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27. Familie: Meisen (Paridae).

Eine ziemlich scharf umgrenzte Familie bilden die Meisen (Paridae). Ihr Schnabel ist kegelförmig, gerade und kurz, auf der Firste gerundet, an den Seiten zusammengedrückt, an den Schneiden scharf; die Füße sind stark und stämmig, die Zehen mittellang und kräftig, die Nägel verhältnismäßig groß und scharf gekrümmt, die Flügel, unter deren Schwingen die vierte und fünfte die Spitze bilden, kurz und gerundet; der Schwanz ist meist kurz und dann gerade abgeschnitten oder nur wenig ausgeschweift, zuweilen aber auch lang und dann stark abgestuft, das Gefieder dicht, weich und lebhaft gefärbt.

Die Familie verbreitet sich über den ganzen Norden der Erde, tritt aber auch im indischen, äthiopischen und australischen Gebiete auf. Einige zu ihr gehörige Arten zählen zu den Wander-, andere zu den Stand- oder zu den Strichvögeln, welche zu gewissen Zeiten in zahlreicher Menge durch das Land ziehen, doch ihre Reisen niemals weit ausdehnen, sich vielmehr immer nur in einem sehr beschränkten Gebiete bewegen. Ihr eigentliches Wohn- und Jagdgebiet ist der Wald; denn fast sämmtliche Arten leben ausschließlich auf Bäumen und Sträuchern und bloß wenige mehr im Röhrichte als im Gebüsche. Sie vereinigen sich nicht bloß mit ihresgleichen, sondern auch mit anderen Arten ihrer Familie, unter Umständen selbst mit fremdartigen Vögeln, in deren Gesellschaft sie dann tage- und wochenlang verbleiben können.

Ihr Wesen und Treiben ist höchst anziehend. Sie gehören zu den lebendigsten und beweglichsten Vögeln, welche man kennt. Den Tag über sind sie keinen Augenblick ruhig, vielmehr fortwährend beschäftigt. Sie fliegen von einem Baume zum anderen und klettern ohne Unterlaß auf den Zweigen umher; denn ihr ganzes Leben ist eigentlich nichts anderes als eine ununterbrochene Jagd. Ihre Begabungen müssen als vielseitig bezeichnet werden. Auf dem Boden sind sie freilich recht ungeschickt, verweilen deshalb hier auch niemals lange, sondern kehren immer bald wieder zu den Zweigen zurück. Hier hüpfen sie gewandt hin und her, hängen sich geschickt nach unten an, wissen in den allerverschiedensten Stellungen sich nicht bloß zu erhalten, sondern auch zu arbeiten, klettern recht gut und zeigen sich im Durchschlüpfen und Durchkriechen dichtverflochtener Stellen ungemein behend. Der Flug ist schnurrend, kurzbogig und scheinbar sehr anstrengend; die meisten Arten fliegen deshalb auch nur selten weit, vielmehr gewöhnlich bloß von einem Baume zum anderen. Die Stimme ist ein feines Gezwitscher, welches dem Pfeifen der Mäuse nicht unähnlich ist und fortwährend, scheinbar ohne alle Veranlassung, ausgestoßen wird.

Viele Meisen verzehren neben Kerbthieren auch Sämereien; die Mehrzahl dagegen hält sich ausschließlich an erstere und jagt vorzugsweise kleineren Arten, noch mehr aber deren Larven und Eiern nach. Gerade hierin liegt die Bedeutung dieser Vögel für das Gedeihen der Bäume, welche wir die unseligen nennen. Die Meisen brauchen wegen ihrer ewigen Regsamkeit eine verhältnismäßig sehr große Menge von Nahrung. Sie sind die besten Kerbthiervertilger, welche bei uns leben. Wenig andere Vögel verstehen so wie sie die Kunst, ein bestimmtes Gebiet auf das gründlichste zu durchsuchen und die verborgensten Kerbthiere aufzufinden. Regsam und unermüdlich, gewandt und scharfsinnig, wie sie sind, bleibt ihnen wenig verborgen und unerreichbar. Sie sind die treuesten aller Waldhüter, weil sie in einem bestimmten Gebiete verweilen und zu jeder Jahreszeit ihrem Berufe obliegen. Der Nutzen, welchen sie bringen, läßt sich unmöglich berechnen; zu viel ist aber gewiß nicht gesagt, wenn man behauptet, daß eine Meise während ihres Lebens durchschnittlich täglich an tausend Kerbthiere vertilgt. Darunter sind sicherlich viele, welche unseren Bäumen keinen Schaden zufügen; die meisten Eier aber, welche die Meisen auflesen und zerstören, würden sich zu Kerfen entwickelt haben, deren Wirksamkeit eine durchaus schädliche ist. Jeder vernünftige Mensch sollte nach seinen Kräften mithelfen, so nützliche Vögel nicht bloß zu schützen, sondern auch zu hegen und zu pflegen, ihnen namentlich Wohnstätten zu gründen im Walde, indem er alte, hohle Bäume ihretwegen stehen läßt oder ihnen durch Aufhängen von Brutkästen behülflich ist. Das größte Uebel, an welchem unsere deutschen Meisen leiden, ist Wohnungsnoth; dieses Uebel aber nimmt, falls nicht Gegenmaßregeln getroffen werden, in stetig sich steigerndem Umfange zu und schadet dem Bestande der nützlichen Vögel mehr als alle Feinde, einschließlich des Menschen, zusammen genommen schaden konnten. Zum Glücke für den Wald vermehren sie sich sehr stark; denn sie legen größtenteils zweimal im Jahre und jedesmal sieben bis zwölf Eier. Die zahlreiche Brut, welche sie heranziehen, ist schon im nächsten Frühjahre fortpflanzungsfähig.

Im Käfige sind viele Meisen höchst unterhaltend. Sie gewöhnen sich überraschend schnell an die Gefangenschaft, werden aber selten eigentlich zahm. Mit anderen Vögeln darf man sie nicht zusammensperren; denn sie überfallen selbst die größeren mörderisch, klammern sich auf ihrem Rücken fest, tödten sie durch Schnabelhiebe, brechen ihnen die Hirnschale auf und fressen das Gehirn der erlegten Schlachtopfer mit derselben Begierde, mit welcher ein Raubvogel seine Beute verzehrt.


Der Schnabel der Beutelmeisen ( Aegithalus), welche nach Auffassung einzelner Forscher eine besondere gleichnamige Unterfamilie ( Aegithalinae) bilden, ist echt pfriemenförmig, an der Spitze der beiden Kinnladen kaum merklich abwärts gebogen, der Fuß durch seine ungemein kräftigen Zehen ausgezeichnet, der Flügel kurz und stumpf, in ihm die dritte, vierte und fünfte Schwinge über die anderen verlängert, der Schwanz mittellang, schwach ausgeschnitten, das Gefieder sehr weitstrahlig und locker. Die Männchen sind etwas größer und schöner gefärbt als die Weibchen; die Jungen weichen in der Färbung und Zeichnung von beiden Eltern ab.

Beutelmeisen ( Aegithalinae

Die Beutelmeise oder Remiz ( Aegithalus pendulinus, Parus pendulinus, polonicus und narbonensis, Paroides pendulinus, Pendulinus polonicus, medius und macrourus) ist eine der kleinsten Arten der Familie. Ihre Länge beträgt einhundertzweiundzwanzig, die Breite einhundertundachtzig, die Fittiglänge sechsundfunfzig, die Schwanzlänge fünfundfunfzig Millimeter. Stirne, Zügel und ein Fleck unter dem Auge sind schwarz, der Oberkopf, mit Ausnahme des weißlichen Vorderkopfes, Nacken und Hinterhals schmutziggrau, Mantel und Schultern zimmetgelbroth, Bürzel, Oberschwanz- und kleine obere Flügeldecken rostbräunlich, Kinn und Kehle rein weiß, die übrigen Untertheile isabellweiß, Schwingen und Steuerfedern braunschwarz, außen fahlweiß gesäumt, die Armschwingendecken kastanienrothbraun. Das Auge ist braun, der Schnabel mehr oder weniger dunkelschwarz, an den Schneiden weißlich, der Fuß schwarz oder grauschwarz. Das Weibchen hat schmutzigere Farben und weniger Schwarz an der Stirne und den Kopfseiten. Den Jungen fehlt der schwarze Zügelstreifen; ihre Oberseite ist rostgrau, ihre Unterseite rostgelbgrau. Der Osten unseres Erdtheiles, Polen, Rußland, Galizien, Südungarn, die Donautiefländer, die Türkei, Griechenland, Kleinasien und Südfrankreich sind die Heimat dieses überaus zierlichen Vogels. In Deutschland gehört er zu den Seltenheiten, obgleich er wiederholt beobachtet oder wenigstens das von ihm gebaute Nest nach seinem Wegzuge aufgefunden worden ist. Sümpfe und ihnen ähnliche Oertlichkeiten bilden seine Wohnsitze, Dickichte, zumal mittelalte, dichte Bestände der Weiden- und Pappelarten, seine Aufenthalts- und Wohnorte. Ob man ihn als Zugvogel betrachten darf, oder ob er nur Strichvogel ist, hat bis jetzt noch nicht entschieden werden können. So viel steht fest, daß er ziemlich regelmäßig im Jahre, und zwar im März auf seinen Brutplätzen eintrifft und sie im September oder Oktober, wenigstens theilweise, wieder verläßt. Gelegentlich seiner Wanderungen erscheint er in den Ländern, welche außerhalb des eigentlichen Verbreitungskreises liegen, so mit einer gewissen Regelmäßigkeit an manchen Seen Nord- oder Ostdeutschlands.

Durch ihre Lebhaftigkeit, Gewandtheit und Keckheit gibt sich die Beutelmeise als würdiges Mitglied ihrer Familie zu erkennen. Auch ihre Bewegungen und Lockstimme sind meisenartig. Sie klettert geschickt im Gezweige und wohl auch im Rohre auf und nieder, hält sich möglichst verborgen und läßt ihr weit hörbares, klingendes »Zitt« fast ohne Unterbrechung hören. Unruhig, wie sie ist, macht sie sich beständig mit etwas zu schaffen und ist innerhalb ihres Gebietes bald hier, bald dort. Ihr Flug ist hurtig, gewandt, aber eigentümlich zuckend; sie vermeidet auch so viel wie möglich, über Strecken zu fliegen, auf denen sie sich nicht decken kann. Allerlei Kerbthiere, namentlich solche, welche sich im Röhrichte aufhalten, deren Larven und Eier bilden die Nahrung. Im Winter begnügt sie sich mit Gesäme des Rohres und Sumpfpflanzen.

Besonderer Beachtung werth ist das Fortpflanzungsgeschäft dieser Meise. Sie gehört zu den ausgezeichnetsten Baukünstlern, welche wir kennen. Ihr Nest, ein herrliches Kunstwerk, ist nur an seinem oberen Ende befestigt und hängt also, wie die Nester der Webervögel, frei, in den meisten Fällen über das Wasser herab. Nur ein einziges Mal, und zwar gelegentlich der als Gast des Kronprinzen Rudolf von Oesterreich unternommenen Jagdreise im Frühlings des Jahres 1878, habe ich das Glück gehabt, die Beutelmeise am Neste zu beobachten und muß deshalb Baldamus, welcher die beste Schilderung gegeben, für mich reden lassen. »Ich habe«, sagt dieser treffliche Forscher, »sieben Wochen lang fast täglich den kleinen Nestkünstler bei seinem Nist- und Brutgeschäfte beobachten können und mehr als dreißig Nester gesehen und in Händen gehabt. Wenn es überhaupt höchst anziehend ist, die kunstreichen Nestbauer bei ihrer Arbeit zu belauschen, so hat diese Beobachtung bei unserem Vogel doppelten Reiz, da er wegen seiner Harmlosigkeit den Zutritt zu seiner Werkstätte durchaus nicht erschwert. Ich beobachtete den ganzen Gang der Arbeit und sah und nahm Nester in den verschiedensten Zuständen der Vollendung. Das Nest fand ich (im weißen Moraste) nur an den äußersten Zweigspitzen der dort vorherrschenden Bruchweide. Obwohl stets Wasser und Schilf in der Nähe ist, ersteres wenigstens zu der Zeit des Anlegens der Nester, so befanden sich doch nicht alle unmittelbar über dem Wasser und keines so im Rohrdickichte, daß es dadurch irgendwie verdeckt worden wäre. Im Gegentheile waren die in geringer Höhe angelegten stets außer dem Bereiche des Rohrwuchses, die meisten am Rande des Rohrwaldes, am und über freiem Wasser, alle leicht aufzufinden. Sie hingen in einer Höhe von vier bis fünf Meter über dem Boden; nur zwei waren zwei bis drei und einige sechs bis zehn Meter, eines auch nahe am Wipfel einer hohen Buchweide aufgehängt. Beide Gatten bauen gleich eifrig, und man sollte es kaum für möglich halten, daß ein so reicher Bau in weniger als vierzehn Tagen beendet werden kann. Zwar gibt es auch hier flüchtigere und ordentlichere, geschicktere und ungeschicktere Baumeister; indeß wird der liederlichere Nestbau wohl vorzugsweise durch die vorgerückte Jahreszeit bedingt, wenn, wie es häufig vorkommt, die ersten Nester durch Unfälle, besonders durch die Diebereien der ungemein häufigen und frechen Elster zerstört worden sind. In diesen Fällen werden sogar die Eier in noch nicht zur Hälfte vollendete Nester gelegt und der Bau bis zum Brüten fortgeführt. Ich fand zwei solche korbförmige Nester mit Eiern. Bezüglich der Nistzeit bindet sich die Beutelmeise nicht an den Rohrwuchs wie andere im Rohre nistende Vögel, denn sie beginnt mit dem Nestbaue bereits im April; aber man findet viele Nester auch erst im Juni und Juli.

»Was den Gang der Arbeit betrifft, so windet der Vogel fast immer Wolle, seltener Ziegen- und Wolfs- oder Hundehaare oder Bast und Hanffäden um einen dünnen, herabhängenden Zweig, welcher sich meist einige Centimeter unter dem oberen Anknüpfungspunkte in eine oder mehrere Gabeln spaltet. Zwischen dieser Gabelung werden die Seitenwände angelegt, welche daran ihren Halt finden. Der Vogel setzt sodann die Filzwirkerei so lange fort, bis die über die Gabelspitzen herabhängenden Seitenwände unten zusammengezogen werden können und einen flachen Boden bilden. Das Nest hat jetzt die Gestalt eines flachrandigen Körbchens, und solche Nester sind es, welche man früher als Vergnügungsnester der Männchen angesehen hat. Der hierzu gebrauchte Stoff ist Pappel- oder Weidenwolle mit eingewirkten Bastfäden, Wolle und Haaren; die Samenwolle wird durch den Speichel geballt und ineinander gezupft. Das Nest hat jetzt die Gestalt eines Körbchens mit dickerem, abgerundetem Boden. Nun beginnt der Bau der einen Seitenöffnung, welche bis auf ein kleines rundes Loch geschlossen wird. Währenddem wird auch die andere Seite von unten heraufgeführt. Die eine der runden Oeffnungen wird nunmehr mit einer Röhre, welche zwei bis acht Centimeter lang ist, versehen, während die andere noch geöffnet bleibt und nur am Rande geglättet und verfilzt wird. Sodann wird die eine Oeffnung geschlossen; doch sah ich auch ein Nest mit doppelter Röhre. Zuletzt wird der innere Boden des Nestes noch mit lockerer ungeballter Blütenwolle dick ausgelegt, und nun endlich ist der Bau vollendet.« Das Nest stellt jetzt einen runden Ball oder Beutel dar von fünfzehn bis zwanzig Centimeter Höhe und zehn bis zwölf Centimeter Breite, an welchem, dem Halse einer Flasche ähnlich, der bald herabgebogene und an das Nest angeheftete, bald wagerecht abstehende, runde Eingang befestigt ist. Ein solches Nest kann unmöglich mit dem eines anderen Vogels verwechselt werden, und deshalb wissen wir auch ganz genau, daß die Beutelmeise wiederholt bei uns in Deutschland genistet hat.

Sehr erklärlich ist, daß der künstliche Bau die Aufmerksamkeit der Menschen in hohem Grade erregt. Die Mongolen zum Beispiel legen, wie uns Radde mittheilt, den Nestern der Beutelmeise besondere Heilkräfte zu. »Um Wechselfieber zu heilen, läßt man den Rauch, den ein verkohltes Stückchen entbindet, einathmen; das im heißen Wasser geweichte Nest wird zum Heilen rheumatischer Uebel angewendet, indem man es auf die schmerzenden Körperstellen legt. Außerdem glauben die Mongolen, daß, im Falle das Nest zwei Oeffnungen besitzt, die darin wohnenden Gatten in Unfrieden leben, dagegen, wenn, wie gewöhnlich, eine Oeffnung da ist, daß das Männchen in dieser während der Brutzeit wacht.«

Baldamus fand nie mehr als sieben Eier, auch immer sieben Junge in einem Neste. Die Schale der etwa sechzehn Millimeter langen, elf Millimeter dicken Eier ist äußerst zart und dünn, ohne starken Glanz und feinkörnig, ihre Färbung ein schneereines Weiß, welches aber, so lange der Inhalt nicht entfernt wurde, blaßröthlich erscheint. Beide Gatten brüten, nach Angabe eines ungarischen Beobachters, abwechselnd, und beide füttern ihre Jungen gemeinschaftlich groß, hauptsächlich mit zarten Räupchen und fliegenden Kerfen, besonders solchen aus dem Mückengeschlechte.

»Ich habe«, sagt Baldamus, »vierzehn Junge längere Zeit immer zusammengehabt und mit süßem Käse und untermengten zerriebenen Hühnerherzen erhalten. Sie gingen sämmtlich sogleich ans Futter, waren stets zutraulich und zahm, stets hungrig und kamen sofort aus ihrem Neste hervor und mir zugeflogen, sobald ich nach kurzer Abwesenheit wieder ins Zimmer trat. Zwar starben auch mir bei sorgfältiger Abwartung einige; es unterliegt indeß keinem Zweifel, daß die niedlichen Vögel aufgefüttert werden können.« Daß Baldamus hierin recht hat, geht aus anderen Beobachtungen hervor; immerhin aber gehört die Beutelmeise zu den hinfälligsten Stubenvögeln.

Waldmeisen ( Parinae)

Die Waldmeisen ( Parinae) kennzeichnen sich durch kräftigen, kegelförmigen, seitlich zusammengedrückten, vorn scharfen, aber nicht nadelspitzigen Schnabel, starke, mit großen, dicken Nägeln bewehrte Füße, kurze und breite Flügel, in denen die dritte und vierte Schwinge die längsten sind, mittel- oder ziemlich langen, entweder schwach abgerundeten oder seicht ausgeschnittenen Schwanz und reiches, weitstrahliges, oft prachtvoll gefärbtes und gezeichnetes Gefieder. Die Geschlechter unterscheiden sich wenig; die Jungen ähneln der Mutter.

Die bekannteste Art der Sippe ist unsere Fink- oder Kohlmeise, Brand-, Groß-, Gras-, Spiegel-, Speck-, Schinken-, Talg- und Pickmeise ( Parus major, fringillago‚ robustus, cyanotos und intercedens), überall gegenwärtige Vertreterin und das größte europäische Mitglied der Familie und der Sippe der Waldmeisen ( Parus) insbesondere. Die Oberseite ist olivengrün, die Unterseite blaßgelb; der Oberkopf, die Kehle, ein nach unten hin sich verschmälernder Streifen, welcher über die ganze Unterseite läuft, und ein bogiger, von der Gurgel zum Hinterkopfe verlaufender zweiter Streifen sind schwarz, die Schwingen und Steuerfedern blaugrau, die Kopfseiten und ein Streifen über den Flügel weiß. Das Auge ist dunkelbraun, der Schnabel schwarz, der Fuß bleigrau. Das Weibchen unterscheidet sich durch mattere Farben und den schmäleren und kürzeren Bruststreifen. Bei den Jungen sind die Farben noch blasser. Die Länge beträgt sechzehn, die Breite fünfundzwanzig, die Fittiglänge acht, die Schwanzlänge sieben Centimeter.

Vom fünfundsechzigsten Grade nördlicher Breite an fehlt die Kohlmeise nirgends in Europa, ist aber keineswegs überall häufig, kommt in südlichen Gegenden hier und da bloß im Winter vor, verbreitet sich außerdem über ganz Mittelasien, Nordwestafrika und die Kanarischen Inseln. In Deutschland sieht man sie noch überall und zu jeder Jahreszeit, am häufigsten aber im Frühjahre und im Herbste, wenn die im Norden groß gewordenen zu uns herunterkommen und bei uns durchstreichen, jedoch keineswegs in annähernd so zahlreicher Menge als vor einem oder zwei Menschenaltern; denn keine ihrer Verwandten hat so bedeutend abgenommen wie sie. Noch fehlt sie keiner Baumpflanzung, keinem größeren Garten, leidet aber von Jahr zu Jahr mehr an Wohnungsnoth und meidet daher gegenwärtig auch nothgedrungen die Nähe der Wohnungen, woselbst sie früher ebenso häufig war wie im Walde. Zu Ausgang des September beginnt sie zu wandern, und im Anfange des Oktober ist sie in vollem Zuge. Um diese Zeit, namentlich an trüben Tagen, sieht man Hunderte von Finkmeisen dahinziehen, meist bestimmte Straßen einhaltend, oft mit anderen Meisen, Baumläufern und Goldhähnchen einem Buntspechte folgend. Im März kehren die Wanderer zurück, und im April haben sich die Scharen wiederum in Paare aufgelöst.

Die Kohlmeise vereinigt gewissermaßen alle Eigenschaften der Familienmitglieder. Wie diese ist sie ein außerordentlich lebhafter und munterer, ein unruhiger und rastloser, neugieriger, thätiger, muthiger und rauflustiger Vogel. »Es ist etwas seltenes«, sagt Naumann, »sie einmal einige Minuten lang still sitzen oder auch nur mißgelaunt zu sehen. Immer frohen Muthes durchhüpft und beklettert sie die Zweige der Bäume, der Büsche, Hecken und Zäune ohne Unterlaß, hängt sich bald hier, bald da an den Schaft eines Baumes oder wiegt sich in verkehrter Stellung an der dünnen Spitze eines schlanken Zweiges, durchkriecht einen hohlen Stamm und schlüpft behend durch die Ritzen und Löcher, alles mit den abwechselndsten Stellungen und Geberden, mit einer Lebhaftigkeit und Schnelle, die ins possirliche übergeht. So sehr sie von einer außergewöhnlichen Neugier beherrscht wird, so gern sie alles auffallende, was ihr in den Weg kommt, von allen Seiten besieht, beschnüffelt und daran herumhämmert, so geht sie doch dabei nicht etwa sorglos zu Werke; sie zeigt vielmehr in allen ihren Handlungen einen hohen Grad von Klugheit. So weiß sie nicht nur dem, welcher ihr nachstellt, scheu auszuweichen, sondern auch den Ort, wo ihr einmal eine Unannehmlichkeit begegnete, klüglich zu meiden, obgleich sie sonst gar nicht scheu ist. Man sieht es ihr, so zu sagen, an den Augen an, daß sie ein verschlagener, muthwilliger Vogel ist: sie hat einen ungemein listigen Blick.« So lange als irgend möglich hält sie sich im Gezweige der Bäume auf; zum Boden herab kommt sie selten. Sie fliegt aber auch nicht gern über weite Strecken, denn der Flug ist, wenngleich besser als der anderer Meisen, doch immer noch schwerfällig und ungeschickt. Ihre Stimme ist das gewöhnliche »Zitt« oder»Sitt«; ihm wird, wenn Gefahr droht, ein warnendes »Terrrrr« angehängt, im Schrecke auch wohl ein »Pink, pink« vorgesetzt; zärtliche Gefühle werden durch die Silben »Wüdi wüdi« ausgedrückt. Der Gesang ist einfach, aber doch nicht unangenehm; »die Töne klingen«, wie Naumann sagt, »hell wie ein Glöckchen«, etwa wie »Stiti, sizizidi« und »Sitidn sitidn«. Die Landleute übersetzen sie durch die Worte »Sitz ich hoch, so flick den Pelz«. So gesellig die Meise ist, so unverträglich, ja selbst boshaft zeigt sie sich gegen Schwächere. Erbärmlich feig, wenn sie Gefahr fürchtet, geberdet sie sich wie unsinnig, wenn sie einen Raubvogel bemerkt und erschrickt, wenn man einen brausenden Ton hervorbringt oder einen Hut in die Höhe wirft, in welchem sie dann einen Falken sieht; aber sie fällt über jeden schwächeren Vogel mordsüchtig her und tödtet ihn, wenn sie irgend kann. Schwache, Kranke ihrer eigenen Art werden unbarmherzig angegriffen und so lange mißhandelt, bis sie den Geist aufgegeben haben. Selbst größere Vögel greift sie an. Sie schleicht förmlich auf sie los, sucht sich, wie schon Bechstein beschreibt, durch einen starken Anfall auf den Rücken zu werfen, häkelt sich dann mit ihren scharfen Klauen tief in die Brust und den Bauch ein und hackt mit derben Schnabelhieben auf den Kopf ihres Schlachtopfers los, bis sie den Schädel desselben zertrümmert hat und zu dem Gehirne, ihrem größten Leckerbissen, gelangen kann. Diese Eigenschaften vermehren sich, wie es scheint, in der Gefangenschaft, sind aber auch bei den freilebenden Vögeln schon sehr ausgebildet, und deshalb ist ihr spanischer Name »Guerrero« oder Krieger, Haderer, vortrefflich gewählt.

Kerbthiere und deren Eier oder Larven bilden die Hauptnahrung der Kohlmeise, Fleisch, Sämereien und Baumfrüchte eine Leckerei. Sie scheint unersättlich zu sein; denn sie frißt vom Morgen bis zum Abende, und wenn sie wirklich ein Kerbthier nicht mehr fressen kann, so tödtet sie es wenigstens. Auch der verstecktesten Beute weiß sie sich zu bemächtigen; denn wenn sie etwas nicht erlangen kann, so hämmert sie nach Art der Spechte so lange auf der Stelle herum, bis ein Stück Borke abspringt und damit das verborgene Kerbthier freigelegt wird. Im Nothfalle greift sie zur List. So weiß sie im Winter die im Stocke verborgenen Bienen doch zu erbeuten. »Sie geht«, wie Lenz schildert, »an die Fluglöcher und pocht mit dem Schnabel an, wie man an eine Thüre pocht. Es entsteht im Inneren ein Summen, und bald kommen einzelne oder viele Einwohner heraus, um den Störenfried mit Stichen zu vertreiben. Dieser packt aber gleich den Vertheidiger der Burg, welcher sich herauswagt, beim Kragen, fliegt mit ihm auf ein Aestchen, nimmt ihn zwischen die Füße, hackt ihm seinen Leib aus, frißt mit großer Lüsternheit sein Fleisch, läßt den Panzer fallen und macht sich auf, um neue Beute zu suchen. Die Bienen haben sich indessen, durch die Kälte geschreckt, wieder ins Innere zurückgezogen. Es wird wieder angepocht, wieder eine beim Kragen genommen, und so geht es von Tag zu Tag, von früh bis zum Abende fort.« Wenn im Winter ein Schwein geschlachtet wird, ist sie gleich bei der Hand und zerrt sich hier möglichst große Stücke herunter. Alle Nahrung, welche sie zu sich nimmt, wird vorher verkleinert. Sie hält das Beutestück nach Krähen- oder Rabenart mit den Zehen fest, zerstückelt es mit dem Schnabel und frißt es nun in kleinen Theilen. Dabei ist sie außerordentlich geschäftig, und ihre Thätigkeit gewährt ein recht anziehendes Schauspiel. Hat sie Ueberfluß an Nahrung, so versteckt sie sich etwas davon und sucht es zu passender Zeit wieder auf.

siehe Bildunterschrift

Deutsche Meisen.
1 Fink-, 2 Blau-, 3 Hauben-, 4 Sumpf- und 5 Tannenmeise.

Das Nest wird bald nahe über dem Boden, bald hoch oben im Wipfel des Baumes, stets aber in einer Höhle angelegt. Baumhöhlungen werden bevorzugt, aber auch Mauerritzen und selbst alte, verlassene Eichhorn-, Elster- und Krähennester, infolge der sie gegenwärtig bedrückenden Wohnungsnoth überhaupt jede irgendwie passende Nistgelegenheit benutzt. Der Bau selbst ist wenig künstlich. Trockene Halme, Würzelchen und etwas Moos bilden die Unterlage, Haare, Wolle, Borsten und Federn den Oberbau. Das Gelege besteht aus acht bis vierzehn zartschaligen Eiern, welche achtzehn Millimeter lang, dreizehn Millimeter dick und auf glänzend weißem Grunde mit feinen und groben, rostfarbenen oder hellröthlichen Punkten gezeichnet sind. Beide Gatten brüten wechselweise, und beide füttern die zahlreiche Familie mit Aufopferung groß, führen sie auch nach dem Ausfliegen noch längere Zeit und unterrichten sie sorgfältig in ihrem Gewerbe. In guten Sommern nisten sie immer zweimal.

Es hält nicht schwer, Meisen zu fangen, denn ihre Neugier wird ihnen leicht verderblich. Die, welche man einmal berückte, wird man freilich so leicht nicht wieder hintergehen. Im Zimmer sind sie augenblicklich eingewöhnt, thun wenigstens als wären sie hier von Anfange an zu Hause gewesen, benutzen sofort jedes passende Plätzchen zum Sitzen, durchstöbern und durchkriechen alles, fangen Fliegen und nehmen ohne Umstände das ihnen vorgesetzte Futter an; wirklich zahm aber werden sie nicht sogleich, müssen sich vielmehr erst vollständig von den wohlwollenden Absichten des Menschen überzeugt haben, bevor sie ihm vertrauen. Ihre Lebhaftigkeit, ihr munteres und heiteres Wesen erfreuen jedermann; ihr unablässiges Arbeiten an allem möglichen Hausgeräthe, ihr Durchschlüpfen und Durchkriechen der Winkel, Schubladen und Kästen, Beschmutzen der Geschränke sowie ihre Zank- und Mordsucht bereiten wiederum manchen Verdruß.

 

Die Blaumeise, Ringel-, Bienen-, Mehl-, Merl-, Hunds-, Jungfer-, Himmel-, Bümbel- oder Pimpelmeise, Blaumüller etc. ( Parus coeruleus und coerulescens, Cyanistes coeruleus), ist auf der Oberseite blaugrünlich, auf dem Kopfe, den Flügeln und dem Schwanze blau, auf der Unterseite gelb. Ein weißes Band, welches auf der Stirne beginnt und bis zum Hinterkopfe reicht, grenzt den dunkeln Scheitel ab, ein schmaler blauschwarzer Zügelstreifen trennt ihn von der weißen Wange, und ein bläuliches Halsband begrenzt diese nach unten. Die Schwingen sind schieferschwarz, die hinteren himmelblau auf der Außenfahne und weiß an der Spitze, wodurch eine Bandzeichnung entsteht, die Steuerfedern schieferblau. Das Auge ist dunkelbraun, der Schnabel schwarz, an den Schneiden schmutzigweiß, der Fuß bleigrau. Das Weibchen ist minder schön; das Junge unterscheidet sich durch matte Färbung. Die Länge beträgt einhundertundachtzehn, die Breite einhundertsechsundneunzig, die Fittiglänge neunzig, die Schwanzlänge fünfundfunfzig Millimeter.

Das Verbreitungsgebiet der Blaumeise umfaßt ganz Europa, soweit es bewaldet ist, Kleinasien, Persien und Westsibirien. Hier wie in Mittel- und Ostrußland gesellt sich ihr die größere und schönere Lasurmeise ( Parus cyanus, elegans, saebyensis und Knjaesiek, Cyanistes cyanus). Bei dieser sind Kopf und Unterseite weiß, die Obertheile hellblau, die durch ein weißes Querband und die weißen Enden der Schwingen sehr gezierten Flügel lasurblau.

Zum Aufenthalte wählt sich die Blaumeise vorzugsweise Laubhölzer, Baumpflanzungen und Obstgärten. Im Nadelwalde wird sie selten, während des Sommers fast nie gefunden, wogegen sie im Laubwalde allerorten häufig ist. Im Frühjahre sieht man sie paarweise, im Sommer in Familien, im Herbste in Scharen, welche gemeinschaftlich eine mehr oder weniger weit ausgedehnte Reise unternehmen. Dabei folgen sie, laut Naumann, dem Walde, dem Gebüsche und solchen Baumreihen, welche sie, wenn auch mit vielen Krümmungen, südlich und westlich bringen, bis an ihr äußerstes Ende. »Da sieht man denn aber deutlich an ihrem Zaudern, wie ungern sie weitere Strecken über freie Flächen zurücklegen. Lange hüpft die unruhige Gesellschaft unter unaufhörlichem Locken in den Zweigen des letzten Baumes auf und ab. Jetzt erheben sich einzelne in die Luft zur Weiterreise, sehen aber, daß die anderen ihrem Rufe noch nicht zu folgen wagen, kehren daher um, und wieder andere machen die Probe, bis sie endlich im Ernste alle aufbrechen, und auch die säumigen eilen, sich der Gesellschaft anzuschließen. Will man sie hier necken, so braucht man nur ein schnelles, starkes Brausen mit dem Munde hervorzubringen und dazu einen Hut oder sonst etwas in die Höhe zu werfen oder einen summenden Stein unter sie zu schleudern. Im Nu stürzen alle, gleich Steinen, wieder auf den eben verlassenen Baum oder ins nächste Gebüsch herab, und das Spiel fängt nun nach und nach von neuem wieder an. Dieses Benehmen gründet sich auf ihre grenzenlose Furcht vor den Raubvögeln. Daher schreckt sie auch jede schnell vorüberfliegende Taube und jeder andere große Vogel, welchen sie in der Ueberraschung für einen jener ansehen, weil sie wohl wissen, daß ihr schlechter Flug sie im Freien immer zur gewissen Beute derselben macht. Haben sie weit über freies Feld zu fliegen, so schwingen sie sich hoch in die Luft, daß man sie kaum sehen kann; wohl aber hört man sie immer locken.« Diejenigen Blaumeisen, welche eine förmliche Wanderung unternehmen, streifen bis nach Südeuropa, namentlich bis nach Spanien, woselbst man ihnen während des Winters allüberall begegnet, kehren aber schon im März wieder in die nördlichen Gegenden zurück. Viele streichen nur in beschränkteren Grenzen auf und nieder, und einzelne verlassen ihren Wohnort nur so weit, »als ihre täglichen Streifereien nach Nahrung es erfordern, so daß man sie in diesem kleinen Bezirke alle Tage antrifft. Solche haben dann in ihrer Gesellschaft auch wohl Kleiber und einzelne Kohlmeisen, seltener andere Meisen, die mit ihnen herumschweifen und Freude und Leid mit einander theilen.«

In ihrem Wesen und Betragen zeigt sich die Blaumeise als eine Finkmeise im kleinen. Sie ist ebenso betriebsam, gewandt, geschickt, keck, fröhlich, munter, fast ebenso neugierig und ebenso boshaft, zänkisch und jähzornig wie diese. »Hätte sie die Kraft dazu«, meint Naumann, »sie würde manchem größeren Vogel etwas auswischen; denn sie führt, wenn sie böse ist, gewaltige Schnabelhiebe, beißt heftig auf ihren Gegner los und hat dann, weil sie das Gefieder struppig macht, ein recht bösartiges Aussehen.« Infolge ihrer Furcht vor Raubvögeln ist sie außerordentlich wachsam und läßt beim Erscheinen irgend eines Feindes sofort ihre warnende Stimme vernehmen, gibt damit auch dem gesammten Kleingeflügel wohlverstandene Zeichen zur Vorsicht. Ihre Unterhaltungsstimme, das zischende »Sitt« der Meisen überhaupt, läßt sie beständig, dazwischen oft »Ziteretätäh« und»Zititätätäh« vernehmen, »ohne daß man recht versteht, was sie damit sagen will«. In der Angst ruft sie »Zisteretetet«, während des Zuges lockt sie kläglich »Tjätätäh«; die wahre Lockstimme aber, welche gebraucht wird, um andere herbeizurufen, klingt hellpfeifend wie »Tgi tgi« oder hell klirrend oder kichernd »Zizizir« oder »Zihihihihi«. Der Gesang ist ganz unbedeutend und besteht größtentheils aus jenen Tönen, von denen manche öfters wiederholt werden. Die Nahrung ist dieselbe, welche andere Meisen zu sich nehmen. Sämereien liebt die Blaumeise nicht; Kerbthiereier bilden den Haupttheil ihrer Mahlzeiten.

Das Nest wird regelmäßig in einer Baumhöhle, selten in einem Mauerloche oder einem alten Elster- und bezüglich Eichhornbaue, stets ziemlich hoch über dem Boden, angelegt, auch gewöhnlich selbst ausgearbeitet. Um passende Löcher, welche anderen Höhlenbrütern ebenfalls sehr angenehm sind, kämpft die Blaumeise mit Ausdauer und Muth, und deshalb erringt sie sich auch stets ein entsprechendes Wohnplätzchen. Das eigentliche Nest richtet sich nach der Weite der Höhlung, besteht aber meist nur aus wenigen Federn und Haaren. Acht bis zehn kleine, fünfzehn Millimeter lange, elf Millimeter dicke, zartschalige, auf reinweißem Grunde mit rostfarbenen Punkten bestreute Eier bilden das Gelege. Das Männchen wirbt im Anfange der Paarungszeit unter auffallenden Bewegungen um die Gunst des Weibchens. »Emsig durch die Zweige hüpfend«, sagt Naumann, »sich an den dünnsten Spitzen schaukelnd, kost es mit seinem Weibchen und schwebt endlich aus der Höhe einer Baumkrone auf einen anderen, oft vierzig Schritte entfernten Baum, wobei es die ausgebreiteten Flügel nicht rührt, das ganze Gefieder aber so aufbläht, daß es viel größer und dicker aussieht und dadurch ganz unkenntlich wird. Seine schwachen Flugwerkzeuge gestatten ihm aber nicht, in wagerechter Richtung hinüber zu schweben; daher senkt es sich jederzeit stark abwärts. Dieses Schweben ist unter den Meisen etwas fremdartiges, deshalb um so merkwürdiger. Männchen und Weibchen brüten abwechselnd und erziehen auch gemeinschaftlich die Jungen. Die erste Brut entfliegt um die Mitte des Juni, die zweite zu Ende des Juli oder im Anfange des August.

Die Feinde der Blaumeise sind dieselben, welche der Finkmeise gefährlich werden.


Bei der Tannenmeise, Holz-, Harz-, Pech-, Kreuz-, Hunds- und Sparmeise ( Parus ater, carbornarius, abietum, pinetorum und britannicus, Poëcile atra), sind Kopf und Hals bis zum Mantel, Kinn und Kehle schwarz, Backen und Halsseiten sowie ein breiter Streifen am Hinterhalse weiß, die übrigen Obertheile und die Außensäume der braunschwarzen Schwingen und Schwanzfedern aschgrau, die größten und mittleren Oberflügeldecken durch weiße, zweireihig geordnete Spitzenflecke geziert, die Untertheile schmutzig grauweiß, die Seiten bräunlich. Das Auge hat tiefbraune, der Schnabel schwarze, der Fuß bleigraue Färbung. Die Länge beträgt elf, die Breite achtzehn, die Fittiglänge sechs, die Schwanzlänge fünf Centimeter.

Die in Großbritannien lebende Tannenmeise, welche Dresser unter dem Namen Parus britannicus als besondere Art aufgestellt hat, unterscheidet sich einzig und allein durch die grünlich olivenfarbene, anstatt aschgraue Oberseite.

Vom hohen Norden Europas an fehlt die Tannenmeise keinem Lande unseres heimatlichen Erdtheiles und tritt ebenso in Asien, vom Libanon bis zum Amur, sowie in Japan auf. In Deutschland kommt sie an geeigneten Orten noch überall, jedoch bei weitem nicht mehr in derselben Anzahl vor wie früher, da auch sie an Wohnungsnoth leidet. Ihr Aufenthalt ist der Nadelwald; »in ihm aber lassen die Forstleute«, wie Liebe sehr richtig bemerkt, »keine alte kernfaule Fichte oder Tanne stehen und sorgen dafür, daß kein kranker Baum den Spechten und nach diesen den Meisen Wohnungsgelegenheiten biete.« Infolge dessen nimmt der Bestand auch dieser Meise stetig ab. Etwas später als die Finkmeise, um die Mitte des Oktober etwa, beginnt sie zu streichen. Hierbei durchstreift sie zwar so viel wie möglich die Nadelwälder, besucht dann aber auch Laubwaldungen und geschlossene Obstpflanzungen, vielleicht der Gesellschaft halber, welcher sie sich zugesellte. Ein Buntspecht wird, möge er wollen oder nicht, von ihr wie von der Hauben-, seltener der Fink- und Blaumeise, beiden Goldhähnchen, dem Baumläufer und dem Kleiber, zum Anführer erwählt, und seinen Bewegungen folgt der ganze bunte, in lockerem Verbande zusammenhaltende Schwarm. Im März kehrt sie paarweise zurück und nimmt nun ihren Stand wieder ein. Nicht wenige verlassen diesen überhaupt nicht oder doch nur auf einige Stunden, beispielsweise um auf der Sonnenseite der Berge nach Nahrung zu suchen.

In ihrem Wesen und Betragen, ihren Sitten und Gewohnheiten weicht die Tannenmeise wenig von ihren Sippschaftsgenossen ab. Sie ist munter, keck, bewegungslustig, behend und gewandt, gesellig und doch auch zänkisch und bissig wie irgend eine ihrer Verwandtschaft, scheint aber weniger übermüthig zu sein als die Finkmeise. In ihren Bewegungen unterscheidet sie sich nicht von anderen Meisen; auch ihr flüsterndes »Sit« oder »Sitätäh« erinnert an diese; die Lockstimme dagegen ist ein helles »Süiti« oder »Suititit« und der Gesang ein Geleier, aus welchem einige klingende Laute »Sisi sisi sisi« und »Sitütütidi« freundlich hervorklingen. Die Nahrung ist nur insofern von der anderer Meisen verschieden, als sie in Eiern, Larven und Fliegen solcher Kerbthierarten besteht, welche im Nadelwalde leben, ebenso wie sie, wenn überhaupt, Nadelholzsämereien verzehrt.

Das Nest steht immer in einer Höhlung, gegenwärtig fast regelmäßig in Mauselöchern, welche früher höchstens als Nothbehelf benutzt wurden, günstigerenfalls in einer alten hohlen Kopfweide, Felsenritze oder einem wirklich noch vorhandenen und nicht von einem anderen Höhlenbrüter in Beschlag genommenen Spechtloche. Grüne Erdmoose bilden den Außenbau, Haare, seltener Federn, die innere Ausfütterung, sechs bis acht kleine und verhältnismäßig spitzige, etwa fünfzehn Millimeter lange, zwölf Millimeter dicke, zartschalige, auf reinweißem Grunde rostfarben gefleckte Eier das Gelege, welches zu Ende des April vollzählig zu sein pflegt. Männchen und Weibchen brüten abwechselnd, zeitigen die Eier binnen vierzehn Tagen, ernähren und erziehen gemeinschaftlich die Jungen, führen sie in den Wald und schreiten zu Ende des Juni zu einer zweiten Brut.

Wenn auch Sperber und Baumfalke, Edelmarder, Wiesel, Eichhorn und Waldmaus manche Tannenmeise fangen und die genannten Säugethiere namentlich der Brut oft verderblich werden mögen, schaden sie alle ihrem Bestande doch bei weitem weniger als der Mensch, welcher als der schlimmste Feind dieser äußerst nützlichen Meise angesehen werden muß. Aber nicht die verwerfliche Meisenhütte war es, sondern die durch den Forstmann herbeigeführte Wohnungsnoth ist es, welche die Verminderung der Art verschuldet hat. Die Tannenmeise bedarf mehr als jede andere des Schutzes seitens der Forstbeamten, nicht einer strengeren Beaufsichtigung des so unendlich überschätzten Thuns der Vogelfänger, sondern Abhülfe der Wohnungsnoth, das heißt einfach Ueberlassung alter, durchhöhlter Baumstumpfe, in denen sie ihr Nest anlegen kann. Nur hierdurch, kaum aber durch Aushängen von Nistkästchen, Anlegen von »Bruthainen« und Verwirklichung anderer Erfindungen unwissender Vogelschutzprediger wird man ihr Hülfe gewähren.


Die Gruppe der Sumpfmeisen, welche wohl auch als Sippe oder Untersippe ( Poëcile) aufgestellt wird, umfaßt mehrere sehr ähnliche Arten. In Mitteleuropa lebt die Sumpfmeise, auch Asch-, Schwarz-, Grau-, Glatt-, Nonnen-, Mehl-, Reit-, Hanf-, Garten-, Speck-, Koth- und Murrmeise genannt ( Parus palustris, communis, salicarius, accedens, murinus, stagnatilis und subpalustris, Poëcile, Poëcila und Poikilis palustris). Ihre Länge beträgt zwölf, die Breite einundzwanzig, die Fittiglänge sechs, die Schwanzlänge fünf Zentimeter. Oberkopf und Nacken sind tief-, Kinn und Kehle grauschwarz, die Obertheile fahl erdbraun, die Kopf- und Halsseiten sowie die Untertheile schmutzigweiß, seitlich bräunlich verwaschen, die Schwingen und Schwanzfedern dunkel erdbraun, außen schmal graubräunlich gesäumt. Das Auge ist dunkelbraun, der Schnabel schwarz, der Fuß bleigrau.

Im Norden und Osten Europas sowie in den Alpen vertritt sie die Alpen- oder Bergmeise ( Parus borealis, alpestris, fruticeti und Baldensteinii, Poëcile oder Poëcila borealis, alpestris und assimilis, Poikilis borealis und alpestris), welche sich durch lichtere Kopf- und Halsseiten und ausgedehnteren Kehlfleck unterscheidet, auch ein wenig größer ist, im äußersten Nordosten unseres Erdtheiles aber wiederum durch die oberseits rein aschgraue Zirbelmeise ( Parus camtschatcensis und baicalensis) ersetzt wird. Zu derselben Gruppe gehören endlich die Trauermeise ( Parus lugubris, Poëcile, Poëcila und Poikilis lugubris und lugens, Penthestes lugubris) von der Balkanhalbinsel und die im hohen Norden Europas und Westasiens lebende Gürtelmeise ( Parus cinctus, sibiricus und lapponicus, Poëcile und Poikilis sibiricus). Beide sind beträchtlich größer als die Sumpfmeise, gestreckter gebaut und verschieden gefärbt, indem die erstere bei im allgemeinen der Sumpfmeise ähnlicher Färbung und Zeichnung durch das große schwarze Kehlfeld und die breiten weißen Außenränder der hintersten Oberarm- und der Schwanzfedern, letztere durch die matt dunkelbraune Kopfplatte und die fahl oder blaß rostbraune Färbung des Kleingefieders sich unterscheidet.

Obwohl sich nicht leugnen läßt, daß alle die nachbenannten Arten auch hinsichtlich ihres Aufenthaltes und Betragens von der Sumpfmeise abweichen, will ich mich doch auf eine kurze Lebensschilderung unserer deutschen Art beschränken. Die Sumpfmeise bewohnt, ihren Namen bethätigend, mit Vorliebe niedrig gelegene, wasserreiche Gegenden, zieht Laubwälder entschieden den Schwarzwaldungen vor, hält sich auch dort regelmäßig in den Niederungen und in der Nähe von Gewässern auf, begnügt sich aber auch schon mit dem Uferbestande eines Baches oder Teiches und ebenso mit einem unfern solchen Gewässern gelegenen Garten, gleichviel, ob höhere Bäume oder niedere Gebüsche vorhanden sind. Ihr Wohnbaum ist die Weide, wogegen die Alpenmeise fast nur in Schwarzwäldern gefunden wird und die Gürtelmeise zwischen Weiden- und Nadelholzbeständen keinen Unterschied zu machen scheint. Jene ist, je nach der Oertlichkeit, der Witterung und sonstigen Umständen, Stand- oder Strichvogel. Viele Sumpfmeisen verlassen ihr Brutgebiet nicht, andere durchstreifen, familienweise reisend, eilfertig weitere Strecken, nachts, wie sonst auch, in irgend einer Baumhöhlung Herberge nehmend. Ihr Strich beginnt im Oktober und endet im März; die übrigen Monate des Jahres verbringen sie am Brutorte.

Vielleicht sagt man nicht zu viel, wenn man die Sumpfmeise als die flinkeste und lustigste aller deutschen Arten der Familie bezeichnet. Ungemein lebhaft, unruhig und gewandt, bei Hitze oder Kälte, reichlicher oder spärlicher Nahrung wohlgemuth, drollig, necklustig, keck und muthig, weiß sie jeden Beobachter zu fesseln und zu gewinnen. Sie ist vom Morgen bis zum Abend in Thätigkeit, hüpft und turnt, klettert und fliegt, arbeitet, ruft und lockt, so lange die Sonne am Himmel steht, und geht erst spät zur Ruhe. Ihre Bewegungen ähneln denen der Blaumeise; ihr Unterhaltungslaut ist ein leises, etwas zischendes »Sit«, ihr Lockruf ein sanftes »Ziäh«, der Ausdruck gelinder Erregung ein scharf betontes »Spitäh, spitzidäh«, ihr Angstschrei ein helles »Spitt«; in ihrem kurzen, leisen, vieltönigen Gesange klingen die Silben »Hitzihitzilidädä« hervor. Im übrigen unterscheidet sie sich kaum von ihren Verwandten, theilt mit diesen auch die Nahrung.

Das Nest steht stets in einer Höhlung mit möglichst engem Eingange, am liebsten in der eines alten Weidenkopfes, sehr oft auch in einem Mause- oder sonstigen Erdloche, im ersteren Falle nicht selten in einer selbst gemeiselten, nett und zierlich ausgearbeiteten, mit engem Schlupfloche versehenen Brutkammer, ist, je nach der Weite des Raumes, dichter oder spärlicher ausgekleidet, immer aber kunstlos mit Moos, Halmen, Wolle etc., innen meist mit denselben Stoffen, seltener mit Haaren und Federn ausgefüttert und enthält im Mai das Gelege der ersten Brut, acht bis zwölf zartschalige, rundliche, etwa sechzehn Millimeter lange, zwölf Millimeter dicke, auf grünlichweißem Grunde mit verschieden großen, rostrothen Punkten und Tüpfeln dichter oder spärlicher bestreute Eier. Beide Eltern bebrüten sie abwechselnd, zeitigen sie binnen dreizehn bis vierzehn Tagen, füttern sie in höchstens drei Wochen groß, unterrichten sie noch einige Zeitlang und schreiten im Juli zur zweiten Brut, welche jedoch höchstens acht Eier zählt. Viele Bruten werden durch Mäuse, Wiesel, Katzen und andere Feinde zerstört, die alten Vögel von diesen hart bedrängt, so daß die starke Vermehrung, seitdem Wohnungsnoth auch die Sumpfmeisen quält, kaum ausreicht, die Verluste, welche der Bestand erleiden muß, zu decken.

Gefangene Sumpfmeisen halten sich ebenso leicht wie andere ihres Geschlechtes und sind infolge ihrer Lebhaftigkeit und Drolligkeit vielleicht noch anziehender als die Verwandten.


Die Haubenmeise, Häubel-, Hörner-, Kupp-, Kobel-, Schopf-, Strauß- oder Heidenmeise, hier und da auch wohl Meisenkönig genannt ( Parus cristatus, mitratus und rufescens, Lophophanes cristatus), welche auch wohl als Vertreter einer gleichnamigen Sippe oder Untersippe ( Lophophanes) angesehen wird, ist auf der Oberseite röthlich braungrau oder mäusefahl, auf der Unterseite grauweißlich; die stufenweise verlängerten, schmalen Haubenfedern, deren Schäfte sich vorwärts biegen, sind schwarz, weiß gekantet, die Wangen weiß, ein durch das Auge verlaufender Zügelstreifen, welcher sich hinten sichelförmig nach abwärts und vorn biegt, ein von ihm durch ein breiteres, weißes Band geschiedener, am Oberkopfe beginnender, bis an das Kehlfeld reichender, jenem gleichlaufender, auch gleich breiter Streifen, die Kehle und ein von ihr aus verlaufendes Nackenband schwarz, die Schwingen und Steuerfedern dunkel graubraun, außen lichter gesäumt. Das Auge ist braun, der Schnabel schwarz, lichter an den Schneiden, der Fuß schmutzig lichtblau. Die Länge beträgt einhundertunddreißig, die Breite zweihundertundzehn, die Fittiglänge fünfundsechzig, die Schwanzlänge fünfundfunfzig Millimeter. Die Jungen unterscheiden sich von den Alten durch ihre kleinere Haube und die undeutlichere Kopfzeichnung.

Soviel bis jetzt bekannt, beschränkt sich das Verbreitungsgebiet der Haubenmeise auf Europa. Sie bewohnt hier alle Länder, den Norden häufiger als den Süden, gehört in Spanien und Griechenland zu den seltenen Erscheinungen und kommt nach Osten hin bis zum Kaukasus vor. In unseren deutschen Nadelwaldungen ist sie nirgends selten, in reinen Laubwäldern hingegen fehlt sie gänzlich. Auch sie ist ein Standvogel, welcher treu an seinem Gebiete hält und dasselbe nur im Herbste und Winter zeitweilig verläßt. »Aengstlich durcheilen sie«, sagt Naumann, »auf ihren Streifzügen das Laubholz und die Obstgärten, welche zwischen zwei Nadelwäldern vorkommen, und erst in diesen werden sie wieder ruhig. Noch mehr beeilen sie sich, wenn sie gar eine Strecke über freie Felder und baumleere Gegenden fliegen müssen. Oefters setzt sich eine Gesellschaft in einem kleinen, vereinzelten Nadelwäldchen fest, bleibt den ganzen Winter hindurch da und durchstreift dasselbe tagtäglich bis ins Frühjahr hinein, worauf sie sich dann wieder in die größeren zurückzieht, um dort zu brüten.« Im Nadelwalde sieht man sie überall, in alten Hochbeständen ebensowohl wie im Stangenholze oder Dickichte, sehr oft auch auf dem Boden. Während des Winters vereinigt sie sich mit Tannenmeisen und Goldhähnchen, Baumläufern und Kleibern zu zahlreichen Gesellschaften, welche in der bereits geschilderten Weise, meist unter Führung eines Buntspechtes, umherstreifen.

Heitere Fröhlichkeit, Bewegungslust, Gewandtheit und Geschicklichkeit im Klettern und Anhäkeln, die Keckheit, der Muth, die Lust zum Hadern und Zanken, welche die Meisen so sehr auszeichnen, sind auch dieser Art eigen. Die Unterhaltungsstimme ist ein zischendes »Sitt«, ein gedehntes »Täh täh«, der Lockruf ein helles »Zick gürrr« oder »Glürrr«, der Gesang ein unbedeutendes Liedchen. Während das Männchen dieses vorträgt, nimmt es verschiedene Stellungen an, dreht und wendet sich, sträubt die Haube und legt sie wieder zusammen, versucht überhaupt, durch allerlei Bewegungen sich liebenswürdig zu machen.

Das Nest steht regelmäßig in Baumhöhlen mit engem Eingangsloche, hoch oder niedrig über dem Boden, wie sie sich gerade darbieten oder ihnen anständig sind, auch in hohlen Stämmen und Stöcken, und nicht minder oft in alten Raubvogel-, Raben- und Krähenhorsten, Elster- und Eichhornnestern, Reisighaufen und anderweitigen Ansammlungen von Genist. Nöthigenfalls höhlt das Pärchen selbst eine Nistkammer aus und rastet nicht eher, als bis die Höhlung einen halben Meter Tiefe erlangt hat. Kurze Moostheile und Flechten bilden den Außenbau, Wild- oder Kuhhaare, Thier- oder Pflanzenwolle die innere Ausfütterung des eigentlichen Nestes. Das Gelege besteht aus acht bis zehn niedlichen, denen der Sumpfmeise gleich großen, auf schneeweißem Grunde rostroth gepunkteten Eiern, welche von beiden Geschlechtern abwechselnd bebrütet und binnen dreizehn Tagen gezeitigt werden. Die Jungen erhalten kleine Räupchen zur Atzung und nach dem Ausfliegen noch einige Zeit lang den Unterricht der Eltern, machen sich aber bald selbständig, und jene schreiten dann zu einer zweiten Brut.

Neben den Tannenmeisen zählt diese Art zu den größten Wohlthätern der Nadelwaldungen; denn sie lebt hauptsächlich von den Eiern und Larven schädlicher Kerbthiere und verschmäht Körnernahrung fast gänzlich. Man sieht sie vom frühen Morgen an bis zum späten Abende mit dem Aufsuchen ihrer Nahrungsmittel beschäftigt und hat erfahrungsgemäß festgestellt, daß sie vorzugsweise den Eiern verderblicher Forstschmetterlinge nachstellt. Nur im Winter muß sie sich zuweilen entschließen, auch Sämereien zu sich zu nehmen; so lange sie aber Kerbthiernahrung haben kann, genießt sie nichts anderes. Das ist wohl auch der Grund, weshalb sie sich schwerer als andere Arten an die Gefangenschaft gewöhnt. Geht sie einmal ans Futter, so wird sie zu einem der niedlichsten aller Stubenvögel.

Dieselben Feinde, welche die verwandten Arten gefährden, bedrohen auch die Haubenmeise; da sie jedoch nicht in demselben Grade wie jene an Wohnungsnoth leidet, hat sich ihr Bestand in den letztvergangenen Jahren nicht auffällig vermindert.


Mit größerer Berechtigung als Blau-, Sumpf- und Haubenmeisen darf man die Schwanzmeisen ( Acredula) in einer besonderen Sippe vereinigen. Ihre Kennzeichen sind kurzer, gedrungener Leib, sehr kurzer und gewölbter, vorn spitziger Schnabel, schwache Füße, sehr langer, stark abgestufter und in der Mitte ausgeschnittener Schwanz und mittellange Flügel, in denen die vierte und fünfte Schwinge die längsten sind. Die Geschlechter ähneln sich in der Färbung, die Jungen weichen etwas von den Alten ab.

siehe Bildunterschrift

Schwanzmeise (Acredula caudata). ¾ natürl. Größe.

Die Schwanzmeise, Mehl-, Mohr-, Schnee-, Ried-, Moor-, Berg-, Schleier-, Spiegel-, Zagel- oder Zahlmeise, Pfannenstiel, Weinzapfer, Teufelsbolzen ( Acredula caudata, Parus und Orites caudatus, Paroides caudatus und longicaudatus, Mecistura caudata, longicaudata und pinetorum), ist auf dem Oberkopfe und der Unterseite weiß, in den Weichen zart rosenrothbraun verwaschen, aus der ganzen Oberseite schwarz, auf den Schultern rosenröthlichbraun; die hinteren Armschwingen sind außen breit weiß gerandet, die beiden äußeren Schwanzfederpaare außen und am Ende weiß. Das Weibchen unterscheidet sich vom Männchen durch einen breiten schwarzen, vom vorderen Augenrande bis zum Hinterhalse verlaufenden Streifen, welcher das Weiß der Kopfmitte jederseits begrenzt. Die Jungen sind an den Kopfseiten, auf dem Rücken und auf den Flügeln mattschwarz, auf dem Scheitel und auf der Unterseite weißlich. Das Auge ist dunkelbraun, sein unbefiederter Rand bei alten Vögeln hellroth, bei jungen hochgelb, der Schnabel wie der Fuß schwarz. Die Länge beträgt einhundertsechsundvierzig, die Breite einhundertdreiundachtzig, die Fittiglänge zweiundsechzig, die Schwanzlänge siebenundachtzig Millimeter.

In der Neuzeit sind die europäischen Schwanzmeisen in vier Formen zerfällt worden, welche als Arten angesehen werden, aber sehr wenig und vielleicht nicht einmal ständig von einander abweichen. Die Rosenmeise ( Acredula rosea, Parus roseus, Mecistura rosea), welche unsere Schwanzmeise in Großbritannien vertritt, soll in beiden Geschlechtern das Kleid des Weibchens tragen und stets die Andeutung einer Halsquerbinde zeigen, ist auch an den betreffenden Stellen weniger reinweiß, dafür aber deutlicher rosenroth gefärbt als jene; die Hesperidenmeise ( Acredula Irbii) aus Spanien ist noch deutlicher rosenfarben als die letztbeschriebene, auf dem Rücken aber grau wie die Graumantelmeise ( Acredula tephronota, Parus und Orites tephronotus) aus der Umgegend von Konstantinopel und Kleinasien, welche von ihr überhaupt nur durch ein schwarzes Kehlfeld abweicht. So lange nicht genaue Lebensbeobachtungen die Selbständigkeit dieser vermeintlichen Arten erhärten sollten, dürfen wir alle europäischen Bartmeisen nach wie vor als eine und dieselbe Art ansehen.

Die Schwanzmeise geht nicht weit nach Süden hinab; denn sie gehört schon in Griechenland und Spanien zu den Seltenheiten, kommt aber auch in Kleinasien vor. Nach Krüper nistet sie noch in den Waldungen Rumeliens und Akarnaniens; nach unseren Erfahrungen erscheint sie in Spanien nur zufällig. Dagegen verbreitet sie sich weit nach Norden hinauf, wird auch in ganz Mittelasien gefunden. Bei uns streicht sie im Herbste und Frühjahre mit einer gewissen Regelmäßigkeit; viele Familien bleiben aber auch während des strengsten Winters in Deutschland wohnen. Es scheint, daß die Schwanzmeise Laubwaldungen den Nadelhölzern bevorzugt, lieber noch als im Walde aber in Obstwaldungen oder in baumreichen Auen sich ansiedelt.

Sie ist munter, rege, lebendig und thätig, aber fröhlicher und sanfter, auch minder jähzornig und nicht so räuberisch als andere Arten ihrer Familie. Ihre Plauderstimme ist ein zischendes »Sit«, ihr Lockton ein pfeifendes »Ti ti«, ihr Warnungslaut ein schneidendes »Ziriri« und »Terr«, ihr Gesang leise und angenehm, obwohl unbedeutend. Die Nahrung besteht ausschließlich in Kerbthieren und zwar vorzugsweise in kleinen Arten.

Das Nest der Schwanzmeise ähnelt dem der Beutelmeise, unterscheidet sich also von diesem schon dadurch, daß es nicht frei aufgehängt, sondern in allen Fällen unterstützt wird. Seine Gestalt ist die eines großen Eies, in welchem oben seitlich eine Oeffnung, das Eingangsloch angebracht ist. Die Höhe desselben beträgt etwa vierundzwanzig, die Weite zehn Centimeter. Grüne Laubmoose, welche mit Kerbthiergespinnst zusammengefilzt und mit Baumflechten, Puppenhülsen, Birkenschale und Spinnen- oder Raupengespinnst überkleidet sind, bilden die Außenwandung, eine Menge Federn, Wolle und Haare die innere Auskleidung. Unter allen Umständen wählt das Schwanzmeisenpaar Moose und Flechten von demselben Baume, auf welchem es sein Nest gründet, und immer ordnet es diese Stoffe ähnlich an, wie sie auf der Baumrinde selbst sitzen. Hierdurch erhält das Nest eine Gleichmäßigkeit mit der Umgebung, welche bewunderungswürdig ist und es auch einem geübten Auge verbirgt. Da es schwer hält, die nöthigen Stoffe herbeizuschaffen, nimmt das Paar, welches gezwungen wurde, ein zweites Nest zu errichten, zuweilen gleich die bereits zusammengetragenen Stoffe wieder auf und verwebt sie von neuem. Der Bau selbst währt zwei, oft auch drei Wochen, obgleich beide Gatten sehr eifrig beschäftigt sind, das Männchen wenigstens als Handlanger dient. Um die Mitte oder zu Ende des April ist das erste Gelege vollzählig. Es ist sehr zahlreich; denn die Schwanzmeise legt neun bis zwölf, zuweilen auch fünfzehn bis siebzehn Eier. Diese sind klein, nur vierzehn Millimeter lang und zehn Millimeter dick, äußerst zartschalig und auf weißem Grunde mehr oder weniger mit blaß rostrothen Pünktchen gezeichnet. Manche Weibchen legen nur weiße Eier. Nach dreizehntägiger Brutzeit beginnen für beide Eltern Tage ununterbrochener Arbeit; denn es will etwas besagen, die zahlreiche Kinderschar groß zu füttern. Schon für die brütenden Alten ist der Nistraum klein, für die Jungen wird er bald viel zu eng. Es arbeitet also jedes einzelne der Kinderchen, um sich Platz zu schaffen, und so geschieht es, daß das filzige Gewebe der Nestwand weit ausgedehnt wird, ja stellenweise zerreißt. Bekommt das Nest Bodenlöcher, so sieht es recht sonderbar aus; denn wenn die Jungen größer werden, stecken sie fast sämmtlich die unbequemen Schwänze unten durch. Später benutzen sie dieselbe Oeffnung auch anderweitig, und die Mutter hat dann weniger für Reinlichkeit zu sorgen.

Unter allen Meisen wird die Schwanzmeise am zahmsten und ist deshalb, wie durch ihr Betragen überhaupt, die angenehmste von allen. Beide Gatten eines Pärchens, welches man zusammenhalten muß, schlafen immer fest aneinander gedrückt, gewöhnlich so, daß die eine die andere mit dem Flügel zur Hälfte bedeckt. Dann sehen sie wie ein Federball aus, und dieser nimmt sich besonders drollig aus, wenn die Schwänze auf entgegengesetzter Seite hinausragen. Oft überschlägt sich die eine unter der Sitzstange und oft die andere, welche oben drauf sitzt. Beide sind überaus zärtlich gegen einander und erhöhen dadurch die Theilnahme, welche jeder Pfleger für sie gewinnt, noch wesentlich.

Rohrmeisen Panurinae),

Newton sieht in unserer europäischen Rohrmeise das Urbild einer besonderen Familie ( Panuridae), deren Verbreitungsgebiet in Ostasien seinen Kernpunkt hat; wir wollen dieser nicht unberechtigten Auffassung insofern Rechnung tragen, als wir jener Meise allerdings eine gesonderte Stellung zusprechen und in ihr den Vertreter einer gleichnamigen Unterfamilie ( Panurinae) anerkennen.

Die Rohrmeisen ( Panurus) kennzeichnen sich durch gestreckten, oberseits seiner ganzen Länge nach gebogenen, an den Schneiden etwas eingezogenen und gekrümmten, wenig übergebogenen, unterseits fast geraden Schnabel, kräftige, langzehige und mit langen, scharf gebogenen Nägeln bewehrte Füße, mittellange Flügel, in denen die vierte und fünfte Schwinge die längsten sind, langen, seitlich sehr stark abgestuften Schwanz und ziemlich glatt anliegendes Gefieder. Die Weibchen sind von den Männchen und die Jungen von beiden Eltern verschieden.

 

Die Bartmeise ( Panurus biarmicus und barbatus, Parus biarmicus und russicus, Calamophilus biarmicus, barbatus und sibiricus, Mystacinus biarmicus, russicus, arundinaceus und dentatus, Aegithalus und Paroides biarmicus) ist auf Oberkopf und Nacken schön aschgrau, auf der übrigen Oberseite, einschließlich der mittleren Schwanzfedern, rein lichtzimmetroth, auf den oberen Schwanzdecken und an den Brustseiten zart isabellrosenroth verwaschen, auf der Mitte der Unterseite reinweiß; ein vom Zügel beginnender, an der Wange herablaufender, aus verlängerten Federn bestehender Bartstreifen wie das untere Schwanzdeckgefieder sind schwarz; die Schwingen sind schwarzbraun, die Handschwingen und deren Deckfedern außen silberweiß, die Armschwingen hier lebhafter zimmetroth als die Oberseite, die hinteren Armschwingen schwarz mit zimmetfarbenem Außen- und rostgelblichem Innenrande; die äußerste Schwanzfeder ist weiß, an der Wurzel innen schwarz, die zweite und dritte jederseits nur am Ende weiß. Das Weibchen hat blassere Farben als das Männchen; der Rücken ist aus lichtem Grunde dunkler getüpfelt, der Knebelbart nur angedeutet und nicht schwarz, sondern weiß; die Unterschwanzdeckfedern sind nicht schwarz, sondern blaß rostgelb. Die Jungen sind auf dem Rücken sehr dunkel, fast schwarz. Das Auge ist orangegelbbraun, der Schnabel schön gelb, der Fuß schwarz. Die Länge beträgt sechzehn, die Breite neunzehn, die Fittiglänge sechs, die Schwanzlänge acht Centimeter.

Der Südosten Europas, aber auch Holland, Großbritannien, Südungarn, Italien, Griechenland, Spanien und ebenso ein großer Theil Mittelasiens sind die Heimat der Bartmeise, ausgedehnte Rohrwälder ihre Wohnsitze. In Holland und Großbritannien wird sie von Jahr zu Jahr seltener, weil der fortschreitende Anbau des Landes ihre Aufenthaltsorte mehr und mehr einschränkt. Aus Deutschland, woselbst sie vormals ebenfalls brütete, ist sie, infolge der wirtschaftlichen Ausnutzung der Rohrwälder, allmählich verdrängt worden und kommt hier gegenwärtig nur als seltener Wandervogel vor. Die Donautiefländer, Südrußland, Südsibirien und Turkestan beherbergen sie gegenwärtig wohl noch am häufigsten. Sie ist an das Rohr gebunden und verläßt dasselbe nur im Nothfalle, lebt paarweise oder in kleinen Familien, sehr verborgen, ist gewandt, behend, lebhaft und unruhig, munter und keck wie andere Meisen, bewegt sich an den Rohrstengeln mit der Fertigkeit eines Rohrsängers, fliegt leicht und ruckweise, lockt »Zit zit« und besitzt einen höchst unbedeutenden Gesang, ein leises Gezwitscher, in welches einige abgerissene, schnarrende Töne verwebt werden. Im übrigen entspricht ihre Lebensweise im wesentlichen dem Thun und Treiben anderer Meisen; doch läßt ihre bestechende Schönheit und die außerordentliche Zärtlichkeit der Gatten sie anmuthender erscheinen als die meisten Verwandten. Die Nahrung besteht während des Sommers in Kerbthieren, während des Winters auch in allerlei Sämereien, zumal denen des Rohres, Schilfes und der Riedpflanzen.

Je nach dem Klima ihres Wohnortes und der herrschenden Witterung schreitet die Bartmeise im Anfange oder erst zu Ende des April zur Fortpflanzung. Das Nest steht unmittelbar über dem Boden in Seggen- oder Grasbüschen, meist so, daß einzelne Stengel der letzteren zwischen die einzig und allein aus trockenen Rispen einiger Rohr- und Schilfarten bestehende Außenwand eingeflochten sind, erinnert daher an die Nester der Rohrsänger, unterscheidet sich jedoch durch seine saubere Ausführung zur Genüge. Die vier bis sechs, in seltenen Fällen auch sieben Eier des Geleges haben einen Längsdurchmesser von achtzehn, einen Querdurchmesser von dreizehn Millimeter und sind auf rein- oder röthlichweißem Grunde ziemlich spärlich mit rothen Schmitzen und Punkten gezeichnet. Beide Geschlechter brüten abwechselnd. Unter regelmäßigen Verhältnissen folgt im Juni oder Juli eine zweite Brut der ersten; dann schlägt sich alt und jung in Flüge zusammen und streift nunmehr gemeinschaftlich im Röhrichte umher, tritt auch wohl eine Wanderung nach südlicheren Gegenden an.

Ihrer Schönheit und des angenehmen Betragens halber hält man die Bartmeise oft im Käfige. Einzelne sterben, wie man annimmt, vor Sehnsucht nach ihren Gefährten, und der Tod des einen hat meist das Eingehen des anderen zur Folge. Die gegenseitige Zärtlichkeit eines Paares äußert sich bei jeder Gelegenheit und in der ansprechendsten Weise, insbesondere aber während der Zeit der Fortpflanzung, welche das Männchen in solchen Liebesrausch versetzt, daß es eine förmliche Balze ausführt, die Augen schließt, den Kopf niederbeugt, den Schwanz breitet, sodann sich aufrichtet und einen sonderbar schwirrenden Laut ausstößt, auf welchen hin das Weibchen herbeikommt, um den Gatten zu liebkosen. Bei sorgsamer Pflege halten die zierlichen Geschöpfe einige Jahre in Gefangenschaft aus.


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