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41. Familie: Pittas ( Pittidae)

Pittas oder Prachtdrosseln ( Pittidae) nennen wir eine aus etwa vierzig Arten bestehende Familie wundervoll gefärbter Vögel, welche in ihrem Baue an Wasserschwätzer und Schlüpfer, mehr aber noch an weiter unten zu beschreibende Schreivögel erinnern. Ihr Leib ist gedrungen gebaut, der Schnabel mittellang, aber auffallend kräftig, bei einigen Arten sehr stark, hart, seiner ganzen Länge nach zusammengedrückt, hochfirstig, auf der Firste gebogen und vor ihr schwach ausgeschweift; die Nasenlöcher sind durch eine nackte Haut halb geschlossen; der Fuß ist schlank und hochläufig, die innere Zehe mit der äußeren bis zum ersten Gelenke verbunden; der Flügel, in welchem die vierte und fünfte Schwinge die längsten sind, erreicht das Ende des stummelhaften, sehr kurzen, gerade abgestutzten Schwanzes. Das dichte Gefieder prangt bei den meisten Arten in prachtvollen Farben.

Die Pittas treten am zahlreichsten im indischen Gebiete, insbesondere aber auf den Malaiischen Inseln auf und finden sich außerdem nur noch in Westafrika und Australien. Als Brennpunkt ihres Verbreitungsgebietes sieht Wallace die Sundainseln, namentlich Borneo und Sumatra, an. Ueber die Lebensweise mangeln noch immer eingehende Berichte; ich muß daher versuchen, ein Lebensbild der Gesammtheit zu zeichnen, indem ich die mir über verschiedene Arten bekannt gewordenen Mittheilungen zusammenstelle.

 

Als Vertreter der Familie mag die Neunfarbenpitta, »Nurang« oder Neunfarbenvogel der Hindus ( Pitta bengalensis, malaccensis und brachyura, Corvus brachyurus, Citta abdominalis, Turdus triostegus und coronatus, Brachyurus bengalensis, maculatus und coronatus, Coloburis brachyura), erwählt sein. Rücken, Schultern und Flügeldeckfedern sind blaugrün, die verlängerten Oberschwanzdeckfedern blaßblau, ein Augenbrauenstreif, Kinn, Brust und Halsseiten unter den Ohren weiß, die unteren Theile, mit Ausnahme eines scharlachrothen Fleckes am Unterbauche und After, bräunlichgelb, ein Mittelstreifen, welcher über das Haupt, und ein Zügelstreifen, welcher durch das Auge verläuft, schwarz, die Schwingen schwarz mit weißlicher Spitze, die ersten sechs Handschwingen auch weiß gefleckt, die Armschwingen außen blaugrün gerandet, die Steuerfedern schwarz, an der Spitze düsterblau. Das Auge ist nußbraun, der Schnabel schwarz, der Fuß röthlichgelb. Die Länge beträgt achtzehn, die Fittiglänge elf, die Schwanzlänge vier Centimeter.

Der Nurang ist über ganz Indien und Ceylon verbreitet und geeigneten Ortes überall häufig.

siehe Bildunterschrift

Neunfarbenpitta ( Pitta bengalensis). 1/2 natürl. Größe.

Alle Prachtdrosseln bevorzugen diejenigen Theile des Waldes, welche möglichst dicht mit Gebüschen bestanden sind; einzelne siedeln sich jedoch auch auf steinigen Berggehängen an, welche kurzes Gestrüpp dürftig bedeckt. Die große Mehrzahl treibt sich in den jungfräulichen Waldungen jener Eilande umher, welche für Europäer so gut als unzugänglich sind. Dieser Aufenthalt erschwert nicht bloß die Jagd, sondern auch die Beobachtung im höchsten Grade. »Mein bester Jäger«, sagt Wallace, »hatte während meines zweimonatlichen Aufenthaltes auf Buru eine der dort vorkommenden Pittas oft gesehen, war aber niemals im Stande gewesen, eine einzige von ihnen zu erlegen. Erst als er eine Nacht in einer verfallenen Waldhütte zubrachte, wurde es ihm möglich, ihrer zwei zu schießen; aber dieser Erfolg beraubte mich auf längere Zeit seiner Dienste, weil er sich bei seiner Jagd in den Dornen so verletzt hatte, daß er vierzehn Tage lang zum Jagen unfähig war. Die einzige Oertlichkeit, wo es mir gelang, Prachtdrosseln zu beobachten und zu erlegen, war die Insel Lombok, wo eine Art von ihnen auf sandigem, mit niederem Gestrüppe überwachsenem Boden sehr häufig ist. Hier opferte ich der Jagd einen guten Theil meiner Zeit und wartete geduldig, bis ich einen erfolgreichen Schuß auf die im Dickichte sichtbar gewordenen Vögel thun konnte.«

Die Bewegungen sollen höchst anmuthig sein. Wallace sagt, daß es schiene, als ob sie sich niemals beeilten, was wohl bedeuten soll, daß sie nur selten fliegen. Sie hüpfen mit großen Sprüngen auf dem Boden dahin, setzen sich gelegentlich auf einen Baumstumpf oder auf einen Busch und fliegen nur, wenn sie sich hart verfolgt sehen, auf weitere Strecken in gerader Richtung unhörbar dahin. Bernstein bemerkt, daß sie in ihrem Betragen entfernte Aehnlichkeit mit Steinrötheln zeigen, mit großen Sprüngen auf dem Boden forthüpfen und jedesmal, wenn sie einen Augenblick still stehen, das kurze, aufgerichtete Schwänzchen bewegen. Sie setzen sich gern auf einige hervorragende Punkte, Steine und dergleichen, um sich von ihnen herab besser nach Kerbthieren umsehen zu können, welche sie nicht selten hüpfend einige Schritte weit verfolgen. Jerdon nennt sie schlechte Flieger und hält es für möglich, daß sie von Stürmen förmlich verschlagen, also in Gegenden getrieben werden, in denen sie sonst nicht vorkommen. So erscheinen sie im Karnatik bei Beginn der Hitze, wenn die heftigen Landwinde auftreten, und suchen dann, so scheu sie sonst sind, ängstlich Zuflucht in den Behausungen der Menschen, in einzeln stehenden Kasernen oder anderen Gebäuden, welche ihnen Schutz gewähren. Der erste Nurang, welchen Jerdon sah, hatte sich in das Krankenhaus zu Madras geflüchtet; später erlangte er unter ähnlichen Umständen viele lebende. Gewöhnlich sieht man sie einzeln, ausnahmsweise aber kommt es vor, daß mehrere sich verbinden; Jerdon hat ihrer vierunddreißig zusammen gesehen. Die Stimme, welche man übrigens selten vernimmt, ist so eigenthümlich, daß man sie von der jedes anderen Vogels leicht unterscheiden kann. Sie besteht, laut Wallace, aus zwei pfeifenden Tönen, einem kurzen und einem längeren, welcher unmittelbar auf den ersten folgt. Wenn sich die Vögel vollständig sicher fühlen, wiederholen sie ihr Geschrei in den Zwischenräumen von einer bis zwei Minuten. Bei einzelnen Arten besteht der Lockruf aus drei Noten: so soll der Nurang die Silben »Ewitsch eia«, die australische Lärmpitta die Worte » want a watch« deutlich ausrufen. Eigentlicher Gesang ist, wie es scheint, von den indischen Arten nicht gehört worden; dagegen nennt Thomson das Lied des Pulih, einer westafrikanischen Art, äußerst lieblich. »Der Vogel«, sagt er, »steht bei den Eingeborenen des Timnehgebietes in solchem Rufe, daß sie einen dichterisch beredten Mann mit dem Namen Pulih zu ehren suchen.«

Verschiedene Kerbthiere, namentlich Käfer und Netzflügler, Würmer und dergleichen, sind die Nahrung der Prachtdrosseln. Wiederholt ist behauptet worden, daß Ameisen die Hauptmasse ihrer Speise bilden; Wallace aber sagt ausdrücklich, daß er niemals diese Kerfe in dem Magen der von ihm erlegten gefunden und ebensowenig sie auf Ameisen jagen gesehen habe. Gould hält es für möglich, daß die australischen Arten neben den Kerfen auch Beeren und Früchte fressen, hat aber bestimmtes hierüber nicht beobachten können. An die Drosseln erinnern die Pittas insofern, als sie ihre Beute nur vom Boden auflesen, an die Wasserschwätzer darin, daß sie oft bis an die Fersen im Wasser herumwaten und hier ihre Jagd betreiben.

Alle Arten der Familie, von deren Brutgeschäft man Kunde erhalten hat, bauen ihr kunstloses, aus feinen Reisern und leicht zusammengefügten Halmen bestehendes Nest auf oder dicht über dem Boden; Bernstein fand es ziemlich gut versteckt hinter einer Erdscholle. Strange berichtet, daß alle Nester, welche er in Australien sah, auf dem Knorren eines Feigenbaumes ziemlich nahe am Boden standen, außen aus Reisig gebaut und innen mit Moos, feinen Blättern und Rinden ausgelegt waren. Ein Nest, welches Jerdon untersuchte, war hauptsächlich aus Wurzeln und anderen biegsamen Pflanzenstengeln zusammengebaut und inwendig mit wenig Haaren ausgelegt. Die Eier, welche Bernstein erhielt, waren länglich eirund und von glänzend weißer Farbe, die vier Eier, welche Strange untersuchte, auf eigelblichem Grunde mit unregelmäßigen braunen und tiefweingrauen Flecken, solche, welche Jerdon erhielt, auf grünlichweißem Grunde mit wenigen rothen und einzelnen dunkelfarbigen Flecken gezeichnet. Ob beide Geschlechter brüten, oder ob nur das Weibchen allein sich diesem Geschäfte hingibt, ist zur Zeit noch nicht bekannt; wohl aber wissen wir, daß beide Eltern ihre Brut außerordentlich lieben und bei herannahender Gefahr durch die bekannte List der Verstellung den Feind von ihr abzulenken suchen.

Hodgson sagt von der in Nepal vorkommenden Art, daß sie sehr leicht gefangen werden könne; Strange versichert, daß man die australische Art durch Nachahmung ihres eigenthümlichen Rufes bis vor die Mündung der Flinte zu locken vermöge. Auf den Aruinseln betreiben die Papuaknaben mit bestem Erfolge die Jagd der dort wohnenden Prachtdrosseln, indem sie behend zwischen den Büschen hindurchkriechen und ihre kleinen Bogen sehr geschickt zu handhaben wissen. Der geübte Jäger entdeckt, laut Wallace, das Erscheinen einer Pitta zuerst an dem Rasseln der Blätter und nimmt einen Schimmer wahr, wenn der Vogel bei seinen leichten Bewegungen in günstiger Weise beleuchtet wird. Regt jener sich unvorsichtig, so zeigt ihm ein blitzartiges Glänzen an, daß sein Wild sich fliegend in Sicherheit brachte.

Bernstein fing zwei alte Pittas in Schlingen, welche er um das Nest gelegt hatte, und hielt beide längere Zeit im Käfige. In den ersten Tagen waren sie zwar etwas scheu, gewöhnten sich jedoch bald ein und wurden schon nach der ersten Woche so zahm, daß sie das Futter aus der Hand nahmen. Am liebsten fraßen sie kleine Heuschrecken, Ameisenpuppen, Termiten und dergleichen. Erstere suchten sie durch Aufstoßen auf den Boden von den harten Füßen und Flügeldecken zu befreien, fraßen diese jedoch nachträglich auch noch. Die Körper der Thiere selbst drehten sie so lange im Schnabel herum, bis sie so zu liegen kamen, daß sie mit dem Kopfe voraus verschluckt werden konnten. Uebertages hielten sie sich ausschließlich auf dem Boden ihres Käfigs auf und machten von den Sitzstangen desselben selbst nachts nur ausnahmsweise Gebrauch. »Ich glaube«, schließt der genannte, »daß es nicht schwer fallen würde, diese Vögel an ein Ersatzfutter zu gewöhnen und nach Europa überzubringen. Sie würden hier eine außerordentliche Zierde der Thiergärten sein.«


»Unsere im gleichen Schritte fortschreitende Reihe mußte an der Spitze ein unerwartetes Hindernis gefunden haben: die Bewegung stockte. Voll Befürchtung eilte ich dorthin: die ersten des Zuges standen vor einem braunen, vier bis fünf Meter breiten Bande; denn so und nicht anders sah der dichtgedrängte Heerzug der Wanderameise aus, welcher eben unseren Pfad kreuzte. Zu warten, bis dieser vorüber war, hätte uns zu lange aufgehalten, der Durchbruch dieses Heeres mußte im raschen Laufe unter gewaltigen Sprüngen erzwungen werden. Bis an die Kniee mit den wüthend gewordenen Kerfen bedeckt, durchbrachen wir die dichte Reihe, ohne uns jedoch, trotzdem wir sie mit den Händen zerquetschten und mit den Füßen zerstampften, ganz vor den schmerzhaften Bissen der gereizten Thiere retten zu können. Greift ein solches Heer, von dem niemand weiß, woher es kommt, noch wohin es zieht, auch alles an, das sich ihm auf seinem Wege eutgegenstellt, so hat es doch ebenfalls seine Feinde, namentlich unter den Vögeln, welche es stets in großer Anzahl begleiten.« So schildert Schomburgk und berichtet sodann einiges über die Lebensweise jener Vögel, welche ich nun zunächst leiblich beschreiben will.


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