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Als nahe Verwandte des Mauerläufers betrachte ich die Hopfe ( Upupidae), eine nur aus sechs bekannten Arten bestehende, über alle drei Erdtheile verbreitete Familie, welche von einzelnen Forschern auch wohl der Ordnung der Leichtschnäbler zugezählt wird.
Unser Wiedehopf, Heer-, Stink- und Kothvogel, Stinkhahn, Kothkrämer, Küster- und Kukuksknecht ( Upupa epops, vulgaris, bifasciata, maculigera, exilis, brachyrhynchos, macrorhynchos, major und senegalensis), das Urbild der Familie, kennzeichnet sich durch gestreckten Leib, sehr langen, schwachgebogenen, schlanken, seitlich zusammengedrückten spitzigen Schnabel, kurze, ziemlich kräftige Füße mit kurzen, stumpfkralligen Zehen, große und breite, sehr abgerundete Flügel, unter deren Schwingen die vierte, mit der fünften gleichlange, die Spitze bildet, mittellangen, breitfederigen, am Ende gerade abgestutzten Schwanz und weiches, lockeres Gefieder, welches sich auf dem Kopfe zu einem Federbusche verlängert. Die Wirbelsäule besteht, laut Nitzsch, aus vierzehn Hals-, sieben bis acht Brust- und sechs Schwanzwirbeln. Sechs Wirbel tragen echte, ein oder zwei sogenannte falsche oder Fleischrippen. Der Schädel zeigt eigenthümliche Verhältnisse; das Brustbein ähnelt dem der Singvögel. Schädel, Wirbelbein, Brustbein, Becken, Oberarmknochen und sogar die Oberschenkelknochen sind luftführend. Die verkümmerte Zunge ist dreieckig, hinten ebenso breit als lang, nur mit weicher Haut überzogen, vorn abgerundet, am hinteren Rande und an den hinteren Ecken sehr fein gezähnelt. Von Kehlkopfmuskeln sieht man keine Spur. Der Schlund erweitert sich nicht zum Kropfe; der Vormagen ist durch dicke Drüsenwände ausgezeichnet, der Magen schwachmuskelig. Das Gefieder ist auf der Oberseite lehmfarbig, auf dem Mittelrücken, den Schultern und den Flügeln schwarz und gelblichweiß in die Quere gestreift, der Federbusch dunkel rostlehmgelb, jede einzelne Feder schwarz an der Spitze, die Unterseite hoch lehmgelb, an den Bauchseiten schwarz in die Länge gefleckt, der Schwanz schwarz, etwa in der Mitte seiner Länge weiß gebändert. Beim Weibchen sind die Farben etwas schmutziger als beim Männchen; bei den Jungen ist der Federbusch kürzer. Das Auge ist dunkelbraun, der Schnabel hornschwarz, der Fuß bleigrau. Die Länge beträgt neunundzwanzig, die Breite fünfundvierzig, die Fittiglänge vierzehn, die Schwanzlänge zehn Centimeter.
Der Wiedehopf bewohnt Mittel- und Südeuropa, ganz Sibirien und China, Westasien und Nordafrika, ist in Deutschlands Ebenen häufig, in England ein seltener Gast, verirrt sich aber zuweilen bis nach Nordskandinavien und Spitzbergen. In Deutschland ist er Zugvogel, welcher in den letzten Tagen des März einzeln oder paarweise ankommt und zu Ende des August und im Anfange des September familienweise langsam wieder nach Süden reist; schon in Nordafrika aber wandert er nicht mehr, sondern streicht höchstens im Lande auf und nieder. Doch trifft man ihn im Winter in ganz Afrika an, und ebenso gehört er unter die regelmäßigen Wintergäste Indiens. Bei uns bevorzugt er Ebenen, welche mehr oder weniger dicht mit Bäumen bestanden sind. Gegenden, in denen Felder und Wiesen mit kleinen Wäldchen abwechseln, oder solche, wo alte Bäume einzeln inmitten der Feldmarken stehen, sagen ihm besonders zu. In Südeuropa treibt er sich vorzugsweise in den Weinbergen herum; in Afrika ist er in jedem Dorfe, ja selbst inmitten der Städte zu finden. Hier findet er alles, was sein Herz sich wünscht. Nicht das Vieh ist es, welches dort für die Nahrung des schmutzigen Gesellen sorgt, sondern der Mensch. So fleißig auch die Geier sind: allen Unrath können sie doch nicht abräumen, und genug bleibt übrig für diejenigen Vögel, welche wie der allbekannte, durch mancherlei Sagen verherrlichte »Hudhud« Kothhaufen als höchst erquickliche Gegenstände betrachten. Die schamlose Ungezwungenheit der Eingeborenen richtet ihm jeden Winkel zu einem vielversprechenden Nahrungsfelde her, und die Gutmüthigkeit oder, wohl richtiger, die Gleichgültigkeit der Leute erlaubt ihm, sein Geschäft durchaus ungestört zu betreiben. Unbekümmert um den Menschen, welcher sich gerade anschickt, Mistkäfer und Aasfliege auch etwas verdienen zu lassen, treibt sich der Vogel auf der ihm wohl bekannten Unrathstätte umher; ja, er kennt das Wesen seines hauptsächlichsten Ernährers so genau, daß er geradezu in dessen Wohnung sich ansiedelt und in irgend einem Mauerloche seine stinkende Kinderschar heranzieht. Man braucht bloß aus dem Fenster seines Hauses hinab in den Hof oder in den Garten zu sehen oder durch das Dorf zu gehen: das »Hudhud« tönt einem überall entgegen, von den Häusern, aus den Baumkronen, von der halb zerrissenen Lehmmauer oder von einem widerlich duftenden Erdhügel herab, hinter einer nicht allen Blicken ausgesetzten Mauer hervor.
Das Betragen des Wiedehopfes ist eigenthümlich, aber ansprechend. Bei uns zu Lande vorsichtig und scheu, weicht er dem Menschen oft weit aus und vertraut eigentlich nur dem Kuhhirten, dessen Herde für seinen Unterhalt sorgt; im Süden hat er sich auf das innigste mit dem Menschen befreundet und treibt seine Possen unmittelbar vor dessen Augen. Aber auch hier wird vorkommendenfalles der Grundzug seines Wesens, grenzenlose Furcht, bemerklich. Der Vogel ist klug genug, um sich vollkommen sicher zu fühlen, wenn er einen Menschen oder ein Hausthier gewöhnlichen Schlages gewahr wird; aber schon ein Hund macht ihn bedenklich, eine Katze fordert seine Vorsicht heraus, eine vorüberfliegende Krähe erregt Besorgnis, einer der überall gegenwärtigen Schmarotzermilane oder ein harmloser Schmutzgeier ruft namenlosen Schrecken hervor. Er stürzt sich dann augenblicklich auf den Boden nieder, breitet den Schwanz und die Flügel kreisförmig aus, biegt den Kopf zurück, streckt den Schnabel in die Höhe und verharrt in dieser Stellung, welche Täuschung des Räubers bezweckt, bis alle Gefahr vorüber scheint. Naumann behauptet, daß ihn jede nahe und schnell über ihn hinwegfliegende Schwalbe erschrecke, daß er zusammenfahre und schnell den Federbusch entfalte: in Egypten habe ich so große Aengstlichkeit nie von ihm beobachtet, obwohl er sich im übrigen auch hier ganz wie in Deutschland beträgt. »Es belustigt ungemein«, schildert Naumann, »diesen ängstlichen Vogel ungesehen aus der Nähe beobachten zu können. Alle Augenblicke wird er erschreckt, und ehe man es sich versieht, flüchtet er sich in die belaubten Zweige eines nahen Baumes, läßt im Ausruhen oder beim Wegfliegen seine schnarchende Stimme hören und macht auch hierbei allerlei sonderbare Bewegungen. Gewöhnlich trägt er den Federbusch nicht entfaltet, sondern spitz nach hinten gelegt. Er fächelt aber damit, wenn er böse wird und breitet ihn aus, wenn er in Ruhe auf einem Baume sitzt oder, wenn er seinen Ruf ertönen läßt. Zur Paarungszeit spielt er mit dem Fächer auch dann, wenn er am Boden umherläuft, und zuweilen entfaltet er ihn selbst während des Fluges so, wie man spielend einen Fächer auf- und zumacht.« Sein Gang auf dem Boden ist gut, schrittweise, nicht hüpfend; im Gezweige dagegen bewegt er sich wenig und geht höchstens auf stärkeren, wagerechten Aesten auf und nieder. Fliegend werden die Schwingen abwechselnd bald schnell, bald langsam geschwungen; der Flug erhält dadurch ein ängstliches Aussehen und geht zuckend vorwärts. Vor dem Niedersitzen schwebt er einige Augenblicke, und entfaltet dabei seinen Federbusch. Die Lockstimme ist ein heiser schnarchendes »Chrr«, welches zuweilen wie »Schwär« klingt; bei guter Laune läßt er ein dumpfes »Queg queg« vernehmen; der Paarungsruf ist das hohl klingende »Hup hup«. Im Frühjahre stößt diesen das Männchen ununterbrochen aus, aber schon gegen das Ende des Juli hin ruft es nicht mehr. Wenn sich im Anfange der Begattungszeit zwei Männchen um ein Weibchen streiten, rufen sie unablässig, hängen dann dem »Hup« auch wohl ein tiefes, heiseres »Puh« an.
Obwohl an günstigen Orten ein Wiedehopfpaar dicht neben dem anderen wohnt, hält doch bloß die Familie im eigentlichen Sinne des Wortes treu zusammen; die Nachbarn streiten sich fortwährend. Es kommt zwar selten zu Thätlichkeiten zwischen ihnen; wohl aber jagen sie sich sehr ärgerlich hin und her und geberden sich so, daß ihr Unwille nicht zu verkennen ist. Mit anderen Vögeln geht der Wiedehopf keinen Freundschaftsbund ein. Die einen fürchtet er, die anderen scheinen ihm gleichgültig zu sein. Aber dieser, der Zuneigung scheinbar so wenig zugängliche Vogel schließt sich, wenn er von Jugend auf freundlich behandelt wird, seinem Pfleger mit außerordentlicher Zärtlichkeit an, und deshalb gehört ein zahmer Wiedehopf zu den unterhaltendsten und liebenswürdigsten Hausgenossen, welche man sich denken kann. Sein Geberdenspiel belustigt, seine Zahmheit und Zutraulichkeit entzücken. Er wird zahm wie ein Hund, kommt auf den Ruf, nimmt seinem Gebieter das Futter aus der Hand, folgt ihm durch alle Zimmer des Hauses, in den Hof, in den Garten, ins Freie, ohne ans Wegfliegen zu denken. Je mehr man sich mit ihm beschäftigt, um so umgänglicher wird er, geht schließlich selbst auf Scherze ein, welche ihm anfangs entschieden unbehaglich zu sein scheinen. Bei geeigneter Pflege schreitet er im Käfige auch zur Fortpflanzung.
Kerbthiere mancherlei Art, welche der Wiedehopf vom Erdboden aufliest oder mit seinem langen Schnabel aus Löchern hervorzieht und bezüglich herausbohrt, bilden seine Nahrung. Mist- und Aaskäfer, Schmeißfliegen, Larven und andere kothliebende Kerfe scheint er zu bevorzugen, verschmäht aber auch Mai-, Brach-, Rosenkäfer, Heuschrecken, Heimchen, Ameisenpuppen, Raupen etc. nicht. Seine Beute zieht er mit viel Geschicklichkeit aus den verborgensten Schlupfwinkeln hervor und erschließt sich solche oft mit großer Anstrengung, indem er wie ein Specht hämmert und meiselt. »Wo er den Mist der Herden und des Wildes durchsucht«, sagt Naumann, »oder wo er sonst eine Zeitlang den Maikäfern nachgegangen ist, sieht man eine Menge kleiner Löcher, welche er mit seinem weichen Schnabel in den Boden gebohrt hat. Aber dieser dient ihm auch zum Tödten der größeren Käfer und zum Abstoßen der harten Flügeldecken, Füße und Brustschilder. Er stößt einen Käfer so lange mit dem Schnabel gegen den Boden, bis jene Theile abspringen und wirft ihn dann, so zubereitet, in den Schlund hinab, um ihn verschlingen zu können.« Der Schnabel ist gut zum Ergreifen; um aber die erfaßte Beute hinab zu würgen, ist es unbedingt nöthig, sie vorher in die Höhe zu schleudern und dann aufzufangen. Junge Wiedehopfe, welche man heranziehen will, muß man stopfen; im entgegengesetzten Falle verhungern sie, weil sie buchstäblich nicht im Stande sind, das mit dem Schnabel erfaßte auch zu verschlingen. Letzteres lernen sie erst mit der Zeit.
In Europa erwählt sich der Wiedehopf am liebsten Baumhöhlungen zur Anlage seines Nestes, ohne jedoch ein Mauerloch oder eine Felsenspalte, welche ihm passend erscheint, unbeachtet zu lassen. In Egypten nistet er fast ausschließlich in Mauerlöchern und sehr häufig in passenden Höhlungen bewohnter Gebäude. Er ist überhaupt um die Wahl seines Nistplatzes nicht verlegen. Bei uns begnügt er sich im Nothfalle mit einem einigermaßen versteckten Plätzchen auf dem flachen Boden; in den Steppengegenden legt er sein Nest sogar zwischen den Knochen eines Aases an: Pallas fand einmal ein Nest mit sieben Jungen in dem Brustkorbe eines Menschengerippes. Baumhöhlen werden gewöhnlich gar nicht, zuweilen aber mit einigen Hälmchen und Würzelchen, auch wohl mit etwas Kuhmist ausgebaut, die auf dem Boden stehenden Nester durch allerlei trockene Halme, feine Wurzeln und Genist gebildet und ebenfalls mit Kuhmist ausgeziert. Das Gelege besteht aus vier bis sieben verhältnismäßig kleinen, ungefähr fünfundzwanzig Millimeter langen, siebzehn Millimeter dicken, sehr länglichen Eiern, welche auf schmutzig weißgrünem oder gelblichgrauem Grunde mit äußerst feinen, weißen Pünktchen übersäet oder auch fleckenlos sind, überhaupt sehr abändern. Selten findet man sie vor Anfang des Mai vollzählig; denn der Wiedehopf nistet nur einmal im Jahre. Die Eier werden vom Weibchen allein sechzehn Tage lang mit der größten Hingebung bebrütet, die Jungen von beiden Eltern sorgfältig gepflegt, mit Maden und Käfern groß gefüttert und noch lange nach dem Ausfliegen geführt, geleitet, unterrichtet und gewarnt. Während der Brutzeit macht der Wiedehopf das Sprichwort wahr; denn er und seine Jungen stinken dann in wirklich unerträglicher Weise. Die Eltern sind nicht im Stande, den Koth der Jungen wegzuschaffen; diese sitzen daher, wie Naumann sagt, »bis an die Hälse im eigenen Unrathe«, und der letztere verbreitet, wenn er in Fäulnis übergeht, einen überaus ekelhaften Geruch. Schon das brütende Weibchen nimmt sich selten die Mühe, den eigenen Unrath wegzutragen; das Kinderzimmer aber wird nie gereinigt. Der Gestank zieht Fliegen herbei, welche ihre Brut in dem Miste absetzen, und so kommt es, daß das Nest schließlich auch noch von Maden wimmelt. Die Jungen stinken selbstverständlich am meisten; die Alten geben ihnen zuletzt jedoch wenig nach, und erst viele Wochen nach dem Ausfliegen verlieren die einen, wie die anderen den ihnen anhängenden Gestank. Wenn die Jungen vollständig erwachsen sind, merkt man so wenig mehr davon, daß man sie wie ihre Eltern ohne Ekel verspeisen kann. Sie sind dann sehr fett und ungemein schmackhaft. Den Bekennern des mosaischen Glaubens freilich bleibt solche Speise verboten, und nicht anders denken die Mahammedaner: auch in ihren Augen gilt der »Hudhud«, so sehr sie ihn sonst schätzen, als unreines Wesen.