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Mädchenopfer der Mandyako

Eines Tages wagte ich nun, unsere Gespräche auf das Gebiet der Religion zu lenken. Doch bei der ersten Frage verfinsterte sich die sonst immer lächelnde Miene des jungen Mannes. Er überlegte einige Augenblicke, bat mich, ihn für eine Weile zu entlassen, und versicherte, er werde bestimmt wiederkommen. Überzeugt, daß es mir auch hier nicht viel anders ergehen würde wie auf Orango Grande, gab ich schon im stillen die Hoffnung auf weitere Auskünfte auf. Zu meiner aufrichtigen Freude aber kehrte der Jüngling wieder, allerdings in Begleitung einiger würdevoller Greise. Es schien mir, daß sich der Schlaue seinen Volksgenossen gegenüber decken wollte und deshalb für Zeugen bei einem derartigen Gespräch gesorgt hatte. Dagegen konnte ich nichts einwenden, ich wies den Alten Plätze an und begann mit den gefährlichen Fragen. Ohne Scheu wurde mir berichtet, daß die Mandyako einen mächtigen Himmelsgott verehren und jedes Dorf außerdem einen Dämon besitzt, der die Wünsche der Sterblichen dem großen Gott übermittelt und vom Dorfhäuptling betreut wird. Der König ist zugleich auch Oberpriester.

Auch das Geheimnis ihrer merkwürdigen Begräbnissitten suchte ich von den Mandyako zu erfahren. Die Nachbarstämme behaupteten nämlich, daß bei den Mandyako heute noch bei bestimmten Anlässen Menschenopfer üblich seien. Derartige Angaben erschienen mir aber keineswegs zuverlässig, und ich wünschte daher Näheres über diese seltsamen Sitten aus dem Munde meiner Gewährsleute zu erfahren. Da jedoch jede Form von Menschenopfern von den Portugiesen auf das strengste verboten ist und die Eingeborenen bei der Übertretung des Gebots die schwersten Strafen zu befürchten haben, mußte ich mich darauf gefaßt machen, auf Schwierigkeiten zu stoßen.

Ich begann mit der Frage, ob die Mandyako glaubten, daß die Menschen eine unsterbliche Seele hätten, der man Opfer darbringen müsse. Dies wurde ohne Umschweife beantwortet: »Wenn ein Mensch tot ist, kann er doch nicht wieder auferstehen. Einem Toten Speise und Trank zu opfern, wäre daher ein müßiges Beginnen.«

Der Gewährsmann fing nun an, von den Begräbnissitten zu erzählen. Der Tod eines Menschen wird mit Hilfe der Signaltrommeln sofort bekanntgegeben. Das Begräbnis findet in sehr feierlicher Weise statt; je nach Alter und Ansehen des Toten wird eine verschieden große Anzahl von Schweinen und Rindern geopfert, indem man den Tieren die Kehle durchschneidet und das Blut in eine Grube rinnen läßt. Das Fleisch der Opfer verzehren die Trauergäste. Während des Mahles gräbt man das Grab. Bei den Mandyako liegen die Gräber nebeneinander, von mächtigen Bäumen beschattet, welche die Ruhe der Verstorbenen zu bewachen scheinen. Die mit vielen Tüchern umwickelte Leiche wird bei Sonnenuntergang ausgestreckt in die Grabnische gebettet. Hierbei kommt stets der Kopf nach Osten, die Füße gegen Westen zu liegen, die rechte Wange ruht auf der Innenseite der rechten Hand. Nische und Grabschacht kleidet man mit Tüchern aus, der Schacht wird mit Erde gefüllt und ein kleiner Grabhügel aufgeworfen.

Am Ende dieser Schilderung schien mir der richtige Augenblick gekommen zu sein, und ganz beiläufig warf ich die Frage hin: »Wann opfert ihr eigentlich die Mädchen?« Der Gewährsmann war sichtlich aus der Fassung gebracht, drehte sich zu den Alten um und übersetzte meine Frage; während er dies tat, verloren auch die alten Männer ihre bis dahin zur Schau getragene Ruhe. Es folgte eine erregte Debatte. Nach einiger Zeit trat einer als Sprecher auf und fragte mich: »Woher weißt du das?« Ich antwortete: mein »Tuma« habe mir es gesagt, derselbe, von dem ich auch erfahren hätte, daß die Bidyogo Zauberer zu töten pflegten. Nun meinte der Alte: »Wenn wir dir etwas darüber mitteilen, wirst du es den Portugiesen verraten!« Ich setzte auseinander, daß ich einem anderen Volksstamme angehörte als die Portugiesen und gar kein Interesse daran hätte, den Mandyako Schwierigkeiten zu bereiten. Endlich sagte der Alte: »Mädchen werden nur beim Tode unseres Königs geopfert.« So erfuhr ich, daß die Mandyako bei diesem Anlaß vier Mädchen »zum Zeichen der Königswürde« gleichzeitig mit der Königsleiche lebendig begraben. Das letztemal geschah dies nach dem Tode des Königs Elonge, des Bruders und Vorgängers des noch heute in seinem Palast lebenden Königs Nandangis. Es bestätigten sich also die Angaben der Nachbarvölker.

Die Mandyako nahmen mir meine Neugierde nicht übel, ihre Vertraulichkeit im Verkehr mit uns nahm von Tag zu Tag zu. Die Gäste in unserem Lager riefen uns bei unseren Namen. Sie kamen immer häufiger, die einen des Tabaks wegen, die anderen aus Interesse, einige Männer wieder schienen meine Frau ins Herz geschlossen zu haben. Die Verbeugungen, welche stets die Begrüßung begleiteten, waren formvollendet und das » Bon soir, Madame«, das sie von unseren Burschen rasch aufgenommen hatten, hätte ein gewiegter Lebemann nicht wohlklingender vorbringen können.

So oft einer von uns Anstalten traf, eine Zigarette anzuzünden, stürzte ein Mandyako an das Lagerfeuer und brachte einen glimmenden Holzscheit herbei. Als sich meine Frau eines Morgens nach dem Bade am Strande stehend ankleidete und dabei auf einem Bein schwankte, kam sofort ein hilfsbereiter Jüngling und deutete ihr an, sie möge sich auf seine Schulter stützen. Als dann die heranschleichende Flut die im Sande liegenden Kleider und Gegenstände zu überspülen drohte, rettete er diese eilig vor den Wellen und trug sie ins Lager.


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