber beide Gatten in der Nähe des fast oder wirklich vollendeten Nestes und werden aufgejagt, dann verlassen sie es gewöhnlich nicht. Wenn ich jetzt ein Nest dieser Taube finde, gehe ich vorbei, als hätte ich es nicht gesehen, und lasse die brütende Taube ruhig darauf sitzen. Dann bleiben die Alten nicht davon. Gegen die Jungen ist die Liebe größer, aber doch nicht so stark als bei anderen Vögeln. Von einem Paar flügger Ringeltauben ließ ich die eine ausheben, um sie aufzuziehen. Dies hatten die Alten so übel genommen, daß sie die andere nicht mehr fütterten. Die Jungen werden, bis ihre Federn hervorgebrochen sind, von den Alten abwechselnd und unaufhörlich, später, bis zum Ausfliegen, bei regnerischer oder kalter Witterung am Tage, und in der Nacht stets, vom Weibchen erwärmt. Wenn sie klein sind, werden sie von beiden Eltern mit dem käseartigen Stoffe aus ihrem Kropfe gefüttert, wenn sie Federn haben, mit den im Kropfe erweichten Sämereien ernährt. Beim Füttern, welches früh um sieben oder acht und abends um vier oder fünf Uhr geschieht, geben die Jungen einen eigenen, knurrenden Ton des Wohlbehagens von sich. Bei Annäherung eines Menschen schnappen sie mit dem Schnabel und beißen nach der Hand. Sie werden nach dem Ausfliegen nur kurze Zeit von den Alten gefüttert und geführt, weil sie bald ihr Futter suchen und sich vor Gefahren in Acht nehmen lernen. Jedes der Eltern hat gewöhnlich ein Junges bei sich und leitet es auf dem Felde zum Fressen an.«
Lieblingsnahrung der Ringeltaube ist Samen der Nadelholzarten; mit ihm findet man im Sommer oft den ganzen Kropf angefüllt. Sie liest ihn nicht nur von der Erde auf, sondern holt ihn auch, wie mein Vater beobachtet hat, zwischen den klaffenden Deckelchen der Zapfen hervor. Außerdem frißt sie Getreidearten und Grassämereien, ausnahmsweise auch Schnecken und Regenwürmer, und im Spätsommer Heidelbeeren. Nach Naumann findet sie im Laubwalde ein beliebtes Nahrungsmittel an Eicheln und Bucheckern. Diese Angabe stimmt vortrefflich mit dem überein, was ich in Spanien erfuhr und beobachtete; denn hier bilden die Früchte der immergrünen Eiche das hauptsächlichste Futter der als Wintergäste im Lande anwesenden Holztauben.
Die wenigen Körner, welche sich die Ringeltaube im Felde zusammenliest, darf man ihr gönnen: es sind eben nur solche, welche ohne sie doch verkommen wären; sie gleicht auch diesen kleinen Eingriff in das Besitzthum des Menschen tausendfach wieder aus durch das Aufzehren von Unkrautsamen verschiedener Art. Ich meinestheils sehe in ihr einen Vogel, welcher im Walde nicht fehlen darf, weil er zu dessen Belebung wesentlich beiträgt, und trete schon deshalb unbedingt für ihre Schonung ein. Der gierige Bauer freilich oder der traurige Sonntagsschütze verfolgen sie zu jeder Jahreszeit, und der Südeuropäer lichtet die Reihen der sich bei ihm zu Gaste bittenden Wanderscharen so viel als möglich. Glücklicher Weise ist es nicht gerade leicht, eine Holztaube zu berücken. Diejenigen, welche in den Städten nisten und wenige Meter über den Häuptern der Spaziergänger ungescheut ihr Wesen treiben, ja thun, als ob sie gezähmt wären, sind seltene Ausnahmen von der Regel. Im allgemeinen ist die Ringeltaube unter allen Umständen vorsichtig und traut keinem Menschen, auch dem nicht, welcher harmlos zu sein scheint. Diese Vorsicht sichert sie vor den meisten Nachstellungen und ist wohl eine der Hauptursachen, daß sie sich nicht vermindert, sondern im Gegentheile stetig vermehrt. Neben dem Menschen hat der vorsichtige Vogel wenig Feinde, welche ihm gefährlich werden können. Habicht und Wanderfalk oder die großen Verwandten des letzteren fangen alte, Wildkatze, Baummarder und Eichhorn, vielleicht auch der weibliche Sperber, und nachts der Uhu bedrohen junge Vögel.
Gefangene Ringeltauben werden erträglich zahm und halten viele Jahre im Käfige aus. Es hält nicht schwer, sie an ein passendes Ersatzfutter zu gewöhnen, da gemischte Sämereien ihren Ansprüchen vollständig genügen. Zur Fortpflanzung im Käfige schreiten sie aber nur ausnahmsweise. Mit anderen Girrvögeln der verschiedensten Art vertragen sie sich gut, machen nie Gebrauch vom Rechte des Stärkeren und lassen sich von kleinen Schwächlingen oft merkwürdig viel gefallen, ohne derselben sich zu erwehren.
Die zweitgrößte Wildtaube Europas ist die auf Madeira beschränkte, bis auf ein wenig deutliches, nur durch die Federränder gebildetes, silbernes Halsband und die etwas hervortretende dunkle Schwanzendbinde fast einfarbige, vorherrschend dunkel graublaue Silberhalstaube ( Columba Trocaz und Bouvryi); die drittgrößte unsere
Hohltaube, Loch-, Block- und Blautaube ( Columba oenas, cavorum und arborea, Palumboena oenas und columbella, Bild S. 630). Sie ist auf Kopf und Hals, Oberflügel, Unterrücken und Bürzel mohnblau, auf dem Oberrücken tief graublau, in der Kropfgegend weinroth, auf der übrigen Unterseite matt mohnblau; die Schwingen und die Enden der Steuerfedern sind schieferblau; über den Flügel zieht sich eine unvollkommene dunkle Binde; der Nacken schillert taubenhälsig. Das Auge ist tiefbraun, der Schnabel blaßgelb, an der Wurzel dunkel fleischroth, weiß bestäubt, der Fuß matt dunkelroth. Die Jungen kennzeichnen sich durch die unreinen Farben ihres Gefieders. Die Länge beträgt zweiunddreißig, die Breite siebenundsechzig, die Fittiglänge zweiundzwanzig, die Schwanzlänge dreizehn Centimeter.
Ungefähr dieselben Länder, in denen die Ringeltaube vorkommt, beherbergen auch die Hohltaube; sie ist aber überall seltener als jene, aus dem sehr triftigen Grunde, weil sie nicht überall leben kann, vielmehr an alte Bäume mit passenden Höhlungen gebunden ist. Sie wohnt in Waldungen aller Art, nicht selten auch auf Feldbäumen, wenn diese eine passende Höhlung zur Aufnahme des Nestes haben, zuweilen auf solchen in unmittelbarer Nähe der Dörfer, nimmt aber in Mitteldeutschland von Jahr zu Jahr mehr ab. Am häufigsten habe ich sie in den zumeist aus Weiden bestehenden Auwäldern der unteren Donau gesehen. In Mitteldeutschland erscheint sie einzeln im März; nach der Winterherberge reist sie in Flügen um die Mitte des Oktober ab. Auch sie überwintert schon im südlichen Europa, und höchst selten streifen kleine Flüge bis nach Nordwestafrika hinüber.
Sie ist weniger rasch und stürmisch als die Ringeltaube, aber behender in ihren Bewegungen, geht geschickter und trägt den Leib gewöhnlich etwas mehr aufgerichtet, fliegt gewandt, im Anfange mit klatschendem Getöse, sodann mit hohem und hellem Pfeifen und vor dem Niedersetzen, welches sanft schwebend geschieht, ohne jegliches Geräusch. Ihre Stimme, d. h. ihr Rucksen, unterscheidet sich wesentlich von der der Ringel- und Feldtaube: es klingt einfach wie »Hu hu hu«. »Beim Rucksen«, sagt mein Vater, »bläst die Hohltaube ihren Hals ebenfalls auf und bewegt ihn, sitzt aber auch wie die Ringeltaube fest auf dem Aste und unterscheidet sich dadurch vor der Feldtaube, welche während des Rucksens hin und her läuft. Man hört vom April bis September oft eine einzelne Hohltaube rucksen; doch antwortet zuweilen ein Männchen dem anderen, und da, wo viele hohle Bäume in geringer Entfernung von einander stehen, wetteifern mehrere Tauben mit einander. Das Rucksen vernimmt man nicht nur in den Morgen-, Vormittags- und Abendstunden, wie bei der Ringeltaube, sondern zu jeder Zeit, während welcher der Taubert in der Nähe der brütenden Täubin oder seiner Jungen sich befindet. Vor der Paarung ist natürlich das Rucksen am stärksten.« Die Nahrung besteht in Körnern aller Art. Sie fliegt früh von acht bis neun Uhr und nachmittags von drei bis vier Uhr nach Futter aus, liest dieses von den Aeckern und Wiesen auf und geht zwischen elf und zwölf Uhr mittags und abends zur Tränke.
Das Hohltaubenpaar ist ein Bild treuer Gattenliebe. Das Männchen hält innig zu seinem Weibchen, ist gewöhnlich in seiner Nähe, unterhält es mit Rucksen, während es brütet, und begleitet es, wenn es von den Eiern gejagt wird. Sofort nach der Ankunft im Frühjahre erwählt sich das Paar eine passende Nisthöhle, und schon im Anfange des April findet man in ihr das erste Gelege, zwei weiße Eier von sechsunddreißig Millimeter Länge und siebenundzwanzig Millimeter Dicke. Beide Eltern brüten mit Hingebung. »So wenig Anhänglichkeit die Ringeltauben gegen ihre Eier zeigen«, sagt mein Vater, »eine so ausgezeichnete beweisen die Hohltauben. Sie sitzen nicht nur sehr fest auf den Eiern, so fest, daß man die brütende Taube zuweilen ergreifen kann, sondern sie suchen selbst mit Gefahr ihres Lebens das Nest wieder auf. Man kann nach der Täubin schießen, ohne daß sie ihre Eier verläßt.« Wird das Paar nicht gestört, so macht es drei Bruten im Jahre, niemals aber zwei nach einander in demselben Neste, sondern jede in einer anderen Baumhöhlung. Dies geschieht deshalb, weil alle Tauben den Unrath ihrer Jungen nicht aus dem Neste tragen, die Höhlung aber, in welcher Junge groß wuchsen, wie Naumann sagt, »ein stinkender Pfuhl von Unrath ist«, so daß die Jungen in ihrem eigenen Kothe sitzen, mit ihm die Bauch- und Schwanzfedern beschmutzen und sich erst lange nach dem Ausfliegen reinigen. Im nächsten Jahre kann das Paar die Höhlung wieder beziehen; der Unrath ist dann infolge der Fäulnis oder, Dank den Kerbthieren, so verändert worden, daß er nicht mehr hindert; es hat vielleicht auch ein Specht oder ein anderer Vogel die Höhlung wieder ausgeräumt. Da nun jedes Paar im Laufe des Sommers mehrerer Höhlen bedarf, kommt es oft in Verlegenheit und Noth. Es muß sich den Nistplatz schwer erstreiten und hat nicht bloß mit anderen Hohltaubenpaaren, sondern auch mit Spechten, Staaren, Dohlen und Mandelkrähen zu kämpfen, ohne als Sieger hervorzugehen, kann sich den veränderten Verhältnissen nicht anbequemen und sieht sich zuletzt gezwungen, eine für sie unbewohnbare Gegend zu verlassen. Dies ist die alleinige Ursache der Verminderung.
Alle Feinde, welche die Ringeltaube bedrohen, werden auch der Hohltaube gefährlich; manches Nest mag noch vom Baummarder und Hermelin ausgenommen werden, obschon man ein friedliches Zusammenleben der Hohltaube und arger Räuber, wie man es kaum für möglich halten möchte, beobachtet hat. In der Nähe meines Heimatsortes wurde, wie mein Vater erzählt, eine Eiche gefällt, in welcher in einem unteren Loche vier junge Baummarder und in einer hoch oben befindlichen Höhlung zwei junge Hohltauben saßen. Diese merkwürdige Nachbarschaft dürfte nicht leicht wieder vorkommen.
Die Hohltaube wird leichter zahm als die Ringeltaube, mischt sich freiwillig zuweilen unter die Feldtauben und soll sich sogar mit diesen paaren. Bestimmte Beobachtungen hierüber liegen meines Wissens nicht vor; aber das Betragen der beiden Verwandten gegen einander läßt vermuthen, daß die Annahme nicht unrichtig ist. Auch von mir gepflegte Hohltauben lebten in großer Freundschaft mit Feldtauben, und mehr als einmal habe ich gesehen, daß ein Felsentauber eine Hohltaube treten wollte.
Die wichtigste aller Tauben ist die Felsentaube, Stein-, Grotten- und Ufertaube ( Columba livia, glauconotos, intermedia, domestica, hispanica, turcica, gutturosa, cucullata, hispida, turbida, galeata, tabellaria, dasypus, gyratrix, rupestris, unicolor, elegans, dubia, gymnocyclus und Schimperi), die Stammmutter unserer Haustaube. Sie ist auf der Oberseite hell aschblau, auf der Unterseite mohnblau, der Kopf hell schieferblau, der Hals bis zur Brust dunkel schieferfarben, oben hell blaugrün, unten purpurfarben schillernd, der Unterrücken weiß; über den Flügel ziehen sich zwei schwarze Binden; die Schwingen sind aschgrau, die Steuerfedern dunkel mohnblau, am Ende schwarz, die äußersten auf der Außenseite weiß. Das Auge ist schwefelgelb, der Schnabel schwarz, an der Wurzel lichtblau, der Fuß dunkel blauroth. Männchen und Weibchen unterscheiden sich kaum durch die Färbung; die Jungen sind dunkler als die Alten. Die Länge beträgt vierunddreißig, die Breite sechzig, die Fittiglänge einundzwanzig, die Schwanzlänge elf Centimeter.
Das Verbreitungsgebiet der Felsentaube, welche in mehreren ständigen Unterarten auftritt, beschränkt sich in Europa auf einige nordische Inseln und die Küsten des Mittelmeergebietes, umfaßt aber außerdem fast ganz Nordafrika, Palästina, Syrien, Kleinasien und Persien sowie einzelne Theile des Himalaya. In Deutschland hat man sie meines Wissens noch nicht brütend gefunden; wohl aber ist mir ein Fall bekannt, daß sie am Südabhange des Riesengebirges, in der Nähe von Johannisbad, genistet hat. Regelmäßig bewohnt sie verschiedene Gegenden längs der Westküste von Schottland, insbesondere die Hebriden, Orkney- und Shetlandsinseln, die Färinseln und das kleine Felseneiland Rennesö bei Stavanger, an Norwegens westlicher Küste, ferner fast alle geeigneten Felsenwände um das Mittelmeer, von Triest an, Griechenland, ganz Italien, Frankreich, Südspanien. Auf den Färinseln ist sie, laut Graba, gemein, nistet fast auf jeder bewohnten Insel, weiß sich aber so zu verbergen, daß die Bewohner weder ihrer Eier, noch ihrer Jungen habhaft werden können. Auch wenn sie ihre Nahrung auf der Indmark sucht, ist sie sehr scheu, dabei im Fliegen so gewandt, daß weder die Raubmöven, noch die Raben ihr etwas anhaben können, während die zahmen Tauben sogleich von letzteren getödtet werden. »Ich sah sie in eine geräumige Höhle fliegen, in welche man allenfalls gelangen konnte. Nach vieler Mühe und Gefahr kamen wir dahin und bemerkten, daß die Höhle sehr verschüttet war und aus mehreren kleineren bestand. Die Eingänge waren durch größere und kleinere Steine verdeckt, so daß von den Tauben oder gar ihren Brutplätzen nichts zu sehen war. Weder Sprechen, noch Schreien, noch Steinwerfen brachten sie heraus; es wurde also ein Gewehr abgefeuert. Plötzlich belebte sich die Höhle, und die Tauben flatterten nach allen Seiten davon.« In der Umgegend von Triest lebt sie geeigneten Ortes überall, auf dem Karst namentlich in unterirdischen, trichterartigen Höhlen, oft tief unter der Oberfläche, in Istrien, Dalmatien, Italien, Griechenland und Kleinasien sowie auf allen griechischen Inseln in Felsenriffen hart am Meere wie auf den höchsten Gebirgen. Auf den Kanaren tritt sie, laut Bolle, nicht nur längs der Küsten, sondern auch im Inneren der Inseln, wo diese nicht bewaldet sind, in Menge auf, wurde selbst noch in einem Höhengürtel von zwei- bis dreitausend Meter über dem Meere am Teide angetroffen: Berthelot fand sie aus Lazarote in dem noch frischen Krater der Feuerspeier, trotz des Schwefelgeruches und der großen Hitze, welche darin herrschten. Auch dort brüten oder schlafen sie am liebsten in Höhlen, und auf Lazarote gewähren sie ein ganz besonderes Jagdvergnügen, indem man im Dunkeln mit Fackeln in ihre Grotten dringt, den Eingang verstopft und dann mit Stangen auf sie losschlägt. In Egypten sah ich sie an Felswänden, namentlich in der Nähe der Stromschnellen, in sehr zahlreicher Menge, einzelne Flüge von ihnen aber auch inmitten der Wüste, wo man sich fragen mußte, wie die arme Erde hier im Stande sei, den Massen genügende Nahrung zu bieten. Im Inneren Afrikas ist sie viel seltener; an günstigen Stellen aber vermißt man sie nicht, und ein stehender Felsen mit steilen Wänden beherbergt sie gewiß. In Indien gehört sie zu den gemeinsten und häufigsten Vögeln, brütet ebenfalls in Höhlen und Nischen der Felsen und Klippen, wo möglich in der Nähe von Wasser und oft in Gemeinschaft mit dem Alpensegler, so in der Nähe der berühmten Fälle von Grisoppa. Hier, wie in Egypten, lebt sie auch in einem halbwilden Zustande und bewohnt alle alten ruhigen Gebäude, Stadtmauern, Pagoden, Felsentempel und ähnliche Baulichkeiten, oder bezieht die Thürme, welche ihr zu Gefallen errichtet werden. In Oberegypten gibt es viele Ortschaften, welche mehr der Tauben als der Menschen halber erbaut zu sein scheinen. Nur das untere Stockwerk des pyramidenartigen, platt gedeckten Hauses bewohnt der Bauer, das obere, gewöhnlich weiß getünchte und sonstwie verzierte, gehört den Tauben an, und außerdem errichtet man noch hohe kuppelförmige Thürme einzig und allein dieser Vögel wegen. Das Mauerwerk aller jener Gebäude, welche ich Taubenschläge nennen will, besteht nicht aus Ziegelsteinen, sondern von einer gewissen Höhe an nur aus großen, eiförmigen, dickwandigen Töpfen, welche über einander gelagert und durch Mörtel, bezüglich Nilschlamm mit einander verkittet wurden. Jeder Topf ist an dem nach außen gekehrten Ende durchbrochen, das betreffende Loch jedoch nicht groß genug, um einer Taube Zugang zu gewähren, sondern nur bestimmt, Luft und Licht durchzulassen. Von der anderen inneren Seite dagegen ist jeder Topf bequem zugänglich und gibt einem Neste Raum. Die Eingänge zu den Taubenhäusern sind ziemlich groß und mit eingemauerten Reisigbünden umgeben, welche die Stelle der Flugbreter vertreten. Daß diese Einrichtung sich bewährt, geht aus den Massen von Tauben, welche die Häuser fortwährend umlagern, deutlich hervor.
Im Süden sind die Felsentauben Standvögel; im Norden zwingt sie der Winter zum Wandern. Sie versammeln sich vor dem Abzüge in zahlreiche Schwärme und scheinen während ihres Aufenthaltes in der Fremde diese Vereine nicht zu lösen. Es ist mir wahrscheinlich, daß derartige Wanderschaaren oft von uns bemerkt, aber nicht erkannt, sondern als gewöhnliche Feldflüchter angesehen werden. Sie ziehen erst dann die Aufmerksamkeit auf sich, wenn man sie, wie zuweilen geschieht, sich mit Krähen und Dohlen vereinigen oder auf Bäumen niederlassen sieht, was sie immer noch öfter als die Feldflüchter zu thun pflegen. Im Jahre 1818 erschien ein Schwarm von etwa tausend Paaren zu Ende des December in der Gegend von Kreuzburg, welcher allgemeine Aufmerksamkeit erregte. Diese Tauben hielten sich in Gesellschaft der Saatkrähen und Dohlen, saßen am Tage mit den Haustauben in friedlicher Gemeinschaft auf den Dächern, zogen aber gegen Abend in die Nadelwälder und übernachteten hier auf Bäumen. Sie blieben bis zur Mitte des Januar in jener Gegend und verschwanden nach und nach, ohne daß man erfuhr, wie. Einen ähnlichen Flug beobachtete mein Bruder in der Nähe meines Geburtsortes, und wahrscheinlich waren die Felsentauben, welche wir in der Sierra Nevada antrafen, auch nur eingewanderte.
Das Betragen der Felsentaube weicht von dem unserer Haustaube wenig ab. Sie ist gewandter, namentlich behender im Fluge als unsere Feldflüchter und regelmäßig sehr menschenscheu; in allem übrigen gewährt uns das Betragen der Nachkommen ein getreues Lebensbild der Stammeltern. Sie geht gut, aber nickend, fliegt vortrefflich, mit pfeifendem Säuseln, durchmißt ungefähr hundert Kilometer in der Stunde, klatscht vor dem Auffliegen und schwebt vor dem Niedersitzen, steigt gern hoch empor und kreist oft längere Zeit in dicht geschlossenen Schwärmen. Die Bäume meidet sie auffallend, obwohl es einzelne Ausnahmen gibt. So sieht man die egyptischen Haustauben regelmäßig auf den Palmen sitzen, und auch bei uns beobachtet man einzelne Feldflüchter, welche hier sich niederlassen. Beim Nahrungsuchen läuft sie stundenlang auf dem Boden herum, beim Trinken wadet sie zuweilen ein wenig in das Wasser hinein; die egyptischen aber setzen sich, wenn sie trinken wollen, mitten auf den Strom, lassen sich von den Wellen tragen und erheben sich, wenn sie ihren Durst gestillt haben.
Sinne und geistige Fähigkeiten der Felsentaube sind wohl entwickelt. Die wilde läßt sich zwar nicht leicht beobachten; bei der zahmen aber bemerkt man bald, daß man es mit klugen und verständigen Vögeln zu thun hat. Ihr Wesen ist ein Gemisch von gutem und bösem. Sie ist friedfertig und verträglich, richtiger vielleicht gleichgültig gegen andere Thiere und lebt unter sich so ziemlich in Frieden. Die Paarungszeit erregt freilich auch bei ihnen eifersüchtige Gefühle, und dann kann es vorkommen, daß zwei Tauberte sich streiten; die Sache ist aber nicht so ernst gemeint, und der Kampf währt selten lange. Auch Futterneid macht sich bemerklich: diejenige Taube, welche reichlich Nahrung findet, breitet die Flügel aus und versucht dadurch andere abzuhalten, das gefundene mit ihr zu theilen; die Geselligkeit, welche ihnen in hohem Maße eigen ist, beendet derartige Zwistigkeiten aber immer in sehr kurzer Zeit, und wenn Gefahr sich naht oder ein Unwetter droht, gibt die Gesammtheit Beweise der edelsten Gefühle.
Die Stimme, das bekannte Rucksen, besteht aus dumpfen, heulenden und rollenden Tönen welche ungefähr wie »Marukuh murkukuh marhukukuh« klingen. Die einzelnen Ausrufe werden mit Bücklingen, Drehungen und Kopfnicken begleitet und folgen sich um so schneller, je eifriger das Männchen ist. Manchmal stoßen die Tauberte Laute aus, welche man durch die Silben »Huhu« oder »Huhua« bezeichnen kann: sie bekunden ein Verlangen des Männchens nach dem Weibchen oder sind Klagen über zu lange Abwesenheit des einen Gatten.
Alle Arten unseres Getreides und außerdem die Sämereien von Raps und Rübsen, Linsen, Erbsen, Lein ect., vor allem anderen aber die Körner der als unausrottbares Unkraut gefürchteten Vogelwicke bilden die Nahrung der Felsen- und Haustauben. Man hat sie als schädliche Thiere betrachtet, weil sie ziemlich viel Nahrung bedürfen und uns fühlbare Verluste zufügen können; wenn man aber bedenkt, daß sie Getreide nur während der Zeit der Aussaat fressen, wird man weniger streng urtheilen, zumal, wenn man noch berücksichtigt, daß sie den Schaden, welchen sie verursachen, durch Aufzehren von Unkrautsämereien reichlich wieder ausgleichen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß sie uns viel mehr nützen, als wir glauben. Auch sie fliegen regelmäßig zu gewissen Zeiten nach Nahrung aus, gewöhnlich früh und vormittags und nachmittags noch einmal, wenn sie ein besonders ergiebiges Feld erspäht haben, oft ziemlich weit.
Man nimmt an, daß die Felsentaube wenigstens zweimal jährlich nistet, und weiß mit Bestimmtheit, daß der Feldflüchter im Laufe des Sommers mindestens drei Bruten macht. Mit Beginn des Frühlings ruckst der Tauber sehr eifrig, zeigt sich anderen gegenüber zänkisch und erkämpft sich, nicht immer ohne Mühe, sein Weibchen, welchem er die größte Zärtlichkeit bekundet. »Ein einmal verbundenes Paar«, sagt Naumann, »trennt sich im Leben nicht wieder und ist auch außer der Fortpflanzung immer beisammen. Ausnahmen hiervon sind selten. Sobald der Tauber einen Ort für das Nest erwählt hat, setzt er sich da fest und heult, den Kopf auf den Boden niedergelegt, bis die Täubin kommt. Diese läuft gewöhnlich mit ausgebreitetem und aufstreichendem Schwanze auf ihn zu, beginnt mit ihm zu tändeln und krabbelt ihn ganz behutsam zwischen den Kopffedern. Der Tauber reibt dagegen seinen Kopf zum öfteren auf seinen Rückenfedern. Beide fangen an sich zu schnäbeln, wobei sie sehr zärtlich thun, und nunmehr erst erfolgt die Begattung. Wenn sie vollzogen, schreiten sie mit stolzem Anstande einher, fliegen auch wohl, mit den Flügeln klatschend und in der Luft spielend, ein wenig in die Höhe und ordnen und putzen nun stillschweigend ihr Gefieder wieder. Sowie die Täubin alle dem Betreten vorhergegangenen Bewegungen zärtlich erwidert, so geschieht es nicht selten, daß sie, nachdem sie betreten worden, auch den Tauber betritt. Nach einigen Tagen, an welchen die Begattung öfters vollzogen wurde, treibt der Tauber seine Gattin vor sich her zum Nistplatze, wo der Bau beginnen soll, fliegt nach Baustoffen aus, trägt sie im Schnabel herbei, und die Täubin baut damit das Nest. Dieses ist ein flacher, in der Mitte wenig vertiefter, ohne alle Kunst zusammengelegter Haufen trockener Reiser, Pflanzenstengel, Stroh und dürrer Halme. Bis zum Legen des ersten Eies vergehen nun noch mehrere Tage, während welcher das Weibchen öfters vom Männchen betreten und endlich zum Neste getrieben wird.« Die zwei Eier haben längliche Gestalt und sind glattschalig, glänzend und reinweiß. Beide Geschlechter brüten, die Täubin von drei Uhr nachmittags bis zehn Uhr vormittags ununterbrochen, der Tauber nur in den wenigen Stunden, welche dazwischen liegen. Trotzdem wird ihm die Zeit viel zu lang; denn schon nach ein Uhr pflegt er ärgerlich zu heulen, in der Absicht, die Taube, welche ihre wenigen Erholungsstunden doch sehr nöthig hat, herbeizuführen. Nachts schläft er in unmittelbarer Nähe des Nestes, immer bereit, die Gattin nach Kräften zu beschützen, duldet nicht einmal, daß eine andere Taube sich nähert. Nach sechzehn bis achtzehn Tagen sind die Eier gezeitigt, und die äußerst unbehülflichen, blinden Jungen schlüpfen in einem Zwischenräume von vierundzwanzig bis sechsunddreißig Stunden nach einander aus. In der ersten Zeit werden sie von beiden Eltern mit dem Futterbrei gefüttert, welcher sich im Kropfe bildet; später erhalten sie erweichte, endlich härtere Sämereien, nebst Steinchen und Lehmstücken. Sie sind nach vier Wochen erwachsen, schwärmen mit den Alten aus, machen sich in wenigen Tagen selbständig, und die Eltern schreiten nun zur zweiten Brut.
Die Felsen- und die Feldtauben haben dieselben Feinde wie andere Arten ihrer Ordnung, die letztgenannten selbstverständlich mehr als die wild lebenden, weil diese ihre Feinde nicht nur besser kennen, sondern ihnen auch leichter entrinnen. Bei uns zu Lande sind Marder, Wanderfalken und Habichte die schlimmsten Feinde der Tauben, im Süden werden jene durch Verwandte vollständig vertreten. Vor Raubvögeln fürchten sich die Tauben so, daß sie zuweilen zu sonderbaren Mitteln ihre Zuflucht nehmen. So sähen Naumann und Eugen von Homeyer Feldflüchter, vom Wanderfalken verfolgt, sich in einen Teich, sogar in die See stürzen, untertauchen und an einer ganz anderen, weit entfernten Stelle wieder auftauchen und weiterfliegen. Daß sich Tauben oft in das Innere der Häuser flüchten und dabei Fensterscheiben zerbrechen, ist bekannt.
Wilde Felsentauben, welche jung aus dem Neste genommen werden, betragen sich genau wie Feldflüchter, befreunden sich mit den Menschen, bekunden jedoch niemals jene hingebende Unterthänigkeit, welche die Farben- und Rassentauben an den Tag zu legen pflegen.
Die hochberühmte Wandertaube ( Ectopistes migratorius, Columba migratoria, americana und canadensis), Vertreter einer gleichnamigen Sippe ( Ectopistes), ist kräftig gebaut, langhälsig und kleinköpfig, ihr Schnabel mittellang, ziemlich dünn, gerade, der Lauf kurz, aber kräftig, kürzer als die Mittelzehe ohne Nagel, der Flügel lang, zugespitzt, in ihm die zweite Schwinge die längste, der aus zwölf Federn bestehende Schwanz länger als die Flügel und, mit Ausnahme seiner beiden etwas verkürzten Mittelfedern, abgestuft. Die allgemeine Färbung ist schieferblau, die der Unterseite röthlichgrau; die Halsseiten sind purpurviolett, wie gewöhnlich schillernd, der Bauch und die Afterdecken weiß, die Schwingen schwärzlich, weiß gesäumt, die mittleren Steuerfedern schwarz, die seitlichen lichtgrau, an der Wurzel der Innenfahne mit einem braunrothen und einem schwarzen Fleck gezeichnet. Das Auge ist glänzend roth, der Schnabel schwarz, der Fuß blutroth. Beim etwas kleineren Weibchen herrscht Aschgraubraun, auf dem Rücken und Bürzel Weißlichgrau vor; die mittleren Schwanzdeckfedern sind rothbraun. Die Länge beträgt beim Männchen zweiundvierzig, beim Weibchen neununddreißig, die Breite fünfundsechzig und sechzig, die Fittig- und Schwanzlänge je einundzwanzig Centimeter.
Von der Hudsonsbai an bis zum Golfe von Mejiko und von den Felsgebirgen an bis zur östlichen Küste findet sich die Wandertaube, welche sich auch einige Male nach England verflogen haben soll, in allen Staaten Nordamerikas, aber keineswegs überall in gleicher Menge. In den östlicheren Staaten scheint sie, wie Gerhardt sagt, in größeren Massen aufzutreten, »und daher schreiben sich auch die von den glaubwürdigsten Beobachtern ausgehenden Beschreibungen ihrer Sitten und Gewohnheiten, welche im Auge manches Europäers ins Reich der Fabel zu gehören scheinen, weil er vernehmen muß, daß in Nordamerika die Züge wilder Tauben die Sonne verfinstern, meilengroße Wälder durch ihren scharfen Koth verderben und starke Neste unter ihrer Last niederbrechen, einer zahlreichen Menschenmenge nebst ihren Schweinen und einer Unzahl von Raubthieren wochenlang Nahrung bieten und in Wald und Feld wirklich furchtbaren Schaden thun können.« Alle Schilderungen des Auftretens dieser Taube aber sind wahr, erreichen nicht einmal die Wirklichkeit.
»Die Wandertaube, welche in Amerika Wildtaube genannt wird«, sagt Audubon, »bewegt sich mit außerordentlicher Schnelligkeit und treibt sich mittels rasch wiederholter Flügelschläge durch die Luft. Sie fliegt oft im Kreise umher, mit beiden im Winkel erhobenen Flügeln sich in der Schwebe erhaltend, bis sie sich niederläßt. Dann stößt sie die Spitzen der Vorderschwingen an einander und veranlaßt dadurch ein bis auf dreißig oder vierzig Meter vernehmbares Geräusch. Bevor sie sich setzt, bricht sie die Kraft des Fluges durch wiederholte Flügelschläge, um zum ruhigen Erfassen eines Zweiges oder zum Fußen auf dem Boden gelangen zu können.
»Ich habe mit der Schilderung des Fluges begonnen; denn er ist es, welcher die Gewohnheiten dieser Thiere bestimmt. Ihre Wanderungen geschehen ausschließlich der Nahrung halber, nicht, um der Winterstrenge nördlicher Breiten zu entrinnen oder um einen passenden Platz zum Brüten zu suchen. Demgemäß nehmen sie nirgends festen Stand, sondern siedeln sich da an, wo sie Futter finden, verweilen unter Umständen jahrelang, wo man sie sonst nie bemerkte, verschwinden plötzlich und kehren erst nach Jahren wieder zurück. Ihre außerordentliche Flugkraft setzt sie in den Stand, erstaunliches zu leisten. Dies ist erprobt worden durch in Amerika wohlbekannte Thatsachen. Man tödtete in der Umgebung New Yorks Wandertauben, deren Kropf mit Reis gefüllt war, welchen sie doch nur in den Feldern Georgias und Carolinas verzehrt haben konnten. Da ihre Verdauung so rasch vor sich geht, daß das eingenommene Futter in zwölf Stunden völlig zersetzt ist, mußte man schließen, daß sie zwischen drei- und vierhundert (englische) Meilen binnen sechs Stunden oder die Meile in einer Minute zurückgelegt hatten. Hiernach könnten sie bei gleicher Geschwindigkeit in weniger als drei Tagen nach Europa gelangen. Diese Flugkraft wird unterstützt durch große Sinnesschärfe, welche sie befähigt, bei ihren raschen Flügen das Land unter sich abzusuchen und ihr Futter mit Leichtigkeit zu entdecken. Ich habe beobachtet, daß sie, über eine unfruchtbare Gegend ziehend, in hoher Luft dahinstrichen, während sie da, wo die Gegend waldig und nahrungversprechend war, sich oft herniedersenkten.«
»Auf meinem Wege nach Frankfort«, erzählt Wilson, »durchstrich ich die Wälder, über denen ich in den Morgenstunden viele Tauben nach Osten hatte fliegen sehen. Gegen ein Uhr mittags begannen sie zurückzukehren und zwar in solchen ungeheueren Scharen, daß ich mich nicht erinnern konnte, zuvor so viele auf einmal gesehen zu haben. Eine Lichtung in der Nähe der Bersoebucht gewährte nur freie Aussicht, und hier setzte mich das, was ich sah, vollends in Erstaunen. Die Tauben flogen mit großer Stetigkeit und Schnelligkeit ungefähr in der Höhe eines Büchsenschusses über mir, mehrere Schichten dick und so eng neben einander, daß, wenn ein Flintenschuß sie hätte erreichen können, eine einzige Ladung mehrere von ihnen gefällt haben würde. Von der Rechten zur Linken, so weit das Auge reichte, erstreckte sich dieser unermeßliche Zug in die Breite und Länge, und überall schien er gleich gedrängt und gleich dicht zu sein. Neugierig, zu erfahren, wie lange das Schauspiel währen würde, zog ich meine Uhr, um die Zeit zu bestimmen, und setzte mich nieder, um die vorüberziehenden Taubenscharen zu beobachten. Es war ein Viertel nach ein Uhr, und ich saß von nun an mehr als eine Stunde, aber statt daß ich eine Verminderung des Zuges wahrnehmen konnte, schien er zu wachsen an Anzahl und zuzunehmen an Schnelligkeit, und ich mußte endlich, um Frankfort noch zu erreichen, meinen Weg fortsetzen. Gegen vier Uhr nachmittags kreuzte ich den Kentuckyfluß bei der Stadt Frankfort: der lebendige Strom über meinem Haupte schien aber noch immer ebenso zahlreich, noch ebenso breit zu sein als je zuvor. Lange nachher gewahrte ich die Tauben noch in großen Abtheilungen, welche sechs oder acht Minuten brauchten, ehe sie vorüber waren, und diesen folgten wiederum andere Scharen, in derselben Richtung nach Südosten fliegend, bis nach sechs Uhr des Abends. Die größte Breite des Zuges ließ auf eine entsprechende Breite ihres Brutplatzes schließen.«
»Im Herbste 1813«, berichtet Audubon, »als ich einige Meilen unter Hardensburgh am Ohio über die dürren Ebenen ging, bemerkte ich einen Zug Wandertauben, welcher von Nordost nach Südwest eilte. Da mir ihre Anzahl größer erschien, als ich sie jemals vorher gesehen hatte, kam mir die Lust an, die Züge, welche innerhalb einer Stunde im Bereiche meines Auges vorüberflogen, zu zählen. Ich stieg deshalb ab, setzte mich auf eine Erhöhung und machte mit meinem Bleistift für jeden vorübergehenden Zug einen Tupfen aufs Papier. In kurzer Zeit fand ich, daß das Unternehmen nicht auszuführen war: denn die Vögel erschienen in unzählbarer Menge. Ich erhob mich also, zählte die Tupfen und fand, daß ich in einundzwanzig Minuten deren einhundertdreiundsechzig gemacht hatte. Ich setzte meinen Weg fort; aber die Massen vermehrten sich immer stärker. Die Luft war buchstäblich mit Tauben erfüllt und die Nachmittagssonne durch sie verdunkelt wie bei einer Mondfinsternis. Der Unrath fiel in Massen wie Schneeflocken herab, und das Geräusch der Flügelschläge übte eine einschläfernde Wirkung auf meine Sinne. Während ich in Youngs Wirtschaft am Zusammenflusse des Saltriver mit dem Ohio auf mein Mittagessen wartete, sah ich noch unermeßliche Legionen vorüberziehen, in einer Breite, welche sich vom Ohio bis zu den in der Ferne sichtbaren Waldungen erstreckte. Nicht eine einzige dieser Tauben ließ sich nieder; aber in der ganzen Umgegend gab es auch keine Nuß oder Eichel. Demgemäß flogen sie so hoch, daß verschiedene Versuche, sie mit meiner vortrefflichen Büchse zu erreichen, vergeblich waren: die Schüsse störten sie nicht einmal. Unmöglich ist es, die Schönheit ihrer Luftschwenkungen zu beschreiben, wenn ein Falke versuchte, eine aus dem Haufen zu schlagen. Mit einemmale stürzten sie sich dann unter Donnergeräusch, in eine feste Masse zusammengepackt, wie ein lebendiger Strom hernieder, drängten dicht geschlossen in welligen und scharfwinkeligen Linien vorwärts, fielen bis zum Boden herab und strichen über demselben in unvergleichlicher Schnelle dahin, stiegen dann senkrecht empor, einer mächtigen Säule vergleichbar, und entwickelten sich, nachdem sie die Höhe wieder erreicht, zu einer Linie, gleich den Gewinden einer ungeheueren, riesigen Schlange. Vor Sonnenuntergang erreichte ich Louisville, welches von Hardensburgh fünfundfunfzig Meilen entfernt ist. Die Tauben zogen noch immer in unverringerter Anzahl dahin, und so ging es drei Tage ununterbrochen fort.
»Es war höchst anziehend, zu sehen, daß ein Schwarm nach dem anderen genau dieselben Schwenkungen ausführte wie der vorhergehende. Wenn z. B. ein Raubvogel an einer gewissen Stelle unter einen solchen Zug gestoßen hatte, beschrieb der folgende an derselben Stelle die gleichen Winkelzüge, Krümmungen und Wellenlinien, welche der angegriffene Zug in seinem Bestreben, der gefürchteten Klaue des Räubers zu entrinnen, durchflogen hatte. Der Mensch, welcher derartige Schwenkungen zu beobachten wünscht, braucht nur, wenn er einen derartigen Auftritt gesehen, auf derselben Stelle zu verweilen, bis der nächste Zug ankommt.
»Das ganze Volk war in Waffen. An den Ufern des Ohio wimmelten Männer und Knaben durch einander und schossen ohne Unterlaß unter die fremden Gäste, welche hier, als sie den Fluß kreuzen wollten, niedriger flogen. Massen von ihnen wurden vernichtet, eine Woche und länger genoß die Bevölkerung nichts als das Fleisch oder das Fett der Tauben, und es war von nichts als von Wildtauben die Rede. Die Luft war währenddem gesättigt von der Ausdünstung, welche dieser Art eigen ist.
»Vielleicht ist es nicht unnütz, eine Schätzung aufzustellen von der Anzahl der Tauben, welche ein solcher Schwarm enthält, und von der Menge der Nahrung, welche er vertilgt. Nimmt man an, daß der Zug eine Meile breit ist – was durchaus nicht übertrieben genannt werden darf – und daß er bei der angegebenen Schnelligkeit ununterbrochen drei Stunden währt, so erhält man ein Parallelogramm von einhundertundachtzig englischen Geviertmeilen. Rechnet man nun nur zwei Tauben auf den Geviertmeter, so ergibt sich, daß der Zug aus einer Billion einhundertundfunfzehn Millionen einhundertsechsunddreißigtausend Stück Wandertauben besteht. Da nun jede Taube täglich ein halbes Pint an Nahrung bedarf, braucht der ganze Zug eine Menge von acht Millionen siebenhundertundzwölftausend Bushels täglich.« Wilson stellt eine ähnliche Rechnung auf und gelangt zu dem Ergebnisse, daß ein Schwarm über zwei Billionen Tauben enthält und täglich siebzehn Millionen vierhundertvierundzwanzigtausend Bushels Körnerfutter bedarf.
»Sobald die Tauben«, fährt Audubon fort, »Nahrung entdecken, beginnen sie zu kreisen, um das Land zu untersuchen. Während ihrer Schwenkungen gewährt die dichte Masse einen prachtvollen Anblick. Je nachdem sie ihre Richtung wechseln und die obere oder untere Seite dem Beobachter zukehren, erscheinen sie bald blau, bald purpurn. So ziehen sie niedrig über den Wäldern dahin, verschwinden zeitweilig im Laubwerke, erheben sich wieder und streichen in höheren Schichten fort. Endlich lassen sie sich nieder; aber im nächsten Augenblicke erheben sie sich, plötzlich erschreckt, unter donnerähnlichem Dröhnen und vergewissern sich fliegend über die vermeintliche Gefahr. Der Hunger bringt sie jedoch bald wieder auf den Boden herab. Sobald sie gefußt haben, sieht man sie emsig die welken Blätter durchstöbern, um nach der zum Boden gefallenen Eichelmast zu suchen. Unablässig erheben sich einzelne Züge, streichen über die Hauptmasse dahin und lassen sich wieder nieder; dies geschieht aber in so rascher Folge, daß der ganze Zug beständig zu fliegen scheint. Die Nahrungsmenge, welche vom Boden ausgesucht wird, ist erstaunlich groß; aber das Aufsuchen geschieht so vollkommen, daß eine Nachlese vergebliche Arbeit sein würde. Während sie fressen, sind sie zuweilen so gierig, daß sie beim Verschlucken einer Nuß oder Eichel keuchen, als ob sie ersticken müßten. Ungefähr um die Mitte des Tages, nachdem sie sich gesättigt haben, lassen sie sich auf den Bäumen nieder, um zu ruhen und zu verdauen. Auf den Zweigen laufen sie gemächlich hin und her, breiten ihren schönen Schwanz und bewegen den Hals vor- und rückwärts in sehr anmuthiger Weise. Wenn die Sonne niedersinkt, fliegen sie massenhaft den Schlafplätzen zu, welche gar nicht selten Hunderte von Meilen von den Futterplätzen entfernt liegen.
»Betrachten wir nun einen dieser Schlafplätze, meinetwegen den an dem Grünen Flusse in Kentucky, welchen ich wiederholt besucht habe. Er befand sich in einem hochbestandenen Walde, welcher nur wenig Unterwuchs hatte. Ich ritt vierzig Meilen in ihm dahin und fand, da ich ihn an verschiedenen Stellen kreuzte, daß er mehr als drei Meilen breit war. Als ich ihn das erste Mal besuchte, war er ungefähr vor vierzehn Tagen in Besitz genommen worden. Zwei Stunden vor Sonnenuntergang kam ich an. Wenige Tauben waren zu sehen; aber viele Leute mit Pferden und Wägen, Gewehren und Schießvorrath hatten sich rings an den Rändern aufgestellt. Zwei Landwirte hatten über dreihundert Schweine mehr als hundert Meilen weit hergetrieben, in der Absicht, sie mit Taubenfleisch zu mästen. Ueberall sah man Leute beschäftigt, Tauben einzusalzen, und allerorten lagen Haufen von erlegten Vögeln. Der herabgefallene Mist bedeckte den Boden mehrere Centimeter hoch, in der ganzen Ausdehnung des Schlafplatzes, so dicht wie Schnee. Viele Bäume, deren Stämme etwa sechzig Centimeter im Durchmesser hatten, waren niedrig über dem Boden abgebrochen, und die Neste der größten und stärksten herabgestürzt, als ob ein Wirbelsturm im Walde gewüthet hätte. Alle Anzeichen deuteten darauf hin, daß die Anzahl der Vögel, welche hier gehaust hatten, eine über alle Begriffe große sein mußte. Als der Zeitpunkt des Eintreffens der Tauben herannahte, bereiteten sich deren Feinde fast ängstlich auf ihren Empfang vor. Viele erschienen mit eisernen Töpfen, welche Schwefel enthielten, andere mit Kienfackeln, wieder andere mit Pfählen, die übrigen mit Gewehren. Die Sonne war unseren Blicken entschwunden, und noch nicht eine einzige Taube war erschienen; aber alles stand bereit, und aller Augen schauten auf zum klaren Himmel, welcher zwischen den hohen Bäumen hindurch schimmerte. Plötzlich vernahm man den allgemeinen Schrei: ›Sie kommen‹. Und sie kamen, obgleich noch entfernt, so doch mit einem Dröhnen, welches an einen durch das Takelwerk brausenden Schneesturm erinnerte. Als sie wirklich da waren, und der Zug über mir wegging, verspürte ich einen heftigen Luftzug.
»Tausende von Tauben wurden rasch von den Pfahlmännern zu Boden geschlagen; aber ununterbrochen stürzten andere herbei. Jetzt wurden die Feuer entzündet, und ein großartiges, ebenso wundervolles wie entsetzliches Schauspiel bot sich den Blicken. Die Tauben, welche zu tausenden ankamen, ließen sich allerorten nieder, bis um die Neste und Zweige der Bäume sich feste Massen gebildet hatten. Hier und da brachen die Neste unter ihrer Last, stürzten krachend nieder und vernichteten Hunderte der darunter sitzenden Vögel, ganze Klumpen von ihnen zu Boden reißend. Es war ein Auftritt der Verwirrung und des Aufruhrs. Ich fand es gänzlich unnütz, zu sprechen oder auch den mir zunächst Stehenden zuzuschreien. Bemerkte man doch selbst das Abbrennen der Gewehre meist nur an dem Blitze des Pulvers!
»Niemand durfte wagen, sich auf den Schauplatz der Verheerung zu begeben. Die Schweine waren in einen Pferch gebracht worden; denn ihr Geschäft, die Todten und Verwundeten aufzulesen, sollte erst am nächsten Morgen beginnen. Schon war es Mitternacht, und noch fortwährend kamen die Tauben, noch immer zeigte sich keine Abnahme. Der Aufruhr währte die ganze Nacht hindurch fort. Ich war begierig zu erfahren, auf wie weit hin man den Lärm vernehmen könne, und sandte deshalb einen Mann ab, dies zu erforschen. Er kehrte mit der Nachricht zurück, daß er drei Meilen vom Orte noch alles deutlich gehört habe. Erst gegen Tagesanbruch legte sich das Geräusch einigermaßen. Lange bevor man einen Gegenstand unterscheiden konnte, begannen die Tauben bereits wegzuziehen und zwar in einer ganz anderen Richtung, als sie gekommen waren. Bei Sonnenaufgang waren alle verschwunden, welche noch fliegen konnten. Nun vernahm man das Heulen der Wölfe, der Füchse, der Luchse, des Kuguars, der Bären, Waschbären und Beutelthiere, welche unten umherschnüffelten, während Adler und eine Menge von Geiern sich einfanden, um mit jenen die Beute zu theilen. Jetzt begannen auch die Urheber der Niederlagen die todten, sterbenden und verstümmelten Tauben aufzulesen. Sie wurden auf Haufen geworfen, bis jeder so viele hatte, als er wünschte; dann ließ man die Schweine los, um den Rest zu vertilgen.«
Genau dieselbe Schlächterei findet auf den Brutplätzen der Wandertaube statt. »Das Brutgeschäft der Wildtaube«, erzählt Audubon ferner, »und die Plätze, welche zu diesem Zwecke gewählt werden, sind der Beachtung werth. Die Fortpflanzung hängt nicht gerade von der Jahreszeit ab; aber der gewählte Platz ist immer ein solcher, welcher leicht zu erlangende Nahrung im Ueberflusse enthält und in passender Nähe von Wasser liegt. Waldbäume von großer Höhe tragen die Nester. Zu dieser Zeit ruckst die Wandertaube sanft, aber doch stärker als unsere Haustaube, wie ›Kuh kuh kuh‹, während sie sonst nur die Silben ›Ki ki ki‹ auszustoßen pflegt. Der Tauber folgt mit stolzem Anstande, ausgebreitetem Schwanze und hängenden Flügeln, welche er unten zu schleifen pflegt, dem Weibchen, entweder auf dem Boden oder aus den Zweigen. Der Leib wird aufrecht gehalten, der Kropf vorgedrückt. Die Augen blitzen, er ruckst, hebt dann und wann seine Flügel, fliegt einige Meter weit vorwärts, kehrt zur Täubin zurück, schnäbelt sich liebkosend mit dieser und füttert sie aus seinem Kropfe. Nach solchem Vorspiele beginnen beide den Bau ihres Nestes. Dasselbe besteht aus wenigen dürren Zweigen, welche auf einer Astgabel durcheinander gelegt werden. Auf einem und demselben Baume sieht man oft fünfzig bis hundert Nester beisammen; ich würde sagen, noch mehr, fürchtete ich nicht, daß man die wunderbare Geschichte dieser Taube für märchenhaft halten möchte. Die zwei Eier sind rundlich, etwa fünfunddreißig Millimeter lang, fünfundzwanzig Millimeter dick und reinweiß. Während das Weibchen brütet, ernährt es das Männchen, erweist ihm überhaupt wahrhaft rührende Zärtlichkeit und Zuneigung. Es Verdient bemerkt zu werden, daß die Jungen regelmäßig ein Pärchen sind. Die Alten füttern ihre Sprossen, bis diese sich selbst ernähren können; dann verlassen sie die Eltern und bilden bis zu ihrer Reife gesonderte Schwärme. Nach sechs Monaten sind sie fortpflanzungsfähig. Sobald sie ausgekrochen sind, beginnt der Gewaltherrscher, Mensch genannt, die Bruten zu vernichten. Er zieht aus mit Aexten und anderen Waffen und haut Neste und Bäume nieder, den Frieden der harmlosen Ansiedler zu stören. Beim Zusammenstürzen der gefällten Stämme und Neste werden die Jungen aus den Nestern geschleudert und Massen von ihnen vertilgt.«
Wilson schildert den Brutplatz ausführlicher. »Wenn die brütenden Wandertauben einen Wald länger im Besitze gehabt haben, bietet er einen überraschenden Anblick dar. Der Boden ist mit Mist bedeckt, alles weiche Gras und Buschholz zerstört. Massen von Aesten liegen unten wirr durch einander, und die Bäume selbst sind in einer Strecke von mehr als tausend Acker so völlig kahl, als ob sie mit der Axt behandelt worden wären. Die Spuren einer solchen Verwüstung bleiben jahrelang sichtbar, und man stößt auf viele Stellen, wo in mehreren nachfolgenden Jahren keine Pflanze zum Vorscheine kommt. Die Indianer betrachten solchen Brutplatz als eine wichtige Quelle für ihren Wohlstand und Lebensunterhalt. Sobald die Jungen völlig ausgewachsen sind, erscheinen die Bewohner der umliegenden Gegenden mit Wägen, Betten und Kochgeräthschaften, viele vom größten Theile ihrer Familie begleitet, und bringen mehrere Tage auf dem Brutplatze zu. Augenzeugen erzählten mir, das Geräusch und Gekreisch in den Wäldern sei so arg gewesen, daß die Pferde scheu geworden wären und keiner dem anderen, ohne ihm ins Ohr zu schreien, sich verständlich hätte machen können. Der Boden war bedeckt mit zerbrochenen Aesten, herabgestürzten Eiern und Jungen, von denen Herden von Schweinen sich mästeten. Habichte, Falken und Adler kreisten scharenweise in hoher Luft und holten sich nach Belieben junge Tauben aus den Nestern; das Auge sah nichts als eine ununterbrochene, sich tummelnde, drängende, durch einander flatternde Taubenmasse; das Rauschen der Fittige glich dem Rollen des Donners. Dazwischen vernahm man das Prasseln der stürzenden Bäume; denn die Holzschläger beschäftigten sich jetzt, diejenigen umzuhauen, welche am dichtesten mit Nestern bedeckt waren.«
Man sollte glauben, daß die Tauben durch derartige Anstalten vertilgt werden müßten. »Ich habe mich aber«, bemerkt Audubon, »durch jahrelange Beobachtungen überzeugt, daß sie nichts anderes als die Rodung der Wälder zu vermindern vermag.« Im Jahre 1805 kamen in New Jork Schooner an, welche mit Wandertauben beladen waren. Das Stück wurde zu einem Cent verkauft. Ein Mann in Pennsylvanien fing, wie Audubon uns mittheilt, in seinem Schlaggarne an einem Tage fünfhundert Dutzend und zog zuweilen zwanzig Dutzenden von ihnen das Netz mit einem Male über den Kopf. Noch im Jahre 1830 gelangten sie so häufig auf den Markt zu New York, daß man sie überall massenweise sah.
In der Gefangenschaft hält die Wandertaube bei geeigneter Pflege jahrelang aus, Pflanzt sich auch ohne Umstände fort. Gegenwärtig fehlt sie in keinem unserer Thiergärten.
Die Turteltauben ( Turtur), welche eine zahlreiche, sehr übereinstimmende Sippe bilden, sind schlank gebaut, kleinköpfig, langflügelig und langschwänzig, ihre Füße verhältnismäßig lang, mindestens zum Gehen auf dem Boden geeignet. Das Gefieder hat im allgemeinen eine röthliche Färbung; ein Nackenband, welches bei den meisten Arten vorkommt und ihnen zur hohen Zierde gereicht, ist entweder schwarz oder perlfleckig schwarz und weiß.
Unsere Turteltaube oder Turtel ( Turtur vulgaris, auritus, migratorius, sylvestris, tenera , rufidorsalis und glauconotos, Columba und Peristera turtur, rufidorsalis, tenera und glauconotos), das Urbild der Sippe, kennzeichnet sich durch schlanke Gestalt, geraden, vor der Spitze der beiden Kinnladen eingezogenen und etwas erhöhten Schnabel, lange und schwachzehige Füße, lange Flügel, in denen die zweite und dritte Schwinge die längsten sind, und länglichen, deutlich abgerundeten Schwanz. Die Federn der Oberseite sind rostbraungrau, braun gerandet, in der Mitte schwarz und aschgrau gefleckt, Scheitel und Hinterhals graulich himmelblau, die Halsseiten durch vier schwarze, silberfarben gesäumte Querstreifen gezeichnet, Vorderhals, Kropf und die Oberbrust weinroth, die übrigen Untertheile bläulich rothgrau, nach und nach in Grauweiß übergehend, die Handschwingen schwarzgrau, die Armschwingen aschblau überflogen, die Schulterfedern schwärzlich, breit rostroth gekantet. Das Auge ist bräunlichgelb, der Augenring bläulichroth, der Schnabel schwarz, der Fuß karminroth. Die Länge beträgt dreißig, die Breite zweiundfunfzig, die Fittiglänge achtzehn, die Schwanzlänge zwölf Centimeter.
In Ostasien ersetzt unsere Turtel die zuweilen Osteuropa besuchende, ihr sehr ähnliche, jedoch merklich größere und dunklere, an ihrem bräunlich aschfarbenen, von der aschblaugrauen Stirn abstechenden Hinterkopfe und den licht bläulichgrauen Unterbauch- und Unterschwanzdeckfedern zu unterscheidende Girrtaube ( Turtur orientalis, meena, rupicola, gelastes und vitticollis, Columba orientalis, meena, rupicola, pulchrata, agricola, gelastes und vitticollis); in ganz Ostafrika und Westasien, von Syrien an bis Mittelindien vertritt sie die auch in Europa, und zwar in der Türkei, heimische, Griechenland nicht selten besuchende Palmtaube oder »Gimrïe« der Araber ( Turtur senegalensis, rufescens, pygmaeus, cambayensis und Savignii, Columba senegalensis, cambayensis, suratensis und maculicollis, Peristera senegalensis, rufescens, pygmaea und aegyptiaca), welche erheblich kleiner, nur sechsundzwanzig Centimeter lang, licht weinroth, bräunlich überflogen, in der Steißgegend weiß, auf dem Mantel holzbraun, gilblichbraun gesäumt, auf Unterrücken und Bürzel in der Mitte düsterbraun, an den Seiten bläulichgrau gefärbt ist, und deren ziemlich breites, aber wenig abstechendes, Kehle und Halsseiten umgebendes Halsband aus zimmetrothem Grunde durch breite, schwarze Längs- oder Schaftstriche gezeichnet wird.
Die Turteltaube ist über einen großen Theil Europas und Asiens verbreitet und durchwandert im Laufe des Winters weite Strecken in südlicher Richtung. Bei uns zu Lande findet sie sich stellenweise und hier und da nicht selten; aber schon im Norden Deutschlands fehlt sie in vielen Gegenden gänzlich, und in Skandinavien kommt sie nur noch in den südlichsten Provinzen vor, obwohl sich einzelne bis nach Lappland verflogen haben. Um so häufiger tritt sie in Südeuropa, Nordwestasien und Nordwestafrika auf, während sie den Nordosten des letztgenannten Erdtheiles nur gelegentlich ihrer Winterreise berührt. In Spanien begegnet man ihr in manchen Gegenden sehr häufig, in anderen selten und in einzelnen gar nicht; in Griechenland kommt sie zahlreich vor; in Südrußland, Kleinasien und Palästina ist sie stellenweise, in Persien allerorten gemein. Die Kanarischen Inseln bewohnt sie in Menge. »Von ihr«, sagt Bolle, »wimmeln die einsamen südlichen Thäler Kanarias. Sie ist es, welche mehr als jeder andere Vogel mit ihrem klangvollen Rucksen und Girren die blumenreiche Wildnis jener endlosen Schluchten belebt, in denen meilenweit schneeweißes, duftendes Gestrüpp die Abhänge bekleidet, während im Thalwege selbst höheres Buschwerk wächst. Auf jedem Aste, auf jedem Steinblocke fast sitzt die Turteltaube. Furchtlos schaut sie den Reiter mit ihrem großen, seelenvollen Auge an oder läuft emsig, ohne aufzufliegen, aus dem Wege, welchen er verfolgt, vor ihm her.« Auf den dürren, griechischen Ebenen begegnet man ihr in ähnlicher Anzahl; doch ist die Menge der Bruttauben in keinen Vergleich zu stellen mit den ungeheueren Scharen, welche auf ihrem Durchzuge die Felder bedecken. Im Frühjahre sind manche Fluren buchstäblich mit Turteltauben besäet, und ein geschickter Jäger kann ein halbes hundert von ihnen an einem Tage erlegen. Später sieht man sie in Egypten und Nubien an geeigneten Orten nicht selten, soweit ich in Erfahrung brachte, aber niemals in erheblichen Scharen.
Bei uns zu Lande trifft sie im Anfange des April ein, verweilt bis zum August auf ihrem Brutplatze, streicht dann umher und verläßt uns im September wieder. »Daß man sie in manchen Jahren häufiger als in anderen antrifft«, sagt mein Vater, »rührt theils von dem mehr oder weniger häufigen Fichtensamen, theils von den größeren oder geringeren Niederlagen her, welche sie auf ihren Wanderungen erleiden.« Ich glaube, daß das erstere richtig ist, die Niederlagen aber kaum in Betracht gezogen werden dürfen, da die starke Vermehrung dieser Taube derartige Verluste wieder ausgleicht. Auch Liebe zählt sie zu den Zigeunervögeln, welche in einzelnen Jahren in namhafter, in anderen nur in spärlicher Anzahl auftreten, je nachdem der Nadelholzsamen gerathen ist oder nicht. In der Umgegend von Berlin begegnet man ihr übrigens auf feuchten, mit einzelnen Birken bestandenen Wiesen viel öfter als im Nadelwalde. Auch sie nimmt nicht ab, eher zu.
»Die Turteltaube«, fährt mein Vater fort, »ist nicht nur ein schön gezeichneter, sondern auch in seinem ganzen Wesen liebenswürdiger Vogel, so daß man sich nicht wundern darf, wenn sie von Dichtern und Liebenden hochgeachtet wird. Schon ihre Schönheit nimmt für sie sin. Ihre sanften Farben gehen ansprechend in einander über und stehen so geschmackvoll neben einander, daß man sie mit Vergnügen ansieht.« Auch ihr Wesen ist anmuthend, obgleich man nicht verkennen darf, daß sie über Gebühr gerühmt worden ist. Ihre zierlichen Bewegungen, ihr Anstand und das sanfte Girren bestechen den Beobachter, und wenn dieser vollends von der Zärtlichkeit Zeuge wird, mit welcher das Männchen sein Weibchen behandelt, glaubt er berechtigt zu sein, diesen Vogel als den liebenswürdigsten von allen zu bezeichnen. Das ist nicht ganz richtig; denn auch die Turteltaube hat ihre schwachen Seiten, und ihre Zärtlichkeit ist nicht größer als bei vielen anderen Vögeln, ihre Treue vielleicht geringer. Sie geht gut und trägt sich schmuck und schön, fliegt vortrefflich, ungemein schnell, leicht und gewandt, auch ziemlich geräuschlos und versteht mit bewunderungswürdiger Geschicklichkeit alle möglichen Schwenkungen auszuführen. Von einem Raubvogel verfolgt, schießt sie in einer unbegreiflichen Weise zwischen den dichtesten Baumzweigen hindurch, ohne durch sie behindert zu werden, während der fluggeübte Räuber dadurch regelmäßig so belästigt wird, daß er von ihr abstehen muß. Die sehr sanfte und angenehme Stimme wird durch den deutschen und noch mehr den lateinischen Namen der Taube wiedergegeben. Das Girren ist streng genommen ein hohes, eintöniges Knurren, welches wie »Tur tur« klingt und oft wiederholt wird; aber dieses »Tur tur« ist so klangvoll, daß es jedermann erfreut. Der girrende Tauber auf der Spitze einer Fichte, Kiefer, Tanne, Birke oder im Süden auf der eines beliebigen Busches, auch wohl auf einem dürren Wipfel oder dem vorstehenden Aste eines höheren Baumes, bläst den Hals auf und senkt Kopf und Schnabel etwas nach unten. Steht man ihm sehr nahe, so hört man, daß zwischen das Girren ein leises Klappen eingeschoben wird, welches eine Folge des raschen Einathmens sein mag. Das Girren ist eben auch nur ein Liebesgesang des Taubers, und dieser läßt es daher hauptsächlich während seiner Liebesbegeisterung vor der Paarung hören. Er beginnt schon vor Sonnenaufgang, fährt damit fort, bis der Magen ans Futtersuchen mahnt, läßt sich in den Vormittagsstunden nochmals vernehmen und girrt gegen Abend wieder stärker. Wind und rauhes Wetter bringen ihn zum Schweigen; an schönen Morgen aber girrt er halbe Stunden lang fast ununterbrochen. Ist ein Gebiet reich an diesen Tauben, so wetteifern die Männchen mit einander, und dann beleben sie allerdings den Wald in höchst ansprechender Weise. Während der eigentlichen Paarungszeit steigt das Männchen nach dem Girren in schiefer Richtung nach oben, klatscht dabei mit den Flügeln, senkt sich langsam hernieder und kehrt meist zu demselben Orte zurück; hierauf beginnt das Girren von neuem, anhaltender als je. Der hitzige Tauber nähert sich dabei liebkosend der Taube, die Liebkosung wird erwidert, und die Begattung beschließt das Spiel. So lange die Brutzeit dauert, halten beide Gatten eines Paares treu zusammen, und wenn eines von ihnen zu Grunde geht, ist der Schmerz des anderen tief und nachhaltig. »Ich erlegte«, erzählt mein Vater, »das Weibchen eines Pärchens. Das Männchen flog nach dem Walde zu, kehrte aber, da das Weibchen nicht folgte, um und begann zu girren, um es zu sich zu rufen. Das Thier dauerte mich und ich wollte es auch tödten, um seinem Kummer ein Ende zu machen; doch hielt es nicht schußgerecht aus, floh aber auch nicht in den schützenden Wald, sondern hielt sich mehrere Stunden lang in den Feldbäumen auf, weil es ohne sein verlorenes Weibchen nicht zurückkehren wollte.« Viele Jäger glauben, daß der Gatte eines Turteltaubenpaares aus Kummer zu Grunde geht, wenn ihm sein Ehegespons geraubt wird: der Glaube macht dem Jägerherzen Ehre, ist aber unbegründet.
Sämereien der verschiedensten Pflanzen, insbesondere Fichten-, Kiefer-, Tannen-, Birken-, Erlen-, Mohn- und im Herbste Wolfsmilchsamen bilden die Nahrung der Turteltaube; nebenbei werden auch kleine Schnecken mit aufgenommen. Den Feldern nützt sie durch Aufzehren der Unkrautsamen; der Schaden, welchen sie durch Aufnehmen von Hanf, Lein, Hirse, Raps oder Rübsen, Erbsen, Linsen und Wicken verursacht, kommt nicht in Betracht. Elf Uhr vormittags und gegen Abend fliegt sie zur Tränke und zwar, dasie gutes Quellwasser bevorzugt, oft Viertelmeilen weit. Die Fortpflanzung beginnt bald nach der Ankunft im April, spätestens im Mai, und währt bis zum August; denn auch die Turteltaube brütet unter günstigen Umständen mehrmals im Jahre. Das Nest, ein erbärmlicher Bau, wird von beiden Gatten gemeinschaftlich in geringer Höhe auf Laub- oder Nadelbäumen errichtet, ohne jede Kunst aus dürren Reisern, Heidekraut, Würzelchen zusammengefügt, ist platt, da, wo die Eier liegen, etwas vertieft, im ganzen aber so liederlich gearbeitet, daß man die beiden Eier und die brütende Taube von unten deutlich erkennen kann. Doch schützt es sein Standort so ziemlich gegen die verheerenden Wirkungen des Sturmes, welcher es, stünde es freier, unzweifelhaft herunterwerfen würde. Die Eier, deren Längsdurchmesser neunundzwanzig und deren Querdurchmesser dreiundzwanzig Millimeter beträgt, werden wechselsweise bebrütet und warm geliebt, die Jungen selbst bei augenscheinlicher Lebensgefahr nicht verlassen. Ihre Ernährung geschieht in derselben Weise wie bei anderen Tauben. Sie lassen sich ohne jegliche Mühe groß ziehen und werden, wenn man sich mit ihnen beschäftigt, bald sehr zahm. »Die gezähmte Turteltaube«, sagt mein Vater mit vollem Rechte, »ist ein allerliebster Vogel; nicht nur ihre Schönheit, sondern auch ihr angenehmes Wesen und das sanfte Girren des Taubers sichern ihr den Vorzug vor allen ähnlichen Vögeln. Sie schreitet leicht zur Paarung und Fortpflanzung. Ich habe ein Paar in einem engen Gitter gesehen, welches hier baute und brütete, auch selbst mehrere gehabt, welche Brod, Weizen und Fichtensamen aus der Hand fraßen.« Eine, welche von Schlechtendal pflegte, lebte über vierzehn Jahre in Gefangenschaft, kannte alle ihr wohlwollenden Leute und begrüßte ihren ersten Pfleger selbst nach jahrelanger Abwesenheit als alten Bekannten, girrend, so oft er sie wieder besuchte.
Die Fluggewandtheit und Schnelligkeit sichern die Turteltaube vor vielen Feinden. Sie entgeht den meisten unserer Raubvögel, und nur die Brut hat von dem gesammten Raubgesindel manches zu leiden. Der Mensch behelligt sie wenig, der Waidmann schützt sie, und der Sonntagsjäger bemüht sich gewöhnlich vergeblich, sich ihr schußgerecht zu nahen; denn sie ist immer höchst vorsichtig und läßt sich so leicht nicht berücken. In der Winterherberge gereicht ihre Geselligkeit ihr oft zum Verderben.
Nächst der Turteltaube wird, abgesehen von der Felsentaube, keine andere Art der Ordnung häufiger zahm gehalten als die jener nahe verwandte Lachtaube ( Turtur risorius, decipiens, vinaceus und semitorquatus, Columba und Streptopeleia risoria, Peristera risoria und ridens). Sie ist isabellgelb, auf dem Rücken dunkler, auf dem Kopfe, der Kehle und dem Bauche lichter, auf den Schwingen schwärzlich, ein Genickband schwarz, das Auge lichtroth, der Schnabel schwarz, der Fuß karminroth. Die Länge beträgt einunddreißig, die Breite zweiundfunfzig, die Fittiglänge siebzehn, die Schwanzlänge dreizehn Centimeter.
Das Vaterland der Lachtaube ist Ostafrika und Südarabien; hier wie dort, insbesondere aber in Steppenwaldungen, habe ich sie häufig, zuweilen in unschätzbarer Menge, beobachtet. Eine Verwechselung mit anderen Tauben brauche ich nicht zu fürchten, da ich viele in Afrika erlegte Lachtauben in der Heimat auf das sorgfältigste mit anderen verglichen und gefunden habe, daß sie sich von unseren zahmen nicht im geringsten unterscheiden. Wohl aber weicht diejenige Art, welche die Lachtaube in Indien, Syrien und der Türkei vertritt und Kichertaube ( Turtur intercedens, Peristera und Streptopeleia intercedens) genannt werden mag, durch ihre graublauen Unterschwanzdeckfedern von jener ab.
Nach meinen Erfahrungen bewohnt die Lachtaube mit Vorliebe dürre, wüstenartige Steppengegenden. Sie ist schon von Mittelnubien an nach Süden hin häufig und wird im Inneren Afrikas zur gemeinsten Art der ganzen Ordnung. Bei einem Ritte durch die Samchara oder durch irgend eine Steppe des Inneren tönt das Lachen und Girren dieser Tauben beinahe von jedem Busche herab. Zu gewissen Zeiten des Jahres, gegen Anfang der Dürre hin, sammeln sie sich in manchen Waldungen zu wirklich unschätzbaren Massen. Man kann Züge gewahren, welche, wenn auch nicht stundenlang, so doch viele Minuten hinter einander in dichtem Gewimmel dahinfliegen oder, wenn sie sich niederlassen, buchstäblich mehrere Geviertkilometer bedecken. Ich erinnere mich an Tage, wo mir die Lachtauben überaus lästig wurden, weil sie mir die Jagd fast vereitelten, indem sie mich von allen Seiten umgaben und die Beobachtung anderer, seltenerer Thiere wesentlich beeinträchtigten. Solche Heere scheinen, wahrscheinlich vom Nahrungsmangel getrieben, wochenlang gemeinschaftlich in der Steppe umherzuschweifen, und sie kommen an manchen Wasserplätzen in den Vormittagsstunden und gegen Abend zu Millionen an, wenn auch nicht sämmtlich auf einmal, so doch stundenlang in ununterbrochener Folge. Während des übrigen Jahres sieht man die Lachtaube paarweise oder in kleinen Familien. In der Samchara bemerkte ich auf jedem Busche zwei bis drei Paare, und wenn das eine Paar aufflog und sich einem anderen Busche zuwandte, fand es diesen sicherlich schon besetzt. Dem Kropfe der von mir erlegten entnahm ich die verschiedensten Sämereien; es war mir aber oft unbegreiflich, wie die Menge der Tauben genügende Nahrung finden konnte. Freilich pickten sie emsig auch an solchen Stellen etwas auf, wo wir beim schärfsten Suchen nichts entdecken konnten.
Die Stimme ähnelt dem Girren der Turtel, wird aber regelmäßig von Lauten begleitet, welche man mit Gelächter verglichen hat, weil sie wie »Hi hi hi hi« klingen. Daß jener Vergleich, wie jeder andere, hinkt, braucht nicht erwähnt zu werden: den erwähnten Lauten fehlt das Helle, Offene des Lachens; sie klingen dumpf, hohl und keinesweges fröhlich, deshalb aber doch nicht unangenehm.
In Nordostafrika beginnt die Fortpflanzung kurz vor Eintritt der ersten Regen und endet mit den letzten. Das Betragen der verliebten Lachtauben unterscheidet sich wenig von dem anderer Arten. Der Tauber krümmt den Rücken und sträubt dessen Gefieder, bückt sich tief, richtet sich darauf wieder plötzlich auf, ruckst, »lacht«, springt von einem Beine auf das andere oder mit beiden gleichzeitig vom Aste empor, bläst die Kehle auf etc., und die Taube bemüht sich, ihm möglichst gefällig zu sein. Das Nest ist ein ebenso liederlicher Bau wie bei den verwandten Arten. Die Eier und Jungen werden warm geliebt und zärtlich behandelt.
Im Sudân bekümmert sich der Mensch wenig um die Tauben, und niemand fängt sie; es muß aber sehr leicht sein, sich ihrer zu bemächtigen: denn ich erhielt an der abessinischen Küste so viele, als ich eben wollte. Sie gewöhnt sich bald an einen engen Käfig und pflanzt sich hier noch leichter fort als die Turteltaube, paart sich auch mit letzterer und erzeugt mit ihr Blendlinge, welche mit einer der Stammarten, vielleicht auch unter sich, wiederum fruchtbar sind. »Ein Paar Lachtauben«, erzählt König-Warthausen, »suchte in meinem Gesellschaftsbauer einen der Natur möglichst entsprechenden Nistplatz und baute sein stets wieder benutztes Nest auf einem Tannenbusche. Ein anderes hingegen heckt immer an der Erde, obgleich es nicht hier geboren ist, während gerade jene durch ihren früheren Aufenthalt genöthigt waren, am Boden zu brüten. Auch im Zimmer tragen sie die Eierschalen möglichst weit vom Neste weg. Ein Paar hat die Gewohnheit, bei jeder Brut, sobald das zweite Ei gelegt ist, das erste Ei aus dem Neste zu werfen und unter den Rand desselben zu scharren. Sonderbar sieht es aus, wenn oft beide Alte zugleich auf dem einen Jungen sitzen. Das Männchen löst das Weibchen morgens zehn Uhr und nachmittags zwischen zwei und drei auf einige Zeit vom Brüten ab. In meinem Gesellschaftsbauer finden sich fast immer einige ledige Tauben; allein keine will sich mit einem schon seit drei Jahren zu diesem Zwecke gehaltenen Turteltauber verbinden. Im Gegensatze hierzu vereinigte sich vor längerer Zeit in Ludwigsburg eine männliche Lachtaube mit einem Rebhuhne. Dieses legte auch wirklich Eier, allein sie waren unbefruchtet, wenigstens wurden, trotz eifriger Bebrütung, keine Jungen ausgebracht.« Fürer beobachtete an seinen gefangenen, daß die Taube das erste Ei abends zwischen sechs und sieben Uhr legt, am folgenden Tage ruht, am dritten nachmittags zwischen zwei und drei Uhr das zweite Ei legt und dann mit dem Brüten beginnt. Zuweilen brütet der Tauber mit der Taube zugleich. Vierzehn Tage nach dem Legen kommen die Jungen aus. Sie sind mit wenigen weißlichen Dunen bekleidet; schon am dritten Tage aber brechen die ersten Kiele hervor, und öffnen sich die Augen. Nach acht Tagen erhalten die Jungen bereits harte Sämereien; am sechzehnten oder achtzehnten Tage sind sie flügge; nach vier Wochen fressen sie allein; in der siebenten oder achten Woche beginnt die Mauser. Wenn man sich viel mit ihnen beschäftigt, werden sie sehr zahm, gewöhnen sich auch leicht aus- und einzufliegen. In dem schönen Garten des Lustschlosses Miramar bei Triest leben ihrer viele ebenso frei wie unsere Feldflüchter. Bei guter Pflege dauern sie sogar im engen Käfige fünfzehn bis zwanzig Jahre aus.
Neben verschiedenen Turtel- und Lachtauben lebt in Mittelafrika ein äußerst niedliches Mitglied derselben Gruppe, welches ich Zwergtaube nennen will ( Chalcopeleia afra und chalcopsilos, Columba afra und chalcopsilos, Peristera afra, chalcopsilos, senegalensis und parallinostigma, Turtur senegalensis, Bild S. 649). Die Sippe der Erztauben ( Chalcopeleia), welche Reichenbach auf sie begründet hat, kennzeichnet sich hauptsächlich durch kurzen, abgerundeten Schwanz, hochläufigen Fuß und eigenthümlich metallische Färbung der Oberarmschwingen. Das Zwergtäubchen ist auf der Oberseite erdbraun, mit ölfarbenem Schimmer, auf dem Oberkopfe aschgrau, auf Stirn und Kehle weißlich, auf dem Bürzel schwarz, auf der Unterseite röthlichgrau, nach dem Bauche zu weißlich; die Schwingen sind schwarzbraun, am Grunde und an der Innenfähne zimmetroth, die letzten Armschwingen, die Schulterfedern und deren Decken in der Wurzelhälfte der Außenfahne glänzend stahlblau oder dunkel metallischgrün, mehrere, größtentheils verdeckte Flecke bildend, die mittleren vier Schwanzfedern erdbraun wie der Rücken gefärbt und vor der Spitze mit breitem, schwarzem Endbande, die drei äußeren Paare aschgrau mit breiter schwarzer Endbinde und graubraunem Spitzensaume geziert. Das Auge ist roth, der Schnabel schwärzlich, der Fuß gelbroth. Die Länge beträgt zwanzig, die Fittiglänge zehn, die Schwanzlänge acht Centimeter.
Die Zwergtaube, welche in zwei Unterarten auftritt, verbreitet sich über alle Gleicherländer Afrikas, nach Süden hin bis Natal, nach Norden hin bis zum sechzehnten Grade und steigt im Hochgebirge bis zu dritthalbtausend Meter unbedingter Höhe empor. In den Urwaldungen des Blauen Flusses ist sie eine alltägliche Erscheinung, und auch in den reich bewachsenen Thälern der Samchara oder des abessinischen Gebirges kommt sie an passenden Stellen überall vor; aber man hört sie viel öfter, als man sie sieht. Paarweise bewohnt sie die dicht verschlungenen niederen Gebüsche; in den Wipfeln der höheren Bäume bemerkt man sie nie. Man darf sagen, daß ihr ganzes Leben im Schatten jener Dickungen verfließt; denn sie verläßt dieselben nur auf Minuten, wenn sie der Durst zu einem Wässerchen treibt. Da, wo sie häufig ist, hört man aus jedem Busche hervor ihr eigenthümliches und unverkennbares flötendes Rucksen, und wenn man sich vorsichtig nähert, kann man sie auch bemerken oder ihr Nest zu sehen bekommen. Damit ist aber noch nicht gesagt, daß man sie oder die Eier auch erlangen könne; denn die eigentlichen Wohnsitze stellen dem Jäger oft unüberwindliche Hindernisse in den Weg.
Sie ist ein überaus friedlicher, harmloser Vogel, welcher in seiner reichen Buschwelt still sein Wesen treibt, lebt streng paarweise, tritt aber an besonders günstigen Orten in namhafter Menge auf. Hier wohnt in jedem größeren Busche ein Pärchen, und der eine Busch, welcher nur zwanzig Geviertmeter Land bedeckt, scheint ihr vollständig zu genügen. Aeußerst selten kommt sie unter ihm hervor und ins Freie gelaufen; so bald als möglich verkriecht sie sich wieder im Dunkel eines anderen ebenso dicht verschlungenen Gebüsches. Ihre Heimat ist so reich an allerlei Sämereien, zumal an Samenkörnern der Schlingpflanzen, welche die Wohnsitze erst recht heimlich machen, indem sie dieselben mit ihren Ranken- und Blütennetzen überspinnen und durchflechten, daß unsere Taube größere Wanderungen nicht anzutreten braucht, und da sie sich nun regelmäßig in der Nähe des Wassers ansiedelt, so kann sie so recht nach Herzenswunsch ein behagliches Stillleben führen.
Im Sudân beginnt die Fortpflanzung mit den ersten Regengüssen, in Habesch scheint sie in den Monaten stattzufinden, welche unserem Frühlings entsprechen; wenigstens vernahm ich um diese Zeit sehr oft ihre so bezeichnende Stimme. Diese erinnert nur noch entfernt an das Rucksen der Taube und hat mit den Tönen, welche der Tok dem Walde zum besten gibt, weit mehr Ähnlichkeit. Der Ruf besteht nämlich nur aus der Silbe »Du«; dieser eine Laut wird aber zehn- bis funfzehnmal nach einander anfangs langsam, gegen den Schluß hin mit einer mehr und mehr sich steigernden Schnelligkeit wiederholt. Ein ganz besonderer, unbeschreiblicher Wohllaut kennzeichnet ihn, so daß man schwerlich in Versuchung kommt, ihn mit dem ähnlich klingenden des Hornvogels zu verwechseln. Andere Laute habe ich nie vernommen, nach der Paarungszeit überhaupt keinen mehr. Das Männchen ist äußerst zärtlich gegen seine Gattin, umgeht diese mit zierlichem Kopfnicken, schnäbelt sie, umhalst sie und fliegt dann auf einen etwas über dem Boden stehenden Ast, von welchem es seinen Jubelruf erschallen läßt. Das Nest wird entweder im dichtesten Gebüsche hart über dem Boden oder auf abgebrochenen Stämmen, auch wohl in Baumhöhlungen mit weitem Eingange errichtet. Es ähnelt dem anderer Tauben, ist aber, wenn es frei steht, doch etwas schmucker und besser gebaut, während dagegen wenige Reiser die Unterlage für die Eier bilden, wenn es in Höhlungen angelegt wurde. Am vierzehnten Januar fanden wir in einem solchen Neste ein kleines weißes, röthlich durchschimmerndes Ei.
Gefangene Zwergtauben gelangen von Westafrika aus häufig in unsere Käfige, halten sich bei einfachem Futter gut, obwohl sie oft ihre Schönheit verlieren, zumal schwarz werden, schreiten auch nicht allzuselten im Gebauer zur Fortpflanzung.
Lauftauben ( Geotrygoninae) heißen die Glieder einer anderen Unterfamilie, deren Merkmale in dem gedrungenen Leibe und sehr entwickelten Füßen, aber verhältnismäßig kurzen Flügeln liegen.
Die Spiegeltauben ( Phaps) sind verhältnismäßig groß, meist auch kräftig gebaut, obgleich einzelne Arten ihres langen Schwanzes wegen schlank erscheinen; der Schnabel ist stark, der Fuß kurzläufig, aber langzehig, der Flügel in der Regel lang und spitzig, der aus vierzehn oder sechzehn Federn bestehende Schwanz mittellang oder lang, das Gefieder bunt und durch die metallisch schillernden Flügeldeckfedern sehr ausgezeichnet.
Die Schopftaube ( Phaps lophotes, Columba, Turtur und Ocyphaps lophotes) kennzeichnet sich durch verhältnismäßig schlanken Leibesbau, kurzen, an der Spitze stark gebogenen Schnabel, niedere Füße, deren Mittelzehe dem Laufe an Länge gleicht, ziemlich lange, spitzige Flügel, unter deren Schwingen die zweite und dritte die längsten sind, vierzehnfederigen, langen, stufig keilspitzigen Schwanz und lange, spitzige Haube, welche durch die verlängerten Hinterhauptfedern gebildet wird, gilt daher auch wohl als Urbild einer besonderen Sippe oder Untersippe ( Ocyphaps). Kopf, Gesicht und Unterseite sind grau, die Hinterhauptfedern schwarz, die der Oberseite licht olivenbraun, welche Färbung an den Halsseiten in Nelkenroth übergeht, die großen Flügeldeckfedern glänzend bronzegrün, weiß gesäumt, die Schwingen braun, schmal bräunlichweiß gekantet und zum Theile auch an der Spitze weiß, die mittleren Steuerfedern erdbraun, die übrigen dunkelbraun, an der Außenfahne grün glänzend, an der Spitze weiß. Das Auge ist gelborange, der nackte, rundliche Augenrand nelkenroth, der Schnabel an der Wurzel dunkel ölbraun, an der Spitze schwarz, der Fuß nelkenroth. Die Länge beträgt fünfunddreißig, die Fittig- und die Schwanzlänge je fünfzehn Centimeter.
»Zierlichkeit der Gestalt und der eigentümlich schlanke Schopf«, sagt Gould, »stempeln diese Taube zu einer der schönsten Australiens; in ihrer Art ist sie vielleicht die schönste überhaupt. In den Ebenen des Wellingtonthales oder in der Nachbarschaft des Morumbidschi tritt sie häufig auf. Sie scheint Sumpfgegenden zu bevorzugen, so daß ihr Vorkommen als ein sicheres Zeichen für eine wasserreiche Gegend angesehen wird. Die der Küste nächste Oertlichkeit, wo ich sie antraf, war der Murrayfluß. Hier ist sie ziemlich häufig; in Menge aber belebt sie die Ebene hinter der Moretonbai und die Ufer des Namoi. Sie schlägt sich oft zu starken Flügen zusammen, und wenn diese während der trockenen Jahreszeit an Landseen oder Flußufer kommen, wählen sie sich einen einzelnen Baum oder Strauch aus, auf welchem sie sich niederlassen. In namhafter Anzahl sitzen sie dann dicht an einander, und alle fliegen gleichzeitig herab zum Wasser, so gedrängt, daß Dutzende von ihnen mit einem einzigen Schusse erlegt werden können. Ihr Flug zeichnet sich durch seine reißende Schnelle vor dem aller Arten aus. Nach einem Anfluge, welcher aus mehreren schnellen Flügelschlägen besteht, schwingen sie sich anscheinend ohne weitere Anstrengung der Flügel empor. Beim Abfliegen von einem Aste heben sie den Schwanz, ziehen den Kopf ein und fliegen dann weg. Am dreiundzwanzigsten September fand ich das Nest auf einem niederen Baume der weiten Ebene nächst Gundermein am Namoi. Es ähnelt dem anderer Tauben und enthielt zwei weiße Eier, auf denen das Weibchen brütete.«
Gould meint, daß die Schopftaube, als Bewohnerin des Inneren, wohl nicht leicht ein Gegenstand allgemeiner Beobachtung werden könne, spricht aber freilich von einer Zeit, welche vierzig Jahre hinter uns liegt. Inzwischen ist die schöne Taube oft nach Europa gekommen, und gegenwärtig ziert sie die Gesellschaftsbauer aller unserer Thiergärten. Sie hält hier bei der einfachsten Pflege jahrelang aus und pflanzt sich auch regelmäßig fort. Mit anderen Tauben lebt sie im tiefsten Frieden, gegen kleinere Vögel zeigt sie sich gleichgültig. Liebhabern ausländischer Thiere darf sie warm empfohlen werden.
Eine zweite Art dieser Gruppe, welche auch wohl als Vertreter einer besonderen Sippe, der Schillertauben ( Phaps), angesehen wird, die Erzflügeltaube ( Phaps chalcoptera, Columba und Peristera chalcoptera), ist auf der Oberseite braun, auf dem Hinterkopfe dunkelbraun, auf der Unterseite weinroth, nach dem Bauche zu graulich; der Vorderkopf, ein Streifen unter dem Auge und an der Kehle sind gelblichweiß, die Halsseiten grau, die Flügeldeckfedern mit länglichen, kupfererzfarbenen, schillernden, zwei oder drei Armschwingen mit glänzenden, grünen Flecken geziert, die Mittelschwanzdeckfedern braun, die übrigen tiefgrau. Das Auge ist dunkel röthlichbraun, der Schnabel schwärzlichgrau, der Fuß karminroth. Dem Weibchen fehlt das lichte Stirnband; seine Färbung spielt mehr in das Graue, und die Spiegelflecke sind kleiner. Die Länge beträgt vierunddreißig, die Fittiglänge neunzehn, die Schwanzlänge dreizehn Centimeter.
Diese Taube gehört zu denjenigen Vögeln Neuhollands, welche bereits den ersten Sammlern in die Hände fielen. Wie es scheint, verbreitet sie sich über den ganzen Erdtheil, kommt aber in gewissen Gegenden nur als Zugvogel vor. Dürre, mit Gestrüpp oder Heide bestandene Flächen bilden ihre Lieblingsplätze. »Wenn sie zuerst ankommt«, sagt der »alte Buschmann«, »findet man sie zwischen den Farren und Honigsträuchern, und zwar ebenso oft unter den Bäumen als zwischen ihren Zweigen; wenn die Jahreszeit vorrückt, wendet sie sich der Heide zu und hält sich hier namentlich während der Nacht und am Morgen auf; wenn die Disteln treiben, wird fast jeder Busch zum Wohnsitze von einer, und wenn die Samen des Wattlebaumes reif sind, begegnet man ihr gewiß am Fuße desselben.« Gould nennt sie einen plumpen, schwerfälligen Vogel, sagt aber, daß ihre bedeutende Flugkraft sie in kürzester Zeit über weite Strecken hinwegführt. »Vor Sonnenaufgang sieht man sie im schnellsten Fluge ihren Weg über die Ebenen nach den Schluchten und Tränkplätzen verfolgen. Kennt man ihre Sitten, so kann man immer durch sie erfahren, ob man dem Wasser nahe ist, und dieses läßt sich, wenn auch die Gegend dürr scheint, doch erkunden, da die Taube von allen Seiten her in einer Richtung der Tränke zufliegt. Wenn reichlich Regen gefallen ist und die Flüsse und Teiche bis zum Rande gefüllt sind, ändert sie ihr Betragen, weil sie dann nicht mehr nöthig hat, des Wassers halber sich in Gefahr zu begeben. Ihr tiefes und lautes Rucksen, welches wie fernes Blöken von Kühen klingt, vernimmt man während der Nacht und am Morgen. Die Brutzeit fällt in unsere Herbst- oder die australischen Frühlingsmonate. Die erste Brut findet man im August, verspätete, laut Versicherung des »alten Buschmannes«, noch zu Anfang des Februar. Das Nest steht gewöhnlich auf wagerechten Zweigen eines Gummibaumes oder einer Angophora, nahe am Boden, wo möglich in der Nähe vom Wasser. Es unterscheidet sich von anderen Taubennestern nicht wesentlich, und auch die Eier stimmen mit denen verwandter Arten von gleicher Größe überein. Beide Geschlechter brüten abwechselnd. Um das Ende des Januar sammeln sich die Jungen in zahlreiche Schwärme, welche dann die beliebten Oertlichkeiten gemeinsam durchstreifen.
Als sich Gould während der langen Trockenheit des Winters von 1839 zu 1840 in Brezi befand, hatte er Gelegenheit, die Erzflügeltauben zu beobachten. Nach Versicherung der Eingeborenen gab es meilenweit keinen anderen Tränkplatz als einen im Felsen ausgehöhlten und durch den Regen vor mehreren Monaten gefüllten Tümpel in unmittelbarer Nähe seines Zeltes. Zu dieser Tränke kamen alle Vögel der Nachbarschaft, mit Ausnahme der nur Kerbthiere fressenden Arten. Papageien, Honigvögel und andere erschienen ununterbrochen am Rande des Wasserbehälters und stillten, ohne die Anwesenheit des Forschers zu beachten, ihren Durst. Die Erzflügeltauben trafen fast niemals während des Tages, sondern erst nach Sonnenuntergang ein und zwar einzeln oder paarweise. Die angekommenen begaben sich nicht unmittelbar an die Wasserränder, sondern blieben nach dem Herabfliegen eine Zeitlang ruhig auf dem Boden, schlichen dann bedächtig näher und flogen hierauf ihrem Schlafplatze zu. Der »alte Buschmann« erzählt, daß er acht oder zehn von ihnen im Laufe des Abends an der Tränke geschossen habe, und daß das Erscheinen des Abendsternes dem Jäger als Zeichen galt, seinen Stand einzunehmen. Alle Reisende, welche aus eigener Erfahrung sprechen, rühmen das vortreffliche Fleisch dieser Tauben, welches ebensogut auf die Tafel des Statthalters gebracht wie von den Wilden im Inneren des Landes gegessen wird. Nach der Brutzeit finden große Jagden statt, und zuweilen sind die Jäger so vom Glücke begünstigt, daß einer im Laufe des Tages zwanzig bis dreißig Paare erlegt.
Auch sie gehört gegenwärtig zu den regelmäßigen Erscheinungen in unseren Thiergärten.
Eine der eigenthümlichsten Arten der Gruppe und Vertreterin einer gleichnamigen Sippe ( Starnoenas) ist die Rebhuhntaube ( Starnoenas cyanocephala, Columba cyanocephala, Turtur jamaicensis). Sie ist gedrungen gebaut, der Schnabel kräftig, hoch und breit, an der Kuppe gewölbt, der Fuß wahrhaft huhnfußartig, lang und dickläufig, mit kurzen, fleischigen Zehen, welche große, stark gebogene Krallen tragen; die Flügel sind kurz, die Handschwingen schmal, säbelförmig gebogen und zugespitzt, unter ihnen die dritte und vierte die längsten, die Armschwingen stumpf, obgleich nicht sehr breit; der zwölffederige Schwanz ist mäßig lang und zugerundet, das Gefieder reichlich und etwas derb, ein zügelartiger Streifen nackt, aber mit kleinen, eiförmigen Warzen bekleidet. Die allgemeine Färbung, ein schönes Chokoladebraun, geht auf der Unterseite in Rothbraun über und erscheint auf der Brust weinroth überflogen; der Oberkopf und einige schuppenartige Halsfedern seitlich unter der Kehle sind schieferblau, das Gesicht, der Nacken und die Kehle schwarz, der Zügel und ein Band, welches den Gurgelfleck umschließt, reinweiß, die Schwingen dunkelbraun, vorn rothbraun gesäumt, unten aschgrau schimmernd; die Mittelschwanzdeckfedern chokoladebraun, die seitlichen schwarzbraun. Das Auge ist dunkelbraun, der Schnabel korallroth an der Wurzel, graublau an der Spitze, der Fuß blaß röthlichweiß, auf den Schildern der Fußwurzel schön karminroth, auf den Zehen dunkel bläulichroth, auf der Haut an der Einlenkung der Zehen himmelblau. Beim jungen Vogel sind die blauen Scheitelfedern schwärzlich gerandet, die der Halsseiten, die oberen Flügel- und die unteren Schwanzdeckfedern ockerfarben gesäumt, der Schnabel und die Haut an seiner Wurzel dunkelbraun, die Schilder des Laufes braunroth, die der Zehen türkisblau. Die Länge beträgt einunddreißig, die Flügelbreite vierundvierzig, die Fittig- und Schwanzlänge je dreizehn Centimeter.
Als die Heimat dieses prachtvollen Vogels muß man die Insel Cuba ansehen; von hier aus verbreitet sie sich nordwärts bis Florida, südwärts bis Venezuela, scheint auch, laut Burmeister, die oberen Gegenden Brasiliens am Amazonenstrome zu berühren, kommt aber weiter im Süden nicht mehr vor. Auf Jamaika lebt sie ebenfalls; den übrigen Antillen aber scheint sie zu fehlen. Audubon traf im Mai mehrere von ihnen in Florida an, sah auch ein paar jung aufgezogene, wahrscheinlich aus dem Neste genommene, konnte jedoch über das Freileben nichts feststellen; erst Ricord und nach ihm der treffliche Gundlach berichten ausführlicher über die schöne, bereits den älteren Vogelkundigen wohlbekannte Art.
»Die Rebhuhntaube« sagt Ricord, »lebt sehr zurückgezogen in den Urwaldungen Cubas. Es ist äußerst schwierig, sie zu beobachten, sei es, weil die fortschreitende Urbarmachung des Waldes sie vertreibt, sei es, weil ihr zu jeder Zeit eifrig nachgestellt wird, da die Kreolen das ausgezeichnete Fleisch oder den aus ihrem Verkauf zu lösenden Gewinn wohl zu würdigen wissen und keine Gelegenheit vorübergehen lassen, sie zu vernichten. Um diesen Vogel zu jagen, muß man früh am Tage zur Stelle sein; denn mit Sonnenaufgang pflegt er sich in der Richtung nach Osten auf die höchsten Zweige der größten Bäume zu setzen. Der Thau, welcher auf den Antillen während der Nacht in großer Menge fällt, durchnäßt wie Regen das Gefieder und veranlaßt die Vögel, sich zu trocknen; deshalb sehen sie den ersten Strahlen der Sonne entgegen. Etwas später begegnet man der Rebhuhntaube in den niederen Dickichten der Wälder auf den belaubtesten Zweigen, welche sie aufsucht, um der Hitze des Tages zu entgehen, am häufigsten in der Nähe von Flüssen, zu denen sie kommt, um ihren Durst zu stillen. Dann ist sie weniger scheu als am Morgen, vielleicht, weil sie sich, gedeckt durch die Blätter, in Sicherheit glaubt, möglicherweise auch, weil die Hitze ihre Lebhaftigkeit vermindert. Aber wenn auch die Mittagszeit ein Anschleichen erleichtert, so ist es um so schwerer, sie wahrzunehmen; denn auch der Jäger ist weniger aufgelegt, sie zu verfolgen, weil die außerordentliche Glut der Tagesmitte ihn ebenso belästigt wie sein Wild. Besonders häufig trifft man sie zu gewissen Zeiten auf den Zuckererbsen an, deren Hülsen sie ausleert.« Gehaltvoller berichtet Gundlach. Diese Art ist ein echter Standvogel der Insel Cuba, ist in den großen Waldungen, besonders denen mit steinigem Boden, nicht selten, wird aber weder im Felde noch in den Savannen angetroffen. Sie geht, den Hals eingezogen, den Schwanz aufgerichtet, stets mit langsamen Schritten und sucht auf dem Boden Sämereien, Beeren und bisweilen kleine Schnecken, scharrt auch in den trockenen, auf der Erde liegenden Blättern. Wenn sie gesättigt ist, setzt sie sich auf einen wagerechten, blätterlosen Ast oder auf Schmarotzerpflanzen, um auszuruhen. Von Zeit zu Zeit läßt sie ihren Lockton hören, welcher aus zwei dumpfen Lauten »Hu – up« besteht, unter denen das »Hu« gedehnt, das »Up« dagegen sehr kurz ist. Außerdem vernimmt man ein leises Murmeln. Der Ruf täuscht über die Entfernung, in welcher sie sich befindet, so daß man sie bald näher, bald wiederum ferner vermuthet. Ihr Flug beginnt mit einem Geräusche, wie man es beim Aufstehen des Rebhuhnes vernimmt, und dies ist der Grund, weshalb sie den sehr unpassenden Namen Rebhuhntaube erhielt.
Im April und Mai findet man das einfach aus einigen Reisern erbaute Nest auf der Krone gewisser Schmarotzerpflanzen im schattigen, nicht mit Unterwuchs bestandenen Hochwalde, und in ihm zwei weiße Eier von fünfunddreißig Millimeter Längs- und fünfundzwanzig Millimeter Querdurchmesser.
Das weiße, vortreffliche Fleisch dieser Taube darf bei großen Gelagen der Tafel der Kubaner nicht fehlen. Sie wird daher stark verfolgt, von Jahr zu Jahr seltener und bereits gegenwärtig mit vier bis acht Mark unseres Geldes bezahlt. Um sie zu fangen, bedienen sich die Landleute eines Lockvogels, oder in Ermangelung desselben einer Lockpfeife, und zwar der entsprechend vorgerichteten Frucht eines Baumes. Das kreisrunde, etwa drei Meter im Durchmesser haltende, unten durch einen Reifen aus Schlingpflanzen beschwerte Decknetz wird mittels einer langen, über einen Baumast weg bis zum versteckten Vogelsteller laufenden Schnur über einem vollkommen freien, gut gereinigten Platze im Walde angebracht und so hoch über den Boden emporgezogen, daß die angelockten Vögel von allen Seiten her unter dasselbe laufen können, der Lockvogel in der Mitte des zu bedeckenden Raumes kurz angebunden und der Platz mit Mais gekörnt. Das Locken der angebundenen Rebhuhntaube oder der Ruf der Lockpfeife zieht die wilden Vögel herbei; der Vogelsteller läßt im rechten Augenblicke das Decknetz über sie fallen und verkauft sie sodann lebend an die Krämer der Ortschaften, welche sie bis zu geeigneter Verwendung in großen Käfigen aufbewahren und füttern. Solchen Kaufleuten danken wir die Rebhuhntauben, welche unsere Gebauer zieren. Ich habe sie oft beobachtet, auch selbst gepflegt, mich aber nicht besonders mit ihnen befreunden können. Diejenigen, welche ich in Gefangenschaft sah oder selbst hielt, saßen mit aufgeblähtem Gefieder oft lange Zeit still auf einer und derselben Stelle, bewegten sich nur auf dem Boden, beschmutzten sich fortwährend und schienen der Reinigung ihres Gefieders durchaus nicht mit demselben Eifer obzuliegen wie andere Tauben. Einen Stimmlaut habe ich, so viel ich mich entsinne, niemals von einer meiner gefangenen vernommen; es ist jedoch möglich, daß auch sie sich hören ließen, ich dies aber, weil sie unter vielen anderen Tauben lebten, nicht wahrgenommen habe. Mit unserem Klima schienen sie sich nicht aussöhnen zu können: jeder kältere Sommertag stimmte sie unbehaglich, jeder Regenguß machte sie beinahe krank. Gleichwohl sollen auch sie sich in dem einen und anderen Thiergarten Europas fortgepflanzt haben.
Mehr durch auffällige Färbung als durch Gestalt und Wesen zeichnet sich die Dolchstichtaube ( Phlegoenas cruenta, Columba cruenta, cruentata und luzonica, Caloenas luzonica) aus. Die Merkmale der von ihr vertretenen Sippe der Brandtauben ( Phlegoenas) liegen in dem schwachen, aus der Firste eingesattelten, vor der Spitze sanft aufgeworfenen, mit ziemlich großem Haken herabgebogenen Schnabel, den sehr langläufigen und verhältnismäßig kurzzehigen Füßen, dem mäßig langen, im Fittigtheile aber spitzigen Flügel, unter dessen Schwingen die dritte die längste ist, und dem verhältnismäßig langen, deutlich abgerundeten Schwanze. Stirn und Scheitel der Dolchstichtaube sind licht aschgrau, nach hinten dunkel werdend, Hinterkopf und Nacken violett, Hinterhals, Mantel, Unterrücken und Bürzel bleigrau, alle Federn breit kupferroth gerandet, unter einfallendem Lichte röthlichviolett, unter durchgehendem Lichte hingegen prachtvoll smaragdgrün schillernd, die kleinen Oberflügeldeckfedern bis gegen die Wurzel, die großen Oberflügeldecken, die letzten Hand- und Schulterfedern an der Spitze aschgrau, an der Wurzel aber dunkel erdbraun, schwach violett überflogen, wodurch zwei gleich breite, hellgrau eingefaßte Querbinden über die Flügel entstehen, Kinn und Kehle reinweiß, die übrigen Untertheile, mit Ausnahme eines Kropfschildes und der grauen Kropfseiten, zart röthlichgrau überflogen. Dieser Kropfschild, das bezeichnendste Merkmal der Taube, ist, obgleich er gewöhnlich länger erscheint, etwa doppelt so lang als breit, in der Mitte lebhaft, von hier aus nach den Seiten hin abnehmend und sich lichtend, hell blutroth gefärbt. Die Schwingen sind dunkel erdbraun, außen schmal hellbraun, innen breit rothbraun gesäumt, die Steuerfedern aschgrau, durch ein breites, schwarzes Querband vor der Spitze geziert. Das Auge ist rothbraun, der Schnabel bräunlichschwarz, der Fuß schmutzig bläulichroth. Die Länge beträgt sechsundzwanzig, die Fittiglänge vierzehn, die Schwanzlänge neun Centimeter.
Ueber das Freileben der auf den Philippinen heimischen Dolchstichtaube ist weiter nichts bekannt, als daß sie in den Waldungen lebt, viel auf dem Boden sich bewegt und von den Eingeborenen sehr häufig in Schlingen gefangen und zahm gehalten wird. Alle Reisenden, welche ihrer Erwähnung thun, sprechen sich mehr oder minder eingehend über den Blutflecken auf dem Kropfe aus, vergleichen denselben mit einer durch einen Dolchstich hervorgebrachten Wunde, die Taube selbst sehr unpassenderweise auch wohl mit einem Pelekane, wissen aber über die Lebensweise nicht das geringste mitzutheilen. So bleibt nichts übrig, als das wiederzugeben, was sich an gefangenen Vögeln beobachten läßt. Dank der Liebhaberei der Manilesen gerade für diese Art, bringt sicherlich jedes von den Philippinen nach Europa segelnde Schiff ein oder mehrere Paare lebender Dolchstichtauben nach Europa, und diese zählen daher in allen reichhaltigeren Thiergärten, wenn auch nicht zu den ständigen, so doch zu oft gesehenen Erscheinungen. Auch ich habe sie wiederholt gepflegt und beobachtet, meinen Pfleglingen aber wenig absehen können, da sie sich nie zum Brüten entschließen wollten. Das, was ich durch eigene Wahrnehmungen und Mittheilungen eines sehr befähigten, aufmerksamen Wärters des Berliner Zoologischen Gartens erfahren habe, ist kurz zusammengestellt folgendes: Die Dolchstichtaube erweist sich in Haltung und Bewegung, Wesen und Gebaren als echte Erdtaube. Da sie ihre Flügel etwas vom Leibe ab und das Gefieder lässig zu tragen pflegt, macht sie den Eindruck eines sehr gedrungen gebauten Vogels. Sie geht leicht und mit großen Schritten und nickt bei jedem nach Taubenart mit dem Kopfe, fliegt aber auch rasch und auffallend gewandt, obschon anscheinend mit etwas Anstrengung. Bei ruhigem Gange pflegt der Blutfleck verschmälert zu sein; bei der geringsten Erregung aber wird er so weit ausgebreitet, daß er ein fast eiförmiges Feld bildet. Ruhend oder schlafend zieht die Taube den Hals so weit ein, daß der Schnabel gerade in die Mitte des Kropfschildes zu liegen kommt und von diesem fast verborgen wird. Ihre Nahrung sucht sie ausschließlich auf dem Boden und wirft dabei, nach Art ihrer Verwandtschaft, auf letzterem liegende Gegenstände, Blätter und dergleichen, aus einander. Außer der Brutzeit verhält sie sich still und gibt von der Lebhaftigkeit ihres Wesens nur dann Kunde, wenn irgend eine andere Taube oder ein ihr sonstwie unerwünschter Vogel in ihre Nähe gebracht wird; solche, wie alle Käfiggenossen überhaupt, treibt sie zänkisch in die Flucht. Ganz anders geberdet sie sich während der Brutzeit, welche auch sie in hohem Grade zu erregen scheint. Jetzt vernimmt man fortwährend ihre halb girrende, halb rucksende, den Silben »Turrrrru« etwa vergleichbare Stimme und sieht sie vom Morgen bis zum Abend fast ununterbrochen in Thätigkeit. Zärtlich der Täubin sich nahend, beugt der Tauber den Kopf tief herab, stelzt den Schwanz, bläht den Hals auf und stößt nun sein schallendes »Turrrrru« hervor. Zeigt sich ein anderer Tauber, insbesondere ein solcher derselben Art, so beginnt er sofort mit ihm zu kämpfen und bedient sich dabei vorzugsweise seiner Flügel, mit denen er so kräftige Schläge auszutheilen versteht, daß die Federn des Gegners davonstieben, rennt auch wohl mit vorgehaltenem Schnabel stoßend auf den Nebenbuhler los und ruht und rastet nicht, bis er als Sieger aus dem Kampfe hervorgegangen oder besiegt worden ist. So unfreundlich er sich einem Nebenbuhler gegenüber geberdet, so zärtlich benimmt er sich gegen die erkorene Täubin. Girrend oder rucksend und schmeichelnd kurz abgebrochen »Tu, tu, tu« lockend, umgeht er dieselbe, treibt sie nach einer gewissen Stelle hin, betritt sie schließlich und erntet nunmehr den Lohn seiner Zärtlichkeit dadurch, daß die begattete Täubin unmittelbar nach der Paarung in gleicher Weise um ihn herumläuft, wie er früher um sie. Zur Niststelle wählt sich das Paar stets einen Busch oder wenigstens dürres Gezweige seines Gebaues. Die Täubin entscheidet sich für die betreffende Stelle; der Tauber aber treibt sie sodann beständig lockend dieser Stelle zu und beginnt, Baustoffe herbeizutragen, welche von ihr verbaut werden. Hierbei springt er ihr nicht selten auf den Rücken und reicht ihr von oben herab die aufgelesenen Zweiglein oder Halme; sie ihrerseits aber breitet, sobald er naht, die Flügel ein wenig, um ihm einen festeren Standort zu bieten, und nimmt ihm die Reiser aus dem Schnabel, um sie an geeigneter Stelle anzubringen. Das Nest wird in der Regel fester und sauberer erbaut als das anderer Tauben. Biegsame Reiser bilden den Unterbau, Halme und Gräser die innere Auskleidung der wirklich vorhandenen, sogar ziemlich tiefen und mit einem mäßig hohen und breiten Rande umgebenen Nestmulde. Nachdem die Täubin ihre beiden Eier gelegt hat, brütet sie sehr eifrig, während der Tauber seinerseits in unmittelbarer Nähe des Nestes, nicht selten auf dem Rande selbst zu sitzen pflegt, wohl auch dann und wann der Gattin Nahrung zuträgt und ihr dieselbe in den Schnabel würgt. Am Brutgeschäfte selbst betheiligt er sich ebenfalls, immer aber nur sehr wenig; denn die Täubin kehrt, wenn sie von ihm abgelöst wurde, sofort, nachdem sie sich gesättigt, wiederum zu dem Neste zurück. Je länger die Brutzeit währt, um so ungeduldiger zeigt sich der Tauber, und dies mag einer der Hauptgründe sein, daß die Eier nicht immer gezeitigt werden und die Jungen noch seltener aufkommen.
In einer der prachtvollsten aller Tauben, der Mähnen- oder Kragentaube ( Calloenas nicobaria, Columba nicobaria und gallus, Goephilus nicobaricus), sehen einige Forscher das Urbild einer besonderen Familie ( Calloenadidae), wir unsererseits wenigstens die Vertreterin einer Unterfamilie ( Calloenadinae). Sie ist sehr gedrungen gebaut, ihr Schnabel, welcher vor der Stirn eine weiche, kugelige Warze zeigt, stark, der Fuß hühnerfußartig, kräftig, hochläufig und kurzzehig, der Flügel außerordentlich entwickelt, sehr lang und breit, in der Ruhe bis über das Schwanzende hinausreichend, in ihm die dritte und vierte Schwinge über alle anderen verlängert, der aus zwölf breiten Federn bestehende Schwanz schwach abgerundet, das Gefieder reich und in der Halsgegend so verlängert, daß hier eine tief herabfallende Mähne entsteht. Kopf, Hals, Unterseite und Schwingen sind schwarzgrün, die Federn der Unterseite kornblumenblau gesäumt, die längsten Halsfedern des Kragens, Rücken, Bürzel und die Flügeldeckfedern grasgrün, metallisch schimmernd, die kürzeren der Mähne goldglänzend, die Schwanzfedern reinweiß. Das Auge ist licht rothbraun, der Schnabel lederschwarz, der Fuß röthlich purpurfarben. Der junge Vogel hat minder glänzendes Gefieder und schwarze Schwanzfedern. Die Länge beträgt sechsunddreißig, die Breite fünfundsiebzig, die Fittiglänge fünfundzwanzig, die Schwanzlänge sieben Centimeter.
Von den Nikobaren an bis zu den kleinen im Geelvinkbusen gelegenen Inseln an der Nordostküste Neuguineas und den Philippinen hat man die Mähnentaube auf allen Inseln gefunden, vorzugsweise aber auf kleinen, unbewohnten Eilanden, gleichviel, ob dieselben in der Nähe größerer Landmassen oder vereinzelt im Meere liegen. Sie gehört zu den Arten, welche fast nur auf dem Boden leben, und ihr Flug erscheint schwerfällig; aber sie ist im Stande, viele Hunderte von Kilometern zurückzulegen, ohne zu ermüden, und so hat sie sich über viertausend englische Meilen verbreitet. Wallace erkennt, vielleicht nicht mit Unrecht, einen der Hauptgründe für ihr Vorkommen auf kleinen Eilanden darin, daß letztere keine Raubthiere beherbergen, welche die etwas schwerfällige, Bäume nur zum Ruhen und Schlafen aufsuchende Taube gefährden könnten, findet ihre Verbreitung über das ganze Indische Inselmeer aber so außerordentlich, daß er in unserem Vogel ein seltsames Beispiel von Anpassung an ungewöhnliche, ausnahmsweise und zwingende Verhältnisse erblickt und sich zu einer geradezu kindischen Abschweifung über den Vorzug großer Schwingen verleiten läßt. »Die Mehrzahl aller Nikobartauben«, meint er, »verbraucht, da sie im Walde lebt, gefallene Früchte frißt und auf niedrigen Bäumen schläft, nicht erhebliche Kräfte, um zu fliegen, kann daher nie vollen Gebrauch von ihren außergewöhnlich mächtigen Flügeln machen, bis der seltene Fall sich ereignet, daß eine auf die See hinaus geweht oder durch das Eindringen eines fleischfressenden Thieres oder durch die Spärlichkeit des Futters zum Auswandern gezwungen wird. Während es nun auf solchen Inseln, wie Neuseeland und Mauritius, welche fern von allen Festlanden liegen, für einen seine Nahrung auf dem Boden suchenden Vogel sicherer war, überhaupt nicht zu fliegen, und sich daher allmählich eine flügellose Gruppe von Vögeln herausbildete, war es in einem ausgedehnten, dicht mit Inseln und Eilanden übersäeten Inselmeere von Vortheil, gelegentlich wandern zu können, und so erhielten sich die lang- und starkbeschwingten Arten am besten, ersetzten schließlich alle übrigen und verbreiteten sich über das ganze Inselmeer.« Erweislich von all diesem, mit so vielem Aufwande von scheinbarer Weisheit vorgetragenem Geschwätz ist, daß die Mähnentauben, entsprechend ihren sehr entwickelten Flügeln, vortrefflich fliegen können. Ein gewisser Duivenboden erzählte Wallace, daß er eine dieser Tauben einer kleinen, hundert Meilen von Neuguinea und jedem anderen Eilande entfernten Koralleninsel zufliegen, jedoch, noch ehe sie das Ufer erreichen konnte, erschöpft ins Wasser stürzen sah und rettete.
Die Mähnentaube ist allerorten, wo sie vorkommt, selten, wird wenigstens nicht in größeren Trupps gefunden. Nach Versicherung der Reisenden ernährt sie sich von Sämereien, Beeren und kleinen Früchten, nimmt wohl auch thierische Nahrung zu sich. Ihr Nest legt sie nach Art der Rebhühner am Boden an. Sie wird von den Europäern, welche sich in ihrer Heimat angesiedelt haben, oft gefangen gehalten, gelangt aber nicht so häufig nach Europa, als wünschenswerth wäre. Doch sah Levaillant bereits vor siebzig Jahren in dem Vogelhause des Holländers Ammershof siebzehn Stück dieser prachtvollen Taube und konnte daher eine durchaus richtige Beschreibung ihres Gefangenlebens geben. Als Levaillant den ersten Blick auf sie warf und sie so lebhaft am Boden umherlaufen sah, fragte er den Besitzer, was das für niedliche Hühner seien, und erfuhr zu seiner Ueberraschung, daß er die Mähnentaube vor sich habe. Auf ferneres Befragen theilte Ammershof mit, daß er die Vögel seit zwei und drei Jahren besitze, daß sie sich fortwährend auf dem Boden hielten, von Körnern aller Art ernährten, Kerbthiere aber auch nicht verschmähten und des Abends wie die Hühner zu einem niederen Sitze sich erhöben, um hier die Nacht zu verbringen. Es sei schwierig, sie durch den ersten Winter zu bringen; hätten sie diesen aber erst hinter sich, so brauche man sie bloß noch gegen die Nachtkälte und noch mehr gegen Nässe zu schützen, und dann sei es leicht, sie zu erhalten. Die weiblichen Mähnentauben zeigten sich fortpflanzungslustiger als die Tauberte, legten auch verschiedene Eier von der Größe der kleiner Hühnerrassen. Diese Eier schienen unfruchtbar zu sein; wenigstens gelang es nicht, Junge zu erzielen.
Im Londoner Thiergarten haben sich mehrere Paare wiederholt fortgepflanzt und die Jungen glücklich großgezogen.