Margarete Böhme
Tagebuch einer Verlorenen
Margarete Böhme

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8. Sept.

Ein einsamer Abend. Ich will schreiben. O Gott, o Gott, sind das Sorgen. Am Fünfzehnten muß ich die Möbelmiete zahlen und hab noch keinen Pfennig dazu. Der Doktor ist mit seiner Familie an der See, schreiben darf ich ihm nicht, mag ihn auch nicht belästigen, da er mir ohnehin mehr gibt, als er eigentlich kann. Ich habe nur vier Zimmer besetzt und die Lehrerin für achtzig Mark monatlich aufgenommen, wobei ich Geld zusetzte, wenn nicht eine große Reihe Pensionäre da sind, und sie sich so mit durchißt. Die täglichen Ausgaben und der Dienstbotenlohn und Gasrechnung und alles andere, ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht, und ich glaube auch nicht, daß ich die Sache dauernd halten kann. Dabei ist mir auch noch ein Ehepaar, das hier zwei Monate wohnte und eine gehörige Zeche anband, durchgegangen, und hatten noch dreihundertsiebzehn Mark und achtzig Pfennige zu bezahlen. Die Pension würde sich eher rentieren, wenn ich einen tüchtigen, intelligenten Mann zur Seite hätte. Casimir verstumpft und verblödet, deucht mir, von Tag zu Tag mehr. Neulich war er krank, der Doktor 180 sagt, er hat 'n schweren Herzklappenfehler. Vielleicht wird er bald sterben. Wir wollens nicht hoffen, aber Gott geb's. Ich weiß wirklich nicht, wozu so'n Mensch hier herumläuft. Manchmal bekommt er den Einfall und will nichts anziehen. Dann zieht er sich splinternackend aus, und ist weder mit Güte noch mit Gewalt zu bewegen, ein Kleidungsstück anzuziehen. Dann muß ich ihn einschließen, sonst wär's natürlich gleich alle mit uns. Er fängt übrigens an, manchmal eklig und unbequem zu werden; wenn ich ihm nicht Taschengeld genug geb', borgt er auf meinen Namen und neulich hat er heimlich Löffel versetzen wollen, hat aber natürlich nichts drauf gekriegt, weil es nur Alpakkasilber ist; wenn ich ihn zur Rede stelle, wird er großschnauzig und frech. Ach ja, man hat seine Not.

Ich habe Sehnsucht nach meinem Doktor. Wenn er erst wieder da ist, werde ich wieder Mut und Hoffnungsfreude und Selbstvertrauen haben. So ist alles dunkel und schwermütig und verzagt in mir.

* * *


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