Margarete Böhme
Tagebuch einer Verlorenen
Margarete Böhme

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Ich bin lange nicht mehr zum Einschreiben gekommen. Hier passiert ja auch so wenig. Ich fürchte, mit der Heiraterei von Vater und Elisabeth wird es nichts; ich will mich auch nicht mehr darum bekümmern, wenn sie ihn nicht will, soll sie's bleiben lassen. Ich glaube, er will sie auch nicht, manchmal kommt es mir vor, als ob er sie nicht einmal recht leiden kann.

Elisabeth ist manchmal sehr still und gedrückt. Ich glaube, sie trauert doch noch immer ein bißchen ihrem ungetreuen Pastor nach. Sie ist auch so sehr blaß, will es aber nicht wissen. Wenn ich sie frage, ob ihr etwas fehlt, wird sie rot und sagt: »Nein, nein.« Gelungen ist das mit ihr. Zu Weihnachten hat sie mir einen entzückenden Schlafrock aus rosa Flanell mit einer kleinen Schleppe gemacht, und mein braunes Samtkleid, das nach ihrer Angabe gearbeitet ist, erregt auf der Eisbahn allgemeines Aufsehen. Sie hat riesig viel Schick und Geschmack. Sie läuft auch sehr gut Schlittschuh, und der neue junge Doktor, der jetzt hier wohnt, macht sich gern an sie heran, vielleicht kriegt sie den. Es wäre schade, wenn wir sie verlören, aber ich gönne ihr doch, daß sie glücklich wird.

Osdorff ist auch immer auf der Eisbahn und läuft viel mit ihr. Mich dünkt, er wird immer dümmer, trotzdem er sein Einjährigenzeugnis jetzt mit knapper Not erlangt hat. Es wird auch Zeit; im April wird er einundzwanzig. –

Osdorff mag so schrecklich gern frisieren und hat auch riesig viel Geschick dazu. Ich kann ihm keine größere Freude machen, als wenn ich ihm erlaube, mich zu frisieren. Dann kämmt und bürstet, brennt und toupiert 48 er mein langes schwarzes Haar und macht die kunstvollsten Frisuren. Bald scheitelt er es und kämmt es tief über die Ohren und macht eine Nackenhaarschlinge, bald stellt er es hoch, er macht wirklich großartige Frisuren. Elisabeth hat er auch lange gequält, sie frisieren zu dürfen, und weil ich mitbettelte, hat sie einmal nachgegeben. Da hat er ihr das helle Haar wie eine Krone aufgesteckt, aber direkt wie eine Krone, sie sah ordentlich königlich damit aus.

Osdorff verkehrt jetzt auch in hiesigen Familien, sie sind arg hinter ihm her, weil er ein Graf ist. Sie kennen alle seine Liebhaberei und zum Harmonieball sind eine ganze Masse Damen zu Konrad Lütte gegangen, wo Osdorff eingeladen war, und haben sich von ihm frisieren lassen. Er soll seine Sache so gut gemacht haben, wie ein Pariser Friseur. Die Damen waren voll Lob für ihn und nannten ihn ein Genie. Darüber muß ich lachen – der arme Osdorff und ein Genie – daß sich Gott erbarme!

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