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Dritte Reihe
Die Sperlingsvögel ( Passeres).

Sechste Ordnung.
Die Sperlingsvögel ( Passerinae).


[Allgemeines]

Mehr als die Hälfte aller Vögel wird, bis jetzt noch ziemlich allgemein, in einer einzigen Ordnung vereinigt. Verschiedene Versuche, die letztere, welcher man ungefähr fünftausendsiebenhundert Arten zuweist, in mehrere gleichwerthige Gruppen aufzulösen, sind gescheitert. Das sogenannte natürliche System erweist sich auch in diesem Falle wiederum als ein künstliches, um nicht zu sagen gekünsteltes, eben nur als der Ausdruck unserer derzeitigen Kenntnis.

Bei der erheblichen Artenzahl und Vielgestaltigkeit der Sperlingsvögel ist es schwierig, allgemeine Merkmale aufzustellen. Die Größe der gedachter Ordnung zugewiesenen Vögel schwankt in viel bedeutenderen Grenzen, als dies in irgend einer anderen der Fall, zwischen der des Kolkraben und der des Goldhähnchens nämlich; Schnabel und Fuß, Flügel und Schwanz, Beschaffenheit und Färbung des Gefieders bieten nicht minder erhebliche Unterschiede dar. Dem Schnabel der verschiedenen Sperlingsvögel darf wohl nur das eine als gemeinsames Merkmal zugesprochen werden, daß er mittellang ist und einer Wachshaut entbehrt, den Beinen dagegen, daß das Schienbein bis zur Ferse herab befiedert, der Lauf vorn stets mit größeren, in den meisten Fällen mit sieben Tafeln bekleidet, der Fuß zierlich gebaut und die innere Zehe, welche die zweite an Stärke und Länge gewöhnlich übertrifft, nach hinten gerichtet ist. Als wichtigstes Merkmal gilt, daß bei den meisten, jedoch keineswegs bei allen Sperlingsvögeln der untere Kehlkopf besondere Entwickelung erlangt hat, indem derselbe von zwei bis fünf, auf die Vorder- und Hinterfläche vertheilten Muskelpaaren bewegt wird.

Die Außenfedern, deren Anzahl verhältnismäßig gering zu sein pflegt, zeichnen sich durch den kleinen dunigen Afterschaft aus und stehen, sehr übereinstimmend, in gewissen Fluren, unter denen namentlich die Rücken- und Unterflur übereinstimmendes Gepräge zeigt. Erstere bildet, laut Carus, stets einen bandförmigen Streifen, welcher an den Schultern nicht unterbrochen wird, sondern hinter demselben zu einem verschoben viereckigen oder eirunden Bündel sich verbreitert und hier zuweilen ein spalt- oder eiförmiges Feld ohne Federn in sich einschließt. Von der verbreiterten Stelle geht in manchen Fällen jederseits eine Reihe einzelner Federn zu der Schwanzflur. Die Unterflur theilt sich vor der Halsmitte in zwei auseinanderlaufende, zuweilen einen äußeren, stärkeren Ast abgebende Züge, welche bis vor den After reichen. Am Handtheile des Fittigs stehen regelmäßig zehn oder neun Schwingen; im letzteren Falle fehlt die erste, welche sonst schon zu einem kleinen Stummel verkümmert zu sein pflegt. Die Anzahl der Armschwingen schwankt zwischen neun und vierzehn; erstere Zahl ist die regelmäßige. Die Armdecken sind gewöhnlich kurz und lassen meist die Hälfte der Schwingen unbedeckt. Auch findet sich nur eine einfache Reihe größerer Deckfedern, an welche die kleinen am Buge und am Rande der Flughaut sitzenden Federn stoßen. Der Schwanz besteht aus zwölf, ausnahmsweise aber zehn Steuerfedern. Dunen zwischen den Außenfedern kommen selten und, wenn überhaupt, nur spärlich vor.

Das Knochengerüst läßt namentlich im Schädel erhebliche Verschiedenheiten erkennen; doch bekundet der letztere in der gleichen Entwickelung des Pflugscharbeines, der Gaumenfortsätze der Oberkiefer und der Gaumenbeine viel übereinstimmendes. Ersteres ist vorn eingeschnitten, hinten tief gespalten, so daß es die Keilbeinspitzen umfaßt; die Gaumenfortsätze des Oberkiefers sind dünn, lang, zuweilen breiter, biegen sich nach innen und hinten über die Gaumenbeine und enden unter dem Pflugscharbeine mit verbreiterten, muschelartig ausgehöhlten Enden, welche jedoch bei einzelnen Familien fehlen, die Gaumenbeine endlich meist breit und hinten flach. Bezeichnend für alle Sperlingsvögel ist, nach Nitzsch, eine besondere knöcherne Röhre, welche die Luft aus der Paukenhöhle in die Lufträume des Unterkiefers führt. Die Wirbelsäule besteht aus zehn bis vierzehn Hals-, sechs bis acht Rücken-, sechs bis dreizehn Kreuzbein- und sechs bis acht Schwanzwirbeln. Der Kamm des Brustbeines ist am Vorderrande ausgeschweift und der Hinterrand fast immer ausgeschnitten. Am Vorderende des Schlüsselbeines befindet sich ein stark entwickelter Anhang in Form eines zusammengedrückten Kegels. Der Vorderarm ist etwas länger als der Oberarm, aber ebensowenig wie die Hand auffallend verlängert. Die Beine zeigen regelmäßige Bildung. Die Zunge, deren horniger Ueberzug am Rande und an der Spitze oft gezahnt oder zerfasert sein kann, entspricht in Form und Größe dem Schnabel. Die Speiseröhre erweitert sich nicht zum Kropfe; der Magen ist fleischig; Gallenblase und Blinddarm sind stets vorhanden.

Entsprechend ihrer außerordentlichen Anzahl ist die Verbreitung der Sperlingsvögel. Sie sind Weltbürger und bilden den wesentlichsten Theil der gefiederten Einwohnerschaft aller Gürtel der Breite oder Höhe, aller Gegenden, aller Oertlichkeiten. Sie bewohnen jedes Land, jeden Gau, die eisigen Felder des Hochgebirges oder Nordens wie die glühenden Niederungen der Wendekreisländer, die Höhe wie die Tiefe, den Wald wie das Feld, das Rohrdickicht der Sümpfe wie die pflanzenlose Steppe, die menschenwogende Weltstadt wie die Einöde; sie fehlen nirgends, wo ihnen irgend eine Möglichkeit zum Leben geboten ist: sie finden noch auf öden Felseninseln mitten im Eismeere Aufenthalt und Nahrung. Nur eine einzige Ordnung der Vögel, die der Raubvögel, beherrscht ein annähernd gleich ausgedehntes und verschiedenes Gebiet; die Sperlingsvögel aber sind ungleich zahlreicher an Arten und Einzelwesen als jene und schon deshalb verbreiteter. Bloß einem einzigen Erdtheile fehlen sie, dem sechsten nämlich, dem Festlande an dem Südpole, weil dieses ihnen, den sonst so genügsamen, das zum Leben nöthige nicht zu bieten vermag. Auch das Meer stößt sie zurück; sie sind Kinder des Landes. Soweit der Pflanzenwuchs reicht, dehnt sich ihr Wohngebiet. In den Wäldern treten sie häufiger auf als in waldlosen Gegenden, unter den Wendekreisen in zahlreicherer Menge als im gemäßigten oder kalten Gürtel; doch gilt auch dies für die Gesammtheit nur bedingungsweise. Viele Arten leben fast oder ausschließlich auf dem Boden, und weitaus die meisten sind demselben mindestens nicht fremd. Die Nähe des Menschen meiden die wenigsten unter ihnen; viele bitten sich vielmehr bei dem Gebieter der Erde zu Gaste, indem sie vertrauensvoll sein Haus und sein Gehöft, seinen Obst- oder Ziergarten besuchen, und kein einziger von ihnen würde die Nachbarschaft der Wohnungen scheuen, träte der Mensch ihnen nicht feindlich gegenüber, sei es auch nur insofern, als er ihnen zusagende Wohnsitze seinen Zwecken gemäß umgestaltet.

Wer die Sperlingsvögel insgemein zu den hochbegabten Gliedern ihrer Klasse zählt, gewährt ihnen nicht mehr als Recht. Nicht wenige Vogelkundige sehen, dem Vorgange von Cabanis folgend, die Nachtigall als den vollkommensten aller Vögel an, und Owen hat einmal behauptet, daß dem Raben dieselbe Auszeichnung zu theil werden dürfte. Gegen das eine wie gegen das andere läßt sich wenig einwenden. Die Begabung der Sperlingsvögel ist in der That außerordentlich, ihre geistige Befähigung nicht minder groß als ihre leibliche. Fast ausnahmslos gewandt in Leibesübungen aller Art, beherrschen sie so ziemlich jedes Gebiet. Nicht alle sind ausgezeichnete Flieger; einzelne von ihnen aber wetteifern in dieser Beziehung mit jedem anderen Vogel, und die große Mehrzahl übertrifft noch immer alle Mitglieder ganzer Ordnungen. Auf dem Boden bewegen sich mindestens die meisten leicht und geschickt, die einen schreitend, die anderen hüpfend, wenige nur trippelnd; dichtes Gezweige durchschlüpfen viele mit der Hurtigkeit einer Maus; am Stamme wie auf den Aesten und Zweigen klettern die einen, turnen die anderen, treiben einige Gauklerkünste mancherlei Art. Das Wasser scheuen zwar die meisten; einige aber bemeistern es in einer Weise, welche kaum ihresgleichen hat: denn sie laufen jagend auf dem Grunde dahin, oder durchfliegen den donnernd und schäumend zur Tiefe stürzenden Fall. Alle Sinne sind wohl entwickelt. Obenan steht vielleicht ausnahmslos das Gesicht, nächstdem scheinen Gehör und Gefühl besonders ausgebildet zu sein. Geschmack ist zwar nicht in Abrede zu stellen, schwerlich aber von besonderer Bedeutung, und Geruch endlich wohl nur bei einzelnen einigermaßen scharf, so daß wir die beiden vermittelnden Sinne kaum mit Unrecht als verkümmert ansehen. Dem großen Gehirne entspricht der scharfe Verstand, das tiefe Gemüth, die Lebendigkeit des Wesens, welche Eigenschaften der großen Mehrzahl aller Sperlingsvögel zugesprochen werden müssen. Wer sie kennt, wird sie gewiß nicht geistesarm schelten, er müßte denn die Beweise des Gegentheils, welche sie tagtäglich geben, nicht gelten lassen wollen. Die meisten von ihnen sind allerdings gutmüthige und vertrauensselige Vögel, welche falsche Beurtheilung wohl möglich erscheinen lassen; alle aber bekunden bei entsprechender Gelegenheit volles Verständnis für maßgebende Verhältnisse. Sie lernen ihre Feinde kennen und würdigen, Gefahren ausweichen, wie sie mit ihren Freunden innigen Umgang pflegen und deren Wirtlichkeit wohl beherzigen: sie ändern also ihr Betragen je nach den Umständen, je nach Zeit und Oertlichkeit, je nach den Menschen, mit denen sie verkehren, nach Verhältnissen, Ereignissen, Begebenheiten. Sie sind groß in ihren Eigenschaften und Leidenschaften, gesellig, friedfertig und zärtlich, aber auch wiederum ungesellig, streitlustig, dem sonst so geliebten Wesen gegenüber gleichgültig; sie sind feurig in der Zeit ihrer Liebe, daher auch eifersüchtig, eigenwillig und ehrgeizig; sie kämpfen, wenn es gilt, mit Klaue und Schnabel wie mit der singfertigen Kehle, im Fluge wie im Sitzen, mit denselben Artgenossen, in deren Vereine sie friedlich sich bewegen, denen sie die größte Anhänglichkeit widmen, um derentwillen sie sich vielleicht dem Verderben preis geben. So lebendiges Gefühl ist ihnen eigen, daß es nicht selten ihren Verstand übermeistert, einzelne vollständig überwältigt, ihnen alle Besinnung und selbst das Leben raubt. Niemand wird dies in Abrede stellen können; denn jeder, welcher beobachtete, hat Erfahrungen gesammelt, welche es beweisen: sei es, daß er wahrnahm, wie ein Sperlingsvogel einem hülfsbedürftigen, schwachen und kranken Barmherzigkeitsdienste übte; sei es, daß er bemerkte, wie gezähmte Käfigvögel aus dieser ganzen Ordnung ihrem Pfleger und Gebieter alle Liebe betätigten, deren sie fähig sind, wie sie trauernd schwiegen, wenn derselbe abwesend war, wie sie freudig ihn begrüßten, sobald sie ihn wieder sahen; sei es endlich, daß er mit Verständnis einem der herrlichen Lieder lauschte, durch welche gerade diese Vögel uns zu bezaubern wissen. Ein vortreffliches Gedächtnis, welches den meisten zugesprochen werden darf, trägt wesentlich dazu bei, ihren Geist auszubilden und zu vervollkommnen. Daß so lebendigen und leidenschaftlichen Thieren fast ununterbrochene Regsamkeit zur Nothwendigkeit wird, ist begreiflich. Träumerischer Unthätigkeit entschieden abhold, bewegen sie sich, wirken und handeln sie ohne Unterlaß vom frühen Morgen bis zum späten Abend. Jede Begabung wird erprobt, jede Befähigung geübt. Nur so lange sie schlafen, sind sie tatsächlich unthätig; wachend beschäftigen sie sich gewiß in irgend einer Weise, und wäre es auch nur, daß sie sich das Gefieder putzen. Ein großer Theil des Tages wird der Ernährung, ein kaum geringerer der uns am meisten anmuthenden Beschäftigung, dem Singen, gewidmet. Weitaus die große Mehrzahl besitzt in hohem Grade die Fähigkeit zu singen. Hinsichtlich einzelner Papageien läßt uns besonderes Wohlwollen wohl auch von Gesang reden, während es sich, streng genommen, nur um liebenswürdige Stümperei handelt; die Sperlingsvögel dagegen vereinigen in ihrer Ordnung alle wirklichen Sänger, die wahren Meister der edlen Kunst, und wissen Kenner ihres Gesanges ebenso gut zu begeistern wie geschulte Menschensänger ihre Zuhörer. Alle, welche wirklich singen, thun dies mit Begeisterung und Ausdauer, und alle singen nicht bloß ihrem Weibchen, oder, wenn sie gefangen sind, ihren Pflegern, sondern auch sich selbst zur Freude, wie sie anderseits ihr Lied zur Waffe stählen, mit ihm kämpfen, durch dasselbe siegen oder unterliegen. Wer eine Nachtigall, eine Drossel singen gehört und sie verstanden hat, begreift, daß solch ein Vogel Lebensfreudigkeit, leichte Erregbarkeit des Geistes besitzen, daß er leidenschaftlich sein muß, um so vollendetes schaffen zu können. Man hat den Singvogel oft mit dem Dichter verglichen, und der Vergleich, mag er auch hinken wie jeder andere, und mag man über ihn spötteln, darf gelten: denn was der Dichter unter den Menschen, ist der Sänger in gewissem Sinne wenigstens unter den Vögeln.

So vielseitiger Begabung, wie sie dem Sperlingsvogel geworden ist, entsprechen Lebensweise, Betragen, Ernährung, Fortpflanzung und andere Thätigkeiten und Handlungen. Im allgemeinen läßt sich hierüber wenig sagen; denn eigentlich scheint unter Sperlingsvögeln alles möglich zu sein. Ihre Lebensweise ist ebenso verschieden wie ihre Gestalt, Begabung und ihr Aufenthalt, ihr Betragen so veränderlich wie sie selbst. Die meisten von ihnen sind in hohem Grade gesellige Thiere. Einzelnen begegnet man nur zufällig, Paaren bloß in der Brutzeit; während der übrigen Monate des Jahres sammeln sich die Paare und Familien zu Trupps, die Trupps zu Scharen, die Scharen oft zu förmlichen Heeren. Und nicht bloß die Mitglieder einer Art versammeln sich, sondern auch Artverwandte, welche unter Umständen monatelang zusammenbleiben, in einen Verband treten und gemeinschaftlich handeln. Solche Versammlungen sind es, welche wir im Spätherbste, nach vollendeter Brut und Mauser, in unseren Wohnorten, auf unseren Fluren sehen können; solche Genossenschaften stellen sich während des Winters in Bauerngehöften oder in den Straßen der Städte als Bettler ein; solche Verbindungen bleiben auch in der Fremde bestehen. Der Klügere pflegt für das Wohl der Gesammtheit Sorge zu tragen, und seinen Anordnungen wird bei den übrigen Gehorsam oder seinem Vorgehen Nachahmung. Bei anderen Sperlingsvögeln, welche ebenfalls in Gesellschaft leben, walten abweichende Verhältnisse ob. Kein Mitglied des von ihnen gebildeten Verbandes opfert diesem seine Selbständigkeit; einer steht zwar dem anderen in Gefahr und Noth treulich bei, die Gatten eines Paares hängen mit inniger Zärtlichkeit aneinander, und die Eltern lieben ihre Jungen in so hohem Grade wie irgend ein anderer Vogel die seinigen: im übrigen aber handelt jeder einzelne zu seinem Nutzen. Ihre geselligen Vereinigungen sind, wie es scheint, Folgen der Erkenntnis aller Vortheile, welche ein Verband gleichbefähigter dem einzelnen gewährt, Verbindungen zu Schutz und Trutz, zur Ermöglichung geselliger Freuden, zur Unterhaltung des ewig nach Beschäftigung strebenden Geistes. Einzelne Arten halten sogar Zusammenkünfte an gewissen Orten und zu gewissen Stunden ab, scheinbar zu dem Zwecke, gegenseitig Erlebnisse des Tages auszutauschen. Andere Sperlingsvögel wiederum sind Einsiedler, wie solche unter Vögeln nur gedacht werden können, grenzen eifersüchtig ein bestimmtes Gebiet ab, dulden innerhalb desselben kein zweites Paar, vertreiben aus ihm sogar die eigenen Jungen.

Streng genommen hat man die Mitglieder unserer Ordnung als Raubvögel zu betrachten, so wenig dies auch der geläufigen Bedeutung des Wortes entsprechen mag. Die große Mehrzahl nährt sich, wenn nicht ausschließlich, so doch vorwaltend, von anderen Thieren, von Kerfen, Weichthieren und Gewürm aller Art, und die größten Mitglieder der Klasse zählen thatsächlich zu den tüchtigsten Räubern, da sie ihre Jagd keineswegs auf Kleingethier beschränken, sondern mit wirklichen Raubvögeln wetteifern und bei ihrer Jagd Kraft und Gewandtheit mit Muth und List vereinigen. Fast alle aber, welche vorwiegend von anderen Thieren sich ernähren, verzehren nebenbei auch Früchte, Beeren und Körner, und diejenigen, welche letztere fressen, jagen fast ausnahmslos zeitweilig Kerbthieren nach. So bezeichnet man sie vielleicht am richtigsten als Allesfresser, wenn auch die wenigsten dies in so unbeschränkter Weise sein mögen, wie einzelne, denen alles genießbare recht zu sein scheint, und welche um die Mittel zur Erwerbung nie verlegen sind.

Je nachdem der Haupttheil der Nahrung aus thierischen oder aus pflanzlichen Stoffen besteht, ist der Sperlingsvogel gezwungen, sein heimatliches Gebiet zu verlassen, wenn der Winter ihm den Tisch verdeckt, oder aber befähigt, jahraus jahrein wesentlich dieselbe Oertlichkeit zu bewohnen. Alle in warmen Ländern lebenden Sperlingsvögel ziehen nicht, sondern streichen höchstens von einem Gebiete zum anderen, wie einzelne unserer nordischen Arten auch zu thun pflegen. Bei uns zu Lande entvölkert der Herbst Wald und Flur; denn verhältnismäßig wenige von den in unserem Vaterlande heimischen Arten der Ordnung sind befähigt, hier den Winter zu bestehen, und nicht bloß die meisten Kerbthierräuber, sondern auch viele Körnerfresser wandern nach Süden, ja, selbst ein Theil der Allesfresser gehorcht derselben zwingenden Nothwendigkeit.

Der Frühling, möge er nun Lenz oder Regenzeit heißen, ist die Zeit der Liebe für die Mehrzahl der Sperlingsvögel; gerade unter ihnen gibt es jedoch einige Arten, welche sich wenig um das neuerwachende Leben in der Natur kümmern und hinsichtlich des Brutgeschäfts an keine bestimmte Zeit des Jahres binden, vielmehr ebenso dem eisigen Winter des Nordens wie der ertödtenden Sommerhitze der Wendekreisländer trotzen. Die große Menge hingegen hält treulich fest an dem Wechsel des Jahres und erkennt im Lenze dessen schönste Zeit. Bis dahin haben sich alle größeren Gesellschaften, welche der Herbst vereinigte, gelöst, und die geselligen Tugenden sind einer Leidenschaftlichkeit gewichen, wie sie bei wenigen anderen Vögeln stärker auftritt. Der Schnabel ist jetzt nicht bloß dem Jubelliede der Liebe geöffnet, sondern auch zum Kampfe der Eifersucht gewetzt. Fast möchte man glauben, daß der Sperlingsvogel sein Tagewerk nur in Singen und Kämpfen eintheilt. Er bethätigt die lebhafteste Erregung in allen Handlungen, nimmt mit Hast die nothwendige Nahrung zu sich, singt und jubelt, übt allerlei Flugspiele, welche er sonst niemals aufführt, und gibt sich mit vollem Feuer, meist vielmal des Tages, ehelichen Zärtlichkeiten hin. Diejenigen, welche zu den Einsiedlern zählen, verfolgen ihresgleichen jetzt mit mehr Ingrimm als je; diejenigen, welche ihren Verband nicht lösen, bilden Siedelungen, und wenn es anfänglich in ihnen auch nicht immer friedlich hergeht, manchmal vielmehr Streit um Niststätte und Niststoffe die Gemüther erhitzt, endet doch der Kampf, und tritt der Friede ein, wenn der Platz wirklich in Besitz genommen und der Bau vollendet oder mit Eiern belegt wurde. Das Nest selbst ist so verschieden wie der Sperlingsvögel selbst, an dieser Stelle daher nur zu sagen, daß die größten Baumeister in dieser Beziehung, wahre Künstler, gerade innerhalb unserer Ordnung gefunden werden. Das Gelege besteht aus vier bis zwölf und mehr, meist buntfarbigen Eiern. Beide Eltern brüten, und beide füttern gemeinschaftlich ihre Jungen auf. Meist folgt im Laufe des Sommers eine zweite, selbst dritte Brut auf die erste.

Im allgemeinen haben wir die Sperlingsvögel als vorwiegend nützliche Thiere anzusehen. Zwar gibt es unter ihnen einzelne, welche uns vielleicht mehr schaden als nützen; ihrer aber sind so wenige, daß man ihre Thätigkeit dem Wirken der Gesammtheit gegenüber kaum in Anschlag bringen darf. Weitaus die meisten Arten erwerben sich durch Vertilgung schädlicher Kerbthiere, Schnecken und Würmer hohe Verdienste um unsere Nutzpflanzen, und nicht wenige beleben durch ihre köstliche Begabung, zu singen, Wald und Flur in so hohem Grade, daß sie uns den Frühling erst zum Frühlings stempeln. Sie würden wir nicht missen mögen, selbst wenn sie schädlich sein sollten. Gerade die besten Sänger aber bringen uns nur Nutzen; die schädlichsten sind diejenigen, welche als Stümper im Gesange bezeichnet werden müssen. Hierher haben wir zu rechnen einzelne Raben, hierher auch mehrere kleine Finken und Webervögel, welche zwar durch Auslesen von Unkrautgesämen und gelegentlichen Fang von Kerbthieren ebenfalls Nutzen bringen, zu gewissen Zeiten aber, wenn sie zu großen Schwärmen vereinigt in reifendes Getreide oder fruchttragende Obstbäume einfallen, doch auch recht lästig werden können. Nicht unser Bauer allein sieht in solchen Vögeln unliebsame Gäste, auch die Völkerschaften anderer Erdtheile klagen über den Schaden, welchen sie durch die kleinen Körnerfresser erleiden. Die Menge macht letztere furchtbar; denn es ist in der That nicht gleichgültig, Hunderte und tausende von kleinen Fressern ernähren und zusehen zu müssen, wenn die ungenügsamen nebenbei noch ebensoviel verwüsten, als sie verzehren. Ihnen gegenüber rechtfertigt sich thatkräftige Abwehr umsomehr, als ihr Fleisch mit Recht als leckeres Gericht betrachtet werden kann. Aber auch der Fang einzelner, in großer Anzahl auftretender, nicht schädlicher Arten, beispielsweise der Drosseln, ist kein so unsühnbares Verbrechen, als man neuerdings zu behaupten pflegt; in keinem Falle wenigstens tragen die Vogelsteller allein die Schuld an der Abnahme dieser Vögel, soweit eine solche überhaupt erwiesen werden konnte. Demungeachtet empfiehlt es sich, für sie in die Schranken zu treten; denn alle Sperlingsvögel insgemein, die wenigen starken und sehr gewandten unter ihnen ausgeschlossen, haben ohnehin von den verschiedenartigsten Feinden zu leiden.

Mindestens ebensoviele Sperlingsvögel, als man in unserer Zeit dem Moloch Magen opfert, werden gefangen, um als Stubengenossen des Menschen zu dienen. Keine andere Ordnung der Klasse liefert so viele Käfigvögel wie diese. Ihnen entnahmen wir das einzige Hausthier, welches wir im eigentlichen Sinne des Wortes im Käfige halten, ihnen gewähren wir das Vorrecht, uns mitten im Winter Lenz und Lenzesgrün vorzutäuschen. Gefühlsüberschwängliche Seelen haben geklagt und gejammert über die armen gefangenen Vögel im Käfige, in ihrer Beschränktheit aber vergessen, daß auch der Stubenvogel nichts anderes ist als ein Hausthier, bestimmt, dem Menschen zu dienen. Ein Säugethier zu züchten, zu mästen, zu schlachten, zu verspeisen, findet jedermann in der Ordnung; einen Vogel zu fangen, mit aller Liebe zu pflegen, ihm den Verlust seiner Freiheit so gut als möglich zu ersetzen, um dafür als Dankeszoll die Freude zu ernten, seinem Liede lauschen zu dürfen, bezeichnet man als ungerechtfertigte Beraubung der Freiheit eines hochedeln Wesens. So lange unsere Erde wie bisher reicher an Thoren als an Weisen sein wird, so lange der Unverstand selbst in Thierschutzvereinen herrscht, ja gerade hier förmlich regelrecht groß gezogen wird, ist auf Aenderung so verkehrter Anschauungen kaum zu hoffen. Wir aber, welche die Vögel und ihr Leben besser kennen als jene zünftigen und nichtzünftigen Klageweiber, werden uns deshalb unsere Freude an ihnen und somit auch an unseren Stubengenossen nicht beschränken noch verkümmern lassen, nach wie vor Vögel fangen und pflegen und diejenigen, welche kein Verständnis für unsere Freude gewinnen wollen, höchstens im innersten Herzen beklagen.


Ueber die Eintheilung dieser artenreichsten aller Ordnungen, bei deren Schilderung ich mich mehr als bei irgend einer anderen beschränken muß, herrschen so verschiedene Auffassungen, daß man behaupten darf, jeder einigermaßen selbständig arbeitende Forscher befolge sein eigenes System. Alle Versuche, sich zu einigen, sind bis jetzt gescheitert. Wir kennen die Sperlingsvögel noch viel zu wenig, als daß wir über ihre Verwandtschaften in allen Fällen zweifellos sein könnten. Einige erachten es als richtig, die Gesammtheit in zwei Unterordnungen, die der Sing- und Schreivögel, zu zerfällen, je nachdem die Singmuskeln am unteren Kehlkopfe entwickelt sind oder nicht. Ich werde, obwohl ich von der Nothwendigkeit einer solchen Trennung noch keineswegs überzeugt bin, dieser Auffassung im nachstehenden Rechnung tragen.

 

Bei den Singvögeln ( Oscines), der großen Mehrzahl aller Sperlingsvögel, ist der untere Kehlkopf vollständig entwickelt und meist mit fünf Paaren, auf die Vorder- und Rückseite vertheilten Muskeln ausgerüstet. Aeußerlich lassen sich die Glieder dieser sogenannten Unterordnung daran erkennen, daß von den zehn Handschwingen die erste kurz, verkümmert oder gar nicht vorhanden, der Lauf aber vorn gestiefelt, das heißt mit vollständig verschmolzenen großen Platten gedeckt und auf der Seite mit einer ungetheilten Schiene bekleidet ist.

 

Dem Vorgange von Cabanis folgend, stelle ich unter den hierher gehörigen Sperlingsvögeln die Drosselvögel ( Rhacnemididae) obenan. Sie kennzeichnen der kräftige Leib und große Kopf, der mittellange, gerade, seitlich etwas zusammengedrückte, auf der Firste sanft gebogene, an der Spitze nicht überragende, vor der Spitze mit seichtem Einschnitte versehene Schnabel, der hochläufige Fuß mit mittelgroßen Zehen und deutlich gekrümmten Nägeln, der mittellange Flügel, unter dessen zehn Handschwingen die dritte die längste zu sein pflegt und die erste durch auffallende Kürze sich auszeichnet, und das reichhaltige Gefieder, welches aus verhältnismäßig großen und weichen, in den meisten Fällen düsterfarbigen Federn besteht.

Die Drosseln, von denen man ungefähr dreihundertfünfundsiebzig Arten kennt, sind Weltbürger, bewohnen alle Gürtel der Höhe und Breite und ebenso die verschiedenartigsten Oertlichkeiten, obwohl die Mehrzahl von ihnen im Walde seßhaft ist. Als für sie bezeichnend mag erwähnt sein, daß die meisten viel auf dem Boden sich aufhalten, gleichviel ob derselbe von Pflanzen überdeckt oder steinig oder felsig ist, im tiefsten Schatten liegt oder von der glühenden Sonne bestrahlt wird. Hochbegabt in jeder Beziehung, gewinnen sie durch meist vorzüglichen Gesang unsere besondere Zuneigung, erweisen sich zudem nur nützlich und verdienen daher das allgemeine Wohlwollen, welches ihnen entgegengebracht wird. Kerbthiere, zumal deren Larven, allerlei Weichthiere sowie Erd- und Wassergewürm im weitesten Umfange, während der Fruchtzeit nebenbei Beeren verschiedener Art bilden ihre Nahrung; fast alle, welche höhere Breiten bewohnen, zählen daher zu den Zug- und Wandervögeln, welche früher oder später im Herbste verschwinden und entgegengesetzt im Frühjahre zurückkehren, um bald nach ihrer Ankunft zur Fortpflanzung zu schreiten. Nest und Eier sind so verschieden, daß etwas allgemein gültiges kaum gesagt werden kann; auch die Art und Weise, wie sie ihre Jungen erziehen, ändert vielfach ab.

Feinde der Drosseln sind alle Raubthiere, welche dieselben Aufenthaltsorte mit ihnen theilen. Zu ihnen gesellt sich der Mensch, welcher sie unzweifelhaft am empfindlichsten schädigt, weniger indem er alte und junge fängt, um sie im Käfige zu halten oder auch wohl zu verspeisen, weniger ebenso, indem er ihnen die Eier raubt, als indem er ihnen die zusagenden Wohnplätze schmälert. Der Forscher oder kundige Liebhaber, welcher für seine Zwecke Drosseln tödtet oder fängt, ist es nicht, welcher ihrem Bestande schadet: der Land- und Forstwirt, welcher jeden Busch, jede Hecke rodet, den Wald zu Feld oder im günstigsten Falle zu gleichförmigen Forsten umwandelt, fügt ihnen größeres Unheil zu. Drosseln gefangen zu halten, ist, falls man sie sachkundig zu pflegen versteht, nicht als Verbrechen zu bezeichnen, vielmehr durchaus gerechtfertigt; denn gerade diese Vögel gehören zu den angenehmsten Stubengenossen, welche sich der an das Zimmer gebannte Mensch erwerben kann. Rechtzeitig gefangen und sachkundig gepflegt, gewöhnen sie sich bald an den Verlust der Freiheit, befreunden sich innig mit ihrem Gebieter, geben diesem ihre Zuneigung und Anhänglichkeit in jeder Weise zu erkennen, bekunden Trauer, wenn sie ihn vermissen, jubelnde Freude, wenn sie ihn wieder erscheinen sehen, treten mit einem Worte mit dem Menschen in ein wirklich inniges Verhältnis. Aber sie wollen gepflegt, abgewartet, beobachtet und verstanden sein, wenn man zu erreichen strebt, daß sie längere Zeit im Käfige ausdauern, und deshalb soll der, welcher eine Drossel, eine Nachtigall dem Walde und seinem Mitmenschen rauben will, um sie allein zu besitzen, erst bei einem erfahrenen Vogler in die Lehre gehen, aber auch die rechte Liebe und die rechte Geduld mitbringen; denn ohne diese Liebe und Geduld wird er einem edlen Wesen nicht bloß seine Freiheit, sondern auch sein Leben nehmen. Auch in diesem Falle ist es die Unkenntnis, nicht aber verständnisvolle Liebhaberei, welche frevelt.

Erdsänger ( Humicolinae)

Die Familie wird zur leichteren Uebersicht in Abtheilungen zerfällt, denen wir den Rang von Unterfamilien zusprechen dürfen. Eine solche umfaßt die Erdsänger ( Humicolinae), kleinere und verhältnismäßig schlank gebaute Arten der Familie mit pfriemenförmigem Schnabel, hochläufigen Füßen, ziemlich kurzen Flügeln, selten mehr als mittellangem Schwanze und glattfederigem, hinsichtlich des Geschlechtes entweder wenig oder auch auffallend verschiedenem Gefieder.

Die Erdsänger bewohnen vorzugsweise die Alte Welt, insbesondere das nördlich altweltliche Gebiet, siedeln sich im Gebüsche der Waldungen an, sind hochbegabt in jeder Beziehung, namentlich vorzügliche Sänger, ernähren sich fast ausschließlich von Kerbthieren, brüten auf oder nahe über dem Boden und legen einfarbige oder nur bleich gefleckte Eier.

 

Die höchste Stelle innerhalb der Unterfamilie gebührt den Nachtigallen ( Luscinia). Sie kennzeichnen sich durch schlanken Leibesbau, fast geraden, ziemlich gestreckten, am Grunde ein wenig verbreiterten, vorn spitzigen, pfriemenförmigen Schnabel, hochläufige, kräftige Füße, mittellange Flügel, mittellangen, abgerundeten Schwanz und verhältnismäßig knappes Gefieder, dessen Färbung beiden Geschlechtern gemeinsam ist.

 

Unsere seit altersgrauer Zeit hochberühmte Nachtigall ( Luscinia vera, megarhynchos, media, Okeni und peregrina, Motacilla, Sylvia, Curruca, Daulias, Philomela, Lusciola, und Erythacus luscinia) kann mit wenig Worten beschrieben werden. Das Gefieder der Oberseite ist rostrothgrau, auf Scheitel und Rücken am dunkelsten, das der Unterseite licht gilblichgrau, an der Kehle und Brustmitte am lichtesten; die Schwingen sind auf der Innenfahne dunkelbraun, die Steuerfedern rostbraunroth. Das Auge ist rothbraun, der Schnabel und die Füße sind röthlich graubraun. Das Jugendkleid ist auf röthlich braungrauem Grunde gefleckt, weil die einzelnen Federn der Oberseite lichtgelbe Schaftflecken und schwärzliche Ränder haben. Die Länge beträgt siebzehn, die Breite fünfundzwanzig, die Fittiglänge acht, die Schwanzlängc sieben Centimeter. Das Weibchen ist ein wenig kleiner als das Männchen.

 

Der Sprosser oder die Aunachtigall ( Luscinia philomela, major und eximia, Motacilla, Sylvia, Curruca, Daulias, Lusciola und Erithacus philomela, Philomela magna) ist größer, namentlich stärker als die Nachtigall, ihr aber sehr ähnlich. Als wichtigste Unterscheidungsmerkmale gelten die viel kürzere erste Schwinge und die wolkig gefleckte, wie man zu sagen pflegt, »muschelfleckige« Oberbrust. Die Länge beträgt neunzehn, die Breite etwa achtundzwanzig, die Fittiglänge neun, die Schwanzlänge acht Centimeter.

siehe Bildunterschrift

Nachtigall ( Luscinia vera) und Sprosser ( Luscinia philomela). 2/3 natürl. Größe.

Außer diesen beiden Arten sind neuerdings noch andere unterschieden worden. Dahin gehören: der Zweischaller ( Luscinia hybrida), ein Vogel von der Größe des Sprossers, mit ebenso verkürzter erster Handschwinge, oberseits wie der Sprosser, unterseits fast ganz wie die Nachtigall gefärbt, aus Polen, die Steppennachtigall ( Luscinia Golzii), welche durch bedeutendere Größe, die verhältnismäßig kürzere zweite Handschwinge und die oberseits deutlich rothbraune Färbung und den Mangel der rothbraunen Außenränder von unserer Nachtigall sich unterscheidet, sowie endlich die Hafisnachtigall oder der »Bülbül« der Perser (Luscinia Hafizii), welche durch längeren Schwanz und blässere Färbung sich unterscheiden soll.

Abgesehen von den letztgenannten mehr oder weniger zweifelhaften Arten, läßt sich über die Verbreitung der Nachtigall und des Sprossers das folgende sagen: erstere bewohnt als Brutvogel von Großbritannien an West-, Mittel- und Südeuropa, findet sich auf den Britischen Inseln nur in England, ist in Schweden sehr selten, tritt dagegen geeigneten Orts westlich von der Peene in Nord-, Mittel- und Süddeutschland häufig auf, bewohnt ebenso in zahlreicher Menge Ungarn, Slavonien, Kroatien, Ober- und Unterösterreich, Mähren, Böhmen und ist auf allen drei südlichen Halbinseln gemein, scheint ihr Brutgebiet aber nicht weit nach Osten und Süden hin auszudehnen, findet sich jedoch in erst erwähnter Richtung noch zahlreich in Südrußland und der Krim, ebenso in Kaukasien, Kleinasien und Palästina, wogegen nach Süden hin ihr Vaterland nicht über die Atlasländer hinab sich erstreckt. Sie bevorzugt die Ebene, meidet aber auch bergige Gelände nicht gänzlich, vorausgesetzt, daß es hier an Laubbäumen und Gesträuchern nicht mangelt. In der Schweiz ist sie, nach Tschudi, in einem Höhengürtel von tausend Meter über dem Meere »nicht ganz selten«, in Spanien nach eigenen Beobachtungen in gleicher Höhe überall und sechshundert Meter höher noch regelmäßig zu finden. Laubwaldungen mit viel Unterholz, noch lieber Buschwerk, welches von Bächen und Wassergräben durchschnitten wird, die Ufer größerer Gewässer und Gärten, in denen es heimliche Gebüsche gibt, sind ihre Lieblingsplätze. Hier wohnt Paar an Paar, ein jedes allerdings in einem bestimmt umgrenzten Gebiete, welches streng bewacht und gegen andere muthvoll vertheidigt wird. Wo es Oertlichkeiten gibt, welche ihren Anforderungen genügen, ist sie stets häufig, bei uns zu Lande aber doch in geringerem Grade als in Südeuropa. Hier hat mich die Menge der Nachtigallen, welche einen und denselben Landestheil oder Garten bewohnen in Erstaunen gesetzt. Man sagt kaum zu viel, wenn man behauptet, daß in Spanien zum Beispiel, geeigneten Orts, in jeder Hecke oder in jedem Busche ein Nachtigallenpärchen herbergt. Ein Frühlingsmorgen auf dem Montserrat, eine abendliche Lustwandlung innerhalb der Ringmauern der Alhambra wird jedem unvergeßlich bleiben, welcher ein Ohr hat, zu hören. Man vernimmt hundert Nachtigallen zu gleicher Zeit; man hört allüberall das eine Lied. Die ganze, große, grüne Sierra Morena darf als ein einziger Nachtigallengarten angesehen werden, und solcher Gebirge gibt es noch viele. Man begreift nicht, wie es möglich ist, daß ein so kleines Stück Erde, wie hier zur Vertheilung kommt, zwei so anspruchsvolle Vögel nebst ihrer zahlreichen Brut ernähren kann. Genau dasselbe gilt nach meinen neuesten Erfahrungen auch für Südungarn, woselbst sie den früher dort häufig gewesenen Sprosser mehr und mehr zu verdrängen scheint und nicht, wie vormals, allein im Gebirge, sondern auch im Donauthale auftritt.

Das Verbreitungsgebiet des Sprossers begrenzt den Wohnkreis der Nachtigall im Norden und Osten. Er ist die häufigste Nachtigall Dänemarks und die einzige, welche in Skandinavien, dem östlichen Pommern und ganz Nord- und Mittelrußland gefunden wird, ersetzt die Verwandte ebenso in Polen und vielleicht auch in Galizien, bewohnt noch immer, wenn auch sehr einzeln, das mittlere Donauthal von Wien abwärts und tritt endlich jenseit des Urals in allen Fluß- und Stromthälern der Steppe Westsibiriens auf, hat sich gerade hier auch die volle Reinheit, Fülle und Reichhaltigkeit seines Schlages bewahrt und entzückt noch heute das Ohr des Reisenden durch dieselben Strophen, welche unsere Väter begeisterten.

Beide Nachtigallen wandern im Winter nach Mittel- und Westafrika, der Sprosser wahrscheinlich auch nach südlichen Ländern Asiens.

Nachtigall und Sprosser stimmen unter sich in allen wesentlichen Zügen ihrer Lebensweise so vollständig überein, daß man bei einer Schilderung derselben sich fast auf eine Art beschränken kann. Auch ich werde dies im nachstehenden thun und vorzugsweise die Nachtigall ins Auge fassen. Da, wo diese köstliche Sängerin des Schutzes seitens des Menschen sich versichert hält, siedelt sie sich unmittelbar bei dessen Behausung an, bekundet dann nicht die mindeste Scheu, eher eine gewisse Dreistigkeit, läßt sich daher ohne Mühe in ihrem Thun und Treiben beobachten. »Im Betragen der Nachtigall«, sagt Naumann, dessen noch heute unübertroffener, nicht einmal erreichter Schilderung ich folgen werde, »zeigt sich ein bedächtiges, ernstes Wesen. Ihre Bewegungen geschehen mit Ueberlegung und Würde; ihre Stellungen verrathen Stolz, und sie steht durch diese Eigenschaften gewissermaßen über alle einheimischen Sänger erhaben. Ihre Geberden scheinen anzudeuten, sie wisse, daß ihr dieser Vorzug allgemein zuerkannt wird. Sie ist sehr zutraulich gegen die Menschen, wohnt gern in ihrer Nähe und zeichnet sich durch ein ruhiges, stilles Benehmen aus. Gegen andere Vögel zeigt sie sich sehr friedfertig; auch sieht man sie nur selten mit ihresgleichen zanken.« Gewöhnlich gewahrt man sie, niedrig über dem Boden auf Zweigen sitzend, ziemlich aufgerichtet, den Schwanz erhoben, die Flügel so tief gesenkt, daß ihre Spitzen unter die Schwanzwurzel zu liegen kommen. Im Gezweige hüpft sie selten, wenn es aber geschieht, mit großen Sprüngen umher; auf dem Boden trägt sie sich hoch aufgerichtet und springt, den Schwanz gestelzt, mit förmlichen Sätzen, wie Naumann sagt, »stolz« dahin, immer in Absätzen, welche durch einen Augenblick der Ruhe unterbrochen werden. Erregt irgend etwas ihre Aufmerksamkeit, so schnellt sie den Schwanz kräftig und jählings empor; diese Bewegung wird überhaupt bei jeder Gelegenheit ausgeführt. Ihr Flug ist schnell, leicht, in steigenden und fallenden Bogen, auf kleinen Räumen flatternd und wankend; sie fliegt aber nur kurze Strecken, von Busch zu Busch, und am Tage nie über freie Flächen. Daß sie auch sehr schnell fliegen kann, sieht man, wenn zwei eifersüchtige Männchen streitend sich verfolgen.

Die Lockstimme der Nachtigall ist ein helles gedehntes »Wiid«, dem gewöhnlich ein schnarrendes »Karr« angehängt wird. Geängstigt, wiederholt sie das »Wiid« oft nach einander und ruft nur ab und zu einmal »Karr«. Im Zorne läßt sie ein unangenehmes »Räh«, in behaglicher Gemüthsstimmung ein tief klingendes »Tak« vernehmen. Die Jungen rufen anfangs »Fiid«, später »Kroäk«. Daß alle diese Umgangslaute durch verschiedene Betonung, welche unserem Ohre in den meisten Fällen entgeht, auch verschiedene Bedeutung gewinnen, ist selbstverständlich. Der Schlag, welcher der Nachtigall vor allem anderen unsere Zuneigung erworben hat und den aller übrigen Vögel, mit alleiniger Ausnahme der Sippenverwandten, an Wohllaut und Reichhaltigkeit übertrifft, ist, wie Naumann trefflich schildert, »so ausgezeichnet und eigenthümlich, es herrscht in ihm eine solche Fülle von Tönen, eine so angenehme Abwechselung und eine so hinreißende Harmonie, wie wir in keinem anderen Vogelgesange wieder finden. Mit unbeschreiblicher Anmuth wechseln sanft flötende Strophen mit schmetternden, klagende mit fröhlichen, schmelzende mit wirbelnden; während die eine sanft anfängt, nach und nach an Stärke zunimmt und wiederum ersterbend endigt, werden in der anderen eine Reihe Noten mit geschmackvoller Härte hastig angeschlagen und melancholische, den reinsten Flötentönen vergleichbare, sanft in fröhlichere verschmolzen. Die Pausen zwischen den Strophen erhöhen die Wirkung dieser bezaubernden Melodien, sowie das in denselben herrschende mäßige Tempo trefflich geeignet ist, die Schönheit derselben recht zu erfassen. Man staunt bald über die Mannigfaltigkeit dieser Zaubertöne, bald über ihre Fülle und außerordentliche Stärke und wir müssen es als ein halbes Wunder ansehen, daß ein so kleiner Vogel im Stande ist, so kräftige Töne hervorzubringen, daß eine so bedeutende Kraft in solchen Kehlmuskeln liegen kann. Manche Strophen werden wirklich mit soviel Gewalt hervorgestoßen, daß ihre gellenden Töne dem Ohre, welches sie ganz in der Nähe hört, wehe thun«.

Der Schlag einer Nachtigall muß zwanzig bis vierundzwanzig verschiedene Strophen enthalten, wenn wir ihn vorzüglich nennen sollen; bei vielen Schlägern ist die Abwechselung geringer. Die Oertlichkeit übt bedeutenden Einfluß aus; denn da die jungen Nachtigallen nur durch ältere ihrer Art, welche mit ihnen dieselbe Gegend bewohnen, gebildet und geschult werden können, ist es erklärlich, daß in einem Gaue fast ausschließlich vorzügliche, in dem anderen hingegen beinahe nur minder gute Schläger gehört werden. Aeltere Männchen schlagen regelmäßig besser als jüngere; denn auch bei Vögeln will die edle Kunst geübt sein. Am feurigsten tönt der Schlag, wenn die Eifersucht ins Spiel kommt; dann wird das Lied zur Waffe, welche jeder Streiter bestmöglichst zu handhaben sucht. Einzelne Nachtigallen machen ihren Namen insofern wahr, als sie sich hauptsächlich des Nachts vernehmen lassen, andere singen fast nur bei Tage. Während des ersten Liebesrausches, bevor noch das Weibchen seine Eier gelegt hat, vernimmt man den herrlichen Schlag zu allen Stunden der Nacht; später wird es um diese Zeit stiller: der Sänger scheint mehr Ruhe gefunden und seine gewohnte Lebensordnung wieder angenommen zu haben.

Die Lockstimme des Sprossers klingt anders, – nicht »Wiid–karr«, sondern »Glock–arrr«; der Schlag kennzeichnet sich durch größere Tiefe der Töne und langsameren, mehr gehaltenen, durch längere Pausen unterbrochenen Vortrag, ist stärker und schmetternder als der der Nachtigall, die Mannigfaltigkeit seiner Strophen aber geringer; er steht jedoch demungeachtet mit dem Nachtigallenschlage vollkommen auf gleicher Höhe. Einzelne Liebhaber ziehen ihn dem Liede der Nachtigall vor und rühmen mit Recht die sogenannten Glockentöne als etwas unvergleichliches. Meiner Ansicht nach gibt Gräßner die Unterschiede zwischen Nachtigallen- und Sprosserschlag mit nachstehenden Worten am kürzesten und richtigsten wieder: »Soviel ich von Nachtigallen und Sprossern gehört habe, scheint mir festzustehen, daß die Nachtigallen, auch die größten Gesangskünstlerinnen unter ihnen, in fest gegliederten Strophen, aber in verschiedener Reihenfolge und in verschiedenem Zeitmaße schlagen, je nach Stimmung und Tageszeit, während ein guter Sprosser die ihm eigenen Strophen derart abändert, daß von einer Aufeinanderfolge bestimmter Töne kaum die Rede sein kann. Lautet der Schlag der Nachtigall wie eine bestimmte, mit verschiedenen Einschaltungen und Vertönungen verwebte Weise, so erscheint der Schlag des Sprossers wie ein Recitativ, in welchem der Tondichter dem Sänger außerordentliche Freiheiten des Vortrages gestattet hat, und von denen dieser solch ausgiebigen Gebrauch macht, daß man bei verschiedenen Wiederholungen desselben Stückes, je nach Stimmung und Gefühl vorgetragen, dieses oft gar nicht wieder erkennt: so wunderbar verändert der ausübende Künstler. Der Eindruck ist natürlich tiefer, wenn anstatt der erwarteten Töne, Takte und Strophen ganz andere, neu aus dem Tonschatze gebildete Vertönnngen folgen. Und darum gebe ich dem Sprosser den Vorzug vor der Nachtigall, weil er nicht allein Sänger, sondern auch Tondichter ist, weil er die ihm verliehenen Töne selbständig je nach Stimmung verändert.«

Erdgewürm mancherlei Art und Kerbthierlarven, die des Schattenkäfers, der Ameisen z. B., oder kleine glatthäutige Räupchen und dergleichen, im Herbste verschiedene Beeren, bilden die Nahrung der Nachtigallen. Sie lesen diese vom Boden auf und sind deshalb gleich bei der Hand, wenn irgendwo die Erde aufgewühlt wird. Nach fliegenden Kerfen sieht man sie selten jagen. Fast jeder Fund wird durch ausdruckvolles Aufschnellen des Schwanzes begrüßt.

Die Nachtigallen erscheinen bei uns in der letzten Hälfte des April, je nach der Witterung etwas früher oder später, ungefähr um die Zeit, in welcher der Weißdorn zu grünen beginnt. Sie reisen einzeln des Nachts, die Männchen voran, die Weibchen etwas später. Zuweilen sieht man am frühen Morgen eine aus hoher Luft herniederstürzen, einem Gebüsche sich zuwendend, in welchem sie dann während des Tages verweilt; gewöhnlich aber bekunden sie sich zuerst durch ihren Schlag. Eine jede sucht denselben Waldestheil, denselben Garten, dasselbe Gebüsch, in welchem sie vergangene Sommer verlebte, wieder auf; das jüngere Männchen strebt, in der Nähe der Stelle sich anzusiedeln, wo seine Wiege stand. Sofort nach glücklicher Ankunft in der Heimat beginnt das Schlagen; in den ersten Nächten nach der Rückkehr tönt es ununterbrochen, wohl, um der Gattin, welche oben dahinzieht, im nächtlichen Dunkel zum Zeichen zu dienen oder in der Absicht, ein noch freies Herz zu gewinnen. Das Pärchen einigt sich nicht ohne Kampf und Sorge; denn jedes unbeweibte Männchen versucht einem anderen Gattin oder Braut abwendig zu machen. Wüthend verfolgen sich die Gegner, mit »schirkendem« Gezwitscher jagen sie durch das Gebüsch, bis zu den Wipfeln der Bäume hinauf und bis zum Boden herabsteigend; ingrimmig fallen sie über einander her, bis der Kampf entschieden und einer Herr des Platzes und wahrscheinlich auch – des Weibchens geblieben oder geworden ist. Die Nachtstunden, der frühe Morgen und der späte Abend werden jetzt von dem Männchen dem Gesange und von dem Weibchen dem Zuhören der Liebeslieder gewidmet; die Zwischenzeit füllt die Sorge um das liebe Brod aus. Zu ihr gesellt sich bald die um die Wiege der Kinder. Das Nest wird nunmehr in Angriff genommen und rasch vollendet. Es ist kein Kunstbau, um den es sich handelt. Ein Haufen dürres Laub, namentlich Eichenlaub, bildet die Grundlage, trockene Halmen und Stengel, Schilf und Rohrblätter stellen die Mulde her, welche mit feinen Würzelchen oder Hälmchen und Rispen, auch wohl mit Pferdehaaren und Pflanzenwolle ausgekleidet wird. Ausnahmsweise verwendet die Nachtigall zum Unterbaue starke Reiser, zu den Wandungen Stroh. Das Nest des Sprossers unterscheidet sich, nach Päßler, von dem der Nachtigall durch dickere Wandungen und reichlichere Ausfütterung von Thierhaaren. Das eine wie das andere steht regelmäßig auf oder dicht über dem Boden, in Erdhöhlungen, zwischen jungen Schößlingen eines gefällten Baumes oder an der Seite eines Baumstrunks, im Gestrüppe, in einem Grasbusche. Ausnahmen hiervon sind auch beobachtet worden: eine Nachtigall baute, wie Naumann erzählt, in einen Haufen dürres Laub, welcher im Inneren eines Gartenhäuschens lag; eine andere, nach Dubois, auf das Nest eines Zaunkönigs, welches etwa anderthalb Meter über dem Boden auf einem Tannenaste stand. Die vier bis sechs Eier, welche das Weibchen legt, sind bei der Nachtigall einundzwanzig, beim Sprosser dreiundzwanzig Millimeter lang, bei jener funfzehn, bei diesem sechzehn Millimeter dick, übrigens einander sehr ähnlich, zart- und glattschalig, mattglänzend und grünlich braungrau von Farbe, in der Regel einfarbig, zuweilen dunkler gewölkt.

Sobald das Gelege vollzählig ist und das Brüten beginnt, ändert das Männchen sein Betragen. Die Brut beansprucht auch seine Thätigkeit; es muß das Weibchen wenigstens auf einige Stunden, gegen Mittag, im Brüten ablösen und findet schon um deshalb weniger Zeit zum Singen. Noch schlägt es, der Gattin und sich selbst zur Freude, aber fast nur am Tage, kaum mehr des Nachts. Das Nest bewacht es sorgsam, die Gattin hält es zu eifrigem Brüten an: ein Sprosser, dessen Weibchen Päßler vom Neste jagte, unterbrach sofort seinen Gesang, stürzte sich nach der Gattin hin und führte sie »mit Zornesrufen und Schnabelbissen zur Pflicht der Häuslichkeit zurück«. Nahenden Feinden gegenüber zeigen sich die um die Brut besorgten Nachtigallen sehr ängstlich, aber auch wieder muthig, indem sie rührende und gefährliche Aufopferung bethätigen. Die Jungen werden mit allerlei Gewürm groß gefüttert, wachsen rasch heran, verlassen das Nest schon, »wenn sie kaum von einem Zweige zum anderen flattern können,« und bleiben bis gegen die Mauser hin in Gesellschaft ihrer Eltern. Diese schreiten nur dann zu einer zweiten Brut, wenn man ihnen die Eier raubte. Ihre Zärtlichkeit gegen die But erleidet keinen Abbruch, wenn man die Jungen vor dem Flüggewerden dem Neste entnimmt, in ein Gebauer steckt und dieses in der Nähe des Nestortes aufhängt; denn die treuen Eltern füttern auch dann ihre Kinder, als ob sie noch im Neste säßen. Schon kurze Zeit nach ihrem Eintritte in die Welt beginnen die jungen Männchen ihre Kehle zu proben: sie » dichten« oder versuchen zu singen. Dieses Dichten hat mit dem Schlage ihres Vaters keine Ähnlichkeit; der Lehrmeister schweigt aber auch bereits, wenn seine Sprößlinge mit ihrem Stammeln beginnen; denn bekanntlich endet schon um Johanni der Nachtigallenschlag. Noch im nächsten Frühlinge lernen die jugendlichen Sänger. Anfangs sind ihre Lieder leise und stümperhaft; aber die erwachende Liebe bringt ihnen volles Verständnis der herrlichen Kunst, in welcher sie später Meisterschaft erreichen.

Im Juli wechseln die Nachtigallen ihr Kleid, nach der Mauser zerstreuen sich die Familien; im September begibt sich alt und jung auf die Wanderschaft, gewöhnlich wiederum zu Familien, unter Umständen auch zu Gesellschaften vereinigt. Sie reisen rasch und weit, machen sich aber in der Fremde wenig bemerklich. Ich habe sie einzeln in den Waldungen Ostsudâns angetroffen.

Der vielen Feinde halber, welche den Nachtigallen, und zumal ihrer Brut, nachstellen, thut der vernünftige Mensch nur seine Schuldigkeit, wenn er den edlen Sängern Plätze schafft, auf denen sie möglichst geschützt leben können. In größeren Gärten soll man, wie der hochverdiente Lenz räth, dichte Hecken pflanzen, aus Stachelbeerbüschen bestehende zum Beispiel, und alles Laub, welches im Herbste abfällt, dort liegen lassen. Derartige Plätze werden bald aufgesucht, weil sie allen Anforderungen entsprechen. Das dichte Gestrüpp schützt, das Laub wird zum Sammelplatze von Würmern und Kerfen und verräth raschelnd den sich nahenden Feind. Noch mehr, als vor vierbeinigen und geflügelten Räubern, hat man die Nachtigallen vor nichtsnutzigen Menschen, insbesondere gewerbsmäßigen Fängern zu wahren und diesen das Handwerk zu legen, wo und wie man immer vermag. So klug die unvergleichlichen Sänger sind, so wenig scheuen sie sich vor Fallen, Schlingen und Netzen; auch das einfachste Fangwerkzeug berückt sie. Dann kommen alle Leiden der Gefangenschaft über sie. Alte Nachtigallen, welche eingefangen werden, wenn sie sich schon gepaart haben, sterben regelmäßig auch bei der besten Pflege, jüngere, vor der Paarung ihrer Freiheit beraubte ertragen die Gefangenschaft nur dann, wenn ihnen die sorgsamste Wartung zu theil wird. Ich übergehe deshalb hier die Art und Weise der Pflege im Käfige: derjenige meiner Leser, welcher sich berufen fühlt, Nachtigallen zu pflegen, findet in meinen »Gefangenen Vögeln« alles, was er zu wissen nöthig hat, ausführlicher und verläßlicher dargestellt als irgend sonstwo. Wer schlagende Nachtigallen in seinem Garten, von seinem Fenster aus hören kann, braucht sie nicht im Käfige zu halten; wer dagegen durch seinen Beruf an das beengende Zimmer gebannt ist, wer keine Zeit oder keine Kraft hat, die herrliche Sängerin draußen unter freiem Himmel zu hören, und die rechte Liebe in sich fühlt, mag unbeanstandet nach wie vor seine Nachtigall pflegen.


Als nahe Verwandte der Nachtigallen betrachten wir die Blaukehlchen ( Cyanecula). Ihr Leib ist schlank, der Schnabel gestreckt, vor den Nasenlöchern etwas zusammengedrückt, daher hochrückig, vorn pfriemenspitzig, der Fuß hoch und dünn, der Fittig kurz und ziemlich stumpf, in ihm die dritte und vierte Schwinge gleichlang, der Schwanz mittellang, das Gefieder locker, die Färbung desselben verschieden nach Geschlecht und Alter.

Mein Vater hat zuerst festgestellt, daß die Blaukehlchen, welche in Deutschland vorkommen, als verschiedene Arten angesehen werden müssen. Die Unterschiede zwischen diesen Arten sind allerdings gering; mit ihnen aber geht der verschiedene Wohnkreis Hand in Hand, und damit ist, für mich wenigstens, die Richtigkeit der Aufstellungen meines Vaters erwiesen.

 

Zur besseren Uebersicht empfiehlt es sich, zunächst eine allgemeine Beschreibung der Färbung aller Arten zu geben. Bei den Männchen ist die Oberseite tief erdbraun, die Unterseite schmutzigweiß, seitlich und hinterwärts graubraun überlaufen, die Kehle aber prachtvoll lasurblau, mit oder ohne andersfarbigem Stern, nach unten hin in eine schwarze Binde übergehend, welche durch ein schmales, lichtes Bändchen von einem halbmondförmigen Brustflecke geschieden wird, ein Streifen über dem Auge, welcher auf der Stirn zusamenfließt, weißlich, der Zügel schwärzlich; die Schwingen sind braungrau, die Schwanzfedern, mit Ausnahme der mittleren, gleichmäßig schwarzbraun, von der Wurzel an bis zur Hälfte lebhaft rostroth, gegen die Spitze hin dunkelbraun. Das Auge ist dunkelbraun, der Schnabel schwarz, der Fuß auf seiner Vorderseite grünlich-, auf der Hinterseite gelblichgrau. Bei den Weibchen sind alle Farben blasser, und die Kehlfärbung ist höchstens angedeutet. Die Jungen sind oben auf dunklem Grunde tropfenartig rostgelb gefleckt, unten längsgestrichelt; ihre Kehle ist weißlich. Die Länge beträgt ungefähr funfzehn, die Breite zweiundzwanzig, die Fittiglänge sieben, die Schwanzlänge sechs Centimeter.

Die verschiedenen Arten sind hauptsächlich an der Kehlfärbung zu erkennen. So zeigt das Männchen des Tundrablaukehlchens ( Cyanecula suecica, orientalis, suecioides, coerulecula, dichrosterna und cyane, Motacilla suecica und coerulecula, Sylvia suecica, cyanea und coeruligula, Calliope suecoides, Saxicola, Ficedula, Curruca, Phoenicura, Pandicilla, Ruticilla, Lusciola und Erithacus suecica) inmitten des blauen Kehlfeldes einen zimmetrothen, das Weißsternblaukehlchen ( Cyanecula leucocyana und obscura) einen weißen Stern, während dieser dem Blaukehlchen ( Cyanecula Wolfii) gänzlich fehlt. Zudem machen sich Größenunterschiede bemerklich: das Weißsternblaukehlchen ist das größte und stärkste, das Blaukehlchen das kleinste und schwächste unter seinen Verwandten. Die Weibchen entsprechen stets den Männchen; es hält aber schwer, sie zu unterscheiden.

Nun will man zwar an einem Blaukehlchen, welches im Käfige gehalten wurde, beobachtet haben, daß die weißsternige Kehle einfarbig blau wird, später auch wohl wieder einen weißen Stern erhält, und glaubt deshalb, die Artverschiedenheit wenigstens zweier Blaukehlchen bestreiten zu können; dann aber muß – vorausgesetzt natürlich, daß die Beobachtung richtig ist oder sich nicht auf die weißsternige Art allein bezieht – immer noch die Verschiedenheit des Weißstern- und Tundrablaukehlchens festgehalten werden, da ein Uebergang des weißen in den rothen Stern oder späteres Auftreten desselben auf einfarbig blauer Kehle noch nicht beobachtet worden ist. Uebrigens braucht uns der Streit über Arteinheit oder Artverschiedenheit der Blaukehlchen hier kaum zu kümmern; denn Leben und Betragen aller Arten sind im wesentlichen dieselben.

Die Blaukehlchen sind heimisch im Norden der Alten Welt und besuchen von hier aus Südasien und Nordafrika. Das Tundrablaukehlchen haust innerhalb der angegebenen Grenzen mit Vorliebe, falls nicht ausschließlich, in dem Wohngebiete, welches ich zur Bezeichnung seines Namens gewählt habe, brütet daher nicht in Deutschland, wohl aber in äußerst zahlreicher Menge im nördlichen Skandinavien, in Nordfinnland, Nordrußland und ganz Nordsibirien. Das Weißsternblaukehlchen dagegen gehört mehr dem Süden und dem Westen an, brütet, soviel erwiesen, nicht in den ebengenannten Gegenden, wohl aber in ganz Norddeutschland, insbesondere in Pommern, der Mark, Sachsen, Anhalt, Braunschweig, Mecklenburg und Hannover, ebenso in Holland. Das Blaukehlchen endlich bewohnt, wie es scheint, höhere Lagen, nistet bei uns nicht, ist meines Wissens überhaupt noch nicht am Brutplatze beobachtet worden. Auf ihrem Zuge durchwandern alle Arten ganz Deutschland und ebenso Südeuropa, Nord- und Mittelafrika, die ihr so ausgedehntes Wohngebiet verlassenden Tundrablaukehlchen selbstverständlich auch Mittel- und Südasien, hierbei erwiesenermaßen Gebirge von fünftausend Meter übersteigend, um in Indien und anderen südasiatischen Ländern Herberge zu nehmen. Bei uns zu Lande erscheinen die Blaukehlchen im Anfange des April, selten früher, meist erst gegen die Mitte des Monats hin, und reisen im September ihrer Winterherberge zu. Busch- und gras- oder schilfreiche Fluß-, Bach- und Seeufer sind in unserem Vaterlande, die Tundren im Norden ihre Wohnsitze; während der Wintermonate nehmen sie in Gärten und Buschdickichten, auf Feldern, auf hochgrasigen Wiesen, in schilfreichen, nicht allzu wasserreichen Sümpfen und an ähnlichen Orten ihren Aufenthalt. Sie dehnen ihre Wanderungnicht so weit aus wie andere Sänger, überwintern schon in Unter- und Mittelegypten oder in Mittelchina und in Nordindien, streifen aber einzeln doch bis in die südlichen Tiefebenen Ostindiens oder bis in die Waldungen des oberen Nilgebietes hinab. Auf ihrer Reise pflegen sie bestimmte Straßen, Fluß- und Bachthäler z. B., einzuhalten, und hier an gewissen Stellen regelmäßig zu rasten. Während des Frühlingszuges wandern die Männchen einzeln den Weibchen voraus, im Herbste zieht alt und jung gesellschaftlich; im Frühlinge folgen die Reisenden ausschließlich den Bach- oder Flußufern, im Herbste binden sie sich nicht an diese natürlichen Straßen, sondern wandern gerade durch das Land, übertages in Feldern rastend, deren Frucht noch nicht eingeheimst wurde, kommen dann auch wohl vereinzelt mitten in der Wüste vor.

siehe Bildunterschrift

Tundrablaukehlchen ( Cyanecula suecica) und Calliope ( Calliope kamtschatkensis). ⅔ natürl. Größe.

Für den Sommeraufenthalt des Blaukehlchens sind feuchte Buschdickichte nahe am Wasser Bedingung. Deshalb meidet das Weißsternblaukehlchen in Deutschland während der Brutzeit Gebirge fast gänzlich, wogegen das Tundrablaukehlchen im Norden zwischen der Tiefe und Höhe keinen Unterschied macht, in Skandinavien sogar Höhen vorzieht, weil hier auf den breiten Fjelds der Berge See an See, oder mindestens Pfuhl an Pfuhl, durch Hunderte von kleinen Bächen verbunden und wie diese mit niederem Gestrüpp eingefaßt und umgeben, sich finden. Solche Oertlichkeiten sind Paradiese für unsere Vögel, und ihnen müssen diejenigen Niederungen Deutschlands ähneln, in denen es dem Weißsternblaukehlchen gefallen, in denen das nach Vermehrung seines Geschlechtes strebende Paar sich ansiedeln soll.

Das Blaukehlchen, gleichviel, um welche Art es sich handelt, ist ein liebenswürdiger Vogel, welcher sich jeden Beobachter zum Freunde gewinnt. Nicht seine Schönheit allein, auch, und wohl noch in höherem Grade, sein Betragen, seine Sitten und Gewohnheiten ziehen uns an und fesseln uns. Wie bei den meisten Erdsängern ist beim Blaukehlchen leibliche und geistige Begabung in glücklichster Weise vereinigt. Die größte Gewandtheit der Bewegung zeigt es auf dem Boden: es ist der Erdsänger im eigentlichen Sinne des Wortes. Sein Gang ist kein Schreiten, sondern ein Hüpfen; die einzelnen Sprünge folgen sich aber so rasch, daß man sie nicht unterscheiden kann und im laufenden Blaukehlchen eher einen Rennvogel als einen Sänger zu sehen glaubt. Dabei ist es ihm gleichgültig, ob es sein Weg über trockenen oder schlammigen Boden, über freie Stellen oder durch das verworrenste Busch- und bezüglich Grasdickicht führt; denn es versteht meisterhaft, überall fortzukommen. Im Gezweige selbst fliegt es höchstens von einem Aste zum anderen und bleibt da, wo es aufflog, ruhig sitzen. Auf dem Boden sitzend oder laufend, macht es einen sehr angenehmen Eindruck. Es trägt sich aufrecht und den Schwanz gestelzt, sieht deshalb selbstbewußt, ja keck aus. Der Flug ist schnell, aber nicht besonders rasch, geschieht in größeren oder kleineren Bogen, wird aber selten weit ausgedehnt. Gewöhnlich erhebt sich der Vogel nur einen bis zwei Meter über den Boden und stürzt sich beim ersten Verstecke, welches er auffindet, wieder zu ihm hernieder, um seinen Weg laufend fortzusetzen. Die Sinne stehen mit denen der Nachtigall ungefähr auf gleicher Stufe, der Verstand auf gleicher Höhe. Das Blaukehlchen ist klug und merkt bald, ob ihm ein anderes Wesen in freundlicher oder wohlwollender Absicht entgegentritt. Gewöhnlich zeigt es sich harmlos, dem Menschen gegenüber zutraulich; erfährt es jedoch Nachstellungen, so wird es bald äußerst vorsichtig und scheu. Ungestört, legt es unendliche Lebensfreudigkeit und beneidenswerten Frohsinn an den Tag, ist, so lange es sein tägliches Brod findet, beständig guter Laune, heiter, vergnügt und bewegungslustig, im Frühlinge auch singfertig. Mit anderen Vögeln lebt es im Frieden, mit seinesgleichen neckt es sich gern; aus solchem Spiele kann aber bitterer Ernst werden, wenn die Liebe und mit ihr die Eifersucht rege wird. Dann mag es geschehen, daß zwei Männchen einen Zweikampf beginnen und mit größter Erbitterung fortführen, ja, nicht eher von einander ablassen, als bis der eine Gegner erlegen ist. Zwei Blaukehlchen, welche zusammen ein Zimmer, einen Käfig bewohnen, gerathen oft miteinander in Zwiespalt und streiten sich zuweilen so heftig, das eines unter den Bissen des anderen verendet.

Das so vielen Sängern geläufige »Tak, tak« ist auch die Lockstimme des Blaukehlchens, ein sanftes »Fied fied« der Laut der Zärtlichkeit, ein unnachahmliches Schnarren der Ausdruck des Zornes. Der Gesang ist, nach der übereinstimmenden Versicherung meines Vaters, Naumanns, Päßlers und anderer, welche selbständig beobachteten, je nach der Art verschieden. Am besten und fleißigsten singt das Blaukehlchen, am schlechtesten das Tundrablaukehlchen. Bei ihm ist der Schlag, laut Naumann, sehr bezeichnend in mehrere kurze Strophen abgetheilt, zwischen denen kleine Pausen gehalten werden. Einige dieser Strophen sind aus hellpfeifenden, sanften und sehr angenehmen Tönen zusammengesetzt, welche aber dadurch sehr verlieren, daß sie sehr oft wiederholt werden, ehe eine neue Strophe anfängt. Die größte Eigenheit in diesem Gesange ist ein leises, nur in der Nähe vernehmbares Schnurren zwischen den lauten Tönen, wodurch man zu glauben verleitet wird, der Vogel sänge mit doppelter Stimme. Fast alle Männchen nehmen in ihren ursprünglichen Gesang Töne oder selbst Strophen aus den Liedern anderer Vögel, auch wohl Schreie und Rufe nicht singfähiger Thiere auf: so hat Naumann das »Biswit« der Rauchschwalbe, das »Pikperwik« der Wachtel, den Lockruf des Finken und Sperlings, Töne aus dem Gesange der Nachtigall, der Grasmücken, Laub- und Schilfsänger, das Gekreisch des Fischreihers, das Quaken des Laubfrosches von singenden Weißsternblaukehlchen nachahmen hören. Daß diese Spöttergabe auch anderswo bemerkt worden ist, beweisen die Lappen, welche das Tundrablaukehlchen den »hundertzungigen Sänger« nennen. Zum Singen wählt das Männchen gewöhnlich einen erhabenen Sitzort; doch trägt es seine Lieder auch vom Boden aus vor, singt sogar im Laufen und, wie in der ersten Morgenfrühe, noch spät des Abends. Während des Singens wippt es viel seltener als sonst, begleitet wenigstens nicht jede Strophe mit einer Bewegung des Schwanzes, wie es beim Ausstoßen des Lockrufes regelmäßig zu thun pflegt.

Die Nahrung besteht in Gewürm und Kerfen allerlei Art, wie sie feuchte Oertlichkeiten beherbergen, im Herbste auch in Beeren. In der Tundra nährt sich die dort wohnende Art zeitweilig fast ausschließlich von Mücken und deren Larven.

Das Nest steht nahe am Wasser, meist am Ufer von Gräben oder Bächen, nach Hinz stets auf der Seite, welche die Morgen- oder Mittagssonne bescheint, auf oder dicht über dem Boden, in Erdhöhlen, welche es halb verdecken, zwischen Gewurzel oder Gestrüpp, ist ziemlich gut gearbeitet, verhältnismäßig groß, oben stets offen, auf einer Grundlage von dürrem Weidenlaube und Reisige aus Halmen und feinen Pflanzenstengeln erbaut und innen mit zarten Hälmchen, in nördlichen Gegenden auch wohl mit Haaren und Federn ausgefüttert. Mitte Mai findet man in ihm sechs bis sieben, zwanzig Millimeter lange, sechzehn Millimeter dicke, sehr zartschalige Eier von licht blaugrüner Grundfärbung, welche mit rothbraunen Punkten gefleckt oder am stumpfen Ende bräunlich gewölkt sind. Die Bebrütung währt etwa zwei Wochen und wird von beiden Alten abwechselnd besorgt; die Jungen, denen die Eltern allerlei Gewürm und kleine Kerfe zutragen, verlassen das Nest, ehe sie noch fliegen können und rennen anfänglich mit der Hurtigkeit der Mäuse auf dem Boden dahin. Die Eltern schreiten in günstigen Sommern wahrscheinlich zu einer zweiten Brut.

Die Oertlichkeit, welche das Blaukehlchen bewohnt, und seine Gewandtheit schützen es vor vielen Feinden, welche anderen Sängern gefährlich werden. Die brütenden Alten und noch mehr die Eier und die unbeholfenen Jungen fallen dem spürenden Fuchse, den kleinen schleichenden Raubthieren und den Ratten gewiß nicht selten zur Beute; sonst aber lebt alt und jung ziemlich unbehelligt. Eine Jagd mit dem Feuergewehre weiß der gewandte Vogel oft sehr zu erschweren, und seine unvergleichliche Fertigkeit, sich zu verstecken, kommt ihm dabei ausgezeichnet zu statten. Merkt er Gefahr, so pflegt er mit wahrer Schlauheit sich immer da aufzuhalten, wo dichte Gebüsche oder Hecken ihn dem Auge des Jägers entziehen. Dagegen kann er dem ködernden Mehlwurme kaum widerstehen und wird mit dem einfachsten Fangwerkzeuge berückt.

Gefangene Blaukehlchen sind eine wahre Zierde des Gebauers. Bei geeigneter Pflege werden sie bald und in hohem Grade zahm, so wild und scheu sie sich anfangs auch geberdeten, singen dann auch fleißig, verlangen aber die sorgfältigste Wartung, um ausdauern zu können.


An die Blaukehlchen reihen wir die Rubinnachtigallen ( Calliope), asiatische Erdsänger mit mittellangem und mittelstarkem Schnabel, kräftigen, mäßig hochläufigen, großzehigen Füßen, mittellangen Flügeln, deren erste Schwinge stark verkürzt ist, verhältnismäßig kurzem, leicht gerundetem Schwanze, dessen Seitenfedern zugespitzt sind, während die beiden Mittelfedern ebenfalls sich abrunden, und knapp anliegendem, glattem Gefieder.

 

Unter den beiden Arten dieser Sippe, welche man kennt, ist die Calliope ( Calliope kamtschatkenis und Lathami, Motacilla, Turdus, Accentor, Lusciola und Erithacus calliope, Bild S. 127) für uns aus dem Grunde wichtig, als sie wiederholt in Europa vorgekommen, wahrscheinlich sogar auf der Westseite des Ural und ebenso im Kaukasus seßhaft ist. Ihr Gefieder ist auf der Oberseite olivenbraun, auf Kopf und Stirn am dunkelsten, auf der Unterseite schmutzigweiß, seitlich graulich olivengrün und auf der Brustmitte weiß, ein Augenbrauenstreifen seidig weiß, der Zügel darunter schwarz, die Kehle prachtvoll rubinroth, ein sie umgrenzendes, nach unten hin in Braungrau oder Aschgrau übergehendes Band schwarz. Beim Weibchen sind alle Farben blasser, die der Kehle nur angedeutet. Die Jungen ähneln der Mutter. Die Länge beträgt sechzehn, die Fittiglänge acht, die Schwanzlänge sechs Centimeter.

Lichte Vorwälder Nordasiens, in denen dichtes Unterholz steht, Weidendickichte längs der Flußufer, Hecken und Gebüsche auf feuchtem Grunde sind die eigentlichen Wohnsitze der Calliope. Einzelne, vielleicht mehr, als zur Zeit vermuthet werden darf, kommen auch auf der europäischen Seite des Ural vor, und ebenso mögen geeignete Gegenden Westsibiriens, welche wir vergeblich nach ihnen durchforscht haben, als Brutstätten dienen; im allgemeinen aber beginnt der Wohnkreis der Calliope östlich vom Ob, und erst vom Jenisei an tritt der zierliche Vogel regelmäßig und häufig auf. Gelegentlich der Frühjahrs- und Herbstwanderung durchreisen einzelne übrigens auch Westeuropa: so sind in Frankreich zwei von ihnen erlegt worden, welche unzweifelhaft auch unser Vaterland durch- oder überfliegen mußten, um so weit nach Westen zu gelangen. Auf den ständigen Brutplätzen erscheint die Calliope in der zweiten Hälfte des Mai, ausnahmsweise aber auch früher, und auf ihnen verweilt sie, laut Kittlitz, bis zu Anfang des Oktober, obwohl einige auch schon Ende August auf die Wanderschaft sich begeben. Diese führt sie durch die Mongolei, Südchina, Japan etc. bis nach Ostindien, wo sie, wie Jerdon berichtet, gegen den November hin eintrifft. Swinhoe, welcher sie in der Nachbarschaft von Peking beobachtete und als einen dort häufigen Vogel kennen lernte, glaubt, daß sie schon in China überwintern möge, hat sie jedoch auch nicht später als Kittlitz in Kamtschatka, im Oktober nämlich, bemerkt.

In ihrer Lebensweise erinnert die Calliope, nach Angabe der Forscher, welche sie lebend beobachteten, ebenso sehr an die Blaukehlchen wie an die Schilfsänger; Radde und Kittlitz vergleichen sie mit jenen, Swinhoe mit diesen. Ihre Nahrung sucht sie auf dem Boden, wie es scheint, hauptsächlich erst mit eintretender Dämmerung, während sie bei Tage ihre Verstecke so wenig als möglich verläßt. Laufend gleicht sie ganz den Blaukehlchen, ist auch ebenso gewandt, im Seggengrase vielleicht noch gewandter, den Rohrsängern ähnlicher als diese. Jerdon nennt sie »scheu, ungesellig und still«; Radde und Middendorf bestätigen das erste, nicht aber das übrige. Auf dem Zuge, welchen die Männchen früher antreten als die Weibchen, halten sie sich gern in Gesellschaften, und während des Frühlings »schlägt in dem leichten Laub der Birke oder noch lieber in dem Weidengestrüppe die Calliope ebensowohl bei Tage wie bei Nacht«. Der Gesang wird sehr gepriesen, hat auch, laut Kittlitz, einen schönen Klang, aber eine zwitschernde, wenig deutliche Melodie. Mit Europas Nachtigall kann die Calliope nicht wetteifern, ist aber trotzdem unter den Singvögeln Ostsibiriens unbestritten einer der ausgezeichnetsten. »Keinen schnarrenden Anschlag«, schildert Radde, »kein darauf folgendes tieferes Pfeifen läßt sie vernehmen: es ist eine leisere Klage, welche sie dem Ohre zuhaucht. Gleich der Nachtigall schlägt sie drei- bis viermal mit der Silbe ›djuu‹ an, läßt aber dann einen langen Triller folgen, welcher einigermaßen dem der Feldlerche ähnelt. Das Schnarren fehlt nicht immer, ist aber stets sehr schwach«. Während der Brutzeit singt das Männchen viel, zumal in den Nachtstunden. »Sobald die Sonne dem Gesichtskreise entschwunden ist,« sagt Dybowski, »beginnen diese Vögel zu singen. Anfangs nehmen ihrer nur wenige theil, nach und nach aber treten neue Sänger auf, und schon um die Abenddämmerung umklingen die angenehmen Weisen die in den von Rubinnachtigallen bewohnten Thälern übernachtenden Menschen, oft in unmittelbarer Nähe der Zelte. Der Gesang währt, je nachdem der Himmel darein blickt, bis zum Morgen fort; bei Regenwetter aber hört man nur selten und an trüben Tagen bloß dann und wann eine Calliope singen«. Laut Kittlitz sitzt das singende Männchen gewöhnlich auf dem Wipfel eines kleinen Birken- oder Erlenbaumes, »bläst die Kehle auf, wie unsere Nachtigall thut, breitet, wie das Blaukehlchen, die Flügel etwas aus und trägt zugleich den Schwanz im rechten Winkel aufgehoben, doch ohne ihn auszubreiten oder zu bewegen«. Die Weibchen halten sich, während das Männchen singt, wie immer, sehr verborgen im niederen Gebüsche und kommen nicht oder nur auf Augenblicke zum Vorscheine.

Middendorf fand mehrere Nester der Calliope in der Gegend des Taimyrflusses auf. Sie standen immer auf dem Boden, meist zwischen den Stämmchen verkrüppelter Weiden, dicht am Flusse, und regelmäßig auf Flächen, welche im Frühjahre überschwemmt und mit Sand- und sonderbar zusammengethürmten Treibholzhaufen bedeckt worden waren. Das Nest gehört zu den kunstvollen, indem es nicht nur überdacht, sondern überdies mit einer kurzen, dem ganzen wagerecht anliegenden Eingangsröhre versehen ist. Dybowski nennt das Nest hüttenförmig mit einer Seitenöffnung und bemerkt, daß es außen aus trockenen Sumpfgräsern, innen aus feinen Halmen erbaut, aber schwach zusammengewebt ist und daher nicht aufbewahrt werden kann, sondern seine ursprüngliche Gestalt bald verliert. Die fünf Eier, aus denen das Gelege besteht, sind neunzehn bis einundzwanzig Millimeter lang und funfzehn bis sechzehn Millimeter dick, in der Form ebenso verschieden wie in der Größe, einige länglich, andere kurz und bauchig, alle schwach glänzend und auf grünlich-blauem Grunde spärlich, nur am Wurzelende etwas dichter mit sehr blassen und kaum sichtbaren ziegelröthlichen Flecken gesprenkelt. Ende Juni brüten, nach Middendorfs Erfahrungen, die Vögel eifrig. Nähert man sich einem Neste, so schlüpft das Weibchen, ohne aufzufliegen hervor, gewinnt, in geduckter Stellung forthüpfend, den nächsten Treibholzhaufen und verkriecht sich in den Zwischenräumen, kehrt auch nicht sogleich zurück, so fest es früher auf den Eiern sitzen mochte. Ende August trugen Junge, welche Kittlitz erlegte, noch das Jugendkleid.

In China ist die »Hung-Po« (Rothbrust) oder »Chin-Po« (Goldbrust), wie die Calliope hier genannt wird, der allgemeine Liebling aller Vogelwirte. Sie läßt sich ebenso leicht wie ein Blaukehlchen im Schlaggarne berücken und wird daher oft gefangen; während der Zugzeit, zumal im Mai und September, sieht man sie auf den Vogelmärkten der Hauptstadt in namhafter Menge. Man hält sie nicht im Gebauer, sondern vermittels eines ihr um den Hals geschlungenen Fadens angefesselt an einem Zweige, wie es im Norden des Himmlischen Reichs überhaupt üblich ist. Durch Radde erfahren wir, daß die gefangenen bis gegen den September hin singen.

Dem Schützen gegenüber ist die Calliope höchst vorsichtig. Einige Männchen, welche Radde in einer Hecke auffand, ließen sich erst in der Dämmerung beschleichen, sonst aber kaum nahe kommen. »Hielt ich mich«, sagt unser Gewährsmann, »um sie zu schießen, links von der Hecke, so schlüpften sie sehr geschickt durch die kleinen Oeffnungen auf die rechte Seite und umgekehrt.« Genau so verfahren, wie wir wissen, die Blaukehlchen.


Ein drosselartiger, auf der Oberfirste etwas gebogener, vor dem angedeuteten Haken seicht eingekerbter Schnabel, mittelhohe, schwache Füße, ziemlich kurze und schwächliche Flügel, in denen die vierte und fünfte Schwinge die anderen an Länge überragen, mittellanger, aus zugespitzten Federn bestehender, in der Mitte leicht ausgeschnittener Schwanz und lockeres, weitstrahliges, bei beiden Geschlechtern gleichfarbiges, in der Jugend geflecktes Gefieder sind die Kennzeichen der artenarmen Sippe, deren bekanntester Vertreter unser allbekanntes Rothkehlchen oder Rothbrüstchen, Kehl-, Wald- oder Winterröthchen, Rothkröpfchen oder Rothbärtchen ( Erithacus rubecula, Motacilla, Sylvia, Curruca, Ficedula, Erythaca, Lusciola und Rhondella rubecula, Dandalus rubecola, pinetorum, foliorum und septentrionalis, Rubecula sylvestris, familiaris, pinetorum, foliorum und septentrionalis) ist. Die Oberseite ist dunkel olivengrau, die Unterseite graulich, Stirn, Kehle und Oberbrust sind gelbroth. Das Weibchen ist etwas blässer als das Männchen; die Jungen zeigen oben auf olivengrauem Grunde rostgelbe Schaftflecken, unten auf mattrostgelbem Grunde graue Schaftflecken und Ränder. Das große Auge ist braun, der Schnabel schwärzlichbraun, der Fuß röthlich hornfarben. Die Länge beträgt funfzehn, die Breite zweiundzwanzig, die Fittiglänge sieben, die Schwanzlänge sechs Centimeter.

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Rothkehlchen ( Erithacus rubecola) und Gartenrothschwanz ( Ruticilla phoenicurus). ½ natürl. Größe.

Es scheint, daß unser Rothkehlchen nur in Europa heimisch ist, sich wenigstens nicht weit über die Grenzen dieses Erdtheils hinaus verbreitet. Sein Brutgebiet reicht vom siebenundsechzigsten Grade der Breite bis Kleinasien und vom Atlantischen Weltmeere bis zum Ob. Auf seinem Zuge besucht es Nordafrika, Syrien, Palästina und Persien; die Hauptmenge der uns im Winter verlassenden Rothkehlchen bleibt aber schon in Südeuropa, ein und das andere sogar in Deutschland. Das südliche England verläßt es überhaupt nicht oder doch nur zum geringsten Theile. In Deutschland ist es überall gemein. Jeder Wald mit dichtem Unterholze gewährt ihm Herberge, und während seiner Reisen besucht es jedes Gebüsch, jede Hecke, im Gebirge wie in der Ebene, im Felde wie im Garten, unmittelbar vor oder zwischen den Wohnungen der Menschen.

Es ist ein liebenswürdiges Geschöpf, welches sein munteres, fröhliches Wesen bei jeder Gelegenheit bekundet. Auf dem Boden sitzend, trägt es sich aufrecht, die Flügel etwas hängend, den Schwanz wagerecht, auf Baumzweigen sitzend, etwas lässiger. Es hüpft leichten Sprunges rasch, meist aber in Absätzen über den Boden oder auf wagerechten Aesten dahin, flattert von einem Zweige zum anderen und fliegt sehr gewandt, wenn auch nicht regelmäßig, über kurze Entfernungen halb hüpfend, halb schwebend, wie Naumann sagt, schnurrend, über weitere Strecken in einer aus kürzeren oder längeren Bogen gebildeten Schlangenlinie, schwenkt sich hurtig zwischen dem dichtesten Gebüsche hindurch und bethätigt überhaupt große Behendigkeit. Gern zeigt es sich frei auf einem hervorragenden Zweige oder auf dem Boden; ungern aber, bei Tage wohl kaum, fliegt es in hoher Luft dahin, ist vielmehr stets mehr auf seine Sicherung bedacht, so keck es sonst auch zu sein scheint. Den Menschen fürchtet es kaum, kennt aber seine Feinde wohl und bekundet bei ihrem Erscheinen Angst oder Besorgnis. Schwachen Geschöpfen oder seinesgleichen gegenüber zeigt es einen liebenswürdigen Muthwillen, aber auch Necklust und unliebenswürdige Zanksucht, lebt deshalb nicht eben gesellig und selten in Frieden. Doch hat man andererseits auch das gute Gemüth kennen gelernt und erfahren, daß es mitleidig, ja barmherzig sein kann. Verwaiste Singvögel, welche noch nicht im Stande sind, sich durchs Leben zu helfen, haben in Rothkehlchen treue Pflegeeltern, Kranke der eigenen Art barmherzige Helfer gefunden. Zwei Rothkehlchenmännchen, welche in meinem Heimatsorte gepflegt wurden und einen und denselben Käfig bewohnten, lebten beständig in Hader und Streit, mißgönnten sich jeden Bissen, anscheinend selbst die Luft, welche sie athmeten, und bissen sich aufs heftigste, jagten sich wenigstens wüthend in dem ihnen gegönnten Raume umher. Da geschah es, daß eins durch einen unglücklichen Zufall das Bein brach. Von Stund an war aller Kampf beendet. Das gesunde Männchen hatte seinen Groll vergessen, nahm sich mitleidig des schmerzgepeinigten Kranken an, trug ihm Nahrung zu und pflegte ihn aufs sorgfältigste. Der zerbrochene Fuß heilte, das krankgewesene Männchen war wieder kräftig wie vorher; aber der Streit zwischen ihm und seinem Wohlthäter war für immer beendet. Ein anderes männliches Rothkehlchen, von welchem Snell Kunde erhielt, wurde am Neste seiner Jungen gefangen, mit diesen in das Zimmer gebracht, widmete sich nach wie vor deren Pflege, fütterte und wärmte sie und zog sie glücklich groß. Etwa acht Tage später brachte der Vogelsteller ein anderes Nest mit jungen Rothkehlchen in das Zimmer zu dem alten Männchen, welches er zurückbehalten hatte. Und siehe da: als die Jungen hungrig wurden und laut zu werden anfingen, kam jener Vogel heran, betrachtete sie lange, eilte dann zu dem Näpfchen mit Ameisenpuppen, begann das Pflegevatergeschäft mit der größten Emsigkeit und erzog auch diese Jungen, als ob es seine eigenen gewesen wären. Naumann erfuhr ähnliches, als er einen jungen Hänfling auffüttern wollte. Der ewig hungrige Vogel schrie fortwährend und erregte dadurch die Theilnahme eines im Zimmer umherfliegenden Rothkehlchens. Es begab sich zu dem Käfige des Schreihalses und wurde von diesem um Futter gebeten. »Sogleich flog es zum Tische, holte Brodkrümchen, stopfte ihm damit das Maul und that dieses endlich so oft, als sich der verwaiste meldete.« Auch im Freien schließt das Rothkehlchen zuweilen innige Freundschaft mit anderen Vögeln. »In einem Gehölze unweit Köthen«, erzählt Päßler, »ist der merkwürdige Fall vorgekommen, daß ein Rothkehlchen mit dem Fitislaubvogel in ein Nest gelegt hat. Letzterer hat das Nest gebaut, beide haben je sechs Eier gelegt, beide haben in Eintracht zu gleicher Zeit auf den zwölf Eiern gebrütet.«

Aber das Rothkehlchen hat noch andere gute Eigenschaften. Es ist einer unser lieblichsten Sänger. Sein Lied besteht aus mehreren mit einander abwechselnden flötenden und trillernden Strophen, welche laut und gehalten vorgetragen werden, so daß der Gesang feierlich klingt. Dieses Lied nun ist im Zimmer ebenso angenehm wie im Walde, und deshalb wird unser Vogel sehr häufig zahm gehalten. Er gewöhnt sich bald an die Gefangenschaft, verliert alle Scheu, welche er anfänglich noch zeigte, und bekundet dafür wieder seine altgewohnte Zutraulichkeit dem Menschen gegenüber. Nach einiger Zeit gewinnt er seinen Pfleger ungemein lieb und begrüßt ihn mit lieblichem Zwitschern, aufgeblasenem Kropfe und allerhand artigen Bewegungen. Bei geeigneter Pflege hält er viele Jahre lang in der Gefangenschaft aus und scheint sich vollständig mit seinem Loose auszusöhnen. Man kennt Beispiele, daß Rothkehlchen, welche einen Winter im Zimmer verlebt hatten und im nächsten Frühjahre freigelassen worden waren, im Spätherbste sich wiederum im Hause ihres Gastfreundes einfanden und diesen gleichsam baten, sie wieder aufzunehmen; man hat einzelne zum Ans- und Einfliegen gewöhnt; einige Paare haben sich im Zimmer auch fortgepflanzt.

Das Rothkehlchen erscheint bei uns bereits im Anfange des März, falls die Witterung es irgend erlaubt, hat aber im Vaterlande, dem es den kommenden Frühling verkündet, oft noch viel von Kälte und Mangel zu leiden. Es reist des Nachts und einzeln, laut rufend, in hoher Luft dahin und senkt sich mit Anbruche des Tages in Wälder, Gebüsche und Gärten hernieder, um sich hier zu sättigen und auszuruhen. Sobald es sich fest angesiedelt hat, tönt der Wald wider von seinem schallenden Gelöck, einem scharfen »Schnickerikik«, welches oft wiederholt wird und zuweilen trillerartig klingt) der erste warme Sonnenblick erweckt auch den schönen Gesang. Geht man seinen Tönen nach, so sieht man das auf dem Wipfelzweige eines der höchsten Bäume der Dickung sitzende Männchen aufgerichtet, mit etwas herabhängenden Flügeln und aufgeblasener Kehle, in würdiger, stolzer Haltung, ernsthaft, feierlich, als ob es die wichtigste Arbeit seines Lebens verrichte. Es singt bereits in der Morgendämmerung und bis zum Einbruche der Nacht, im Frühlinge wie im Herbste. Sein Gebiet bewacht es mit Eifersucht und duldet in ihm kein anderes Paar; aber der Bezirk des einen Pärchens grenzt unmittelbar an den des anderen. Inmitten des Wohnkreises, welchen eins sich erwarb, steht das Nest, stets nahe am oder auf dem Boden, in Erdhöhlen oder in ausgefaulten Baumstrunken, zwischen Gewurzel, im Moose, hinter Grasbüscheln, sogar in verlassenen Bauen mancher Säugethiere etc. Dürre Baumblätter, mit denen auch eine sehr große Höhlung theilweise ausgefüllt wird, Erdmoos, trockene Pflanzenstengel und Blätter oder Moos allein werden zu den Außenwandungen verwoben, zarte Würzelchen, Hälmchen, Haare, Wolle, Federn zum inneren Ausbaue zierlich zusammengeschichtet. Bildet die Höhlung nicht zugleich eine Decke über dem Neste, so wird eine solche gebaut und dann seitlich ein Eingangsloch angelegt. Ende April oder im Anfange des Mai sind die fünf bis sieben, zwanzig Millimeter langen, fünfzehn Millimeter dicken, zartschaligen, auf gelblichweißem Grunde mit dunkleren, rostgelblichen Punkten über und über bedeckten Eier vollzählig; beide Eltern brüten nun abwechselnd, zeitigen sie in etwa vierzehn Tagen, füttern die Jungen rasch heran, führen und leiten sie nach dem Ausfliegen noch etwa acht Tage lang, überlassen sie sodann ihrem eigenen Geschicke und schreiten, falls die Witterung es gestattet, zu einer zweiten Brut. Wenn man sich dem Neste oder den eben ausgeflogenen Jungen nähert, stoßen die Alten ihre Lockstimme und den Warnungsruf »Sih« wiederholt aus, und geberden sich sehr ängstlich; die Jungen, deren Gezwitscher man bisher vernahm, schweigen auf dieses Zeichen hin augenblicklich still und klettern mehr, als sie stiegen, im Gezweige empor.

Anfänglich werden die Jungen mit allerlei weichem Gewürme geatzt, später erhalten sie dieselbe Nahrung, welche die Alten zu sich nehmen: Kerfe aller Art und in allen Zuständen des Lebens, Spinnen, Schnecken, Regenwürmer etc.; im Herbste erlabt sich alt und jung an Beeren der Wald- und Gartenbäume oder Sträucher. In Gefangenschaft gewöhnt sich das Rothkehlchen fast an alle Stoffe, welche der Mensch genießt.

Nach vollendeter Brutzeit, im Juli oder August, mausern die Rothkehlchen; nachdem das neue Kleid vollendet, rüsten sie sich allgemach zum Wegzuge. »Wenn man in der Zugzeit des Abends im Zwielichte in einem Walde ist«, schildert Naumann, »hört man ihre fröhlichen Stimmen aus jedem Strauche erschallen, anfänglich nahe an der Erde, dann immer höher, bis sie die Baumwipfel erreichen. Hier verstummen sie; denn sowie der letzte Schein des Tages verschwindet, wird alles still im Walde, und man vernimmt dann ihre Stimme nur in den Lüften. An ihr kann man bemerken, daß sie vom Aufgang der Sonne gegen deren Niedergang ziehen, oder im Frühjahre umgekehrt.« Nunmehr füllt sich die Winterherberge. Da, wo man während des Sommers vergeblich nach dem Rothkehlchen aussah, lugt es jetzt aus jedem Busche hervor. Alle Hochgebirge Süd- und Mittelspaniens, jede Baumhecke, jeder Garten beherbergen es. Jedes hat sich auch hier ein bestimmtes Gebiet erworben und weiß es zu behaupten; aber jedes ist bescheidener als in der Heimat: ein einziger Busch genügt ihm, und die Gesammtheit bildet gewissermaßen nur eine einzige Familie. Zuerst sind die Wintergäste still und stumm, sobald aber die Sonne sich hebt, regt sich auch ihre Lebensfreudigkeit wieder: sie singen, sie necken sich, sie kämpfen mit einander. Leise, mehr ein Gezwitscher als ein Gesang, ist das Lied, welches man zuerst von ihnen hört; aber jeder neue Tag erhöht ihre Freudigkeit, und lange, bevor der Frühling einzog in ihrer Heimat, ist er wach geworden in ihrem Herzen. Der Anfang des Singens ist der Anfang zur Heimkehr.


siehe Bildunterschrift

Blaumerle, Trauersteinschmätzer und Hausrothschwanz.

Die nächsten Verwandten der Erdsänger sind die Schmätzer ( Monticolinae), Glieder einer zahlreichen Unterfamilie meist buntfarbiger Singvögel von ziemlich verschiedener Größe, aber sehr übereinstimmender Gestalt und Lebensweise. Ueber die Begrenzung der Gruppe sind die Ansichten der Thierkundigen verschieden; denn während diese einzelne zu den Drosseln zählen, ordnen sie jene den Erdsängern unter. Betrachtet man aber die Lebensweise als maßgebend, so kann man die betreffenden Vögel nicht trennen. Die Kennzeichen der Schmätzer sind: schlanker Leib, pfriemenförmiger, auf der Firste ein wenig gebogener oder gerader und an der Spitze mit einem sehr kurzen und schwachen Haken versehener Schnabel, mittelhoher schlankläufiger Fuß, mittel- oder ziemlich lange Flügel, in denen gewöhnlich die dritte Schwinge die längste ist, kurzer, meist gerade ab- oder seicht ausgeschnittener Schwanz und reiches, locker anliegendes, nach Geschlecht und Alter meist verschiedenes Gefieder. Die Schmätzer sind der Mehrzahl nach Felsen- oder doch Gesteinbewohner, meiden daher stets den Wald und siedeln sich mit Vorliebe im Gebirge oder auf freien Flächen an. Hier, regelmäßig in Höhlungen, steht auch ihr Nest, ein großer, aber kunstloser Bau, in welchem man ziemlich spät im Frühlinge die gewöhnlich einfarbigen Eier findet.

 

Die Rothschwänze oder Röthlinge ( Ruticilla) kennzeichnen sich durch schlanken Leib, pfriemenförmigen, an der Spitze des Oberschnabels mit einem kleinen Häkchen versehenen, vor ihr jedoch nicht eingekerbten Schnabel, schlanke, hochläufige, schwächliche Füße, ziemlich lange Flügel, in denen die dritte Schwinge die längste ist, mittellangen, fast gerade abgeschnittenen Schwanz und lockeres, je nach Geschlecht und Alter verschiedenfarbiges Gefieder. Sie bewohnen die Alte Welt und sind namentlich in Asien zahlreich vertreten.

 

Unser Hausrothschwanz oder Hausröthling, welcher auch Stadt-, Stein- und Sommerrothschwanz, Rothsterz, Rothzagel, Rottele, Wistling, Hüting, Schwarzbrüstchen etc. genannt wird ( Ruticilla titys, tithys, tites, tethys, atra, montana und Cairii, Sylvia titys und tites, Motacilla gibraltariensis, atrata und erythrourus, Saxicola tithys, Lusciola tithys und tythis, Phoenicura tethys, Erithacus tithys und Cairii), ist schwarz, auf dem Kopfe, dem Rücken und der Unterbrust mehr oder weniger aschgrau, am Bauche weißlich, auf den Flügeln weiß gefleckt; die Schwanz- und Bürzelfedern sind, mit Ausnahme der beiden mittleren dunkelbraunen, gelblich rostroth. Beim Weibchen und einjährigen Männchen ist die Hauptfärbung ein gleichmäßiges Tiefgrau; bei den Jungen ist das Grau schwärzlich gewellt. Die Länge beträgt sechzehn, die Breite sechsundzwanzig, die Fittiglänge neun, die Schwanzlänge sieben Centimeter.

Das Wohngebiet des Rothschwanzes erstreckt sich über Mittel- und Südeuropa und außerdem Kleinasien und Persien. Im Süden unseres heimatlichen Erdtheiles ist er Standvogel, im Norden nöthigt ihn der Winter, sein Brutgebiet zu verlassen und nach Südeuropa, Kleinasien, Syrien, Palästina und Nordafrika zu flüchten. Ursprünglich Gebirgskind und Felsenbewohner, hat der gegenwärtig bei uns zu Lande zum Hausthiere gewordene Vogel nach und nach sich bequemt, auf dem Wohnhause des Menschen Herberge zu nehmen, ohne zwischen der volkreichen Stadt und dem einsamen Gehöfte einen Unterschied zu machen. Er ist in demselben Verhältnisse weiter nach Norden vorgedrungen, in welchem die hier üblichen Häuser mit Strohdächern durch solche mit Ziegeldächern ersetzt worden sind. Aber noch heutigen Tages lebt er in Südeuropa wie in der Schweiz, hier und da selbst in unseren Mittelgebirgen, nach Altväterweise an steil abfallenden Felsenwänden, und noch gegenwärtig ist er in ganz Norddeutschland eine seltene Erscheinung. Am Rheine soll er erst seit dem Jahre 1817 hausen, und ebenso, wie diesen Theil unseres Vaterlandes, hat er sich auch Großbritannien erst in der Neuzeit erobert, Irland vom Jahre 1818, England vom Jahre 1829 an. Und noch scheint er weiter und weiter nördlich zu wandern; denn neuerdings hat man ihn auch auf den Färinseln und im südlichen Skandinavien beobachtet. Im Gebirge ist er überall häufiger als in der Ebene, nimmt hier auch wohl mit einem Schindeldache vorlieb.

Bei uns zu Lande erscheinen die Hausrothschwänze im letzten Drittel des März, in Süddeutschland schon etwas früher. Auch sie reisen einzeln während der Nachtzeit, die Männchen voran, die Weibchen einige Tage später. Sofort nach der Ankunft in der Heimat nimmt der Vogel auf derselben Dachfirste, welche sein Lieblingsaufenthalt war, wieder seinen Stand, und nunmehr beginnt sein reges, lebendiges Sommertreiben. Er ist, wie alle Glieder seiner Familie, ein ungemein regsamer, thätiger, munterer, unruhiger und flüchtiger Gesell, und vom Tagesgrauen bis nach Sonnenuntergang wach und in Bewegung: sein Lied gehört zu den ersten Gesängen, welche man an einem Frühlingsmorgen vernimmt, seine einfache Weise erklingt noch nach der Dämmerung des Abends. In seinen Bewegungen hat er mit den Erdsängern wenig, mit den Steinschmätzern viel gemein. Er ist außerordentlich hurtig und gewandt, hüpft und fliegt mit gleicher Leichtigkeit und bückt sich oder wippt wenigstens mit dem Schwanze bei jeder Veranlassung, auch wohl ohne eine solche. Seine Haltung im Sitzen ist eine aufgerichtete, kecke; sein Hüpfen geschieht mit großen Sprüngen, ruckweise oder mit kurzen Unterbrechungen; sein Flug führt ihn, wie Naumann sagt, »fast hüpfend oder schußweise schnurrend, auf weite Strecken aber in einer unregelmäßigen, aus größeren und kleineren Bogenlinien bestehenden Schlangenlinie fort. Er weiß sich meisterhaft zu überpurzeln, zu schwenken, mit Schnelligkeit aus der Höhe herabzustürzen und schnurrend wieder hinaufzuschwingen«; seine Flugfertigkeit ist so groß, daß er nach Fliegenfängerart Beute gewinnen, nämlich fliegende Kerbthiere bequem einholen und sicher wegschnappen kann. Seine Sinne sind vorzüglich, sein Verstand ist keineswegs gering entwickelt. Klug und fündig, weiß er sehr wohl, seine Feinde zu würdigen, ist sogar mißtrauisch seinen Freunden gegenüber, traut dem Menschen, bei welchem er sich zu Gaste bittet, in der Regel nicht, hält sich lieber in einer bescheidenen Entfernung von ihm, wo möglich auf der Firste des Hausdaches auf. Hier fühlt er sich sicher und nimmt anscheinend keinen Antheil an dem Getreibe unter ihm. Wenig gesellig, liebt er, mit seinem Gatten allein ein gewisses Gebiet zu bewohnen, und duldet in ihm kein anderes Pärchen der gleichen, Art, neckt und zankt sich auch regelmäßig mit anderen Vögeln, welche in seinem Bereiche sich niederlassen wollen. Seine Lockstimme ist angenehm, sein Gesang aber nicht viel werth und durch ein sonderbares Schnarren ausgezeichnet. Erstere klingt wie »Fid tek tek« und wird bei Angst oder Gefahr unzählige Male schnell wiederholt; letzterer besteht aus zwei oder drei Strophen theils pfeifender, theils kreischender und krächzender Töne, welche jedes Wohlklanges baar sind. Aber auch er besitzt die Gabe, anderer Vögel Lieder nachzuahmen. Jäckel hat gehört, daß er den Gesang des Laub-, Garten- und Schilfsängers, der Grasmücke, der Finkmeise, den Lockton der Haubenmeise, des Goldammers, des Zeisigs, ja selbst das Geschwätz der Staaren täuschend nachahmte; mein Vater hat ähnliches beobachtet. Doch läßt er, auch wenn er nachahmt, zwischen den erborgten Klängen immer seine krächzenden Laute vernehmen.

Der Rothschwanz nährt sich fast ausschließlich von Kerbthieren, vorzugsweise von Fliegen und Schmetterlingen. Auf den Boden herab kommt er selten, hält sich hier auch nur in stillen Gehöften, dort oder auf Lattenzäunen längere Zeit auf, um niedrig fliegende Beute zu erhaschen oder reife Beeren im Garten zu pflücken. Nach verborgener Nahrung stöbert er nicht mit dem Schnabel umher, liest vielmehr einfach ab oder fängt im Fluge. Schmetterlinge, welche andere Vögel verschmähen, verzehrt er gerne und erweist sich durch Vertilgung schädlicher Arten sehr nützlich.

Die Fortpflanzung fällt in den Mai. Jedes Männchen zeigt sich währenddem und schon vorher im höchsten Grade erregt, verfolgt, wie Karl Müller richtig schildert, das Weibchen ungestüm durch Höfe, Gärten und Gassen, krächzt und singt dabei abwechselnd, stürzt sich von hoher Firste herab und legt sich der Gattin förmlich zu Füßen, platt auf einen Ziegel, schlägt mit den ausgebreiteten Flügeln, drückt den gefächerten Schwanz bald gegen das Dach, fleht und jauchzt und berührt mit dem Schnabel den des Weibchens. Auch dieses theilt die Erregung des Gatten und verfolgt mit Wuth jedes andere seines Geschlechts, welches dem erwählten Männchen oder der erkorenen Niststätte sich nähert. Im Gebirge nistet das Paar in Felsenlöchern und Ritzen; in der Ebene legt es sein Nest fast ausschließlich in Gebäuden an, bald in Mauerlöchern, mit weiterer oder engerer Oeffnung, bald frei auf Balkenköpfen, auf Gesimsen und auf anderen hervorragenden Punkten, welche einigermaßen vor dem Wetter geschützt sind. Zuweilen, aber sehr selten kommt es vor, daß es sich auch einer Baumhöhle bemächtigt. Wo im Gebirge Knieholz und Fichten einzelne Felsmassen umgeben, kann es während der Brutzeit zum Waldbewohner werden und auf dem Boden, unter Gestrüpp und Gestein sein Nest erbauen, wo es ihm an passenden Nistgelegenheiten gebricht, alle Scheu vergessen und zum Zimmerbewohner werden, selbst einen Schulofen oder Briefkasten als geeignete Niststätte erachten. Das Nest füllt, wenn es in Höhlungen errichtet wurde, diese einfach aus; zierlicher gearbeitet dagegen ist es, wenn es frei auf einem Balken steht. Hier wird allerdings auch ein großer Haufen von Wurzeln, Pflanzenstengeln und Halmen unordentlich zusammengetragen, die Mulde innen aber mit vielen Haaren und Federn sehr weich ausgepolstert. Fünf bis sieben niedliche, neunzehn Millimeter lange, vierzehn Millimeter dicke, zartschalige, glänzend hellweiße Eier bilden das Gelege. Beide Eltern brüten, beide füttern die Brut groß, nehmen überhaupt gleichen Antheil au ihrem Geschicke. Bei Gefahr beweisen sie wahrhaft erhabenen Muth und suchen durch allerlei Mittel die Aufmerksamkeit des Feindes von ihren geliebten Kindern abzuwenden. Die Jungen verlassen das Nest meist zu früh, werden daher auch leicht eine Beute der Raubthiere, erlangen aber binnen wenigen Tagen Gewandtheit und Selbständigkeit. Sobald die Eltern glauben, daß sie hinlänglich geschickt im Gewerbe sind, schreiten sie zur zweiten und selbst zur dritten Brut. Mitunter kommt es vor, daß einzelne Hausrothschwänze gerade während der Brutzeit merkwürdige Freundschaften eingehen. »In meinem Holzstalle«, erzählt Päßler, »legte das Rothschwänzchen in ein Schwalbennest. Als die Erbauer desselben von ihrer Winterreise zurückkamen und ihr Nest besetzt fanden, bauten sie ein anderes dicht neben dem alten. Während die Rauchschwalben noch mit dem Baue beschäftigt waren, fing das Rothschwänzchen an zu brüten und wurde von den emsigen Schwalben oft mit dem Schwanze bedeckt und über das Gesicht gestrichen, ließ sich aber nicht stören. Später fing auch die Schwalbe an zu brüten, und beide Mütter in Hoffnung thaten es in frommer Eintracht. Wenn das Schwalbenmännchen sein Weibchen besuchte und ihm schöne Geschichten von dem blauen Himmel und den fetten Mücken erzählte, wandte es seine Rede auch zuweilen zur Nachbarin. Diese brachte aus, und nun duldete ihrerseits die Schwalbe die Berührung des Futter herzutragenden Röthlingsmännchens. Als die Jungen groß gepflegt waren, wählte das Rothschwänzchen den gegenüberliegenden Wagenschuppen für ein neues Nest. Und siehe! die Schwalben folgten später nach, besserten ein altes Nest aus, und beide Pärchen hielten auch hier gute Nachbarschaft.«

 

Die zweite Art ( Ruticilla phoenicurus, phoenicura, arborea, hortensis und pectoralis, Motacilla, Sylvia, Lusciola phoenicurus, Ficedula phoenicura und ruticilla, Phoenicura ruticilla und muraria, Bild S. 132), welcher in Deutschland vorkommt, wird zum Unterschiede Garten-, Baum- oder Waldrothschwanz, Röthling oder Röthlein genannt und verdient seinen Namen; denn er lebt fast nur auf Bäumen, im Walde ebensowohl wie im Garten. Beim alten Männchen sind Stirn, Kopfseiten und Kehle schwarz, die übrigen Obertheile aschgrau, Brust, Seiten und Schwanz hochrostroth, Vorderkopf und die Mitte der Unterseite weiß. Das Weibchen ist oben tiefgrau, unten grau, die dunklere Kehlfärbung zuweilen angedeutet. Beim Jungen ist der Oberkörper grau, rostgelb und braun gefleckt, und die grauen Federn der Unterseite sind rostgelb gerandet. Das Auge ist braun, Schnabel und Füße sind schwarz. Die Länge beträgt vierzehn, die Breite dreiundzwanzig, die Fittiglänge acht, die Schwanzlänge sechs Centimeter.

Der Gartenrothschwanz bewohnt ein ausgedehnteres Gebiet als sein Verwandter; denn er fehlt keinem Lande Europas, bevorzugt ihrer Laubwaldungen wegen zwar die Ebene, meidet aber auch das Gebirge nicht und macht sich daher in jeder einigermaßen entsprechenden Gegend seßhaft. Nach Osten hin dehnt sich sein Wohnkreis bis Persien; weiter östlich wird er durch Verwandte vertreten. Er erscheint bei uns zu Lande erst im April, verläßt uns im September wieder und wandert bis ins Innere Afrikas oder ebenso bis Indien.

Lebensweise und Betragen, Sitten und Gewohnheiten des Gartenrothschwanzes erinnern vielfach an das Getreibe des Verwandten, nur daß jener sich vorzugsweise auf Bäumen aushält. Der Gesang ist besser, wohlklingender und reicher als bei seinem Vetter; die Töne der zwei und drei Strophen, aus denen er besteht, sind sanft und flötenartig, etwas melancholisch zwar, im ganzen aber höchst angenehm. Auch er ahmt gern anderer Vögel Laute nach. Die Nahrung ist dieselbe, welche der Hausrothschwanz beansprucht; doch liest der Gartenröthling, seinem Aufenthalt entsprechend, viel von den Blättern ab und mehr von dem Boden auf als jener. Das Nest steht regelmäßig in hohlen Bäumen, ausnahmsweise nur in Mauern oder Felsenlöchern, aber fast immer in einer Höhle und womöglich in einer solchen, welche einen engen Eingang hat; eines jedoch wurde von Walter am Boden, angelehnt an einem dicken Kieferstamme, gefunden, und zwar in einer Gegend, in welcher es an Höhlungen nicht mangelte. Es ist liederlich gebaut, aus dürren Würzelchen und Hälmchen unordentlich zusammengeschichtet und im Innern reich mit Federn ausgekleidet. Die fünf bis acht Eier, welche man in der letzten Hälfte des Mai in ihm findet, sind achtzehn Millimeter lang, dreizehn Millimeter dick, glattschalig und schön blaugrün von Farbe. Die zweite Brut findet im Juli statt; das Pärchen erwählt aber jedesmal eine andere Baumhöhlung zur Anlage des zweiten Nestes und kehrt erst im nächsten Sommer zu der früheren zurück.

Der Gartenrothschwanz wird öfter als sein Verwandter im Bauer gehalten, singt hier fleißig und fast das ganze Jahr hindurch, wird aber durch seinen ewig wiederholten Lockton »Uit uit tak tak« lästig. Gleichwohl hat er sich unter den Liebhabern warme Freunde erworben, welche über die Zierlichkeit seiner Bewegungen, seiner Farbenschönheit und sauberen Haltung des Gefieders den andere störenden Lockton vergessen.


Die Felsschmätzer oder Steinröthel ( Petrocincla) gehören zu den größten Arten der Unterfamilie und sind deshalb, aber auch nur deshalb, gewöhnlich der Familie der Drosseln eingereiht worden. Ihr Leib ist schlank, der Schnabel pfriemenförmig, stark, aber gestreckt, an der Stirne etwas breit, seicht gewölbt, mit der Spitze des Oberkiefers ein wenig über den Unterkiefer herabgebogen, der Fuß mittelhoch und stark, langzehig und mit großen, merklich gebogenen Krallen bewehrt, der Flügel verhältnismäßig lang, in ihm die dritte Schwinge die längste, der Schwanz ziemlich kurz, vorn beinahe gerade abgeschnitten, das Gefieder bunt oder schön einfarbig.

 

Der Steinröthel und Steinreitling, die Steindrossel, Hoch- oder Gebirgsamsel ( Monticola saxatilis, Turdus, Sylvia, Petrocincla und Petrocichla saxatilis, Saxicola montana, Petrocossyphus saxatilis, polyglottus und Gourcyi) ist nichts anderes als ein Rothschwanz im großen. Das Gefieder ist auf Kopf, Vorderhals, Nacken und Bürzel schön blaugrau, auf dem Unterrücken weißblau oder weiß, auf der ganzen Unterseite prächtig hochrostroth; die Schulterfedern sind dunkel aschgrau oder schieferschwarz, die Schwingen schwarzbraun, an den Spitzen heller, die großen Deckfedern an der Spitze rostgelblichweiß gesäumt; die Steuerfedern, mit Ausnahme der beiden mittelsten, welche gleichmäßig matt dunkelgrau sind, haben dieselbe Farbe wie die Unterseite. Im Herbste, nach der Hauptmauser, zeigen alle kleineren Federn lichtere Säume. Das Weibchen ist oben auf mattbraunem Grunde licht gefleckt, am Vorderhalse weiß, auf dem Unterkörper blaß rostroth; die Federn sind hier dunkler gekantet. Die Jungen sind gefleckt. Das Auge ist rothbraun, der Schnabel mattschwarz, der Fuß röthlichgrau. Die Länge beträgt dreiundzwanzig, die Breite siebenundreißig, die Fittiglänge dreizehn, die Schwanzlänge sieben Centimeter.

siehe Bildunterschrift

Steinröthel ( Monticola saxatilis). ½ natürl. Größe.

Der Steinröthel ist ein Vogel des Mittelmeergebietes und daher fast auf allen Hochgebirgen Südeuropas zu Hause. Nach Norden hin kommt er als Brutvogel vereinzelt vor, so ziemlich regelmäßig in Steiermark, Kärnten, Oberösterreich, Tirol, auf den Kotuschfelsen bei Stramberg in Mähren und längs des Rheins, ausnahmsweise in Böhmen, in der Lausitz und am Harze; nach Osten hin reicht sein Verbreitungsgebiet bis Südsibirien. In Slavonien, Kroatien, Dalmatien, der Türkei und Griechenland ist er geeigneten Ortes gemein, in Italien, der Krim, Kleinasien und Syrien nicht selten, in Spanien auf die höheren Gebirge beschränkt. Auf seinem Zuge durchreist er einen großen Theil Nordafrikas: ich bin ihm noch in den Waldungen des Blauen Flusses begegnet. In der Heimat erscheint er mit dem Hausrothschwanz, oft schon um die Mitte des März, spätestens im April und verweilt hier bis Ende September oder Anfang Oktober. Zu seinem Aufenthalte wählt er mit Vorliebe Weinberge oder weite steinige, mit einigen alten Bäumen bestandene Thalmulden.

Sein Betragen ähnelt dem unserer Rothschwänze, mit denen er überhaupt die größte Aehnlichkeit hat. Auch er ist ein vorsichtiger, kluger, lebhafter und gewandter Vogel, welcher selten lange an einem und demselben Orte verweilt, sondern sich den ganzen Tag über in seinem Gebiete umhertreibt und nur auf seinen Lieblingssitzen einige Zeit sich aufhält. Mit der Gewandtheit des Steinschmätzers läuft er über den Boden dahin, wie dieser oder wie der Rothschwanz macht er seine Bücklinge, wie der eine oder der andere tänzelt er über Felsen und größere Steine hinweg. Der Flug ist leicht und schön, wenig bogig, vor dem Niedersitzen schwebend und kreisend, sonst eilfertig eine gerade Richtung verfolgend, rasch und gewandt genug, um fliegende Kerbthiere einzuholen. Die Lockstimme, ein schnalzendes »Tack tack«, ähnelt ebenso dem gleichen Laute der Amsel wie dem des Steinschmätzers; der Ausdruck des Schrecks oder der Angst, ein leises, oft wiederholtes »Uit uit«, erinnert an den betreffenden Stimmlaut des Rothschwanzes. Der Gesang ist vortrefflich, reich und abwechselnd, laut und volltönend, gleichwohl aber sanft und flötend, auch besonders dadurch ausgezeichnet, daß in ihn, je nach Lage des Wohnortes und Begabung des Sängers, ganze Schläge oder Strophen aus Gesängen anderer Vögel, beispielsweise der Nachtigall, Amsel, Singdrossel, Grasmücke, Feld- und Heidelerche und Wachtel, des Rothkehlchens, Finkens, Pirols und Rebhuhns, selbst Hahnenkrähen etc., verwebt werden.

Kerbthiere aller Art, im Herbste auch Beeren und Früchte, bilden die Nahrung. Die Kerfe liest der Steinröthel größtentheils vom Boden ab; die fliegenden fängt er, wie der Rothschwanz, in der Luft und jagt ihnen dabei oft auch weithin nach.

Bald nach Ankunft in der Heimat schreitet das Steinröthelpaar zur Fortpflanzung. Das Männchen singt jetzt, auf einem erhöhten Felsvorsprunge sitzend, eifriger als je, tanzt, wie Alexander von Homeyer beobachtete, »in aufrechter Haltung mit ausgebreiteten, auf dem Boden schnurrenden Flügeln und Schwanze, die Rückenfedern weit gelockert, den Kopf hinten überwerfend, mit weit geöffnetem Schnabel und oft halb geschlossenen Augen«, erhebt sich zuletzt, flattert und schwebt, nach Art der Lerche steigend, in die Höhe, singt hierbei lauter und kräftiger als zuvor und kehrt sodann zum früheren Sitzplatze zurück. Das Nest wird sehr versteckt in möglichst unzugänglichen Mauer- und Felsenspalten, selten niedrig über begehbaren Boden, in Steinhaufen, unter Baumwurzeln oder selbst in dichtem Gestrüppe angelegt. Feine Wurzeln und Zweige von Heide oder anderen niederen Gesträuchen, Holzsplitterchen oder Strohhalme, Grasblätter und Baummoos, welche leicht und unordentlich über einander geschichtet werden, bilden den Außenbau; dieselben, nur sorgfältiger gewählten Stoffe kleiden die Mulde, einen schön gerundeten Napf, zierlich aus. Die vier bis sechs zartschaligen Eier sind durchschnittlich achtundzwanzig Millimeter lang, neunzehn Millimeter breit und einfarbig blaugrün, denen unseres Gartenrothschwanzes ähnlich. Beide Geschlechter brüten und nehmen an der Aufzucht der Jungen gleichmäßig theil. Bei Gefahr stößt das Männchen einen eigenen, wie »Fritschikschakschak fritschikschakschak« lautenden Warnungsruf aus und begleitet jeden Laut mit Bücklingen und Schwanzbewegungen. Die Jungen werden häufig aus dem Neste gehoben und mit Nachtigallen- oder Drosselfutter aufgezogen, oder aber, laut Talsky, von Vogelhändlern bis zum Flüggwerden der Pflege eines Hausrothschwanz-, nötigenfalls eines in der Nähe der Wohnungen brütenden Bachstelzenpaares anvertraut. Wenn man sich viel mit ihnen beschäftigt, zeigen sie sich bald äußerst zutraulich und beweisen ihre Anhänglichkeit an den Menschen dadurch, daß sie zu singen beginnen, sobald man ihnen naht. »Ich hatte und sah«, bemerkt schon Graf Gourcy, »mehrere, welche ihren Herrn, wenn er nach Hause kam, zu jeder Stunde des Tags oder der Nacht anpfiffen und nicht eher aufhörten, als bis das Licht ausgelöscht wurde. In diesem Falle wiederholen sie aber immer und zwar sehr oft nur ein paar Strophen eines gelernten Liedes und lassen gar nichts von ihrem angeborenen Gesange hören, gleichsam als glaubten sie durch das vom Menschen erlernte mit ihm sprechen und sich ihm verständlich machen zu können. Ist aber niemand im Zimmer, dann ertönt gewöhnlich anstatt des erlernten Gesanges der natürliche.« Bei sorgsamer Pflege schreiten sie auch zur Fortpflanzung im Käfige oder bemuttern fremder Vögel Kinder, bethätigen hier überhaupt so treffliche und verschiedenartige Eigenschaften, daß man sie als die ausgezeichnetsten Stubenvögel, welche Europa liefert, bezeichnen darf.

 

Die Blaumerle oder Blaudrossel, Blau- oder Gebirgsamsel, Blauvogel, Einsiedler, einsamer Spatz etc. ( Monticola cyana, Turdus cyanus und solitarius, Sylvia solitaria, Petrocincla cyanea und longirostris, Petrocossyphus cyaneus), Vertreter der gleichnamigen Untersippe ( Petrocossyphus), ist etwas größer als der Steinröthel: die Länge beträgt dreiundzwanzig bis fünfundzwanzig, die Breite siebenunddreißig, die Fittiglänge zwölf, die Schwanzlänge neun Centimeter. Das Gefieder des Männchens ist gleichmäßig schieferblau; die mattschwarzen Schwingen und Steuerfedern sind blau gesäumt. Beim Weibchen herrscht blaugrau vor; die Kehle ist licht rostbräunlich gefleckt und jeder Flecken schwarzbraun umsäumt; die übrige Unterseite zeigt dunkelbraune Mondflecken und bräunlichweiße Federkanten; die Schwingen und Steuerfedern sind dunkelbraun. Die Nestjungen ähneln dem Weibchen, unterscheiden sich aber durch lichtbräunliche Tropfenflecken auf der Oberseite. Nach der Mauser sind auch beim Männchen alle Federn gerandet; die Ränder schleifen sich jedoch bald ab, und das Gefieder erhält dann seine volle Schönheit. Das Auge ist braun, der Schnabel und die Füße sind schwarz.

Ganz Südeuropa, Nordafrika und ein großer Theil Mittelasiens bis Mittelchina und zum westlichen Himalaya sind die Heimat der Blaumerle. In den südlichen Kronländern Oesterreich-Ungarns, namentlich in Dalmatien, Istrien, Kroatien und Südtirol, hier besonders in der Etschklause und am Gardasee, kommt sie, laut Tschusi, häufig, in Siebenbürgen und Kram seltener als Brutvogel, in Kärnten als Strichvogel vor; wie ich von Talsky erfahre, brütet sie ausnahmsweise aber auch mit dem Steinröthel auf dem Kotusch, einem fünfhundert Meter hohen Kalkfelsen in der Nähe von Stramberg im Nordosten Mährens. In Deutschland ist sie, wenn überhaupt, wohl nur im Bayrischen Hochgebirge als Strichvogel beobachtet worden. Häufig tritt sie in Griechenland, Italien, Südfrankreich und Spanien auf, ebenso in Palästina, Egypten bis Habesch und den Atlasländern. Während des Winters erscheint sie regelmäßig in Indien, obgleich man sie nicht eigentlich als Zugvogel betrachten darf; denn schon in Südeuropa begegnet man ihr jahraus, jahrein auf denselben Standorten, höchstens mit dem Unterschiede, daß sie im Winter sonnige Gehänge bevorzugt.

In ihrem Wesen und Betragen ähnelt sie dem Steinröthel sehr, unterscheidet sich aber doch in mancher Hinsicht. Mehr als der letztgenannte liebt sie die Einöde, Felswände und enge Gebirgsschluchten, denen der Baumschlag mangelt, besonders felsige Flußthäler. Regelmäßig besucht sie Ortschaften und treibt sich hier auf Thürmen, Wallmauern und hochgelegenen Dachfirsten oder in Egypten auf Tempeltrümmern umher. Nichtsdestoweniger trägt sie den Namen »Einsiedler« mit vollem Rechte. Sie lebt stets für sich, befreundet sich nie mit den Menschen und bewahrt sich auch dann, wenn sie in die Ortschaften kommt, ihre Selbständigkeit, vereinigt sich nicht einmal mit ihresgleichen in derselben innigen Weise wie andere Vögel. Nur während der Brutzeit sieht man das Paar unzertrennlich zusammen und kurz nachher die Familie gesellt; schon gegen den Herbst hin aber trennen sich die Glieder eines derartigen Verbandes, und jeder einzelne geht seinen eigenen Weg. Doch will ich bemerken, daß ich im Winter in Egypten zuweilen kleine Gesellschaften des sonst so ungeselligen Vogels gesehen habe. »Dieser Vogel, Cyanus genannt«, schreibt schon unser alter Freund Geßner, »hasset von Natur den Menschen, fleucht derhalben alle Versammlungen derselbigen, auch alle Wildnussen, darinnen Menschen wonen, hat lieb die einöden Ort vnd hohen Gibel der Bergen. Epirum und andere Insulen so behauset werden, hasset er, liebet dagegen Scyrum, vnd andere dergleichen einöde vnd vnfruchtbare Ort.« Die Blaumerle hat übrigens auch ihre guten Seiten. Sie ist ein außerordentlich munterer, regsamer, bewegungslustiger Vogel und singt sehr fleißig. Ihr Gesang steht dem des Steinröthels zwar nach, darf aber noch immer als vorzüglich gelten und wird beinahe zu jeder Jahreszeit vernommen. In ihren Bewegungen ähnelt auch sie den Steinschmätzern, nicht aber den Drosseln, mit denen sie überhaupt nur die flüchtigste Betrachtung vergleichen kann. Sie ist vielleicht noch gewandter als alle übrigen Schmätzer, und zwar nicht bloß im Laufen, sondern auch im Fliegen. Keine andere von den mir bekannten Arten der Familie fliegt so viel und so weit in einem Zuge wie sie, welche oft Entfernungen von einem Kilometer in einem Zuge durchmißt und, von einem ihrer Lieblingssitze in der Höhe ausgehend, ohne sich auf den Boden herabzusenken, von einem Bergesgipfel zum anderen streicht. Der Flug selbst erinnert an den unserer gewandtesten Drosseln; doch schwebt die Blaumerle mehr als diese, namentlich kurz vor dem Niedersetzen, und ebenso steigt sie, wenn sie singt, ganz gegen Drosselart in die Luft. Der Gesang vereinigt die Klänge mehrerer Vögel, hat beispielsweise von dem Steinröthel die zusammenhängenden Halstöne, nur daß sie rauher und stärker sind, von der Singdrossel die lauten, nachtigallähnlichen Pfiffe und von der Amsel ebenfalls mehrere Strophen. Doch ist die Stimme des Steinröthels viel biegsamer, sanfter und angenehmer, sein Gesang mehr abwechselnd und minder durchdringend, und deshalb eben eignet er sich für das Zimmer mehr als seine Verwandte. Diese wiederholt die einzelnen Strophen gewöhnlich zwei- bis drei-, ja selbst fünf- bis zehnmal; demzufolge dünkt uns der Gesang nicht so mannigfaltig, wie er es wirklich ist. Zuweilen läßt die Blaumerle so leise und zwitschernde Töne vernehmen, wie sie nur der kleinste Vogel hervorbringen kann. Sie singt gern und viel in der Abenddämmerung, zuweilen auch bei Kerzenlicht: eine trug besonders bei starker Beleuchtung, wenn laut gesprochen wurde, ihre leisen und angenehmen Töne vor. Auch sie hat eine Lieblings- und Begrüßungsstrophe, mit welcher sie einen sich nahenden Bekannten empfängt, wiederholt dieselbe aber sechs bis zwanzigmal ohne Unterbrechung und kann deshalb lästig werden. Auch dies wußte schon der alte Geßner: »Er singt gar vnderschiedlich, ordentlich, lieblich, vielfaltig vnd mancherley. Er ist darzu gar gelehrig, vnd nimpt aller dingen so eben war, daß er mehrerertheils dieselbigen gar verständiglich mit seiner Stimm bedeut vnd anzeigt. So er in der mitten in der vngestümmen Nacht erwecket wirt, singt er, als geheißen, gantz hell, meint derhalben er wölle seinen Befolch gar fleißig und trewlich außrichten«. Der Lockton ist das übliche »Tack tack«, der Ausdruck der Furcht das »Uit uit« des Steinröthels.

Die Liebeswerbungen der Blaumerle erinnern an den Tanz des Steinröthels; das Männchen nimmt aber, wie Homeyer sagt, eine wagerechte Haltung an, bläht sich auf und erscheint deshalb viel größer, »ballartig«, duckt den Kopf nieder und schnellt den hochgehobenen, zusammengelegten Schwanz dann und wann nach Art der Amsel in die Höhe. Das Nest steht in Felsspalten, auf Kirchthürmen, verfallenen Bergschlössern und anderen hochgelegenen oder erhabenen Gebäuden, ist ansehnlich groß, aber kunstlos, äußerlich aus Grasstücken, groben und feinen Halmen gebaut, in der flachen Mulde mit gekrümmten Wurzelfasern ausgelegt, und enthält Anfang Mai vier bis sechs eirunde, glänzende, entweder einfarbig grünlichblaue oder auf so gefärbtem Grunde spärlich und namentlich gegen das dicke Ende hin mit schwach violettgrauen Unter- und röthlich- oder rothbraunen Oberflecken gesprenkelte Eier, deren Längsdurchmesser achtundzwanzig und deren Querdurchmesser neunzehn Millimeter beträgt. Irby hatte treffliche Gelegenheit, Blaumerlen bei ihrem Brutgeschäfte zu beobachten; denn ein Paar von ihnen nistete in einer Höhlung der Mauer seines Stalles in Gibraltar. Den fünf Eiern entschlüpften am zwanzigsten Juni die Jungen, und beide Eltern bemühten sich nun auf das eifrigste, dieselben groß zu ziehen. Um sie hierbei belauschen zu können, befestigte der Beobachter, nachdem er von innen ein Loch durch die Mauer gebrochen hatte, im Inneren des Stalles einen kleinen Käfig, brachte in denselben die Jungen und überdeckte den Käfig bis auf ein Guckloch mit dichtem Zeuge. Durch das Loch konnte er das Treiben der Alten wahrnehmen. Beide Vögel fütterten und brachten ungefähr alle fünf Minuten einmal Nahrung, fast ausschließlich Tausendfüße, dann und wann auch große Spinnen und Schmeißfliegen. Wie die Alten im Stande waren, so viele Tausendfüße zu finden, blieb unerforschbar, da diese Kerbthiere bekanntlich unter Steinen leben. Der Kopf mit den gifteinflößenden Beißwerkzeugen war stets abgebissen, die zur Atzung verwendeten Thiere überhaupt immer getödtet. Zwei von den Jungen starben im Käfige, weil die Alten nicht gut zu ihnen kommen konnten; die übrigen gediehen und wurden später vollends künstlich aufgefüttert.

Alte Blaudrosseln sind schwer zu berücken; deshalb erhält man für den Käfig meist junge Vögel, welche dem Neste entnommen wurden. Sie halten sich bei geeigneter Pflege, wie der Steinröthel, jahrelang, gewöhnen sich aber sehr an eine bestimmte Oertlichkeit und ertragen etwaigen Wechsel schwer. »Als in Valetta der neue Markt eröffnet worden war«, erzählt Wright, »brachten viele von den Marktleuten ihre gefangenen Blaumerlen in den gewohnten Käfigen von dem alten Markte her mit sich in ihre neuen Buden. Aber einer der Vögel nach dem anderen welkte dahin, und wenige Wochen später war nicht einer von ihnen mehr am Leben.« In Italien, auf Malta und in Griechenland sind sie als Stubenvögel sehr beliebt. Von Griechenland aus werden viele nach der Türkei ausgeführt, auf Malta gute Sänger so hoch geschätzt, daß man für ein Männchen vierzig bis sechszig Mark bezahlt. Eine reiche Malteserin dünkte sich, nach Wright, glücklich, eine besonders ausgezeichnete Blaumerle für hundertundfunfzig Mark erstanden zu haben, »und der frühere Besitzer hatte sich dennoch nur schwer von seinem Vogel getrennt«. Alle Malteser verfehlen nicht, das Gebauer, in welchem eine Blaumerle lebt, durch ein in geeigneter Weise angebrachtes Stück Tuch von rother Farbe gegen das »böse Auge« zu schützen.

Vom Raubzeuge hat die Blaumerle wenig zu leiden; ihre Vorsicht entzieht die Alten, der stets vortrefflich gewählte Standort des Nestes die Brut den meisten Nachstellungen. Die Edelfalken fangen sie übrigens, wie ich mich selbst überzeugt habe, zuweilen doch.


Die Steinschmätzer ( Saxicola), welche den Kern der Unterfamilie bilden, sind ziemlich schlanke Vögel mit pfriemenförmigem, vor den Nasenlöchern verschmälertem Schnabel, welcher an der Wurzel breiter als hoch, an der Spitze etwas abgebogen, an der Schneide kaum merklich eingekerbt und auf der Firste kantig ist, hohen und schwachläufigen Füßen und mittellangen Zehen, etwas stumpfem Flügel, in welchem die dritte und vierte Schwinge die anderen überragen, kurzem, ziemlich breitem und vorn gerade abgeschnittenem Schwanze und ziemlich reichem, locker anliegendem, in seiner Färbung bei aller Verschiedenheit doch in gewisser Hinsicht übereinstimmendem Gefieder.

 

Die erste Stelle unter den europäischen Arten gebührt dem Trauersteinschmätzer ( Saxicola leucura, und cachinnans, Turdus leucurus, Oenanthe, Vitiflora und Dromolaea leucura), von Cabanis als Urbild der Untersippe der Rennschmätzer ( Dromolaea) angesehen, einem der größten Mitglieder der Sippe. Die Länge beträgt zwanzig, die Breite einunddreißig, die Fittiglänge zehn, die Schwanzlänge sieben Centimeter. Das Gefieder ist, den bis auf die Endbinde blendendweißen Schwanz und seine oberen und unteren Deckfedern ausgenommen, gleichmäßig tiefschwarz, schwach glänzend; die Schwingen sind an der Wurzel hell aschgrau, gegen die Spitze hin schwarz; die Endbinde des Schwanzes nimmt zwei Fünftel der Gesammtlänge der beiden Mittelfedern ein und verschmälert sich bei den übrigen bis auf acht Millimeter. Das Weibchen ähnelt dem Männchen; die dunklen Theile des Gefieders sind aber nicht schwarz, sondern rußbraun. Die jungen Vögel gleichen den Eltern derart, daß die Männchen dem Vater, die Weibchen der Mutter ähneln, nur daß ihr Kleid unscheinbarer ist.

Wer das grüne Deutschland nicht verlassen hat, kann sich schwerlich die spanischen Gebirge vorstellen. Sie sind schön, herrlich in ihrer Art, aber mit denen des Nordens nicht zu vergleichen. Selten bedacht sie der lebendige Wald, niemals begrünt sie die frische Matte; nur das Himmelslicht legt seinen Farbenmantel, nur die Ferne ihren Duft auf dieselben; nur die Steine selbst malen sie.

Wenn man die saftige, grüne Ebene verläßt, in welcher ein silberner Wasserfaden, hundertfach gestaut und zertheilt, das ergiebige Land zur blühenden »Vega« umwandelt, und dem Gebirge zuschreitet, tritt man urplötzlich in eine Wüste hinaus. Man gelangt vielleicht noch in den »Campo«, in welchem die in gerader Reihe gepflanzten hundertjährigen Oelbäume stehen; aber diese sind wahrlich nicht geeignet, den Eindruck der Oede zu schwächen, welchen das vorliegende Land erregte. Und auch sie bleiben dahinten; der Fuß tritt auf harten Kiesboden, welchen nur hier und da ein Pflänzchen zu durchbrechen wagte. Vor dem Auge das Gebirge in seiner wilden Schönheit. Losgerissene, vom Wasser herabgeworfene Blöcke bedecken seinen Fuß und die Ausgänge der Thäler. Zwischen ihnen sieht man saftig grüne Oleandergebüsche und niederes Gestrüpp; an den Berggehängen wuchern Rosmarin und unzählige Disteln: sie bilden hier den Wald. Möglich, daß man zufällig einige Geier, vielleicht auch einen Adler über dem Gebirge dahinschweben sieht; außer ihnen bemerkt man höchstens noch eine Blaumerle, einen Rothschwanz, einige Schwalben und Steinsperlinge: das übrige erscheint todt. Da lenkt plötzlich ein frischer Gesang die Augen nach einer bestimmten Stelle: das Männchen eines Trauersteinschmätzers singt sein heiteres Lied.

Der zierliche Vogel ist über den größten Theil Spaniens verbreitet und kommt außerdem in Südfrankreich, Süditalien, Griechenland und Nordwestafrika vor. Ueberall, wo er auftritt, bewohnt er das Gebirge, vom Fuße desselben an bis zu dritthalbtausend Meter über dem Meere hinauf. Möglich, daß er im Hochsommer noch zu bedeutenderen Höhen emporsteigt und nur im Winter in die Tiefen herabkommt, in denen ich ihn in den eigentlichen Hochgebirgen Südspaniens antraf. Seine Lieblingsplätze sind die wildesten, zerrissensten Felsen. Je dunkler das Gestein ist, um so häufiger begegnet man ihm, obwohl er auch auf lichteren Kalkfelsen nicht fehlt.

Er ist ein kluger, lebendiger und scheuer Vogel, welcher selbst das ödeste Gebirge zu beleben vermag. Das Männchen geberdet sich oft höchst ergötzlich. Es tanzt förmlich auf einer Steinplatte umher oder trippelt tanzartig an einer Felswand in die Höhe, breitet Schwanz und Flügel, neigt den Kopf, dreht und wendet sich, steigt in die Höhe, singt dabei und senkt sich zuletzt mit ausgebreiteten Flügeln und Schwanz langsam tief herab, um seinem, all diesem zuschauenden Weibchen die letzte Strophe des Gesanges in nächster Nähe noch hören zu lassen. Finden sich einzelne Bäume oder Kaktusfeigenbüsche im Gebirge, dann ruht er auch gern auf diesen von seinem Singen und Tanzen aus; sonst wählt er die hervorragendsten Felsenplatten oder Felsblöcke zu seinen Ruheplätzen. Ohne Scheu kommt er von seinen Höhen auf die Mauern der Gebirgsstädte herab oder steigt zu den auf den höchsten Bergesspitzen liegenden Einsiedeleien empor.

Wirklich liebenswürdig benimmt er sich bei seinem Neste. Er beginnt ziemlich spät mit dem Baue desselben, erst um die Mitte oder gegen Ende des April, vielleicht auch Anfang Mai. An passenden Nistplätzen fehlt es ihm nicht; denn überall findet er in den hohlen, steilen Felsenwänden eine Höhlung, welche noch von keinem Steinsperlinge in Besitz genommen wurde. Das Nest, für eine zahlreiche Nachkommenschaft eingerichtet, ist groß und besteht aus dicht zusammengeflochtenen Grashalmen und Würzelchen, welche inwendig sorgfältig mit Ziegenhaaren ausgefüttert sind. Vier bis fünf Eier von dreiundzwanzig Millimeter Längs- und siebzehn Millimeter Querdurchmesser, hell bläulichgrüner Grundfärbung und violetter und röthlichbrauner Fleckenzeichnung sind die gewöhnliche, sechs bis sieben eine nicht ungewöhnliche Anzahl des Geleges. Ein solches Nest fand ich im Anfange des Juli 1857 in der Sierra de los Anches bei Murcia. Es stand in einer ziemlich geräumigen Höhle, welche durch theilweises Zerbröckeln und Herabfallen des Gesteines gebildet worden war, auf einem breiten, überdachten Steine, wie auf einem Gesimse. Die Wahl des Ortes war zweckmäßig; denn in diese Einöde des Gebirges kam wohl selten ein Mensch; nur hatte der Vogel nicht bedacht, daß die Höhle sehr leicht erreicht werden konnte. Ich fand fünf noch nackte Junge in dem Neste und konnte über sie nicht lange in Ungewißheit bleiben; denn ich war noch nicht mit der Untersuchung des Nestes zu Ende, als beide Eltern ankamen, um zu füttern. Noch niemals, selbst aus dem bestgewählten Verstecke noch nicht, hatte ich den reizenden Vogel so nahe vor mir gesehen, wie es nun der Fall war. Beide, sonst so scheu, schienen alle Vorsicht vergessen zu haben. Auf der einen Seite saß das Weibchen kaum fünfzehn Schritte entfernt von mir, auf der anderen etwa ebensoweit das Männchen. Ersteres flog ängstlich von einer Felsenspitze zur anderen; das letztere blieb auf seinem Platze. Aber es sang, als wollte es mich bitten, sein Haus zu verlassen, tanzte, trippelte hin und her, nickte und sang und tanzte wieder. Der Auftritt wurde wirklich ergreifend: hier die immer besorgter und dabei dreister werdende Mutter, dort der Vater, welcher in seiner Herzensangst nicht wußte, was er nur eigentlich beginnen sollte, um den gefährlichen Feind zu entfernen! Später einmal sah ich beide Eltern den ersten Ausflug mit der glücklich erzogenen Brut unternehmen. Vater und Mutter fliegen der munteren Gesellschaft voraus, von Stein zu Stein, von Felsen zu Felsen. Die kleinen Kurzschwänze sind gleich von allem Anfange an in dem Gebiete heimisch. Da braucht nur eins der Eltern einen Warnungsruf auszustoßen, und im Nu ist die ganze Schar in Steinritzen, zwischen und unter Felsblöcken verschwunden. Aber schon nach wenigen Minuten ist sie auf einen anderen Ruf der Alten wieder auf den höchsten Spitzen und Kanten der Steine versammelt: der von den wachsamen Eltern bemerkte Feind ist vorübergezogen oder hat sich versteckt; es scheint keine Gefahr mehr zu geben. Lustig geht es weiter. Hier wird ein Käferchen aufgenommen, dort ein Würmchen. Vater und Mutter fliegen sogar den hoch in der Luft hinsummenden Fliegen oder dahin gaukelnden Schmetterlingen nach und verfehlen selten die ins Auge gefaßte Beute. Aber das Kunststück ist von der ganzen Familie gesehen worden, und nun will jedes Glied derselben das erste sein, welches den Eltern das gefangene Kerbthier abbettelt. Das ist ein Laufen, Rennen, Piepen oder Bitten; selbst die stumpfen Flügel werden tüchtig benutzt: richtig, das schwarze Männchen, welches immer voran ist, war wieder der schnellste und hat es erlangt! Aber da taucht von neuem der Kopf des Feindes hinter einem Steine auf, für die spielende Familie das Haupt der Medusa: ein einziger Ruf des Männchens, und keines der Kinder ist mehr zu erblicken!

So bleibt die kleine Schar unter der Eltern treuer Hut, bis die Mauser vorüber ist; dann zerstreut sie sich; denn jedes hat einen Gefährten gefunden. Der Juli, August und September sind die Zeiten des Federwechsels; Ende Oktober, Anfang November sieht man die einzelnen Pärchen bereits vereinigt und von der Familie getrennt, wenn sie auch gern noch in Gesellschaft mit anderen Pärchen bleiben. Im Januar wird schon rüstig gesungen; im Februar hört man das volle Lied: es ist dem der Blaumerle täuschend ähnlich, wenn auch nicht so laut, so schallend, und endet gewöhnlich mit einem eigenthümlichen Knarren, welches sehr an unseren Hausrothschwanz erinnert.

 

Der Steinschmätzer, Steinfänger, Steinquaker, Steinelster, Steinklitsch, Steinfletscher, Steinpicker und Steinbeißer, Weißschwanz, Weißbürzel, Sommer- und Todtenvogel etc. ( Saxicola oenanthe, rostrata, libanotica, oenanthoides und leucorhoa, Motacilla oenanthe, leucorhoa und vitiflora, Sylvia oenanthe, Vitiflora oenanthe, grisca, cinerea, major, septentrionalis und oenanthoides), ist auf der Oberseite hell aschgrau, auf dem Bürzel und der Unterseite, mit Ausnahme der rostgelblichen Brust, weiß; die Stirne und ein von ihr aus verlaufender Augenstreifen sind weiß, ein Zügelfleck, die Flügel und die beiden mittleren Schwanzfedern schwarz, die übrigen am Grunde weiß, an der Spitze schwarz. Das Auge ist braun, der Schnabel und die Füße sind schwarz. Im Herbste nach der Mauser zieht die Färbung der Oberseite ins Rostfarbige, die der Unterseite ins Rostgelbliche. Beim Weibchen herrscht Röthlichaschgrau vor; die Stirn und der Augenstreif sind schmutzigweiß, die Zügel mattschwarz, die Untertheile lichtbräunlich rostfarben, die rauchschwarzen Flügelfedern lichtgelblich gesäumt. Die Länge beträgt sechzehn, die Breite neunundzwanzig, die Fittiglänge neun, die Schwanzlänge sechs Centimeter. Das Weibchen ist um mehrere Millimeter kürzer und schmäler.

Es ist leichter, zu sagen, in welchen Ländern des nördlich alt- und nördlich neuweltlichen Gebietes der Steinschmätzer nicht gefunden wird, als anzugeben, wo er vorkommt. Brutvogel ist er von den Pyrenäen und dem Parnaß an bis nach Lappland hinauf, ebenso in allen Ländern Asiens, welche ungefähr unter derselben Breite liegen, wogegen er in Amerika auf den hohen Norden beschränkt zu sein scheint und südlich von New York überhaupt nicht mehr beobachtet worden ist. Gelegentlich seiner Winterreise durchwandert er mehr als die Hälfte Afrikas: ich habe ihn im Sudan beobachtet, andere Forscher trafen ihn in Westafrika an. Dasselbe gilt für Asien: in Indien ist er, laut Jerdon, ein wenn auch seltener Wintergast der oberen Provinzen.

Zwei nahverwandte Arten, welche beide auch in Deutschland vorgekommen sind, vertreten ihn in Südwesteuropa.

 

Der Röthel- oder Ohrensteinschmätzer ( Saxicola rufescens, aurita, albicollis und amphileuca, Sylvia und Vitiflora rufescens, Saxicola albicollis) ist um wenige Millimeter kleiner als er, oberseits weißlich grau, unterseits grau röthlichweiß; ein schmaler Streifen vom Schnabelrande zum Auge und ein länglicher Wangenfleck, welcher jenes theilweise umschließt, der Flügel, die mittlere Schwanzfeder jederseits und die Spitze der übrigen aber schwarz. Das Weibchen ist düsterer und mehr rostroth gefärbt.

 

Der noch kleinere Gilbsteinschmätzer ( Saxicola stapazina und eurymelana, Motacilla, Sylvia und Oenanthe stapazina, Vitiflora stapazina und rufa) ist auf der Oberseite, der Brust und dem Bauche rostfarben, auf der Kehle und dem Flügel schwarz, an den kleinen Deckfedern rostfarben gekantet. Bei den Jungen beider Arten sind Kopf, Hinterhals und Rücken graugilblich, alle Federn durch einen weißen Schaftstrich und einen grauen Spitzenrand gezeichnet, die Untertheile schmutzigweiß, auf der Brust graulich mit wenig bemerkbaren graubraunen Spitzeneinfassungen, die Schwung- und Schwanzfedern blaßschwarz, die Deckfedern rostgraulich gesäumt.

siehe Bildunterschrift

Steinschmätzer ( Saxicola oenanthe), Braunkehlchen ( Pratincola rubetra) und Schwarzkehlchen ( Pratincola rubicola). ½ natürl. Größe.

In Südosteuropa lebt außerdem der unserer deutschen Art nah verwandte, etwas größere, oberseits rostisabellbräunlich, auf dem Bürzel lebhafter, unterseits rostisabellgelb gefärbte Wüstensteinschmätzer ( Saxicola isabellina), und Osteuropa besucht zuweilen der Asien entstammende, auf Kopf, Vorder- und Hinterhals, der Oberseite und den beiden mittleren Schwanzfedern schwarze, übrigens weiße Nonnensteinschmätzer ( Saxicola leucomela).

Gegenden, in denen Steine vorherrschend sind, bilden die Lieblingsplätze aller genannten Steinschmätzer. Sie sind selten im bebauten Lande, finden sich regelmäßig aber bereits da, wo zwischen den Feldern Felsblöcke hervorragen, Steinmauern aufgeschichtet oder Steinhaufen zusammengetragen wurden. In dem steinreichen Schweden, in Süddeutschland, in der Schweiz ist unser Steinschmätzer gemein; in Skandinavien darf er als einer der letzter Vertreter des Lebens betrachtet werden. Ich habe ihn überall angetroffen, wo ich hinkam, in Lappland ebensowohl wie in der Nähe der Gletscher des Galdhöpiggen, der Furka oder des Großglockners. In den Schweizer Alpen steigt er bis über den Gürtel des Holzwuchses empor. In ähnlicher Weise leben die übrigen Arten. Sie sind die Bewohner der wüstesten Gegenden und der eigentlichen Wüste selbst; sie gewahrt man noch inmitten der glühenden Oede, wo alles Leben erstorben zu sein scheint.

Unser Steinschmätzer, auf welchen ich meine Schilderung beschränken darf, ist ein höchst beweglicher, munterer, gewandter, unruhiger, flüchtiger, ungeselliger und vorsichtiger, ja fast menschenscheuer Vogel. Er liebt allein zu wohnen und lebt mit keinem anderen Vogel in engerem Vereine. Nur auf dem Zuge und noch mehr in der Winterherberge vereinigt er sich mit anderen Arten seiner Sippe oder Familie; aber niemals geht er mit ihnen einen Freundschaftsbund ein. Es kommt vor, daß zwei Pärchen nahe bei einander hausen und brüten; sie aber liegen dann fortwährend in Hader und Streit. Wer beobachtet, muß den Steinschmätzer bald bemerken. Er wählt sich stets den höchsten Punkt seines Wohnkreises zum Ruhesitze, ist aber kaum eine Minute lang wirklich ruhig, sondern bewegt sich fast ununterbrochen. Auf den Felsen sitzt er in aufrechter Haltung, jedoch niemals still; schlägt wenigstens von Zeit zu Zeit mit dem Schwanze nach unten und macht wiederholte Bücklinge, zumal, wenn er etwas auffallendes bemerkt. Die Spanier nennen ihn und andere Arten wegen dieses unnützen Bückens »Sakristan«, und alle machen diesem Namen Ehre. Auf dem Boden hüpft er mit schnellen und kurzen Sprüngen dahin, so rasch, daß er, wie Naumann sagt, nur hinzurollen scheint. Aber im schnellsten Laufe hält er plötzlich an, wenn ein Stein im Wege liegt, gewiß klettert er auf die Erhöhung, bückt sich wiederholt und setzt erst dann seinen Weg fort. Der Flug ist sehr ausgezeichnet. Immer fliegt der Steinschmätzer dicht über dem Boden dahin, auch wenn er kurz vorher auf einer bedeutenden Höhe saß und sich erst in die Tiefe hinabgesenkt hat. Er bewegt die Flügel sehr rasch und steigt in einer fast geraden, aber, genau besehen, kurzbogigen Linie über der Erde fort, gewöhnlich nach einem ziemlich weit entfernten zweiten Sitzpunkte hin, zu dessen Höhe er förmlich emporklettert, indem er, am Fuße angelangt, sich wieder nach oben schwingt. Naumann sagt sehr treffend, daß der so dahinfliegende Vogel, weil man seinen weißen Bürzel am deutlichsten wahrnimmt, an eine vom Wind dahingetragene Gänsefeder erinnere. Nur während der Zeit der Liebe ändert er seine Flugbewegung. Er steigt dann in schiefer Richtung sechs bis zehn Meter in die Luft empor, singt währenddem fortwährend, fällt hierauf mit hoch empor gehobenen Schwingen wieder schief herab und beendet sein Lied, nachdem er unten angekommen. Er lockt »Giuv, giuv« und hängt diesem sanft pfeifenden Laute gewöhnlich, zumal wenn er in Aufregung geräth, ein schnalzendes »Tack« an. Der sonderbare und nicht gerade angenehme Gesang besteht meist auch nur aus wenigen Strophen, in denen vorzüglich der Lockton und krächzende Laute abwechseln. Doch gibt es auch unter Steinschmätzern einzelne Meistersänger, welche ziemlich gute Spottvögel sind, und außerdem sucht jeder durch Eifer zu ersetzen, was ihm an Begabung abgeht: er singt mit wenigen Unterbrechungen vom frühen Morgen bis zum späten Abende, und häufig noch mitten in der Nacht.

Kleine Käfer, Schmetterlinge, Fliegen, Mücken und deren Larven bilden die Nahrung unseres Vogels. Von seinem hohen Standpunkte aus überschaut er sein Gebiet, und sein scharfes Auge nimmt jedes Wesen wahr, welches sich auf dem Boden oder in der Luft bewegt. Laufenden Kerfen jagt er zu Fuße nach, fliegende verfolgt er nach Rothschwanzart bis hoch in die Luft.

Das Nest steht regelmäßig in Felsenritzen oder Steinlöchern, seltener in Holzstößen, unter alten Stämmen, in Erdhöhlen, unter überhängenden Felsen oder selbst in Baumlöchern, stets wohl verborgen und von obenher regelmäßig geschützt. In vielen Gegenden Deutschlands findet er kaum noch geeignete Niststätten, leidet schwer an Wohnungsnoth und nimmt, falls er nicht vorzieht gänzlich auszuwandern, mit jeder Höhlung vorlieb, welche sein Nest aufnehmen kann. Letzteres ist ein wirrer, liederlicher, dickwandiger Bau aus feinen Würzelchen, Grasblättern und Halmen, welcher nach innen mit Thier- oder Pflanzenwolle, Haaren und Federn dicht und weich ausgefüttert wird. Fünf bis sieben dickbäuchige, zartschalige Eier, von sanftbläulicher oder grünlichweißer Färbung und einundzwanzig Millimeter Längs-, funfzehn Millimeter Querdurchmesser, bilden das Gelege; nur ausnahmsweise findet man solche, welche mit bleichen, gelbrothen Punkten gezeichnet sind. Das Weibchen besorgt die Bebrütung fast allein; in die Erziehung der Jungen theilen sich aber beide Geschlechter mit gleichem Eifer. Ihre Sorge um die Brut ist sehr groß. So lange das Weibchen auf den Eiern sitzt, hält das Männchen in geringer Entfernung von dem Neste förmlich Wache und umkreist jeden herannahenden Feind mit ängstlichem Geschrei. Das Weibchen nimmt bei großer Gefahr zu Verstellungskünsten Zuflucht. Gewöhnlich brütet das Paar nur einmal im Jahre, und zwar im Mai. Die ausgeflogenen Jungen verweilen bis zu dem Wegzuge bei den Alten und treten mit diesen gemeinschaftlich ihre Reise an. Sie verschwinden Ende September und kehren im März wieder zurück.

Alt eingefangene Steinschmätzer gewöhnen sich schwer, aus dem Neste gehobene Junge leicht an den Verlust ihrer Freiheit, gewinnen sich aber nur kundige Beobachter zu Freunden.


Wiesenschmätzer ( Pratincola) nennt man kleine, buntfarbige, etwas plump gebaute Mitglieder der Unterfamilie mit verhältnismäßig kurzem und dickem, rundem Schnabel, mittellangen Flügeln, in denen die dritte Schwinge die längste und der vierten fast gleich lang ist, kurzem, schmalfederigem Schwanze und hohen, schlankläufigen Beinen.

 

Das Braunkehlchen oder Kohlvögelchen, Braunellert, Krautlerche etc. ( Pratincola rubetra, Motacilla, Sylvia, Saxicola, Oenanthe und Fruticola rubetra, Bild S. 146), die bei uns zu Lande häufigste Art der Sippe, ist auf der Oberseite schwarzbraun, wegen der breiten rostgrauen Federränder gefleckt, auf der Unterseite rostgelblichweiß, am Kinne und neben dem Vorderhalse, über den Augen und auf der Flügelmitte weiß. Beim Weibchen sind alle Farben unscheinbarer; der Augenbrauenstreif ist gilblich und der lichte Flügelfleck wenig bemerkbar. Die Jungen sind auf der rostfarben und grauschwarz gemischten Oberseite rostgelblich in die Länge gestreift, auf der blaßrothen Unterseite mit rostgelben Flecken und grauschwarzen Spitzenrändern gezeichnet. Das Auge ist dunkelbraun, Schnabel und Füße sind schwarz. Die Länge beträgt vierzehn, die Breite einundzwanzig, die Fittiglänge neun, die Schwanzlänge fünf Centimeter.

 

Das Schwarzkehlchen oder der Schollenhüpfer ( Pratincola rubicola, indica und saturatior, Motacilla, Sylvia und Oenanthe rubicola, Saxicola rubicola, indica und Hemprichii, Bild S. 146) ist etwas größer und schöner gefärbt. Oberseite und Kehle sind schwarz, die unteren Theile rostroth, Bürzel und Unterbauch sowie ein Flügel- und ein Halsseitenfleck reinweiß. Das Weibchen ist oben und an der Kehle grauschwarz, auf der Unterseite rostgelb, jede Feder der Oberseite rostgelb gerandet.

Das Braunkehlchen ist in allen Ebenen Deutschlands und der benachbarten Länder, nach Norden hin bis zum siebenundsechzigsten Grade, sehr häufig, kommt außerdem in Nord- und Südeuropa, auch im westlichen Asien vor und besucht im Winter Afrika und Indien. Bei uns erscheint es erst Ende April und verweilt hier höchstens bis Ende September; in Spanien hingegen sieht man es während des ganzen Jahres; ja, schon Großbritannien verläßt es während des Winters nicht mehr. Das Schwarzkehlchen, im allgemeinen in Deutschland seltener als die verwandte Art und mehr im Westen unseres Vaterlandes heimisch, bewohnt die gemäßigten Länder Europas und Asiens, nach Norden hin bis zur Breite Südschwedens, und wandert im Winter bis nach Innerafrika und Indien.

Wiesen, welche von Bächen durchschnitten werden oder in der Nähe von anderen Gewässern liegen, an freies Feld oder an Waldungen grenzen und mit einzelnen niederen Gebüschen bestanden sind, bilden die beliebtesten Aufenthaltsorte der Wiesenschmätzer. Sie meiden die Oede und finden sich fast ausschließlich im bebauten Lande. Je fruchtbarer eine Gegend ist, um so häufiger trifft man sie an. Während der Brutzeit halten sie fest an den Wiesen, nach ihr wenden sie sich dem Felde zu und treiben sich hier auf demselben, am liebsten auf Kartoffel- oder Krautäckern umher. Da, wo sie vorkommen, wird man sie selten vermissen; denn sie wählen sich stets erhabene Punkte zu ihren Ruheorten und spähen von diesen nach Beute aus.

Es läßt sich nicht verkennen, daß die Wiesenschmätzer langweiliger sind als andere Arten der Familie; immerhin aber gehören sie zu den muntersten, bewegungslustigsten, unruhigsten und hurtigsten Vögeln unseres Vaterlandes. Auf der Erde hüpfen sie schnellen Sprunges dahin, halten auf jeder Erhabenheit an, beugen sich schnell vorwärts und wippen mit dem Schwanze nach unten. Im Fluge beschreiben sie kurze Bogen niedrig über dem Boden weg, wissen sich aber sehr gewandt zu schwenken und zu wenden und sind im Stande, fliegende Kerbthiere aller Art mit Sicherheit aufzunehmen. Uebertages sieht man sie fast immer in Thätigkeit. Sie sitzen auf der Spitze eines niederen Busches oder Baumes, schauen sich hier nach allen Seiten um, stürzen plötzlich auf den Boden herab, nehmen die erspähte Beute auf und kehren zu dem früheren Standorte zurück oder fliegen einem anderen erhabenen Punkte zu. Sie sind nicht gerade gesellig, aber doch verträglicher als andere Arten ihrer Familie, vereinigen sich, wie es scheint, gern mit ihren Sippschaftsverwandten oder auch mit fremdartigen Vögeln und hadern selten. Ihr Lockton ist ein schnalzendes »Tza«, an welches gewöhnlich die Silbe »teck« angehängt wird, so daß das Ganze wie »Tza-« oder »Tjaudeck« klingt. Der hübsche Gesang besteht aus verschiedenen kurzen Strophen voller und reiner Töne, welche in vielfacher Abwechselung vorgetragen und in welche, je nach der Gegend, anderer Vögel Stimmen, so Theile aus den Liedern des Grünlings, Stieglitz, Hänflings, des Finken, der Grasmücke etc., verwebt werden. Die Braunkehlchen singen bis zu Anfang des Juli fleißig, beginnen frühzeitig, schweigen Übertages selten und lassen sich bis in die Nacht hinein hören.

Die Nahrung besteht in Kerbthieren, vorzüglich in Käfern, kleinen Heuschrecken und deren Larven, Raupen, Ameisen, Fliegen, Mücken und dergleichen, welche sie vom Boden absuchen oder im Fluge fangen. Das Nest steht regelmäßig auf den Wiesen im Grase, meist in einer seichten Vertiefung, zuweilen unter einem kleinen Busche, immer außerordentlich verborgen,so daß es überaus schwer fällt, dasselbe zu entdecken. »Sogar die Leute, welche das Gras abmähen«, sagt Naumann, »finden es seltener als die, welche das Heu nachher mit Harken zusammenbringen; ja, ich weiß Fälle, daß es bei alledem von keinem gefunden ward und die Vögel, trotz der vorgegangenen großen Veränderung, ihre Brut glücklich aufbrachten. Es besteht aus einem lockeren Geflechte von trockenen Würzelchen, dürren Stengeln, Grashalmen und Grasblättern mit mehr oder weniger grünem Erdmoose vermischt, im Inneren aus denselben, aber feineren Stoffen und schließlich aus einzelnen Pferdehaaren, welche der Mulde die Vollendung geben.« Fünf bis sieben sehr bauchige, neunzehn Millimeter lange, vierzehn Millimeter dicke, glattschalige, glänzend hellblaugrüne Eier, welche zuweilen am stumpfen Ende fein gelbroth gepunktet sind, bilden das Gelege, welches Ende Mai oder Anfang Juni vollständig ist und in dreizehn bis vierzehn Tagen vom Weibchen allein gezeitigt wird. Beide Eltern füttern die Brut, lieben sie im hohen Grade und gebrauchen allerlei List, um Feinde von ihr abzuwenden. »So lange ein sie beobachtender Mensch in der Nähe ist«, sagt Naumann, »gehen sie nicht zu Neste, ja sie verrathen, wenn sie noch Eier haben, diese nicht einmal durch ängstliche Geberden oder Geschrei. Bei den Jungen findet freilich das Gegentheil statt; doch setzen sie ihre eigene Sicherheit nicht rücksichtslos aufs Spiel.« Ungestört brütet das Paar nur einmal im Jahre.

Viele Feinde, namentlich alle kleineren Raubthiere, Ratten und Mäuse bedrohen die Jungen, unsere kleinen Edelfalken auch die alten Braunkehlchen. Der Mensch verfolgt sie nirgends regelrecht, schützt sie vielmehr hier und da. In der Schweiz ist der Volksglaube verbreitet, daß auf derjenigen Alpe, auf welcher ein Schwarzkehlchen getödtet wird, die Kühe von Stund an rothe Milch geben. Für das Gebauer eignen sie sich nicht; denn sie sind, wenn man sie im Zimmer frei herumfliegen läßt, langweilig und still.

Drosseln (Turdinae)

Die Drosseln (Turdinae), eine zahlreiche, über die ganze Welt verbreitete Unterfamilie bildend, deren Mitglieder in Gestalt und Wesen sich außerordentlich ähneln, gehören zu den großen Singvögeln und sind mehr oder weniger gestreckt gebaut. Ihr Schnabel ist mittellang, fast gerade, längs der Firste des Oberkiefers sanft gebogen und vor der Spitze seicht eingekerbt, der Fuß mittelhoch und schlank, der Flügel zwar nicht besonders lang, aber verhältnismäßig spitzig, die dritte und vierte Schwinge über die anderen verlängert, der Schwanz selten mehr als mittellang und in der Regel gerade abgeschnitten oder seitlich nur wenig abgerundet, das Gefieder endlich sanft und weich, jedoch nicht besonders weitstrahlig, die Färbung desselben sehr verschieden. Bei den meisten Arten sind beide Geschlechter ähnlich gezeichnet; doch kommt auch das umgekehrte nicht selten vor. Die Jungen tragen ein geflecktes Kleid. Unsere heimischen Arten lehren uns die Sitten und Gewohnheiten fast aller echten Drosseln kennen.

 

Unter den in Deutschland brütenden Arten ist die Misteldrossel, Mistler, Mistelziemer, Schnerr, Zarizer, Zehrer, Zierling, Schneekater etc. (Turdus viscivorus, major und arboreus, Sylvia, Merula und Ixocossyphus viscivorus) die größte. Ihre Länge beträgt sechsundzwanzig, die Breite vierundvierzig, die Fittiglänge vierzehn, die Schwanzlänge elf Centimeter. Das Gefieder der Oberseite ist tiefgrau und ungefleckt, das der Kopfseiten rostgelbfahl, mit feinen dunklen, einen vom Mundwinkel herablaufenden Bartstreifen bildenden Schaftflecken besetzt, das der Unterseite rostgelblichweiß, an der Gurgel mit dreieckigen, an der Brust mit ei- oder nierenförmigen braunschwarzen Flecken gezeichnet; die Schwung-, größten Flügeldeck- und Steuerfedern sind schwarzgrau, licht graugilblich gesäumt. Das Auge ist braun, der Schnabel dunkel, der Fuß licht hornfarben. Das Weibchen unterscheidet sich nur durch etwas geringere Größe von dem Männchen. Die Jungen zeigen auf der Unterseite gelbe Längs- und schwärzliche Spitzenflecke auf den Federn, und die Deckfedern ihrer Flügel sind gelb gekantet.

Alle Länder Europas vom hohen Norden an bis zum äußersten Süden und der Himalaya sind die Heimat, hochstämmige Waldungen verschiedener Art, namentlich aber Schwarzwald, der Aufenthalt der Misteldrossel. Aus den hochnordischen Gegenden wandert sie in südlichere und westlichere herab, und dringt dabei bis Nordwestafrika vor.

 

Ihr nicht unähnlich, aber bedeutend kleiner, ist der Liebling aller Gebirgsbewohner, die Singdrossel oder Zippe, auch wohl Weiß-, Sommer-, Krag-, Berg- und Zierdrossel (Turdus musicus, minor und philomelos, Sylvia und Merula musica, Iliacus musicus). Ihre Länge beträgt zweiundzwanzig, die Breite vierunddreißig, die Fittiglänge elf, die Schwanzlänge acht Centimeter. Das Gefieder ist oben ölgrau, unten gelblichweiß mit dreieckigen oder eiförmigen braunen Flecken, welche jedoch auf dem Bauche spärlicher auftreten als bei der Misteldrossel. Auch sind bei jener die Unterflügeldeckfedern blaß rostgelb, bei dieser dagegen weiß und die Oberflügeldeckfedern durch schmutzig rostgelbe Spitzenflecke gezeichnet. Die Geschlechter unterscheiden sich nur durch die Größe; das Gefieder der Jungen zeigt auf der Oberseite gelbliche Längs- und braune Spitzenflecke.

Die Singdrossel bewohnt den größten Theil Europas sowie Nord- und Mittelasien und erscheint gelegentlich ihrer Wanderung häufig in Nordwest-, seltener in Nordostafrika. In Deutschland brütet sie in allen größeren Waldungen.

siehe Bildunterschrift

Deutsche Drosseln. (Sing-, Mistel-, Wacholder- und Schwarzdrossel oder Amsel.)

Die Rothdrossel, Wein-, Winter-, Berg-, Heide-, Blut- und Buntdrossel, Rothzippe und Rothziemer, Weißlich, Winesel, Gererle, Bitter, Böhmle und Bäuerling (Turdus iliacus, betularum, vinetorum und gracilis, Sylvia iliaca, Iliacus ilias und minor), ist oberseits olivenerdbraun, unterseits weißlich, an den Brustseiten hochrostroth, am Halse gelblich, überall mit dunkelbraunen, dreieckigen und runden Längsflecken gezeichnet. Das Weibchen ist blasser als das Männchen.

siehe Bildunterschrift

Ring- und Singdrossel (Turdus torquatus und musicus). ½ natürl. Größe.

Bei den Jungen ist der grünlichbraune Oberkörper gelb gefleckt, und die Unterflügeldeckfedern sind rostroth. Das Auge ist kaffeebraun, der Schnabel schwarz, am Grunde des Unterschnabels horngelb, der Fuß röthlich. Die Länge beträgt zweiundzwanzig, die Breite fünfunddreißig, die Fittiglänge elf, die Schwanzlänge acht Centimeter.

Regelmäßiger Brutvogel im hohen Norden Europas und ebenso im nördlichen und östlichen Asien sowie im nordwestlichen Himalaya, nistet die Rothdrossel ausnahmsweise auch in südlicheren Breiten. Gewöhnlich erscheint sie mit dem Krammetsvogel bei uns zu Lande und wandert bis Nordafrika, obwohl die große Mehrzahl bereits im Süden Europas für die Winterzeit Herberge nimmt.

Die Wacholderdrossel oder der Krammetsvogel, Ziemer und Schacker ( Turdus pilaris, subpilaris, juniperorum und fuscilateralis, Sylvia, Merula, Arceuthornis und Planesticus pilaris) ist bunt gefärbt. Kopf, Hinterhals und Bürzel sind aschgrau, Oberrücken und Schultergegend schmutzig kastanienbraun, Schwingen und Schwanzfedern schwarz, die Flügeldeckfedern außen und an der Spitze aschgrau, die beiden äußersten Steuerfedern weiß gesäumt, Kehle und Vorderhals dunkelrostgelb, schwarz längsgefleckt, die braunen Federn der Brustseiten weißlich gerandet, die übrigen Untertheile weiß. Das Auge ist braun, der Schnabel gelb, der Fuß dunkelbraun. Das Weibchen ist etwas blasser als das Männchen. Die Länge beträgt sechsundzwanzig, die Breite dreiundvierzig, die Fittiglänge vierzehn, die Schwanzlänge zehn Centimeter.

Ursprünglich im Norden Europas und Asiens heimisch und hauptsächlich in Birkenwaldungen brütend, hat sich die Wacholderdrossel seit etwa achtzig Jahren in Deutschland angesiedelt und nistet hier in Wäldern und Obstpflanzungen aller Art, selbst in Gärten, bleibt oft auch im Winter in der Heimat und wandert höchstens bis Nordafrika, Palästina und Kaschmir hinab.

 

Auf Hochgebirgen lebt die Ringdrossel oder Ringamsel, Schild-, Rost- und Schneedrossel, Dianen-, Erd-, Strauch-, Berg-, Meer- und Seeamsel, Stock- und Stabziemer ( Turdus torquatus, Merula torquata, montana, collaris, alpestris, maculuta und vociferans, Sylvia torquata, Copsichus torquatus, Bild S. 151). Ihre Länge beträgt sechsundzwanzig, die Breite zweiundvierzig, die Fittiglänge vierzehn, die Schwanzlänge elf Centimeter. Das Gefieder des Männchens ist, bis auf ein breites, halbmondförmiges, weißes Brustband, auf mattschwarzem Grunde mit lichten halbmondförmigen Flecken gezeichnet, welche durch die Federränder gebildet werden; die Schwingen und Flügeldeckfedern sind graulich überlaufen und bräunlichgrau gesäumt, die Schwanzfedern einfarbig rußschwarz, die beiden äußersten durch ein schmales, feines, weißgraues Säumchen geziert. Das Weibchen ist düsterfarbiger, infolge der breiteren Federsäume mehr graulich, das Brustband auch nur angedeutet und nicht weiß, sondern schmutzig grau. Das Jugendkleid erinnert an die Tracht der Wacholderdrossel, ist aber dunkler, wie verräuchert; die Federn der Oberseite sind tiefbraun, lichter gerandet und theilweise mit weißlich rostgelben Schaftflecken geziert, Kehle und Gurgel licht rostgelb, seitlich dunkler in die Länge gefleckt, die Brust auf rostfarbenem Grunde mit runden, die übrigen Untertheile auf licht graugelbem Grunde mit halbmondförmigen Flecken besetzt. Das Auge ist braun, der Schnabel schwarz, der Unterkiefer am Grunde aber rothgelb, der Fuß schwarzbraun.

Die Ringamsel ist nur Gebirgsvogel und findet sich deshalb am häufigsten in unseren Hochgebirgen, seltener schon im Mittelgebirge. In Skandinavien ist sie ebenso gemein wie in der Schweiz, auf den Baierischen Alpen, Vogesen, dem Schwarzwalde und dem Riesengebirge nicht selten, auf den Oesterreichischen und Siebenbürgischen Alpen, den Karpathen, dem Kaukasus und Ural, den Pyrenäen und der Sierra Nevada ebenfalls Brutvogel. Auf ihrem Zuge durchstreift sie alle von Skandinavien südlich gelegenen Länder Europas und dehnt ihre Reise bis zum Atlas aus.

 

Die Amsel oder Schwarzdrossel, Schwarz-, Stock- und Kohlamsel, Merle, Amselmerle und Lyster ( Turdus merula, Sylvia merula, Merula vulgaris, pinetorum, truncorum, alticeps, major und carniolica) endlich unterscheidet sich von ihren Verwandten, wenn auch nicht gerade augenfällig, durch ihre verhältnismäßig kurzen, stumpfen Flügel, in denen die dritte, vierte und fünfte Schwinge fast gleichlang und die längsten sind, sowie den verhältnismäßig langen, an der Spitze etwas abgerundeten Schwanz, gilt deshalb wohl auch als Vertreter einer besonderen Sippe oder Untersippe ( Merula). Das Gefieder des alten Männchens ist gleichmäßig schwarz, das Auge braun, der Augenliderrand hochgelb, der Schnabel orangegelb, der Fuß dunkelbraun. Beim alten Weibchen ist die Oberseite mattschwarz, die Unterseite auf schwarzgrauem Grunde durch lichtgraue Saumflecke gezeichnet; Kehle und Oberbrust sind auf gleichfarbigem Grunde weißlich und rostfarben gefleckt. Das Jugendkleid zeigt oben auf schwarzbraunem Grunde rostgelbe Schaft-, unten auf rostfarbigem Grunde bräunliche Querflecke. Die Länge beträgt funfzehn, die Breite fünfunddreißig, die Fittiglänge elf, die Schwanzlänge zwölf Centimeter.

Vom sechsundsechzigsten Grade nördlicher Breite an bis zum äußersten Süden Europas ist die Amsel an allen geeigneten Orten eine regelmäßige Erscheinung, lebt außerdem aber auch in Westasien und Nordwestafrika. Sie bevorzugt feuchte Waldungen oder größere Baumgehege überhaupt, welche viel Unterholz haben, und verweilt, wo sie irgendwie auszuhalten vermag, jahraus, jahrein an derselben Stelle. Nur einzelne der im hohen Norden groß gewordenen Amseln treten eine Wanderung an, viele aber überwintern schon im südlichen Schweden.

 

Neben den genannten Arten nun, welche wir als die deutschen bezeichnen können, haben sich in unserem Vaterlande nicht bloß sibirische und nordamerikanische, sondern auch indische und japanische Drosseln gezeigt. Von Sibirien her sind bei uns erschienen: Die Schwarzkehldrossel ( Turdus atrogularis), die Rostflügeldrossel ( T. fuscatus), die Hügeldrossel ( T. Naumanni), die Rothhalsdrossel ( T. ruficollis), die Blaßdrossel ( T. pallens) und die Wechseldrossel ( T. sibiricus); von den in Nordamerika heimischen Arten besuchten uns: die Wanderdrossel ( T. migratorius), die Einsiedlerdrossel ( T. Pallasii) und die Sängerdrossel ( T. Swainsoni); aus Südasien kamen: die Bergdrossel ( T. dauma) und endlich die Weichfederdrossel ( T. mollissimus). Weitere Angaben über alle diese Arten würden den mir zugemessenen Raum überschreiten. Wer sich genauer zu unterrichten wünscht, findet ihre Beschreibungen in meinen »Gefangenen Vögeln«.

Die Drosseln sind Weltbürger und leben in den verschiedenen Ländern auch unter verschiedenen Verhältnissen, vorzugsweise jedoch immer und überall im Walde. Weniger wählerisch als die Erdsänger, herbergen sie in jedem Bestande; denn nicht bloß der reiche Wald der Auen oder der Urwald unter den Wendekreisen, sondern auch der Schwarzwald oder der dünn bestandene Buschwald der Steppe weiß sie zu fesseln; ja, noch über der Grenze des Holzwuchses, unmittelbar unter und zwischen den Gletschern finden sie Wohnplätze, welche ihren Ansprüchen genügen. Allerdings verweilen nur die wenigsten Arten jahraus, jahrein an derselben Stelle; die Mehrzahl zeigt eine Wanderlust wie wenig andere Vögel. Diejenigen, welche als selten gesehene Gäste bei uns erschienen, durchzogen fast die Hälfte des Umfangs unserer Erdoberfläche. Sie kamen vom fernsten Osten Sibiriens, aus Kamtschatka zu uns, überflogen sogar das Behringsmeer, durchpilgerten ganz Asien und gelangten so nach Europa. »Von manchen«, sagt Naumann, »schienen selbst Pärchen oder wenigstens mehrere zugleich zu uns gekommen zu sein und später die weite Rückreise zu scheuen. Sie leisteten bei inzwischen vorgerückter Jahreszeit selbst dem in ihnen rege gewordenen Fortpflanzungstrieb Genüge, brüteten und erzogen in dem für sie fremden Erdstriche ihre Jungen. Wir staunen, wenn wir bedenken, welche unermeßlichen Räume sie wahrscheinlich durchflogen, und in welch kurzer Zeit sie eine so große Reise zurückgelegt haben müssen, da sie während derselben doch nicht ununterbrochen in einem Striche vorwärts, einem gesteckten Ziele geradezu entgegenfliegen konnten, örtlicher Hindernisse halber vielmehr öfter zu Umwegen verleitet wurden, sich mitunter Ruhe zur Erholung gönnen und besonders auch auf das Aufsuchen und Zusichnehmen der nothdürftigsten Nahrungsmittel Zeit verwenden mußten.« Welches eigentlich die Ursache sein möge, die jene Fremdlinge zu derartigen Reisen treibt, ist mit Sicherheit nicht zu sagen; doch hat Naumann gewiß nicht unrecht, wenn er annimmt, daß die Geselligkeit, welcher fast alle Drosseln zugethan sind, und die Nahrung sie oft verleiten mag, von dem gewöhnlichen Wege abzuweichen, ganz abgesehen von schlimmem Reisewetter, ungünstigen Winden, Stürmen und ähnlichen Widerwärtigkeiten, welche die Zuggesellschaften trennen und einzelne in unbekannte Fernen verschlagen.

Alle Drosseln sind hochbegabt, bewegungsfähig, gewandt, feinsinnig, klug, gesangeskundig, munter und unruhig, gesellig, aber keineswegs auch friedfertig. Sie haben viele gute Eigenschaften, aber auch manche, welche wir als schlechte bezeichnen. Vom frühen Morgen an bis zum späten Abend sieht man sie in fast ununterbrochener Bewegung; nur die Glut des Mittags lähmt einigermaßen ihre Thätigkeit. In ihren Bewegungen erinnern sie vielfach an die Erdsänger. Auf dem Boden hüpfen sie absatzweise mit großen Sprüngen gewandt umher; bemerken sie etwas auffallendes, so schnellen sie den Schwanz wie die Erdsänger nach oben und zucken gleichzeitig mit den Flügeln nach unten. Im Gezweige hüpfen sie rasch und geschickt; größere Entfernungen überspringen sie, indem sie die Flügel zu Hülfe nehmen. Der Flug ist vortrefflich. Die meisten Arten flattern, wenn sie aufgescheucht werden, in anscheinend täppischer Weise über den Boden dahin, womöglich von einem Busche zum anderen; aber dieselben Vögel streichen, sobald sie sich einmal in eine gewisse Höhe erhoben haben, mit außerordentlicher Schnelligkeit durch die Luft. Unter unseren deutschen Drosseln fliegen die Sing-, die Roth- und die Ringdrossel am besten, die Misteldrossel und die Amsel, ihren kurzen Flügeln entsprechend, am schlechtesten. Bei der Misteldrossel ist der Flug scheinbar schwerfällig und schief; aber auch sie durchmißt rasch weitere Entfernungen, wogegen die Amsel in langen Absätzen gleichsam über den Boden dahinschießt und die Flügel dabei weniger bewegt, dafür aber jähe Windungen äußerst gewandt ausführt.

Die Sinne sind gleichmäßig entwickelt. Drosseln nehmen selbst das kleinste Kerbthier auf weite Entfernungen wahr und erkennen, wenn sie in hoher Luft dahinziehen, die Gegenstände tief unter ihnen auf das genaueste; sie vernehmen nicht nur sehr scharf, sondern unterscheiden auch genau, wie schon aus ihrem Gesange hervorgeht; sie beweisen endlich durch ihre Leckerhaftigkeit feinen Geschmack. Ueber die übrigen Sinne haben wir kein Urtheil. Ihre geistigen Fähigkeiten wird niemand unterschätzen, welcher sie kennt. Sie sind nicht allein klug, sondern auch listig, nicht bloß scheu, sondern berechnend vorsichtig, dreist und gleichwohl mißtrauisch; sie erfassen schnell und urtheilen sehr richtig, benutzen auch alle Mittel und Wege, um sich zu sichern. Im Walde werden sie zu Warnern, auf welche nicht bloß andere ihrer Sippschaft, sondern auch fremdartige Vögel, ja sogar Säugethiere, achten. Alles auffallende, ungewohnte, neue erregt ihre Aufmerksamkeit. Sie kommen mit ausgesprochener Neugier herbei, um einen Gegenstand, welcher sie reizt, genauer ins Auge zu fassen, geben sich aber auch dann nicht rücksichtslos preis, sondern halten sich stets in wohlgemessener Entfernung. Die in den stillen, menschenleeren Wäldern des Nordens groß gewordenen Arten lassen sich leicht berücken, durch zur Schau gehängte Nahrung bethören oder durch andere ihrer Art in versteckte Fallen locken; Erfahrung aber witzigt sie sehr bald, und diejenigen, welche einmal betrogen worden sind, lassen sich auf dieselbe Weise so leicht nicht wieder täuschen. Geselligkeit scheint den meisten Arten Bedürfnis zu sein. Sie sind, wie schon bemerkt, keineswegs friedfertig, gerathen vielmehr recht häufig in Streit; aber sie können, wie man zu sagen pflegt, nicht von einander lassen, und der Lockruf, welchen eine von ihnen ausstößt, wird von anderen selten gehört, ohne befolgt zu werden. Sie vereinigen sich nicht bloß mit anderen derselben Art, sondern mit allen Drosseln überhaupt, und es kann geschehen, daß verschiedene lange Zeit zusammenbleiben, gemeinschaftlich reisen und gemeinschaftlich den Winter in der Fremde verleben. Im Nothfalle mischen sie sich auch unter andere Vögel, ohne sich jedoch auf besonders freundschaftlichen Fuß mit ihnen zu stellen, und deshalb darf man die Warnungen, welche sie derartigen Genossen zukommen lassen, wohl kaum als freundschaftlich gemeinte ansehen. Dem Menschen trauen sie nie vollständig; aber sie unterscheiden recht wohl zwischen gefährlichen und ungefährlichen Leuten. Gewaltsam in Gefangenschaft gebracht, geberden sie sich anfänglich äußerst ungestüm; bald aber erkennen sie in dem, welcher sie freundlich behandelt, einen Freund, und schließen sich ihm innig an.

Stimme und Gesang der Drosseln ähneln sich und sind doch auch wieder sehr verschieden. Die Lockstimme der Misteldrossel klingt wie »Schnerr«, dem Laute ähnlich, welchen man hervorbringen kann, wenn man mit einem Stäbchen über die Zähne eines Kammes streicht. Im Eifer wird das »Schnerr« durch ein dazwischen geschobenes »Ra ta ta« verstärkt. Der Angstruf ist ein unbeschreibliches Geschrill, wie es überhaupt die meisten Drosseln unter denselben Umständen hören lassen. Die Lockstimme der Singdrossel ist ein heiser pfeifendes, nicht weit hörbares »Zip«, an welches häufig die Silbe »tack« oder »töck« angehängt wird. Bei besonderer Erregung klingt der verlängerte Lockruf wie »Styx styx styx«. Die Lockstimme der Wacholderdrossel ist ein schnell und scharf hervorgestoßenes »Tschack tschack tschack«, dem ein helles »Gri gri« angehängt wird, wenn sie andere einladen will. Der Lockruf der Rothdrossel ist ein hohes »Zi« und darauf folgendes tiefes »Gack«, der Angstruf ein schnarrendes »Scherr« oder »Tscherr«. Die Ringdrossel lockt: »Töck töck töck« und dazwischen tief betont »tack«, schnarrt aber auch nach anderer Verwandten Art. Die Amsel endlich ruft trillernd »Sri«und »Tränk«, beim Anblick von etwas verdächtigem aber schallend und gellend »Dix, dix«, worauf, falls Flucht nöthig wird, ein hastiges »Gri, gich, gich« folgt. Alle diese Laute, welche selbstverständlich nur höchst unvollkommen ausgedrückt werden können, ändern, je nach den Umständen, vielfach ab. Sie sind übrigens allen Drosseln verständlich; denn eine Art hört auf den Lockruf der anderen, und namentlich der Warnungsruf wird von allen wohl beachtet. Die Gesänge gehören zu den besten aller Singvögel überhaupt. Unserer Singdrossel gebührt die Krone; ihr fast ebenbürtig ist die Amsel; auf sie folgen die Mistel- und Wacholderdrossel. Mit Stolz nennt der Norweger die Singdrossel »Nachtigall des Nordens« und der Dichter Welcker, in Anerkennung ihrer köstlichen Lieder, »Waldnachtigall«. Ihr Gesang ist ein inhaltreiches, wohl- und weittönendes Lied. Mit den flötenden Lauten wechseln allerdings auch schrillende, minder laute und nicht sehr angenehme Töne ab; aber die Anmuth des ganzen wird trotzdem kaum beeinträchtigt. Der Amselgesang steht dem der Singdrossel kaum nach, besitzt mehrere Strophen von ausgezeichneter Schönheit, klingt aber nicht so fröhlich, sondern feierlicher oder trauriger als der ihrer begabten Verwandten. Das Lied der Misteldrossel besteht aus wenigen, höchstens aus fünf bis sechs Strophen, welche unter sich nicht sehr verschieden, aber fast ausnahmslos aus vollen flötenden Tönen zusammengesetzt sind, weshalb auch dieser Gesang als vorzüglich gelten darf. Dasselbe gilt von der Rothdrossel, dasselbe von der Ringdrossel. »Ihr Gesang, welchem freilich der reiche Schmelz des Nachtigallenschlages fehlt«, sagt Tschudi, »schallt in jubelnden Chören hundertstimmig von allen Hochwäldern her und bringt unaussprechlich fröhliches Leben in den stillen Ernst der großen Gebirgslandschaften.« Bezeichnend für die Drosseln ist die Art und Weise ihres Vortrages. Es verdient hervorgehoben zu werden, daß der Gesang im Widerspruche mit dem Betragen zu stehen scheint. Viele Vögel begleiten ihre Lieder mit lebhaften Bewegungen: die Drosseln sitzen still, während sie singen, und ihre Lieder selbst fließen ruhig, feierlich dahin wie Kirchengesang. Jede einzelne Strophe ist klar abgerundet, jeder Ton in sich abgeschlossen, der Drosselschlag daher mehr für den Wald als für das Zimmer geeignet. Die Amsel, welche bei uns verweilt, beginnt bereits im Februar, wenn Schnee und Eis noch die Herrschaft im Walde führen, mit ihrem Liede; die zu derselben Zeit in der Fremde weilende Singdrossel gedenkt ihrer Heimat und scheint sie singend begrüßen zu wollen. Wie bei den meisten guten Sängern, eifern sich die Männchen gegenseitig an. Wenn eine Drossel ihren Gesang beginnt, beeilt sich jede andere, welche sie hört, singend ihr zu antworten. Eine lernt auch von der anderen: gute Sänger erziehen treffliche Schüler, Stümper verderben ganze Geschlechter. Zumal die Amsel nimmt leicht von anderen ihrer Art, selbst von fremdartigen Vögeln an und wird zuweilen zum wirklichen Spottvogel. Es scheint, als ob jede Drossel singend eine gewisse Eitelkeit bekunden wolle; denn so versteckt sie sich für gewöhnlich zu halten pflegt, so frei zeigt sie sich, wenn sie ihr Lied beginnt. Sie wählt dann immer eine hohe Baumspitze zu ihrem Sitze und schmettert von da oben herab ihre herrlichen Klänge durch den Wald.

Die Nahrung besteht in Kerbthieren, Schnecken und Würmern, im Herbste und Winter auch in Beeren. Alle Drosseln nehmen erstere größtentheils vom Boden auf und verweilen deshalb hier täglich mehrere Stunden. Vom Walde aus fliegen sie auf Wiesen und Felder, an die Ufer der Flüsse und Bäche und nach anderen Nahrung versprechenden Plätzen. Hier lesen sie auf oder wühlen mit dem Schnabel im abgefallenen Laube herum, um sich neue Vorräthe zu erschließen. Fliegende Kerfe achten sie wenig oder nicht. Beeren scheinen den meisten Arten außerordentlich zu behagen, und die einen lieben diese, die anderen jene Arten. So trägt die Misteldrossel nicht umsonst ihren Namen; denn sie ist förmlich erpicht auf die Mistelbeere, sucht sie überall auf und streitet sich wegen ihr mit anderen ihrer Art auf das heftigste. Schon die Alten behaupteten, daß die Mistel nur durch diese Drossel fortgepflanzt werde, und diese Angabe scheint in der That begründet zu sein. Die Ringdrossel sucht sofort nach der Brutzeit mit ihrer Familie die Heidebüsche auf und frißt dann so viel Heidelbeeren, daß ihr Fleisch infolge dessen blau, ihre Knochen roth und ihre Federn befleckt werden. Daß die Wacholderdrossel ihren Namen nicht umsonst trägt, braucht kaum erwähnt zu werden: sie durchsucht im Winter die Wacholderbüsche auf das eifrigste und frißt so viel von der ihr besonders zusagenden Beere, daß ihr Fleisch infolge dessen einen besonderen Wohlgeschmack erhält. Außerdem verzehren alle Drosseln Erd-, Him-, Brom- und Johannisbeeren, rothe und schwarze Hollunderbeeren, Preisel-, Faulbaum-, Kreuzdorn-, Schlingbaum-, Ebereschbeeren, Kirschen, Weinbeeren etc.

Bald nach ihrer Ankunft in der Heimat schreiten die Drosseln zur Fortpflanzung, die im Norden wohnenden allerdings selten vor dem Anfange des Juni. Mehrere Arten, namentlich Wacholder- und Ringdrossel, behalten auch am Brutplatze ihre Geselligkeit bei, andere sondern sich während der Fortpflanzungszeit von ihresgleichen ab und bewachen eifersüchtig das erworbene Gebiet. Der Standort der Nester ist verschieden, je nach Art und Aufenthalt unserer Vögel; die Nester selbst aber sind sich im wesentlichen ähnlich. Die Misteldrossel baut schon im März, gewöhnlich auf einem Nadelbaume und meist in einer Höhe von zehn bis fünfzehn Meter über dem Boden. Der Bau besteht aus zarten, dürren Reisern, Stengeln, Flechten, Baum- und Erdmoos, mit noch anhängender Erde, aus zarten Wurzeln oder feinen Zweigen und dergleichen; das Innere ist mit trockenen Grasblättern, Hälmchen und Rispen glatt und nett ausgelegt. Das Gelege enthält vier bis fünf verhältnismäßig kleine, dreißig Millimeter lange, zweiundzwanzig Millimeter dicke, glattschalige Eier, welche auf blaß meergrünem Grunde mit gröberen oder feineren violettgrauen Punkten gezeichnet sind. In nicht ganz ungünstigen Jahren brütet das Paar zweimal im Laufe des Sommers. Das Nest der Singdrossel steht in der Regel niedriger, meist auf schwachen Bäumchen oder in Büschen, ist äußerlich aus ähnlichen Stoffen zusammengebaut, aber zierlicher, dünnwandiger und innen mit klar gebissenem, faulem Holze, welches mit dem Speichel zusammengeklebt, mit dem Schnabel durchknetet und sehr glatt gestrichen wird, glatt und fest ausgelegt. Anfang April liegen vier bis sechs siebenundzwanzig Millimeter lange, achtzehn Millimeter dicke, glattschalige und glänzende, auf meergrünem Grunde mit feinen oder größeren Flecken von schwarzer oder schwarzbrauner Farbe gezeichnete Eier im Neste. Im Vorsommer findet eine zweite Brut statt. Die Wacholderdrossel nistet, wie bereits oben bemerkt, seit fast einem Jahrhunderte regelmäßig auch in Deutschland; ihre eigentlichen Brutplätze aber sind die Birkenwaldungen des Nordens. Hier sieht man beinahe auf jedem Stamme ein Nest stehen. Einzelne Bäume tragen nach eigenen Beobachtungen deren fünf bis zehn, von denen jedoch in den meisten Fällen zur Zeit nur ein einziges benutzt wird, woraus hervorgeht, daß ein und derselbe Waldestheil alljährlich zum Brüten wieder aufgesucht wird. Betritt man ihn, während die Vögel Eier oder Junge haben, so herrscht hier überaus reges Leben. Der ganze Wald hallt wieder von dem Gesange und dem ängstlichen Geschreie unserer Vögel; denn die Anzahl der brütenden Pärchen läßt sich nur nach Hunderten abschätzen. Die Nester stehen selten tiefer als zwei Meter über dem Boden, gewöhnlich näher dem Wipfel der übrigens immer niedrigen und buschartigen Birken. Jedes einzelne Pärchen behauptet ein eigenes Gebiet; der Umfang desselben ist aber so gering, daß man sagen darf, jeder passende Baum sei Mittelpunkt eines solchen. Das Nest, ein Napf von ziemlicher Größe, welches aus einigen Reisern, groben Halmen und Gräsern besteht und innen mit zarteren Gräsern ausgefüllt ist, wird auf dem mit einer dicken Schicht Erde vermischten Unterbaue errichtet. Die fünf bis sechs Eier des Geleges sind sechsundzwanzig Millimeter lang und zwanzig Millimeter dick, auf matt- oder lebhaftgrünem Grunde mit größeren und verwaschenen oder schärfer gezeichneten kleineren Flecken und Punkten von rothbrauner Farbe, am dickeren Ende gewöhnlich dichter als übrigens, zuweilen kranzartig gezeichnet. An den in Deutschland brütenden Wacholderdrosseln beobachten wir, daß auch sie sich in kleinen Gesellschaften halten. Die Rothdrossel brütet ungefähr in denselben Gegenden wie die letztgenannte, scheint aber sumpfige Wälder zu bevorzugen. In Deutschland ist sie ebenfalls, jedoch sehr selten als Brutvogel gefunden worden. Die Nester stehen niedrig über dem Boden, ähneln denen der Singdrossel und sind innen wie jene mit zerbissenem Holze, Erde und Lehm überkleistert. Die Eier gleichen denen der Singdrosseln bis auf die etwas geringere Größe. Die Ringdrossel baut da, wo sie während des Sommers lebt, in Mitteleuropa nur im Hochgebirge und nicht unter tausend Meter über dem Meere, in Skandinavien hingegen an allen geeigneten Plätzen, von der Meeresküste an bis zu einer unbedingten Höhe von etwa anderthalbtausend Meter aufwärts. Im Riesengebirge oder in der Schweiz wählt sie sich zu ihren Brutplätzen die kümmerlichen Baumgruppen, welche man nur im beschränkten Sinne Wälder nennen kann, oder diejenigen Stellen, wo Knieholz und Halden abwechseln. Gloger und ich fanden im Riesengebirge die Nester noch in einer Höhe von fast fünfzehnhundert Meter über dem Meere, auf verkrüppelten Fichten und im Knieholze, nicht höher als drei, gewöhnlich einen bis zwei Meter über dem Boden, und zwar in der Nähe bewohnter »Bauden« ebensowohl wie fernab vom Getreibe der Menschen. Jedes Pärchen bewohnt hier ein kleines Gebiet und lebt in Frieden mit benachbarten Pärchen. Die Nester werden zwischen den auf den Zweigen wachsenden Flechten gleichsam festgekittet und etwa vorhandene dürre Rüthchen der Zweige selbst theilweise mit verarbeitet. Grobe Pflanzenstengel, feine Reiserchen, Grasstoppeln, dürre Halme und grünes Moos, welche Stoffe im Inneren mit Moorerde oder Kuhdünger durchknetet und auf diese Art sehr fest verbunden sind, bilden die Grundlage; die Mulde wird mit feinen Grashalmen und Stengeln dick ausgelegt. Vier, höchstens fünf Eier, welche denen der Amsel ebenso ähneln wie denen der Wacholderdrossel, also auf blaßgrünem Grunde mit vielen feinen Punkten, Flecken und Strichelchen von violettgrauer oder rostbrauner Farbe gezeichnet sind, bilden das im Mai vollzählige Gelege. In Mitteleuropa scheinen wenigstens die alten Paare zweimal im Jahre zu brüten, in Skandinavien ist dies höchst wahrscheinlich nicht der Fall; mindestens fand ich bereits im Juni die Alten in einem so gänzlich abgetragenen Kleide und theilweise sogar bereits in der Mauser, daß an ein nochmaliges Brüten schwerlich gedacht werden konnte. Die Amsel endlich nistet in den Dickichten, am liebsten auf jungen Nadelbäumen und immer niedrig über dem Boden, zuweilen selbst auf ihm. Das Nest ist nach dem Standorte verschieden. Wenn es in Baumlöcher mit großer Oeffnung gebaut wird, wie es wohl auch vorkommt, ist es nur ein Gewebe von Erdmoos und dürren Halmen; wenn es freisteht, bilden feine Würzelchen, Stengel und Gras die Außenwände, eine Schicht fettiger feuchter Erde, welche sehr geglättet ist, aber immer feucht bleibt, das Innere. Bei sehr günstigem Wetter findet man bereits um die Mitte des März, sonst gegen das Ende des Monats, die vier bis sechs, auf blaß blaugrünem Grunde mit hellzimmet- oder rostfarbigen Flecken, Schmitzen und Punkten über und über bedeckten, verhältnismäßig großen Eier. Das zweite Gelege pflegt Anfang Mai vollzählig zu sein. Nach mir gewordenen Mittheilungen guter Beobachter brütet das Paar in manchen Jahren sogar dreimal. Das Weibchen wird nur in den Mittagsstunden vom Männchen abgelöst; beide Eltern aber lieben ihre Brut auf das zärtlichste und geberden sich überaus ängstlich, wenn ein Feind dem Neste naht. Von der Wacholderdrossel ist behauptet worden, daß sie herannahende Feinde durch Auswerfen ihres Kothes zu vertreiben suche; ich darf versichern, daß ich von dieser Vertheidigungsart nichts in Erfahrung gebracht habe, obgleich ich zugestehen will, daß ich von den Hunderten, welche, durch mich aufgescheucht, schreiend über den Nestern hin- und herflogen, wohl in entsprechender Weise besudelt worden bin. Dagegen greifen die Drosseln nahende Feinde nicht selten förmlich an, indem sie auf sie herabstoßen, dicht an ihnen vorüberfliegen und sie auf diese Weise zu schrecken suchen. Fruchtet Muth nicht, so nehmen sie zur List ihre Zuflucht, stellen sich krank und lahm und flattern und hüpfen, scheinbar mit der größten Anstrengung, auf dem Boden dahin, locken den Räuber, welcher sich bethören läßt, dadurch wirklich vom Neste ab, führen ihn weiter und weiter und kehren dann frohlockend zu den Jungen zurück. Nach vierzehn- bis sechzehntägiger eifriger Bebrütung sind die Eier gezeitigt und schon drei Wochen später die Jungen, welche vorzugsweise mit Kerbthieren aufgefüttert und reichlich versorgt werden, flugfähig. Wenige Wochen nach dem Ausfliegen beginnt bei ihnen die Mauser, und wenn die Winterreise herannaht, tragen sie bereits das zweite Kleid.

Mit Ausnahme der Amsel verlassen alle unsere Drosseln im Herbste die Heimat, und wandern in südlichere Gegenden. Für die hochnordischen Arten kann schon Deutschland zur Winterherberge werden; das eigentliche Heer zieht bis Südeuropa. Hier wimmelt es während der Wintermonate aller Orten von Drosseln. Auf den sonnigen Gehängen der Hochgebirge Südspaniens siedeln sich, jetzt zu mehr oder minder zahlreichen Flügen vereinigt, Ringamseln an; in Wäldern, Gebüschen und Weingärten treiben sich Sing- und Rothdrosseln zu tausenden umher. Die Misteldrossel sieht man seltener, falls überhaupt diejenigen, denen man in Spanien begegnet, als Zugvögel zu betrachten sind; die Wacholderdrossel gehört unter die seltensten Wintergäste der Iberischen Halbinsel. Das Gleiche gilt für Süditalien und für Griechenland; doch muß ich ausdrücklich hervorheben, daß hier die Ringamsel nur äußerst selten gefunden wird. Alle Drosseln wandern in zahlreichen Gesellschaften, zuweilen in ungeheueren Flügen, welche sich bereits im Norden sammeln, und ziehen in außerordentlicher Höhe, wahrscheinlich nicht viel unter zweitausend Meter unbedingter Höhe dahin. »Im Herbste des Jahres 1852«, erzählt Gadamer, »hörte ich in einem Walde über mir plötzlich ein furchtbares Brausen, welches mit einem scharf heulenden Laute verbunden war. Das Geräusch erschreckte mich, denn ich glaubte, mich unter einem herabfallenden Meteor zu befinden. Bald aber wurde das Räthsel gelöst; denn ich befand mich plötzlich unter mehr als zehntausend Rothdrosseln, welche, aus einer außerordentlichen Höhe herabstürzend, auf allen rings um mich stehenden Bäumen auffielen. Ihr Herabstürzen geschah mit solcher Geschwindigkeit, daß ich die Vögel nicht eher sehen konnte, als bis sie auf die Bäume schlugen.« Genau dasselbe beobachtet Gätke alljährlich auf Helgoland. Im Verlaufe der Reise zertheilen sich derartige Schwärme in kleinere Gesellschaften, aber diese stehen unter sich gewissermaßen im Verbande, so daß unter Umständen mehrere Geviertkilometer von ihnen besetzt sind und jeder größere Busch seinen Bewohner gefunden hat.

»Inter aves turdus, si quis me judice certet,
Inter quadrupedes gloria prima lepus«

singt schon der alte Martial, das vortreffliche Fleisch der Drosseln rühmend. Andere Naturbeobachter des Alterthums versichern, daß dieses Wildpret auch gegen mancherlei Krankheit mit Erfolg gebraucht werden könne, und schildern deshalb genau die Art und Weise seiner Zubereitung. Wir dürfen annehmen, daß die Drosseln bereits vor Zeiten in derselben Weise gefangen wurden, wie jetzt, wenn man auch damals vielleicht noch keine Vogelherde oder Dohnenstiege wie heutzutage anwendete. Gegenwärtig kommen bei uns zu Lande beiderlei Fanganstalten mehr und mehr in Abnahme; in Italien, Spanien und Griechenland dagegen stellt den Drosseln jedermann nach, und die Anzahl derer, welche dort vernichtet werden, ist kaum zu berechnen.

Für die Gefangenschaft eignen sich alle Drosseln; ihr volltönender und kräftiger Gesang ist jedoch für das enge Zimmer fast zu stark, und ihre rege Freßlust hat Uebelstände zur Folge, welche auch durch die sorgfältigste Reinlichkeit nicht gänzlich beseitigt werden können. Einen großen, im Freien errichteten Gesellschaftsbauer beleben sie in höchst ansprechender Weise. Ihre Munterkeit und Regsamkeit wirbt ihnen warme Freunde, und ihr köstlicher Gesang entzückt den Liebhaber schon in den ersten Monaten des Jahres, zu welcher Zeit andere Vögel noch schweigen.


Als die nächsten Verwandten der Drosseln werden die in Amerika ansässigen Spottdrosseln ( Miminae) angesehen. Sie bilden eine wohlumgrenzte Unterfamilie und kennzeichnen sich durch sehr gestreckten Leib, mittellangen Schnabel, welcher dem der Drosseln zwar ähnelt, aber beziehentlich höher und auf der Firste mehr gebogen ist, verhältnismäßig hochläufige und starke Füße mit kräftigen Zehen, aber schwächlichen Nägeln, kurze, stark gerundete Flügel, welche nur wenig über die Wurzel des Schwanzes hinabreichen und in denen die dritte, vierte und fünfte Schwinge gleich lang und die längsten sind, sehr langen, aber nicht breiten Schwanz, dessen acht Mittelfedern fast gleich lang sind, während die beiden äußersten jederseits sich stufig verkürzen, sowie endlich durch ein weicheres und schlafferes Gefieder.


Das berühmteste Mitglied und Urbild der Unterfamilie ist die Spottdrossel ( Mimus polyglottus, Turdus und Orpheus polyglottus). Das Gefieder der Oberseite ist graubraun, in der Zügel- und Ohrgegend etwas dunkler, das der Unterseite fahlbräunlich, auf Kinn und Bauch lichter, fast weiß; Schwingen, Flügeldeck- und Steuerfedern sind dunkelbraun, erstere außen schmal graufahl gesäumt, die fünfte bis achte innen in der Wurzelhälfte, die Decken der Hand- und die Enden der Armschwingen wie auch der großen Deckfedern weiß; von den letzteren ist die äußerste jederseits ganz, die zweite auf der Innenfahne, die dritte am Ende weiß, während die übrigen nur verwaschene hellere Spitzenränder zeigen. Bei dem kaum kleineren Weibchen ist das Weiß an der Innenfahne der Schwingen minder ausgedehnt. Das Auge ist blaßgelb, der Schnabel bräunlichschwarz, der Fuß dunkelbraun. Die Länge beträgt fünfundzwanzig, die Breite fünfunddreißig, die Fittiglänge elf, die Schwanzlänge dreizehn Centimeter.

Die Vereinigten Staaten, vom vierzigsten Grade an südlich bis Mejiko, sind das Vaterland der Spottdrossel; sie ist aber im Süden häufiger als im Norden. Von hier aus wandert sie im Herbste regelmäßig in niedere Breiten; schon in Louisiana aber verweilt sie jahraus, jahrein, wenn auch nicht an demselben Orte, so doch in derselben Gegend. Sie bewohnt Buschwerk aller Art, den lichten Wald wie die Pflanzungen und Gärten, brütet ungescheut in der Nähe des Menschen, dessen Schutz sie genießt, und hält sich namentlich während des Winters in unmittelbarer Nähe der Wohnungen auf. Ihre Lieblingsplätze sind sandige Ebenen an Flußufern oder an der Küste des Meeres, welche mit niederen Bäumen oder Büschen einzeln bestanden sind. Im tieferen Walde kommt sie selten, das heißt höchstens während ihrer Wanderung vor.

Ihre Bewegungen ähneln denen der Drosseln, erinnern oft aber auch an die der Sänger. Sie hüpft auf dem Boden nach Drosselart umher, breitet aber dabei sehr häufig ihren Schwanz aus und legt ihn dann rasch wieder zusammen. Ihr Flug geschieht in kurzen Bogen, wenn sie von einem Busche zum anderen fliegt, und auch dabei wird der Schwanz bald gebreitet, bald zusammengelegt. Auf ihren Wanderungen durchzieht sie weitere Räume, streicht jedoch niemals nach Art unserer Drosseln dahin, sondern fliegt immer nur von einem Baume zum nächsten. Audubon versichert, daß der sonst so menschenfreundliche Vogel in der Fremde anfänglich sehr vorsichtig und scheu wäre und erst, wenn er wieder für längere Zeit Stand genommen habe, zutraulicher werde.

siehe Bildunterschrift

Spottdrossel ( Mimus polyglottus). ½ natürl. Größe.

Nicht der ursprüngliche Gesang, sondern die Nachahmungsgabe der Spottdrossel ist es, welche ihr Berühmtheit verschafft und die amerikanischen Forscher zu begeisterten Beschreibungen veranlaßt hat. Wilson und Audubon stimmen in der Meinung überein, daß die Spottdrossel der König aller Singvögel genannt werden dürfe, und behaupten, daß ihr kein anderer Sänger hinsichtlich der Ausdehnung und Mannigfaltigkeit der Stimme gleichkomme. »Es ist nicht der sanfte Ton der Flöte oder irgend eines anderen Tonwerkzeuges, welches man vernimmt«, sagt Audubon, »es sind die schöneren Laute der Natur selbst. Die Tonfülle des Sanges, die verschiedene Betonung und Abstufung, die Ausdehnung der Stimme, das glänzende des Vortrages sind unerreichbar. Wahrscheinlich gibt es keinen Vogel in der Welt, welcher so viel tonkünstlerische Befähigung besitzt wie dieser von der Natur selbst geschulte König des Gesanges. Mehrere Europäer haben behauptet, daß das Lied der Nachtigall dem des Spottvogels gleichkomme; ich meinestheils habe beide oft gehört, in der Freiheit ebensowohl wie in der Gefangenschaft, und stehe nicht an, zu erklären, daß die einzelnen Töne der Nachtigall ebenso schön sind wie die, welche die Spottdrossel hervorbringt: der Nachtigall Stückwerk aber zu vergleichen mit der vollendeten Begabung des Spottvogels, ist meiner Ansicht nach abgeschmackt.« Wilson geht nicht so weit, und europäische Kenner des Vogelgesanges vollends sind ganz anderer Ansicht. »Ihre große Berühmtheit«, sagt Gerhardt, »hat die Spottdrossel jedensfalls erlangt infolge ihrer Fertigkeit, fremde Gesänge nachzuahmen. Da man in der Neuen Welt äußerst wenig guten Vogelgesang hört, so füllt ein leidlicher schon auf, und dies ist ein Grund mehr, jene so sehr in den Himmel zu heben. Die Sache ist jedenfalls stark übertrieben: ein Kenner der europäischen Vogelgesänge würde ihr weniger dunstigen Weihrauch gestreut haben.« Die Angaben der amerikanischen Forscher über die wunderbare Gabe der Nachahmung bestätigt Gerhardt übrigens in vollem Umfange. »Am neunundzwanzigsten Juni«, erzählt er, »beobachtete ich ein singendes Männchen in unserer Nachbarschaft. Wie gewöhnlich bildete der Lockton und Gesang des amerikanischen Zaunkönigs fast den vierten Theil seines Liedes. Es begann mit dem Gesange des erwähnten Vogels, ging in den Lockruf der Purpurschwalbe über, schrie plötzlich wie ein Sperlingsfalk, flog dann von dem dürren Aste, auf welchem es bisher gesessen hatte, und ahmte während des Fluges den Lockruf der zweifarbigen Meise und der Wanderdrossel nach. Auf einer Umzäunung lief es mit hängenden Flügeln und emporgehobenem Schwanze umher und sang dabei wie ein Fliegenfänger, ein Gilbvogel und eine Tangara, lockte wie die schwarzköpfige Spechtmeise, flog hierauf in ein Brombeergebüsch, zupfte da ein paar Beeren ab und rief sodann wie der Goldspecht und wie die virginische Wachtel, gewahrte eine Katze, welche am Fuße eines Baumstummels herumschlich, stieß sofort mit großem Geschreie nach ihr, schwang sich, nachdem dieselbe die Flucht ergriffen hatte, unter Gesang auf jenen abgebrochenen Ast des Baumes und begann ihr Lied von neuem.« Nach Wilson ist die Stimme des Spottvogels voll und stark und fast jeder Abänderung fähig. »Sie durchläuft von den hellen und weichen Tönen der Walddrossel an alle denkbaren Laute bis zu dem wilden Kreischen des Geiers. Der Spottvogel folgt im Zeitmaße und in der Betonung treu dem Sänger, dessen Lied er stahl, während er letzteres hinsichtlich der Lieblichkeit und Kraft des Ausdruckes gewöhnlich noch überbietet. In den Wäldern seiner Heimat kann kein anderer Vogel mit ihm wetteifern. Seine Lieder sind fast grenzenlos mannigfaltig. Sie bestehen aus kurzen Takten von zwei bis sechs Tönen, welche mit großer Kraft und Geschwindigkeit hervorquellen und zuweilen mit unvermindertem Feuer eine Stunde nach einander ertönen. Oft glaubt der Zuhörer, daß er eine Menge Vögel höre, welche sich zum gemeinschaftlichen Gesange vereinigt hätten. Der eine Sänger täuscht den Jäger und sogar andere Vögel.« Die Lieder wechseln je nach der Oertlichkeit. Im freien Walde ahmt die Spottdrossel die Waldvögel nach, in der Nähe des Menschen webt sie dem Gesange alle diejenigen Klänge ein, welche man nahe dem Gehöfte vernimmt. Dann werden nicht bloß das Krähen des Hahnes, das Gackern der Hennen, das Schnattern der Gänse, das Quäken der Enten, das Miauen der Katze und das Bellen des Hundes, das Grunzen des Schweines nachgeahmt, sondern auch das Kreischen einer Thüre, das Quieken einer Wetterfahne, das Schnarren einer Säge, das Klappern einer Mühle und hundert andere Geräusche mit möglichster Treue wiedergegeben. Zuweilen bringt sie die Hausthiere in förmlichen Aufruhr. Sie pfeift dem schlafenden Hunde so täuschend nach Art des Herrn, daß jener eiligst aufspringt, um den Gebieter zu suchen, bringt Gluckhennen zur Verzweiflung, indem sie das Gekreisch eines geängstigten Küchleins bis zur Vollendung nachahmt, entsetzt das furchtsame Geflügel durch den wiedergegebenen Schrei des Raubvogels und täuscht den verliebten Kater, indem sie die zärtliche Einladung weiblicher Katzen getreulich wiederholt. Gefangene Spottdrosseln verlieren nichts von ihren Begabungen, eignen sich im Gegentheile noch allerlei andere Töne, Klänge und Geräusche an und mischen sie oft in der drolligsten Weise unter ihre wohltönenden Weisen.

Ich habe viele Spottdrosseln gepflegt und gehört, jedoch keine einzige kennen gelernt, deren Lieder, nach meinem Empfinden, den Schlag des Sprossers oder der Nachtigall erreicht hätten. Nach Versicherung ausgezeichneter Kenner gibt es aber in der That einzelne Männchen, welche unerreichbares und unvergleichliches leisten.

Je nach der Oertlichkeit brütet der Spottvogel früher oder später im Jahre. Im Süden der Vereinigten Staaten beginnt er schon im April mit dem Bau seines Nestes, in dem nördlichen Theile seines Heimatskreises selten vor Ausgang des Mai. Hier zeitigt er gewöhnlich nicht mehr als zwei, dort, nach Audubon, in der Regel drei Bruten im Laufe eines Sommers. Das Männchen wirbt nicht bloß durch Lieder, sondern auch durch allerlei anmuthige Bewegungen um die Gunst seines Weibchens, spreizt den Schwanz, läßt die Flügel hängen und schreitet in dieser Weise stolz auf dem Boden oder auf einem Aste dahin, umfliegt, schmetterlingsartig flatternd, die Gattin, tanzt förmlich durch die Luft, sucht überhaupt seinen Gefühlen in jeder Weise Ausdruck zu geben. Das Nest wird in dichten Baumkronen oder Büschen angelegt, oft sehr nahe an den Wohnungen, oft in alleinstehenden Dornhecken des Feldes, fernab von den Ortschaften. Trockene Zweige bilden den Unterbau, dürre Ranken, Grashalme, Werch- und Wollflocken die Wandungen und ziemlich dicke Lagen von feinen, gebogenen Wurzeln die innere Ausfütterung. Das Gelege der ersten Brut enthält vier bis sechs, das der zweiten höchstens fünf, das der dritten selten mehr als drei Eier. Sie sind etwa sechsundzwanzig Millimeter lang und zwanzig Millimeter dick, rundlich und auf lichtgrünem Grunde mit dunkelbraunen Flecken und Punkten gezeichnet. Das Weibchen, welches allein zu brüten scheint, zeitigt sie in vierzehn Tagen. Die Jungen der beiden ersten Bruten wachsen rasch heran, die des dritten Geheckes aber erreichen oft erst spät im Jahre ihre volle Größe. Während das Weibchen brütet, zeigen sich beide Geschlechter ungemein besorgt um die Eier, und wenn das Weibchen findet, daß dieselben berührt oder in eine andere Lage gebracht worden sind, stößt es klagende Laute aus und ruft ängstlich nach dem Männchen. Die Amerikaner behaupten, daß das Paar seine Brut unter solchen Umständen verließe; Audubon versichert aber, daß es im Gegentheile seine Liebe und Sorgfalt verdoppele und nach trüben Erfahrungen das Nest kaum auf einen Augenblick verlasse.

Die Nahrung ist verschiedener Art. Während des Sommers bilden Kerbthiere das hauptsächlichste Futter; im Herbste erlabt sich alt und jung an mancherlei Beeren. Ganz gegen die Art der Drosseln verfolgen die Alten fliegende Schmetterlinge, Käfer, Schnaken und Fliegen bis hoch in die Luft, und ebenso lesen sie derartiges Gethier von den Blättern der Bäume ab. Im Käfige gewöhnen sie sich an Drosselfutter, sind aber anspruchsvoller als unsere Drosseln und verlangen vor allem anderen ziemlich viel Mehlwürmer und Ameiseneier. Bei guter Behandlung werden sie überaus zahm und zutraulich. Einzelne sind nach der Versicherung der amerikanischen Forscher zum Aus- und Einfliegen gebracht worden; andere, auch von mir gepflegte, haben sich in der Gefangenschaft fortgepflanzt.

Das gesammte Raubzeug Amerikas stellt den alten Spottdrosseln, Schlangengezücht besonders der Brut im Neste, nach. Der Amerikaner hat den Vogel so lieb gewonnen, daß er ihn niemals seines Fleisches halber verfolgt, vielmehr nach Kräften in Schutz nimmt und gegen Unberufene sichert. Dagegen werden viele von den so beliebten Vögeln für den Gebauer gefangen und namentlich Junge dem Neste entnommen und groß gefüttert.


Eine andere Art der Unterfamilie und Vertreter der Halbspötter ( Galeoscoptes) ist der Katzenvogel ( Galeoscoptes carolinensis, Muscicapa, Turdus, Orpheus und Mimus carolinensis), welcher sich einmal nach Helgoland verflog und deshalb unter den Vögeln Deutschlands aufgezählt wird. Seine Merkmale sind der schwache, etwas höher als breite, in der Endhälfte seicht gebogene, an der Spitze stärker abwärts gekrümmte Schnabel, der mäßig hohe, vorn quer getäfelte, mit wenig deutlichen, stark verwachsenen Schildern gedeckte, ziemlich kurzzehige Fuß, der kurze, runde Flügel, unter dessen Schwingen die vierte und fünfte die Spitze bilden, und der verhältnismäßig lange, stark abgerundete, aus fast gleich breiten, vor der Spitze allmählich erweiterten, stumpf abgerundeten Federn bestehende Schwanz. Die Länge des Katzenvogels beträgt zweiundzwanzig, die Breite dreißig, die Fittiglänge neun und die Schwanzlänge zehn Centimeter. Das Gefieder ist vorwaltend schiefergrau, unterseits, zumal auf der Bauchmitte, heller, das des Ober- und Hinterkopfes schwarz, der Unterschwanzdecken dunkel kastanienrothbraun; die Schwingen sind braunschwarz, innen fahl gerandet, die Schwanzfedern schwarz, die beiden äußersten am Ende schmal grau gesäumt. Die Iris ist braun, der Schnabel schwarz, der Fuß dunkel umberbraun.

Vom Winnepegsee an bis Florida bewohnt der Katzenvogel alle östlichen Vereinigten Staaten und besucht im Winter Mittelamerika, Westindien und die Bahamainseln. Schon im Februar beginnt er zurückzuwandern, erscheint um diese Zeit in Florida, Georgia und Carolina, reist langsam weiter und trifft in Virginien und Pennsylvanien im April, in Neuengland endlich zwischen dem ersten und zehnten Mai ein, um nunmehr in Buschwaldungen und Obstgärten seinen Sommerstand zu nehmen. In seinem Wesen und Gebaren ähnelt er den Spottdrosseln, ist, wie diese, ein lebhafter, unruhiger, neugieriger und streitlustiger Gesell, steht aber der Spottdrossel im Gesange bedeutend nach, obwohl das Lied im Schnabel bevorzugter Männchen immerhin eine gewisse Reichhaltigkeit erlangt. Besonders ausgezeichnet ist seine Nachahmungsgabe, welche sich oft bis zum ergötzlichen steigern soll und demgemäß das Lied, je nach der Gegend und der in ihr lebenden mehr oder minder guten Sänger, wesentlich verändert. Während der eine den besseren Sängern ganze Strophen abstiehlt, begnügt sich der andere, das Pfeifen der Baumhühner, das Glucksen der Henne und das Piepen der Küchlein oder zufällig gehörte kreischende, knarrende und heisere Laute getreulich nachzuahmen, leiert dazwischen andere Strophen ab und bringt so einen Vortrag zu Stande, welcher, wenn auch nicht immer den Beifall der Kenner erringt, so doch unterhält und erheitert.

siehe Bildunterschrift

Katzenvogel ( Galeoscoptes carolinensis). 3/5 natürl. Größe.

Je nach der Lage des Sommerstandes beginnt der Katzenvogel früher oder später mit dem Aufbaue seines Nestes. Zur Brutstätte wählt er sich ein düsteres Dickicht oder einen versteckten Busch und errichtet hier in einer Höhe von zwei bis drei Meter über dem Boden sein roh aus schwachen Zweigen, vertrocknetem Grase, dürren Blättern, Rindenstückchen, Schlangenhaut, Papier, Band und Lappen bestehendes, innen mit feinen Würzelchen ausgekleidetes Nest, legt vier bis fünf glänzend und tief smaragdgrüne Eier von vierundzwanzig Millimeter Länge und siebzehn Millimeter Dicke und bebrütet dieselben beidgeschlechtlich mit größter Hingebung. Ebenso widmen sich beide Eltern eifrig der Ernährung, Pflege und Erziehung ihrer Jungen, bethätigen angesichts eines Feindes oder Störenfriedes erhabenen Muth, stoßen kühn auf gefährliche Raubthiere, unter Umständen selbst auf den Menschen herab, schreien dabei kläglich, kreischen und treiben nicht selten die Eindringlinge wirklich in die Flucht. Auf die erste Brut folgt eine zweite, in guten Jahren vielleicht noch eine dritte.

Da der Katzenvogel sich mit denselben Stoffen ernährt, wie die Spottdrossel, läßt er sich leicht in Gefangenschaft halten, wird auch, zumal jung aus dem Neste genommen und liebevoll aufgefüttert, ein ungemein zahmer, durch die Zierlichkeit seiner Bewegungen und die Anmuth seines Wesens allgemein gefallender Stubengenosse.


Der Roth- oder Waldspötter, von den Amerikanern auch »Drescher« genannt ( Harporhynchus rufus, Turdus und Mimus rufus), vertritt die Sippe der Sichelspötter und kennzeichnet sich durch kopflangen oder längeren, stärker oder schwächer gekrümmten ungekerbten Schnabel, kräftigen Fuß, dessen Lauf der Mittelzehe an Länge ungefähr gleichkommt, kurze, stark gerundete Flügel, unter deren Schwingen die vierte und fünfte die längsten sind und langen, schmalen, stark gesteigerten Schwanz. Die Länge beträgt siebenundzwanzig, die Breite zweiunddreißig, die Fittiglänge elf, die Schwanzlänge dreizehn Centimeter. Die ganze Oberseite, Flügel und Schwanz sind lebhaft rostroth, der Zügel und ein Augenstreifen, die Kopf- und Halsseiten sowie die Untertheile rostgelblich weiß, letztere auf Kopf, Brust und Seiten mit dreieckigen, dunkelbraunen Schaftflecken gezeichnet, die Schwingen innen dunkelbraun rostfahl gerundet, die Arm- und größten Oberflügeldecken am Ende weiß gerundet, vor diesem dunkel quer gerändert, die äußersten Schwanzfedern am Ende rostgelblich verwaschen. Die Iris ist schwefelgelb, der Schnabel dunkelbraun, unterseits hellbraun, der Fuß bräunlich gelb.

Von der Küste des Atlantischen Meeres bis zu dem Felsgebirge und vom Britischen Amerika bis nach Texas tritt der Rothspötter, welcher sich ebenfalls nach Helgoland verflogen hat, überall, nicht aber aller Orten in Menge auf, ist vielmehr hier häufig und anderswo gänzlich unbekannt. In Neuengland und im Norden seines Verbreitungsgebietes überhaupt trifft er im Mai ein, verweilt während des Sommers und verläßt das Land im September wieder, um im Süden, selbst schon in Virginien, zu überwintern. In der Heimat grenzt sich jedes Paar seinen Standort ab und vertheidigt ihn eifersüchtig gegen seine Nachbarn, obwohl diese bei gemeinschaftlicher Gefahr zu Hülfe gerufen werden, auch sofort solchem Rufe folgen und an der Befehdung eines Feindes nach Kräften theilnehmen. Innerhalb dieses Gebietes macht sich das Paar sehr bemerklich; denn auch der Rothspötter besitzt die Lebhaftigkeit aller Spottdrosseln insgemein. Als schlechter Flieger hält er sich vorzugsweise auf dem Boden auf, sucht hier, mit dem langen Sichelschnabel das abgefallene Laub umwendend und alle Verstecke durchstöbernd, seine Nahrung und flüchtet nur, um zu ruhen oder bei Gefahr, einem benachbarten Busche zu. Ausdrucksvolle Bewegungen mit Flügeln und Schwanz, namentlich Stelzen und Senken, Breiten und Zusammenlegen des letzteren, lassen ihn schon von weitem erkennen. Der Gesang wird von den Amerikanern hoch gerühmt, ist auch in der That laut, volltönend und abwechselnd, kann aber weder mit dem Liede unserer Drossel, noch auch mit dem Gesange der Spottdrossel wetteifern. Zur Nachahmung anderer Stimmen soll sich der Rothspötter nicht herbeilassen.

In den südlichen Staaten brütet der Vogel zum ersten Male bereits im März, in Pennsylvanien nicht vor dem Mai, in Neuengland erst zu Ende dieses Monats. Das Nest steht an ähnlichen Orten und in annähernd gleicher Höhe wie das des Katzenvogels, ist sehr groß und ebenso roh gebaut, innen jedoch ziemlich sorglich ausgekleidet; das Gelege zählt in der Regel vier, bisweilen fünf, selten sechs Eier von siebenundzwanzig Millimeter Länge, einundzwanzig Millimeter Dicke, welche auf weißem oder lichtgrünem Grunde mit kleinen, röthlichbraunen, gegen das dicke Ende hin zusammenfließenden und hier einen Ring bildenden Flecken gezeichnet sind. Beide Eltern brüten, beide widmen sich auch den ausgeschlüpften Jungen, und beide gebaren sich am Neste in ähnlicher Weise wie der Katzenvogel. Eines der Eltern, meist das Männchen, scheint beständig Wache zu halten, um jeden Feind rechtzeitig zu erspähen; beide aber vereinigen sich in den Bestrebungen, eine Gefahr nach besten Kräften abzuwehren, gebrauchen alle ihnen mögliche Ausdrücke der Klage, Bitte, des Flehens, der Warnung und wissen selbst rohere Menschen so zu rühren, daß sie sich enthalten, der Brut etwas zu Leide zu thun. Die Jungen entschlüpfen dem Neste, ehe sie vollkommen flugbar sind und verbergen sich bis zur Vollendung ihres Wachsthumes, treu geführt und behütet von beiden Eltern, in deckenden und sichernden Büschen. Jung aus dem Neste genommen und sorglich aufgefüttert, werden sie so zahm, daß man ihnen engere Haft ersparen kann, da sie, ohne zu entfliehen, nach Belieben aus und einfliegen, auch wohl ihren Pfleger bei seinen Spaziergängen in Feld und Garten begleiten.


Auf die Spottdrosseln mögen die Heckensänger oder Baumnachtigallen folgen. Drosselvögel sind sie gewiß, nicht aber Sänger, wie gewöhnlich angenommen wird. Sie wollen sich nirgends einreihen lassen und dürfen daher als Urbilder einer besonderen Unterfamilie ( Aëdoninae) gelten, deren Merkmale die der Sippe ( Aëdon) sind. Die neun, in Südeuropa, Kleinasien, Palestina und Afrika lebenden Arten, welche man unterschieden hat, sind kleine, gestreckt gebaute Drosselvögel mit verhältnismäßig starkem, auf der hohen Firste merklich gebogenem Schnabel, mäßig hohen Fußwurzeln, ziemlich kurzen Flügeln, in denen die dritte und vierte Schwinge unter sich gleich lang sind und die Spitze bilden, langem und breitem, stark gerundetem Schwänze und seidenweichem Gefieder. Die Geschlechter unterscheiden sich nicht, und die Jungen ähneln den Alten.

siehe Bildunterschrift

Baumnachtigall ( Aëdon galactodes) und Meistersänger ( Sylvia orphea). 1/2 natürl. Größe.

Die Baumnachtigall ( Aëdon galactodes, minor, rubiginosa, pallens und meridionalis, Sylvia galactodes und rubiginosa, Turdus rubiginosus, Agrobates, Erythropygia, Salicaria und Calamoherpe galactodes), ist auf der Oberseite rostrothgrau, auf dem Scheitel dunkler, im Nacken mehr graulich, auf der Unterseite graugelblich oder schmutzig weiß, mit röthlichem Anfluge an den Halsseiten und rostgelblichem an den Weichen, die Wange weißbräunlich, ein weit nach hinten reichender Brauenstreifen weiß; die Schwingen, Flügeldeckfedern und Oberarmschwingen sind braun, erstere schmal lichtbräunlich, letztere breit rostgelb gesäumt, die Steuerfedern, mit Ausnahme der mittleren dunkleren schön rostroth, an der Spitze weiß, vorher durch einen rundlichen Fleck von schwarzbrauner Farbe gezeichnet. Das Auge ist dunkelbraun, Schnabel und Füße sind röthlich. Die Jungen ähneln den Alten. Die Länge beträgt achtzehn, die Breite siebenundzwanzig, die Fittiglänge acht, die Schwanzlänge über sieben Centimeter, beim Männchen, wie beim Weibchen.

Unser Vogel bewohnt Spanien und Nordwestafrika, besucht von hier aus zuweilen Italien, Deutschland und Großbritannien und wird in Griechenland, Kleinasien und Egypten durch eine ihm nahestehende Verwandte ( Aëdon familiaris und Bruchii, Sylvia, Erythropygia, Salicaria und Calamoherpe familiaris) vertreten, welche sich durch merklich geringere Größe, rostgraue Oberseite und Oberflügeldeckfedern, lebhaft rostrothen Bürzel und braune Innenfahne der beiden mittleren Schwanzfedern unterscheidet. Die eine wie die andere bevölkert vorzugsweise jene dürren, nur vom Regen befeuchteten Stellen des Südens, welche spärlich mit niederem Buschwerke bestanden sind, ohne jedoch bebaute Oertlichkeiten und bezüglich die Nähe menschlicher Wohnsitze zu meiden. Dies bleibt sich gleich in Spanien wie in Griechenland, in Egypten wie in der bereits wiederholt erwähnten Samhara oder der innerafrikanischen Steppe. In Spanien und Griechenland sind es vor allem anderen die Weinberge und Oelbaumpflanzungen, welche ihnen Herberge geben; in Kleinasien leben sie in dünn bestandenen, parkartigen Baumbeständen bis zu zweitausend Meter unbegrenzter Höhe aufwärts; in Nordostafrika siedelt eine ihnen verwandte Art in trockenen Gärten, Mimosenhainen, Baumwollfeldern, Rohrdickichten oder zwischen den Hütten der Dörfer sich an, vorausgesetzt, daß es hier an dichten Büschen nicht fehlt. Im Urwalde habe ich keine Baumnachtigall gesehen; im dünn bestandenen Steppenwalde ist sie häufig; hohe Gebirgs-, nicht aber Bergwaldungen scheint sie zu meiden.

In Mittelafrika sind die Baumnachtigallen Standvögel, in Nordafrika und Südeuropa Zugvögel. Sie erscheinen in Griechenland und Spanien um die Mitte oder zu Ende des April, in Egypten kaum früher, und verlassen das Land zu Ende des September wieder. Die Männchen kommen zuerst an, die Weibchen folgen einige Tage später nach. Während des Zuges macht sich der muntere Vogel allerorten bemerklich: später muß man ihn auf seinen Lieblingsplätzen aufsuchen. Hier freilich fällt er jedem auf, welcher Augen hat, zu sehen: in Spanien ist der » Rosardo« (Röthling) oder » Alzarabo« (Schwanzaufheber) ebenso bekannt wie bei uns zu Lande das Rothkehlchen. Die Baumnachtigall macht einem ihrer Namen: » Agrobates«, alle Ehre; denn sie liebt es in der That, auf die Spitzen zu gehen. Der höchste Zweig des Lieblingsbusches, der Pfahl, an welchem die Rebe befestigt ist, ein Baumwipfel oder ein Telegraphendraht sind Warten, wie sie solche haben mag. Hier sitzt sie, den Schwanz gestelzt, die Flügel gesenkt, mit eingeknickten Beinen, aber ziemlich aufgerichtet; von hier herab trägt sie ihr Lied vor, von hier aus späht sie nach Beute aus. Entdeckt sie einen Wurm, ein Kerbthier oder etwas ähnliches, so stürzt sie sich rasch auf den Boden herab, bückt sich, wippt mit dem Schwanze und breitet ihn aus, seine volle Schönheit zeigend, rennt dann eilig ein Stück auf dem Boden dahin, fängt den Raub, ruft dabei behaglich ihr lockendes »Tak, tak« und kehrt nach demselben Ruhepunkte, welchen sie früher einnahm, wieder zurück. Dasselbe geschieht so regelmäßig, daß der Schütz sie unfehlbar erlegt, wenn er in der Nähe einer ihrer Warten sich anstellt und sie durch einen Jagdhelfer treiben läßt. Sie nimmt ihre Nahrung hauptsächlich vom Boden auf und sucht deshalb alle nackten Stellen ab, kommt auch auf freie Blößen heraus und läuft namentlich oft auf Wegen und Straßen umher. »Durch ihr wenig schüchternes und doch lebhaftes Wesen, welches in mancher Beziehung an das der Schwarzdrossel erinnert«, sagt Heuglin, »erfreut sie den Bewohner der Landhäuser und Gärten. Oft flattert sie unruhig und häufig von Zweig zu Zweig, selbst bis in die höheren Kronen der Bäume, den Schwanz beständig bewegend, ausbreitend und aufschlagend; bald wieder sieht man sie emsig auf dem kahlen Boden oder im Gestrüppe und trockenem Grase umherlaufen und auf Würmer und Raupen jagen. Plötzlich stößt sie einen drosselartigen Angstruf aus und flüchtet scheltend in die Büsche.« Sie ist klug und vorsichtig, ja selbst scheu, wo sie es nöthig hat, zutraulich da, wo sie es sein darf, unstet, flüchtig und bewegungslustig in hohem Grad. In Spanien fanden wir sie überall scheu; in Mittelafrika läßt sie den braunen Eingeborenen dicht neben sich vorüber gehen, weicht aber dem ihr fremdartig erscheinenden Europäer sorgsam aus. Anderen Vögeln gegenüber friedfertig, liegt sie mit ihresgleichen oft im Streite. Zwei Männchen verfolgen sich mit großem Ingrimme, wirbeln zusammen hoch empor, stürzen sich rasch wieder in die Tiefe und jagen sich pfeilschnell zwischen den Büschen umher, dabei eine auffallende Gewandtheit beweisend und den prächtigen Schwanz bald breitend, bald wieder zusammenlegend. Ebenso häufig, als in ernster Absicht, mag dieses Jagen ein Spiel, ein Schäkern sein, welches aus reiner Lust an der Bewegung ausgeführt wird.

In einer Hinsicht stehen sie weit hinter ihrer Namensverwandten zurück: ihr Gesang kann sich mit dem der Nachtigall nicht vergleichen. Von der Mühle nennt ihn »einförmig« und vergleicht ihn mit dem Liede der Grasmücke; ich muß beistimmen, will aber ausdrücklich bemerken, daß er mir, trotz seiner Einfachheit, stets wohlgefallen hat. Gerade weil die Baumnachtigall an solchen Orten lebt, welche die Nachtigall meidet, und weil sie durch fleißiges Singen das zu ersetzen sucht, was ihr im Vergleiche zu ihrer hochbegabten Schwester abgeht, wird sie dem Thierfreunde lieb und werth. Sie singt, auf ihrer Warte sitzend, am Boden dahinlaufend, selbst fliegend, fast ununterbrochen, und die einzelnen Töne sind immerhin wohllautend genug, um zu gefallen.

Die Brutzeit beginnt im zweiten Drittel des Mai. Das große, aber unschöne Nest wird auf Baumstrunken zwischen den stärkeren Aesten oder im dichten Gebüsche aus Reisig, Moos, Grasblättern oder weichen Pflanzenstengeln erbaut und seine Mulde mit Haaren, Wolle, Baumwolle und Federn ausgelegt. Tristram meint, der Vogel »scheine nicht eher zu legen, als bis er ein Stück Schlangenhaut gefunden und damit seinen Bau vollendet habe«, und in der That enthalten die meisten Nester ein Stück Schlangenhemde. Die vier bis sechs Eier sind sehr verschieden in Größe, Gestalt und Färbung, durchschnittlich etwa zweiundzwanzig Millimeter lang und funfzehn Millimeter dick, auf trübweißem oder blaugrauem Grunde mit wenig hervortretenden Schalenflecken dunklerer Färbung und außerdem mit braunen Pünktchen und Flecken gezeichnet. Ueber die Aufzucht der Jungen mangelt mir jede Kunde; ich kann nur sagen, daß wir noch Anfang September, während die meisten Alten bereits in voller Mauser standen, flügge Nestjungen antrafen.

Ob wirklich, wie Tristram angibt, Eier und Junge »die beständige Beute der Kriechthiere« und diese deshalb die schlimmsten Feinde der Baumnachtigallen sind, steht dahin. Sicher werden letztere auch von dem gesammten Raubzeuge der beiden ersten Klassen nicht verschont werden, überhaupt mit ihren Verwandten dieselben Gefahren theilen. Der Mensch tritt wohl nur in Spanien als Verfolger der anmuthigen Geschöpfe auf: der Spanier jagt sie, wie alle anderen Sänger, um ihr Fleisch für die Küche zu verwerthen.


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