Margarete Böhme
Tagebuch einer Verlorenen
Margarete Böhme

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Wie das geht. Ich habe nicht wollen und bin doch wieder dazu gekommen. Seitdem ich des Abends wieder bei Mimi in der Bar war. Sie schenkt noch immer Champagner aus und wird ein bißchen schwammig vom vielen Mitsaufen. Im übrigen hat sie jetzt eine Freundin, eine reiche alte Jungfer in Moabit. Sie sagt, sie liebt die Freundinnen mehr als die Männer, die Männer hat man bald über. Ich glaube ihr, sie ist selbst wie ein halber Mann. Ich trank ein paar Gläser, um mir Mut zu machen und erwischte einen netten Menschen, der mich in seine hochelegante Junggesellenwohnung nahm; D. heißt er und ich gefiel ihm so rasend, daß er mir ein festes Verhältnis anbot. Ich wollte aber nicht darauf eingehen, weil es nur eine Ausnahme sein sollte. Aber die fünfzig Mark waren schon am andern Tage ausgegeben und am nächsten Tage war's wieder das Alte. Das Leben ist ein fortwährender Kampf, man schlägt die Tage tot, einen nach dem anderen, und die Erschlagenen liegen hinter uns und verwesen, aber vor uns stehen immer wieder neue auf, und man wird nie fertig, den Kampf mit dieser Hydra auszufechten.

Eines Abends war ich mit Nix im Apollotheater. Wir hatten zwei Fremdenlogenplätze und es genierte mich etwas, neben ihr zu sitzen, da sie ihren ganzen Brillantenklimbim angesteckt hatte und ich gar nichts mehr an Schmuck habe. Sie war natürlich so liebenswürdig, es sofort zu bemerken und rümpfte die Nase gewaltig, als ich ihr sagte, daß alles bei meiner Pension draufgegangen war. »Ich denke, der Doktor W . . . hält dich aus,« sagte sie. Ich erklärte ihr, daß sich das doch 187 nicht so verhält usw. »Na, laß man, den ollen Knicker habe ich auch mal kennen gelernt,« sagte sie, und erzählte, daß sie vor anderthalb Jahren ihn einmal in seiner Eigenschaft als Nervenspezialist konsultiert habe, was zwanzig Mark kostete. Dann hat er sie gleich dabehalten den Abend, und Nix ist doch dafür bekannt, daß sie auch feste Preise hat und jede Konsultation bei ihr nicht unter fünfzig Mark zu haben ist. Als sie ging, hat er ihr aber nur dreißig Mark rausgegeben, worüber sie noch jetzt sehr erbost war. Wie so der Teufel immer seine Hand im Spiele hat; als wir im Zwischenakt oben ein bißchen umhergehen, begegnet uns der Doktor; solch ein verfluchter Zufall, muß der aber auch ausgerechnet an dem Abend mit seiner Frau ins Apollotheater gehen, er sah mich groß an und ich wußte sofort, wenn der mich in Nix' Gesellschaft sieht, weiß er auch gleich wodran. Ich hätte aber doch wenigstens erwartet, daß er eine Aussprache herbeiführt, statt dessen blieb er einfach aus und schickte mir am Ersten die Miete per Post. Das hat mich nun furchtbar gewurmt, gerade weil ich ihn doch so von Herzen gern habe, und niemals mehr mich an einen anderen Mann weggeworfen hätte, wenn die Not mich nicht dazu getrieben hätte, und in meinem Zorn schickte ich ihm das Geld zurück, er soll doch wissen, daß unsereins auch noch seinen Stolz hat. Da aber die Miete doch bezahlt werden mußte, schrieb ich an D . . . und bat ihn um ein Rendezvous. Er kam auch und ich klagte ihm meine Sorgen und er erklärte sich gleich bereit, die Miete für mich zu bezahlen und war sehr erfreut, und sagte, daß er schon überall nach mir gesucht habe, ich hätte es ihm auf den ersten Blick angetan. Auf diese Weise ist D . . . nun mein Freund und an des Doktors Stelle gerückt und ich stehe mich eigentlich besser dabei, denn er ist sehr nobel, aber meine Sehnsucht gehört doch dem Doktor, ich kriege noch jedesmal 188 Herzklopfen, wenn die Klingel geht, und bin enttäuscht und traurig, wenn es ein anderer ist.

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