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In der Alten Welt werden die Zuckervögel durch die Honigsauger ( Nectariniidae) vertreten. Sie sind kleine, zierlich gebaute Vögel, welche theilweise in den prachtvollsten Farben prangen und dadurch auch an die Kolibris erinnern. Doch unterscheiden sie sich von diesen sofort durch ihre kurzen Flügel und die langläufigen Füße, demgemäß aber auch durch die Lebensweise, und deshalb ist es gewiß nicht richtig, sie, wie es oft geschehen ist, als die altweltlichen Vertreter der Kolibris anzusehen. Die Kennzeichen der Honigsauger sind gedrungener Leib, gestreckter, sanft gebogener, dünner und spitziger Schnabel, ziemlich hochläufige und schlankzehige Füße, mittellange Flügel, deren Handtheil aus zehn Schwingen besteht, und entweder gerade abgestutzter oder zugerundeter oder keilförmig zugespitzter Schwanz, dessen beide Mittelfedern außerdem noch sehr verlängert fein können. Die Zunge ist lang, röhrenförmig, tief gespalten und ausstreckbar. Das Gefieder ist nicht bloß nach den Geschlechtern, sondern auch nach der Jahreszeit verschieden gefärbt.
Die Familie, welche ungefähr einhundertundzwanzig Arten zählt, verbreitet sich über Afrika, Asien und Oceanien; der erstgenannte Erdtheil ist besonders reich an Arten. Wo die Honigsauger vorkommen, sind sie häufig und deshalb eine außerordentliche Zierde der Wälder, Gebüsche und Gärten. Ihr Wesen und Treiben ist höchst anziehend; denn sie gehören zu den begabtesten und liebenswürdigsten Mitgliedern ihrer Ordnung. Man findet sie regelmäßig paarweise und nur kurz nach der Brutzeit in kleinen Gesellschaften, welche sich bald in einzelne Paare auflösen. Von diesen erwählt sich dann jedes einzelne ein Gebiet von ziemlichem Umfange und bewacht es vorsichtig gegen andere derselben Art, während es artlich verschiedene Verwandte duldet. Innerhalb dieses Gebietes machen sich die Honigsauger sehr bemerklich. Sie erscheinen mit einer gewissen Regelmäßigkeit an bestimmten Plätzen, da, wo gerade ein Baum in Blüte steht, gewiß, kommen oft in Gärten herein und treiben sich dann ohne Scheu vor den Menschen in unmittelbarer Nähe der Wohnungen umher. Wenn in Nordostafrika der Feigenkaktus in Blüte steht, wird er zum Vereinigungsorte aller Arten, welche die Gegend beherbergt. Dasselbe gilt für die Wälder, wenn hier eine blühende Mimose vereinzelt unter anderen Bäumen steht; dies gilt für alle Bäume, deren Blüten Kerbthiere herbeilocken. In der Zeit der Liebe brüsten sich die Männchen mit ihrer Schönheit, nehmen sonderbare Stellungen an, bewegen sich in eigenthümlicher Weise und singen dabei auch recht niedlich. Das Nest ist ein kunstreicher Bau, welcher in den meisten Füllen an dünnen Zweigen aufgehängt wird. Das Gelege zählt wenige Eier von reinweißer Färbung.
Zu denjenigen Arten, welche lebhaft gefärbt, aber nicht oder wenig metallglänzend sind und einen keilförmigen Schwanz besitzen, dessen Mittelfedern verlängert sind, gehört der Erzhonigsauger ( Nectarinia metallica, Cinnyris und Hedydipna metallica). Die Sippe, welche er vertritt, kennzeichnet sich durch kaum kopflangen, geraden und wenig gebogenen Schnabel, verhältnismäßig kurze Flügel, in denen die zweite bis fünfte Schwinge gleich lang und die längsten sind, und keilförmigen Schwanz, dessen beide Mittelfedern sich bedeutend über die übrigen verlängern. Das Männchen ist auf Kopf, Hals, Rücken und Schulterdecken erzgrün, auf der Unterseite hochgelb; ein Brustgürtel und der Bürzel sind violettglänzend, die Schwingen und Schwanzfedern schwarzblau. Das Auge ist braun, der Schnabel und die Füße sind schwarz. Das Weibchen ist hell olivenbräunlich, auf der Unterseite schwefelgelb; die Schwingen und Schwanzfedern sind blaß gesäumt. Die Jungen ähneln der Mutter, sind aber noch blasser. Die Länge beträgt einhundertundfunfzig, die Fittiglänge fünfundfunfzig, die Länge der mittelsten Schwanzfedern neunzig, die der übrigen fünfundvierzig Millimeter.
Der Erzhonigsauger ist der erste Vogel der Wendekreisländer, welchem man begegnet, wenn man, vom Norden kommend, ins Innere Afrikas eindringt. Wenn er auch anfänglich nur einzeln gefunden wird, reicht er doch bis weit über die Grenze hinaus, welche andere mit ihm in derselben Heimat lebende Vögel streng innehalten. Ihn trifft man an, sobald man den Wendekreis überschritten hat. In Mittelnubien fehlt er, weil die Gegend zu arm ist, ihn zu ernähren, weil die schwarzen Felsmassen zu beiden Seiten des Nils nicht einmal der so wenig begehrenden Mimose Raum geben. Da aber, wo die Mimose wieder sich zeigt, vermißt man ihn nicht. Denn der Baum ist sein ein und alles: auf ihm beginnt, auf ihm verfließt, auf ihm endet sein Leben! Wenn er wirklich einmal den Ischr ( Calotropis procera) besucht, so hält er sich dort doch nur aus, um rasch die großen und kerbthierreichen Blüten zu durchforschen, oder aber, um die ihm zum Baue seines Nestes so erwünschte Pflanzenwolle dieses Strauches aufzusammeln. Das gleiche gilt für einige Nutzpflanzen, welche in den Gärten der Stadt gezogen werden, namentlich für den Feigenkaktus, dessen große gelbe Blüten von Kerbthieren sehr heimgesucht werden.
Auch ihn sieht man regelmäßig paarweise, an günstigen Orten allerdings sehr häufig. Hier muß sich jedes Paar einschränken, und es begnügt sich auch mit wenigen blütentragenden Bäumen oder zeitweilig mit einer einzigen Hecke des Feigenkaktus. Als echter Sonnenvogel ist er morgens und abends ruhig und still; wenn aber der heiße Mittag über der Erde liegt und die Glutstrahlen der scheitelrecht herabblitzenden Sonne alle anderen Vögel einem kühlen, schattigen Plätzchen zugescheucht haben, wenn sie alle der Ruhe pflegen: da treibt er es am lustigsten. Von Blüte zu Blüte geht sein Flug, fressend, schreiend, singend, immer in treuer Gemeinschaft mit seinem Weibchen. Vor anderen Vögeln scheut er sich wenig, und auch den Menschen gestattet er, nahe an ihn heranzukommen und ihn zu beobachten. Wenn man eine gerade in voller Blüte stehende Mimose gefunden hat, braucht man sich nur unter ihr aufzustellen, und man wird selten längere Zeit auf ihn warten müssen.
Mit raschem, schwirrendem Fluge kommt er an, setzt sich zwischen die Dornen in das Gezweigs hinein, schaut sich sehnsüchtig nach seinem Weibchen um, ruft ihm zärtlich sein »Tschai, tschähi, tschä, tschi« entgegen und beginnt nun eilfertig die Blüten zu untersuchen. Dabei richtet er sich hoch auf und legt das Gefieder glatt an den Leib, so daß er sehr schlank erscheint, fliegt von einer Blüte zur anderen und stößt in jede derselben drei- oder viermal sehr rasch nach einander das Schnäbelchen ein, um die verschiedenen Kerfe, welche sich im Inneren aufgesammelt haben, herauszuholen. Aber nicht bloß die kleinen Kerbthiere bilden seine Nahrung; er hascht auch nebenbei geschwind eine Fliege weg und folgt einer solchen oder einem anderen summenden Kerbthiere selbst in der Luft nach. So oft er eine Blüte ausgesucht hat, schreit er gleichsam fröhlich auf und fliegt dann ein wenig weiter, einer zweiten Blüte zu, und das Weibchen folgt ihm überall hin getreulich nach.
Beide Gatten eines Paares sind außerordentlich zärtlich gegen einander, und namentlich das Männchen überhäuft sein Weibchen förmlich mit Artigkeiten aller Art. Außer dem Locktone, welcher höchst zart hervorgestoßen wird, singt es ein recht hübsches Liedchen. Der Gesang pflegt mit der Strophe »Ta, tat, taiti« zu beginnen und geht dann nach Art mancher Schilfsänger weiter, ziemlich verworren, mit spinnenden und schnarrenden Tönen vermischt. Der Sänger sträubt dabei die Kopffedern, läßt die Flügel hängen und breitet sie ein wenig, stelzt den Schwanz, so daß er fast senkrecht steht, dreht und wendet sich nach allen Seiten hin und spiegelt sein Gefieder im Strahle der Sonne. Wie der Pfau weiß er die Pracht der Farben Wohl zu würdigen und bemüht sich deshalb auch, jeden Theil seines schönen Gewandes im besten Lichte zu zeigen. Das Weibchen äfft ihm in erheiternder Weise jede Bewegung nach, so weit ihm dies möglich ist. Ebenso groß wie die Zärtlichkeit ist aber auch seine Eifersucht. Er duldet kein anderes Männchen in seinem Gebiete und fällt über jeden Eindringling mit Heftigkeit her, verfolgt ihn aufs eifrigste durch die Luft und die ärgsten Dornen hindurch und rastet nicht, bis er ihn aus den Grenzen seines Reiches vertrieben hat.
Die Brutzeit ist verschieden, je nach der Oertlichkeit oder richtiger, je nachdem der Frühling zu dieser oder jener Zeit des Jahres eintritt. In Südnubien und in der Samhara beginnt der Nestbau sofort nach vollendeter Mauser, im März und April; im eigentlichen Sudan hingegen fand ich Nester im Spätsommer, nach Anfang der Regenzeit. Es hält schwer, diese von den Nestern der Verwandten zu unterscheiden. Sie sind an den äußersten Spitzen der Bäume, namentlich der Mimosen, aufgehängt, selten hoch über dem Boden, zuweilen so niedrig, daß man sie eben noch mit der Hand erreichen kann, manchmal auch höher oben in der Krone nahe dem Wipfel. Die Gestalt des Nestes ist eiförmig, bald länglicher, bald rundlicher, zuweilen auch walzig und dann oben und unten gerundet. Das Flugloch befindet sich oben an der Seite. Die Pflanzenwolle des Ischr bildet den hauptsächlichsten Baustoff; aus ihr werden die Wandungen zusammengefilzt und gefügt. Im Inneren ist das Nest mit Haaren, Spinnweben und auch wohl mit Blütenfasern ausgekleidet. Sehr gern hängt es der Vogel so auf, daß der Eingang durch Blätter gedeckt ist. Beide Geschlechter bauen außerordentlich eifrig und bedürfen wenigstens zwei Wochen zur Vollendung des Kunstwerkes. Drei bis vier länglich eigestaltige, etwa einundzwanzig Millimeter lange und zwölf Millimeter dicke, auf weißem, morgenröthlich überhauchtem Grunde mit einzelnen dunkelgrauen und bräunlich veilchenfarbenen Spritzflecken gezeichnete Eier bilden das Gelege und werden, wie ich glaube, vom Weibchen allein ausgebrütet. Ueber die Erziehung der Jungen habe ich keine Beobachtungen sammeln können. Als auffallend muß es erscheinen, daß diese Honigsauger wie andere Verwandte zuweilen mit dem Nestbaue beginnen, noch ehe sie ihr Hochzeitskleid angelegt haben. Möglicherweise bauen sie sich also nur Vergnügungsnester und denken noch gar nicht ernstlich an die Fortpflanzung. Doch muß ich hierzu bemerken, daß die Zergliederung des Vogels das Gegentheil zu beweisen schien.
Welche Feinde der Erzhonigsauger und seine Verwandten eigentlich haben, vermag ich nicht zu sagen. Ich habe nie gesehen, daß irgend ein Raubvogel nach einem Mitgliede dieser Familie gestoßen hätte. Die Gewandtheit der kleinen Gesellen und die Dornen der Mimosen, zwischen denen sie sich beständig herumtreiben, schützen sie gegen Angriffe der Sperber und anderer Falken. Dagegen werden die Nester unzweifelhaft ebenso gut, wie alle anderen, von den Affen geplündert.