Margarete Böhme
Tagebuch einer Verlorenen
Margarete Böhme

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Also nun ist Lene Frau Apotheker Gotteball. Ich komme leidlich gut mit ihr aus. Mutter sage ich natürlich nicht zu ihr, anstandshalber tue ich mir Zwang an und nenne sie Tante.

Übrigens scheint es mit der Heirat doch pressiert zu haben. Meinert meint es wenigstens. Ich verstehe nur nicht, wie sie es angestellt hat, durchzusetzen, was keiner andern vor ihr gelungen ist. Sie ist unwissend und dumm wie eine Gans, und ihre Schönheit kann sie auch tragen, trotz ihres glatten Gesichts und ihrer molligen quabbeligen Formenfülle. Meinert sagt, sie hätte einen Kapitän heiraten müssen. Warum, fragte ich. Nun, meint er, der hätte dann wenigstens einen »Meerbusen« vor Augen gehabt. Ich mußte über den dummen Witz lachen, obwohl mir jetzt gar nicht der Sinn nach Lachen und Lustigsein steht.

Ich weiß nicht, mir ist so dumm zumute. So dumpf und benommen. Ich habe oft Herzklopfen. Meinert hat mir Digitalistropfen gegeben, aber die nützen auch nichts. Der moralische Widerwille, den ich seit Monaten vor mir selber empfinde, wächst sich manchmal zum physischen Ekel aus.

Ich sage Meinert nichts davon. Eher noch Osdorff. 62 Neulich Abend bekam ich solchen Ekel vor Salzgurken, die auf dem Tisch standen, wie ich sie ansah, verwandelten sie sich vor meinen Augen in lauter grüne, widerliche Schlangen. Die ganze Nacht ringelte und wurmte das grüne Zeug vor meinen Augen herum. Es ist ja gräßlich. Mir ist so bange, ich weiß nicht vor was.

* * *


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