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Die Zuckervögel ( Caerebidae), kleine, ebenso zierliche als farbenschöne Charaktervögel Süd- und Mittelamerikas, von denen man über ein halbes Hundert beschrieben hat, schließen sich durch den Bau ihrer Zunge den Pinselzünglern passend an. Sie sind schlank gebaut; ihr Schnabel ist mittellang, an der Wurzel verstärkt, längs der Firste schwach gebogen, am Rande des Oberschnabels einwärts gekrümmt, der Fuß kurz und ziemlich kräftig, der am Handtheile neun Schwungfedern tragende Flügel, unter dessen Schwingen die zweite, dritte und vierte fast von gleicher Länge und die längsten sind, mäßig lang und gerundet, der Schwanz mittellang und ziemlich weichfederig. Die Zunge ist lang, gespalten und fadig, aber wenig ausstreckbar.
Alle Blumenvögel sind, nach der Versicherung des Prinzen von Wied, muntere, lebhafte, allerliebste Geschöpfe, welche in ihrem Wesen und in ihrer Lebensart die größte Aehnlichkeit mit unseren Sängern zeigen. Sie halten sich besonders in den höheren Zweigen der Waldbäume auf, fliegen hier von Ast zu Ast, hängen sich auch wohl wie die Meisen an die Zweige und verfolgen Kerbthiere oder gehen den Früchten nach. Der Prinz hat in ihrem Magen mehr Früchte als Kerbthiere, namentlich schöne rothe Samenkörner und Beeren, gefunden; sie ziehen aber auch allen Arten von Baumfrüchten und besonders den Orangen nach, kommen zur Zeit der Reife in die Gärten und nähern sich den menschlichen Wohnungen, ganz so, wie die Sänger und Finken den unseligen, klebrigeres leben sie ebensowohl in den geschlossenen Waldungen wie in den minder dicht stehenden Gebüschen. Die gewöhnliche Lockstimme ist ein kurzer Laut; einen eigentlichen Gesang hat der Prinz nie von ihnen gehört.
Die Blauvögel ( Coereba) kennzeichnen sich durch langen, dünnen, seitlich etwas zusammengedrückten, nur vorn stark zugespitzten Schnabel mit seichter Kerbe vor der Spitze, schwächliche Beine, ziemlich lange, verhältnismäßig spitzige Flügel, in denen die zweite und dritte Schwinge gleich lang und die längsten sind, mäßig langen, gerade abgestutzten Schwanz und nach den Geschlechtern sehr verschieden gefärbtes Federkleid. Die Zunge ist ziemlich lang und zweilappig, jeder Lappen am Ende gefasert.
Der Sai ( Caereba cyanea, Certhia cyanea, cyanogastra und armillata‚ Arbelorhina cyanea) ist prächtig glänzend hellblau, auf dem Scheitel schimmernd blaugrün; der Rücken die Flügel und der Schwanz sowie ein Augenstreifen sind schwarz, die Schwungfedern innen gelb gerandet. Das Auge ist graubraun, der Schnabel schwarz, der Fuß lebhaft orangeroth. Beim Weibchen ist die Oberseite zeisiggrün, die untere blaßgrün, die Kehle weißlich. Die Länge beträgt zwölf, die Fittiglänge sechs, die Schwanzlänge drei Centimeter.
Das Verbreitungsgebiet erstreckt sich über einen großen Theil Südamerikas, vom östlichen Brasilien bis Cayenne; außerdem aber kommt der Sai auch auf Cuba vor.
»In den von mir bereisten Gegenden«, sagt der Prinz, »ist er nirgends so häufig als in der Provinz Espirito santo; denn dort, in den Wäldern unweit der Seeküste, erlegten meine Jäger eine große Menge dieser schönen Vögel. Sie waren in der Fortpflanzungszeit gepaart, übrigens aber in kleinen Gesellschaften von sechs bis acht Stücken vereinigt und durchzogen munter die höheren Baumkronen. In ihrem Magen fand man meistens Ueberreste von Früchten, doch auch Kerbthiere. Eine laute Stimme oder einen bedeutenden Gesang haben wir nicht von ihnen gehört; sie sollen indeß ein ziemlich leises Gezwitscher vernehmen lassen. Ihre Lockstimme ist ein oft und schnell wiederholter kurzer Laut. Sie Hüpfen und flattern gleich unseren Meisen gesellschaftlich von Ast zu Ast, sind stets in Bewegung und halten sich nicht lange an einer und derselben Stelle auf. Oft sind sie mit anderen kleinen Vögeln, z. B. mit Tangaras, gemeinschaftlich vereint. In der Zeit, wenn die saftigen Früchte reifen, stellen sie diesen eifrig nach.« Schomburgk bestätigt lediglich die Angaben des Prinzen, ohne ihnen etwas hinzuzufügen, erwähnt jedoch in seiner Reisebeschreibung, daß eine verwandte Art von den Wilden erlegt wird, weil diese aus den prachtvoll glänzenden Federn sich Schmuckgegenstände verfertigen. Gefangene gelangen dann und wann in unsere Käfige, sind aber hinfällig und verlangen die beste Pflege, wenn sie jahrelang ausdauern sollen.
Der Schnabel der Zuckervögel oder Pitpits ( Certhiola) ist fast kopflang, am Grunde ebenso hoch wie breit, seiner ganzen Länge nach sanft gebogen, allmählich verdünnt und in eine lange, scharfe, gerade Spitze auslaufend, der Flügel lang, in ihm die zweite, dritte und vierte Schwinge die längsten, der Schwanz kurz, die Zunge tief gespalten, jeder der beiden Spitzentheile in lange Borsten pinselartig zerfasert.
Der Pitpit ( Certhiola flaveola, Certhia und Caereba flaveola, Curruca jamaicensis) ist aus der Oberseite schwarz, an der Kehle grauschwarz, auf der Unterseite und auf dem Bürzel schön gelb; ein Augenbrauenstreifen, die Vordersäume der Handschwingen, die Schwanzspitze und die äußersten Schwanzfedern sind weiß. Das Auge ist graubraun, der Schnabel schwarz, der Fuß braun. Das Weibchen ist oben schwärzlich olivenfarbig, unten düster blaßgelb, im übrigen aber dem Männchen ähnlich gefärbt und gezeichnet. Die Länge beträgt einhundert, die Fittiglänge sechsundfunfzig, die Schwanzlänge fünfundzwanzig Millimeter.
Das Wohngebiet des Pitpit ist die Insel Jamaika. Hier sieht man ihn, laut Gosse, dem wir die ausführlichste Schilderung seines Lebens verdanken, nicht selten in Gesellschaft der Kolibris, indem er dieselben Blüten und zu demselben Zwecke besucht wie sie. Er schwebt aber nicht vor den Blumen, sondern setzt sich auf den Baum und untersucht emsig, von Zweig zu Zweig weiterhüpfend, das Innere der Blüten, wobei er in allen Stellungen den Leib dreht und oft mit dem Rücken nach unten gekehrt sich aufhängt, um mit seinem gekrümmten Schnabel und mit dem Pinsel seiner Zunge alle Theile der Blüten nach kleinen Kerbthieren zu durchsuchen. Ueberraschend zutraulich kommt er oft in die Blütensträucher der Pflanzungen und Gärten Jamaikas. »Eine große Moringa, welche das ganze Jahr hindurch reichlich mit Blüten besetzt ist, scheint für ihn wie für die Kolibris besondere Anziehungskraft zu besitzen. Und eben jetzt, da ich dies schreibe, wird die vor meinen Fenstern stehende Moringa von einem Paar dieser lieblichen Geschöpfe vor meinen Augen durchsucht, während an einer anderen Stelle ein kleiner Kolibri von einer Blüte zur anderen dahinschießt und anderwärts wieder die prächtige Urania sich ihnen zugesellt.« Von unserem Vogel allein ertönt oft ein sanftes Pfeifen bei seinem Geschäfte.
»Das Nest des Pitpit findet sich gewöhnlich im niederen Gebüsche, nahe bei den Nestern der Papierwespen, welche von dessen Zweigen herabhängen. Auch verwandte Vögel sollen Zuneigung zu dieser Nachbarschaft zeigen: sie glauben sich ohne Zweifel durch die Nähe dieser gefürchteten Kerbthiere gesichert und vertheidigt. Das Brutgeschäft fällt in die Monate Mai, Juni und Juli. Am vierten Mai sah ich einen Pitpit Seidenwolle zum Neste tragen. Der Bau, welcher oft nur Grundlage war, deutete auf eine Wölbung und bestand nur aus dieser Baumwollenseide. Später sah ich mehrere vollständige Nester. Ihre Gestalt ist die einer Kugel, das Eingangsloch befindet sich seitlich und unten. Die sehr dicken Wände bestehen aus Heu, welches mit der seidigen Wolle einer Asclepias gemischt ist. In einem anderen Neste fand ich zwei Eier, welche auf grünlichweißem Grunde dicht mit röthlichen Flecken gezeichnet waren.«