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Während einige Forscher die Wasserschwätzer ( Cinclidae) als Drosseln ansehen, erkennen wir in ihnen eine eigene Familie, obgleich wir derselben nur eine einzige Sippe zuweisen können. Der Leib erscheint wegen der sehr dichten Befiederung dick, ist aber thatsächlich schlank, der Schnabel verhältnismäßig schwach, gerade, auf der Firste ein wenig aufwärts, mit der Spitze abwärts gebogen, seitlich zusammengedrückt und vorn schmal auslaufend, die Nasenöffnung durch einen Hautdeckel verschließbar, der Fuß hoch, aber stark, langzehig und mit sehr gekrümmten, starken, schmalen, unten zweischneidigen Nägeln bewehrt, der Flügel ungewöhnlich kurz, stark abgerundet und fast gleich breit, die dritte Schwinge die längste, die vierte ihr fast gleichlang, die erste sehr kurz, der Schwanz so kurz, daß er fast als ein Stummel betrachtet werden darf; das Gefieder endlich, welches nur mit dem der Sumpf- oder Schwimmvögel verglichen werden kann und mit der Befiederung anderer Landvögel keine Ähnlichkeit hat, sehr dicht und weich und, wie bei den Schwimmvögeln, aus Oberfedern und flaumartigen Unterfedern zusammengesetzt.
Der innere Bau zeigt im wesentlichen die Merkmale anderer Singvögel, namentlich wohl ausgebildete Singmuskeln; die Knochen sind aber, mit Ausnahme einiger Schädeltheile, nicht luftführend. Die Zunge ist schmal, an der Spitze ausgeschnitten und kurz gezasert, vorn seitlich fein gezähnelt, die Speiseröhre sehr eng, der Vormagen schlauchförmig verlängert, der eigentliche Magen klein und ziemlich muskelig. Besonders entwickelt sind die Bürzeldrüsen, welche das zum Glätten und Einölen des Gefieders nöthige Fett absondern, und ebenso die Nasendrüsen, welche bei den übrigen Singvögeln wegen ihrer Kleinheit kaum wahrgenommen werden.
Die Wasserschwätzer bewohnen die Alte und die Neue Welt, vorzugsweise den Norden der Erde, finden sich aber auch noch auf südlichen Gebirgen, so auf dem Himalaya und auf den Andes.
In ihrer Lebensweise ähneln sich die wenigen bis jetzt bekannten Arten, so daß ein Lebensbild unserer deutschen Art vollständig zur Lebenskunde aller Familienglieder ausreicht.
Der Wasserschwätzer oder Wasserstaar, die Wasser-, Bach-, Strom- und Seedrossel oder Wasser-, Bach-, Strom- und Seeamsel ( Cinclus aquaticus, und medius, Turdus cinclus und gularis, Aquatilis und Hydrobata cinclus) ist zwanzig Centimeter lang und dreißig Centimeter breit; der Fittig mißt neun, der Schwanz sechs Centimeter. Kopf, Nacken und Hinterhals sind fahlbraun, die Federn der übrigen Oberseite schieferfarbig mit schwarzen Rändern, Kehle, Gurgel und Hals milchweiß, Unterbrust und Bauch dunkelbraun; die Oberbrust ist rothbraun. Das etwas kleinere Weibchen gleicht dem Männchen; bei den Jungen sind die hell schieferfarbigen Federn der Oberseite dunkel gerandet, die schmutzig milchweißen der Unterseite dunkler gesäumt und gestrichelt.
Vieillot hat den Alpen- oder Weißbauch-Wasserschwätzer ( Cinclus albicollis, rufiventris, rufipectoralis und rupestris, Hydrobata albicollis), mein Vater den Schwarzbauch-Wasserschwätzer ( Cinclus melanogaster, septentrionalis und peregrinus, Sturnus cinclus) von dem vorstehend beschriebenen unterschieden. Ersterer, welcher die Alpen der Schweiz, die Gebirge Südeuropas und den Libanon bewohnt, ist oberseits heller als der Wasserschwätzer und die Umsäumung der Federn deutlicher braun, unterseits aber heller roth und an den Seiten braun, letzterer, welcher Skandinavien und Kleinasien bewohnt und besuchsweise nach Deutschland und England kommt, ist auf Kopf und Hals im Gegentheile dunkler als die bei uns heimische Form, unterseits, zumal auf der Bauchmitte, deutlich schwarz. Ueber Arteinheit oder Artverschiedenheit aller drei streiten sich die Kundigen.
Alle Gebirge Mitteleuropas, welche reich an Wasser sind, beherbergen unseren Wasserschwätzer. An geeigneten Orten ist er, wenn auch nicht häufig, so doch eine sehr regelmäßige Erscheinung. Lieblingsplätze von ihm sind die klaren, beschatteten Forellenbäche, an denen unsere Hoch- und Mittelgebirge so reich sind. Ihnen folgt er bis zu ihrem Ursprunge, und wenn derselbe ein Gletscherthor wäre; ihnen zu Liebe geht er selbst bis in die Ebene herab, welche er sonst mehr oder weniger meidet; an ihnen wird man ihn nicht vergeblich suchen, es sei denn, daß deren Wasser durch Ausflüsse von Fabriken vergiftet oder wenigstens getrübt worden ist. Er hält treu an dem einmal gewählten Stande und verläßt ihn auch während des strengsten Winters nicht, lebt aber, wie der Kronprinz, Erzherzog Rudolf von Oesterreich mir mittheilt, in den Hochalpen im Sommer fast ausschließlich an den kleinsten Gebirgsbächen und zieht erst mit Beginn des Herbstes, dem Laufe jener Bäche folgend, den tieferen Hauptthälern und wasserreicheren Flüßchen zu. Im Hügellande wählt er sich eine Bachstrecke, welche wenigstens hier und da von der eisigen Decke verschont bleibt; denn das Wasser, nicht aber das Bachufer ist sein eigentliches Weidegebiet. Daher erkürt er sich vor allem anderen die Abflüsse starker Quellen oder Wasserfälle und Stromschnellen, weil dort die Wärme, hier die heftige Bewegung des Wassers jede Eisbildung verhindert. Je rauschender der Waldbach ist, je mehr Fälle er bildet, je ärger er braust und zischt, um so sicherer fesselt er ihn. Mehr noch als den eigentlichen Sturz und den unter diesem sich bildenden Wirbel liebt er die Grenze der hier gewöhnlich vorhandenen ruhigen Wasserfläche, weil ihm der Strudel mancherlei Nahrung zuführt. Jedes einzelne Paar nimmt höchstens zwei Kilometer des Baches in Besitz, streicht innerhalb dieser Strecke auf und nieder und verläßt den Wasserfaden niemals. Da, wo das Gebiet des einen Paares endet, beginnt das eines zweiten, und so kann ein Gebirgsbach besetzt sein von seiner Quelle bis zur Mündung in ein größeres Gewässer.
Der Wasserschwätzer gehört nicht allein zu den auffallendsten, sondern auch zu den anziehendsten aller Vögel. Seine Begabungen sind eigenthümlicher Art. Er läuft mit der Gewandtheit und Behendigkeit einer Bachstelze über die Steine des Flußbettes dahin, nach Art der Stelzen oder Uferläufer Schwanz und Hinterleib auf und nieder bewegend, wadet von den Steinen herab bis in das Wasser hinein, tiefer und tiefer, bis zur halben Oberbrust, bis zu den Augen, noch tiefer, bis das Wasser über ihm zusammenschlägt, und lustwandelt sodann, fünfzehn bis zwanzig Sekunden lang, auf dem Grunde weiter, unter den Wellen oder im Winter unter der Eisdecke dahin, gegen die Strömung oder mit ihr, als ginge er auf ebenem Boden. Er stürzt sich in den ärgsten Strudel, in den tollsten Wassersturz, wadet, schwimmt, benutzt seine kurzen Flügel als Ruder und fliegt, so zu sagen, unter dem Wasser dahin, wie er eine senkrecht hinabstürzende Wassermasse in Wirklichkeit fliegend durchschneidet. Kein anderer Vogel beherrscht in derselben Weise wie er das Wasser. Nicht immer wadet er von seinem erhöhten Sitzpunkte aus allmählich in das Wasser, sondern sehr häufig auch stürzt er sich von seiner Warte herab jählings in die Tiefe, eher nach Art des Frosches als nach Art eines Eisvogels. Sein Flug erinnert an den des Eisvogels, ähnelt aber vielleicht noch mehr dem unseres Zaunkönigs. Aufgescheucht fliegt er mit schnell aufeinander folgenden Flügelschlägen in gleicher Höhe über dem Wasser dahin, jeder Krümmung des Baches folgend. Der Flug endet plötzlich, sowie er bei einem neu gesicherten Ruhepunkte angekommen ist; es geschieht aber auch und gar nicht selten, daß er, von einer erspähten Beute angezogen, jählings aus der Luft herab in das Wasser stürzt. Wenn er sich verfolgt sieht, durchfliegt er wohl eine Strecke von vier- bis fünfhundert Schritten; sonst schwirrt er gewöhnlich nur von einem erhabenem Steine zum anderen. Wird die Jagd ernster, und sieht er sich gefährdet, so verläßt er zuweilen die Tiefe, in welcher er bisher dahinzog, und steigt steil in die Luft empor, bis über die Wipfelhöhe der Uferbäume und noch höher. Unter solchen Umständen kann es auch geschehen, daß er von der einmal begonnenen Richtung abweicht, selbst den Lauf des Baches verläßt und in großen Bogen sich weiter vorwärts wendet oder zu seinem früheren Sitzpunkte zurückkehrt. Wenn er sich unbehelligt sieht, kommt es nach Alexander von Homeyers Beobachtungen vor, daß er im Fluge Halt macht, fast rüttelnd über ein und derselben Stelle sich hält, hierauf mit lang herabhängenden Ständern zum Wasser herniederstürzt und in ihm verschwindet.
Obgleich wir mit Bestimmtheit nur behaupten können, daß die höheren Sinne und namentlich Gesicht und Gehör des Wasserschwätzers auf sehr hoher Stufe stehen, müssen wir doch annehmen, daß auch die übrigen nicht verkümmert sind. Die geistigen Fähigkeiten dürfen unzweifelhaft als sehr entwickelte bezeichnet werden. Der Wasserschwätzer ist klug, vorsichtig, verschlagen und allerorten, wenn auch nicht scheu, so doch höchst aufmerksam auf alles, was rings um ihn vorgeht. Er kennt seine Freunde genau und nicht minder gut seine Feinde. Den Menschen, welcher seinen stillen Wohnsitz einmal betritt, flieht er von weitem; vor Raubthieren aller Art nimmt er sich nicht weniger in Acht. Aber derselbe Vogel, welcher in der Sierra Nevada oder unter den Gletschern der Schweizer Alpen ebenso scheu ist wie an Lapplands Gebirgswässern, gewöhnt sich an das Treiben des Menschen und wird sogar ungemein zutraulich, sobald er die feste Ueberzeugung gewonnen hat, daß ihm keine Gefahr droht. In der Nähe der Mühlen ist er ein regelmäßiger Gast, welcher in dem Müller und seinen Knappen nur gute Freunde sieht; er kann sich aber auch inmitten der Dorfschaften sehr sicher fühlen. So beobachtete Alexander von Homeyer ein Wasserschwätzerpärchen mitten in der Stadt Baden-Baden, unmittelbar vor den lebhaftesten Gasthäusern, welches ohne Bedenken vor den Augen der Badegäste seine Taucherkünste trieb, weil es erfahrungsmäßig wußte, daß es dies hier unbesorgt thun durfte.
Nach Art so vieler anderer Fischer liebt der Wasserschwätzer die Gesellschaft seinesgleichen durchaus nicht. Bloß während der Brutzeit sieht man die Paare im innigen Verbande, und nur, so lange die Jungen der elterlichen Führung bedürftig sind, die Familien zusammen; in allen übrigen Abschnitten des Jahres lebt jeder Wasserschwätzer mehr oder weniger für sich, obgleich die Gatten eines Paares wiederholt sich besuchen. Wagt sich ein Nachbar in das von einem Pärchen besetzte Gebiet, so gibt es eine heftige Jagd, und der rechtmäßige Eigenthümer vertreibt den aufdringlichen Gast unerbittlich. Sogar die eigenen Kinder werden, sobald sie selbständig geworden sind, rücksichtslos in die weite Welt hinausgestoßen, und man begreift nicht, wie es ihnen möglich wird, eine eigene Heimat zu erwerben. Um fremdartige Vögel bekümmert er sich nicht, betrachtet sie aber, wie es scheint, weniger mit Freundschaft als vielmehr mit Gleichgültigkeit. Bachstelzen und Eisvogel sind von ihm geduldete Bewohner eines und desselben Gebietes.
Die Stimme, welche man gewöhnlich und regelmäßig dann, wenn er aufgejagt wird, von ihm vernimmt, ist ein wie »Zerr« oder »Zerb« klingender Laut, der Gesang des Männchens ein leises, aber höchst anmuthendes Geschwätz, welches aus sanft vorgetragenen, schnurrenden und lauter vernehmlichen, schnalzenden Lauten besteht, ebenso an einzelne Theile des Blaukehlchenliedes wie an das Schnalzen des Steinschmätzers erinnert und von Snell treffend mit dem leisen Rieseln und Rauschen eines auf steinigem Grunde dahin fließenden Bächleins verglichen wird. Besonders eifrig singt er an heiteren Frühlingstagen und zumal in den Morgenstunden, läßt sich aber auch von der größten Kälte nicht beirren: er singt, so lange der Himmel blau ist. »Es ist«, sagt Schinz, »eine ganz eigene Erscheinung, im Januar, bei der strengsten Kälte den Gesang dieses oft mitten auf dem Eise, einem Pfahle oder Steine sitzenden Vogels zu hören, während die ganze Natur erstarrt scheint«, und es ist, füge ich hinzu, ein wahrhaft erhebendes Schauspiel für den Kundigen, welcher den munteren Sänger aufgefunden, wenn er gewahrt, daß dieser, nachdem er sein Lied beendet, heiteren Muthes in die eisigen Fluten stürzt, in ihnen sich badet und in ihnen umherläuft oder schwimmt, als gäbe es für ihn keinen Winter und keine Kälte. »Die Bachamsel«, schreibt Girtanner, »dürfte einer unserer gesangslustigsten Vögel sein; denn sie begleitet buchstäblich fast alles, was sie thut, mit ihrem hellen Gesange. Sie singt beim Baden und beim Fressen; singend stürzt sie sich muthig in den Kampf gegen eine grenzverletzende Gebietsnachbarin; beim Putzen des Gefieders muß etwas gesungen sein, und zuletzt beschließt sie singend ihr sangreiches Leben. Aber je nach der Ursache des Gesanges ist auch der Ton ein durchaus verschiedener. Der durch einige scharfe, herausfordernd hervorgestoßene Locktöne eingeleitete Schlachtgesang kennzeichnet deutlich genug die bedenkliche Gemüthsverfassung der sonst so friedlichen Sängerin; freundlich, aber lebhaft tönt das Liedchen, welches sie, auf einem Beine mit gehobenem Rücken und länglich niederhängenden Flügeln auf ihrem Lieblingsplätzchen sitzend, sich selbst zum besten gibt; ein Plaudern nur ist es, während sie sich putzt; aber wehmüthig und rührend ergreift uns der bei schwindenden Kräften mit mangelndem Athem hervorquellende Sterbegesang«.
Die Nahrung besteht vorzugsweise aus Kerbthieren und deren Larven. Mein Vater fand in dem Magen der von ihm untersuchten Wasserschwätzer Mücken, Wassermotten, Hafte und verschiedene Käferchen, nebenbei auch Pflanzentheilchen, welche wahrscheinlich bloß zufällig mit verschluckt werden, und Kieskörner, wie solche so viele Vögel fressen, um ihre Verdauung zu befördern. Gloger ist der erste, welcher angibt, daß der Wasserschwätzer im Winter auch kleine Muscheln und junge Fischchen verzehrt und davon einen thranigen Geruch erhält; später erfuhr ich, daß die liebe Schuljugend einer meinem heimatlichen Dorfe benachbarten Ortschaft junge Wasserschwätzer im Neste zu ihrem besonderen Vergnügen mit kleinen, mühselig gefangenen Fischchen fütterte, und hatte die Freude, zu erfahren, daß die Jungen bei dieser Nahrung sehr wohl gediehen. Vollkommenen Aufschluß verdanken wir Girtanner. »Die sehr unklaren und sich wiedersprechenden Angaben über die Ernährungsweise der Bachamsel in der Freiheit«, schreibt er, »hatte schon seit langem den Wunsch in mir erregt, diesen Punkt durch beharrliche Forschung aufzuklären. Aber trotz hundertfältiger Beobachtung in ihrem freiesten Treiben war ich nicht im Stande, namentlich über die Frage ihrer Fischliebhaberei klar zu werden. Wohl beobachtete ich den Vogel, wie er mit gelüfteten, beziehentlich aufgebauschten Flügeln auf dem Grunde des seichten Wassers dahinrennend Kerfe fing, wie er die Wassermoosklumpen durchwühlte und sich dabei gut stand, wie er auch Frosch- und Fischlaich nicht verachtete; aber Fische fangen sah ich ihn nie, obwohl es mir vorkommen wollte, als verfolge er solche. Um diese Frage aufzuklären, gab es nur ein Mittel: den Vogel zum Hausgenossen zu machen. Ums Neujahr erhielt ich zwei alte, welche ich jedoch nur unter der Bedingung annahm, daß mir gleichzeitig mit denselben täglich die nöthige Anzahl kleiner Fischchen geliefert werden mußte. Die Vögel kamen mit sammt den Fischen bei mir an: und entlarvt waren die Fischer. Vielfältige Beobachtungen zeigten, daß der Wasserschwätzer jedem ihm im Wasser zu Gesichte kommenden Fische nachstürzte, die Beute nach einigen Sprüngen und Stößen faßte, möglichst rasch vor der Hand ans Ufer warf und erst dann zu näherer Besichtigung herbeikam. Stellte sich der Fisch als zu groß heraus, so ließ er ihn einfach liegen und verderben, tauchte aufs neue und holte sich einen zweiten. War ihm dieser mundgerecht, so erfaßte er ihn quer über der Mitte des Leibes, schlug ihn mit Gewalt links und rechts an die Steine, bis er in Stücke ging und schlang diese einzeln herunter, um dasselbe Spiel erstaunlich bald zu wiederholen. Ich mußte immer auf einen Bedarf von zwanzig bis dreißig fingerlangen Fischchen auf den Tag für jedes Stück rechnen. Sobald aber Frühlingswitterung eintrat, gingen die gefangenen zu Nachtigallfutter über und mieden die Fischnahrung vollständig.« Ein uns befreundeter Müller, dessen Mühle der Mittelpunkt des Gebietes eines Wasserschwätzerpaares ist, beobachtete, daß derVogel bei strenger Kälte das geronnene Fett, mit welchem die Zapfen der Mühlräder geschmiert werden, sehr gern frißt und angesichts des Müllers keck mit dem Schnabel abpickt.
Das tägliche Leben des Wasserschwätzers verläuft, laut Alexander von Homeyer, wie folgt: So lange das Wasser des Gebirgsbaches klar und hell ist, treibt es der Vogel in seiner gewöhnlichen Weise. Er ist munter, sobald der erste Schimmer im Osten sich zeigt, und in ununterbrochener Thätigkeit bis zum Eintritte der Dunkelheit. In den Morgenstunden wird fleißig gesungen, nebenbei eifrig gejagt; dann gibt es vielleicht etwas Kampf und Streit mit einem aufdringlichen Nachbar: aber auch solcher unterbricht das tägliche Geschäft nur auf wenige Minuten; denn das Gefecht ist bald beendet und der Eindringling in die Flucht geschlagen. Kommt der Mittag heran und drückt die Sonne, so sucht der Wasserschwätzer in seinen beliebten Versteckplätzen, in Gestein oder Wurzelhöhlungen am Ufer, zumal am überhängenden Ufer, Schutz und verträumt hier, die weiße Brust dem Wasser zugekehrt, einige Stunden, läßt jedoch auch um diese Zeit etwas genießbares nicht gleichgültig an sich vorüberziehen. Gegen Abend wird wieder eifrig gefischt, gejagt, getaucht und gesungen; dann begibt sich jeder nach einer jener Höhlungen, welche man als Schlafplätze daran erkennen kann, daß sie mehr als andere mit dem Kothe des Vogels beschmutzt sind. Solange es Tag war, sieht man den Wasserschwätzer immer wach, immer munter, immer regsam, immer in Thätigkeit, und solange dies der Fall, behält er auch seine ewig heitere Laune bei. Anders gestalten sich die Verhältnisse, wenn längere Zeit hindurch Regen fällt und die sonst so klaren Fluten auch seiner Bäche sich trüben. Dann wird es ihm schwer, die ihm nothwendige Menge von Nahrung zu erwerben, und er muß daher zu besonderen Künsten seine Zuflucht nehmen. Nunmehr verläßt er seine Lieblingssitzplätze inmitten des brausenden Flusses und begibt sich an jene Uferstellen, wo von oben herab Gras in das Wasser hängt, oder zu einzelnen Wasserpflanzen, welche die Strömung auf der Oberfläche schwimmend erhält. Zwischen diesen Pflanzen fischt er jetzt eifrig nach Art der Enten umher, indem er zwischen ihnen umherwadet oder, wo das Wasser tief ist, schwimmt und mit dem Schnabel jeden Halm, jedes Blatt oder jede Ranke umwendet, um die auf der Kehrseite sitzenden Wasserthierchen abzulesen. Hält der Regen längere Zeit an, so kommt er zuweilen in harte Noth, und wird infolge der Entbehrung trübe gestimmt. Dann endet jeder Gesang und jede unütze Bewegung. Im ärgsten Nothfalle besucht er auch die stillen Buchten am Ufer, welche er sonst meidet, und betreibt hier seine Jagd. Aber sobald das Wasser sich wieder klärt und die Sonne wieder unverhüllt vom Himmel hernieder schaut, ebensobald hat er auch seine gute Laune wieder gewonnen und ist wieder ebenso heiter und fröhlich geworden, als er es jemals war.
Ueber die Fortpflanzung hat mein Vater schon vor fast sechzig Jahren ausführliche Beobachtungen veröffentlicht und dieselben später vervollständigt. »Der Wasserschwätzer«, sagt er, »brütet ungestört gewöhnlich nur einmal, ausnahmsweise jedoch auch zweimal im Jahre, das erste Mal im April. Zu Anfange dieses Monats fängt er an zu bauen und um die Mitte desselben zu legen. Das Nest steht immer am Wasser, besonders da, wo ein Felsen über dasselbe hinweg- oder an demselben emporragt, wo ein Erlenstock oder ein Wehr eine passende Höhlung bildet, auch unter Brücken, Wasserbetten, in den Mauern der Radstuben von Mühlen, Eisenhämmern und dergleichen, selbst in den Schaufeln der Mühlräder, wenn diese eine Zeitlang still gestanden haben. Am angenehmsten ist es unserm Vogel, wenn er das Nest so anbringen kann, daß vor demselben eine Wassermasse hinabstürzt. Dann ist es natürlich vollkommen gegen die Nachstellungen der Katzen, Marder, Iltisse und Wiesel geschützt und nur noch den Ratten zugänglich. Zu einem solchen Neste, welches ich in der Radstube einer Mühle sah, konnte ich nicht eher gelangen, als bis der Mühlenbesitzer mir zur Liebe das Wasser abgesperrt hatte. Das Nest besteht äußerlich aus Reisern, Grasstengeln, Graswurzeln und Grasblättern, Strohhalmen, oft auch aus Wasser- oder Erdmoos, und ist inwendig mit Baumblättern ausgelegt. Es ist locker gebaut, aber dickwandig, inwendig tiefer als eine Halbkugel und hat stets einen engen Eingang, der gewöhnlich dadurch entsteht, daß jenes die Höhlung, in welcher es sich befindet, ganz ausfüllt. Ist aber das Nistloch zu groß, dann bekommt es eine Decke, wie ein Zaunkönigsnest, und ein enges Eingangsloch. Es besteht dann großentheils aus Moos. In der Schaufel eines Mühlenrades füllt es diese gewöhnlich zum Theil aus und ist mit großer Kunst in eine nach unten sich öffnende so angebracht, daß es nicht herausfallen kann, dann zuweilen sechzig Centimeter lang. Man findet darin vier bis sechs Eier, welche zweiundzwanzig bis sechsundzwanzig Millimeter lang und achtzehn bis neunzehn Millimeter dick, sehr verschieden gestaltet, dünn- und glattschalig, mit deutlichen Poren und glänzend weiß sind. Das Weibchen bebrütet sie so emsig, daß man es auf ihnen oder auf den zarten Jungen ergreifen kann, erzieht aber dennoch gewöhnlich nur zwei, seltener drei Junge; das Faulen mehrerer Eier dieses Vogels rührt wahrscheinlich daher, daß das Nest oft ganz feucht ist. Wenn die Alten bei dem Neste nicht gestört werden, legen sie ihr scheues Wesen ab und werden zutraulich, so daß sie sich vor den Menschen wenig fürchten. Besonders hübsch sieht es aus, wenn sie, um zu ihrer Brut zu gelangen, einen Wassersturz durchfliegen.« Zur Vervollständigung des vorstehenden will ich noch erwähnen, daß der Wasserschwätzer zuweilen auch vollständig freistehende Nester auf Steinplatten am Rande des Baches baut und infolge der übereinstimmenden Färbung der Baustoffe mit der Umgebung dennoch auf Schutz seiner Brut rechnen darf. Tschusi, welchem wir diese Mittheilung verdanken, erzählt, daß die von ihm aus solchem Neste gescheuchten Jungen sofort ins Wasser stürzen, untertauchen, in der Tiefe geschickt fortschwimmen, bis sie eines der ausgehöhlten Ufer erreichen, um sich hier zu verbergen. Junge, welche Tschusi fing und wieder ins Wasser brachte, tauchten sogleich unter, streckten den Hals weit vor und förderten sich, nur mit den Füßen stoßend, die halb ausgewachsenen Flügel als Ruder benutzend, stoßweise so rasch fort, daß sie mit fünf bis sechs Stößen gewöhnlich an ihrem Versteckplatze angekommen waren.
Feinde der Wasserschwätzer sind die nächtlich umherschleichenden Raubthiere, welche, wenn es einer leckeren Beute gilt, auch einen Sprung ins Wasser nicht scheuen. Die Brut mag öfters von Katzen geraubt werden; alte Vögel lassen sich von diesen Raubthieren kaum bethören. Raubvögel unterlassen es wohlweislich, auf Wasserschwätzer Jagd zu machen, weil diese bei ihrem Erscheinen sofort in die sichere Tiefe stürzen. Von einzelnen Fisch-, zumal Forellenzüchtern, sind auch unsere Schwätzer auf die Liste derjenigen Vögel gesetzt worden, deren Vertilgung nothwendig erscheint, und Girtanners Beobachtung ist nur zu sehr geeignet, ihre Verfolgung anscheinend zu rechtfertigen. Thatsächlich aber dürfte der Schaden, welchen sie einer Fischzucht zufügen, kaum nennenswerth sein. »Soll man sie vertilgen?«, fragt Girtanner. »Nein, schonen! denn erstens bedient sich die Bachamsel nur während kurzer Zeit des Jahres der Fischnahrung und auch dann nur, wenn sie die Fischchen bekommt, was ihr im Freien sehr schwer zu fallen scheint. Im übrigen Jahre vertilgt sie eine Menge von Kerbthieren zu Wasser und zu Lande.« Und außerdem, füge ich hinzu, ist sie eine Zierde jedes Gewässers, welche zu erhalten in unserer vernichtungssüchtigen Zeit dringend angerathen werden dürfte. Zum Glück sind Jagd und Fang des Wasserschwätzers nicht jedermanns Sache. Erstere erfordert einen geübten Schützen und der Fang gelingt mit Sicherheit auch nur dann, wenn man unter einer Brücke ein Klebenetz ausspannt, in welchem sich der Vogel beim Durchfliegen fängt. Eine absonderliche Fangweise beschreibt mir Alexander von Homeyer. »Ein Vogelliebhaber im Voigtlande weiß sich der Wasserschwätzer mit ziemlicher Sicherheit zu bemächtigen. Er beobachtet gegen Abend den Vogel, wenn er in seine Nachtherberge, also in eine Röhre oder ein Loch des steilen Uferrandes einschlüpft, wartet die völlige Dunkelheit ab und beginnt nun seine Jagd. Im Wasser wadend, schleicht er längs des Ufers dahin, in der Hand eine Blendlaterne tragend, deren Leuchtfeld beliebig geöffnet und verschlossen werden kann. Mit dieser leuchtet er plötzlich in die betreffende Oeffnung hinein und blendet dadurch den Vogel derart, daß er ihn mit der Hand ergreifen kann. Ich erhielt, Dank dieser Fangart, den einzigen Wasserschwätzer, welchen ich jemals im Käfige gesehen habe. Leider gelang es mir nicht, den anziehenden Vogel an seine Gefangenschaft zu gewöhnen. Der Wildfang zeigte sich sehr störrisch, setzte sich in die hinterste dunkle Ecke des Behälters und verweigerte hartnäckig jegliche Nahrung. Das Stopfen mit Ameiseneiern und Mehlwürmern blieb ohne Erfolg; denn schon am sechsten Tage war mein Vogel eine Leiche. Rührend und an die Sage über den Tod des Singschwans erinnernd, war das Ende des Thieres. Ich hatte es in die Hand genommen, um es wieder einmal zu stopfen, da stimmte es seinen flötenden Gesang an und – verschied.« Girtanner hat bessere Erfolge erzielt als Alexander von Homeyer, jung dem Neste entnommene, regelmäßig aufgefüttert, und selbst alt eingefangene an das Futter gewöhnt. Einige Paare habe ich von ihm erhalten und längere Zeit gepflegt, und ich darf wohl sagen, daß mir wenige Vögel unseres Vaterlandes größere Freude bereitet haben als sie.