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Die Häuser der Königsfamilie. Portugiesische Kanonenrohre

Nachdem wir uns mit den Eingeborenen angefreundet hatten, konnte ich feststellen, welchem Zweck die großen viereckigen Bauten dienten, die mir schon vom Flugzeug aus inmitten der Rundhäuser der Bidyogo aufgefallen waren. Sie wurden von schwarzen Händlern bewohnt, die von der Küste des Festlandes stammten, sich schon lange in Etikoka ansässig gemacht und beim Bau ihrer Häuser die europäischen Vorbilder nachgeahmt hatten.

Die auffallend großen Rundhäuser aber, die im Durchmesser alle übrigen Häuser bei weitem übertrafen und deren Strohdächer besondere Giebel schmückten, waren die Wohnstätten der königlichen Familie. Leider wurde mir der Eintritt in die Behausungen des Königs verwehrt und mit tiefem Ernst auf einen Betretungszauber hingewiesen, der in Form von einigen, in bestimmter Weise mit Korallen behängten Palmblättern oberhalb der Eingangstür angebracht war und jedes unbefugte Eindringen mit dem Tode bestrafen sollte. Glücklicherweise wurde mir aber gestattet, das Haus einer der Töchter der verstorbenen Königin Pampa zu betreten, das ehemals der Königin selbst gehört hatte.

Das Haus besteht aus zwei kreisrunden Lehmwänden. Der Durchmesser der äußeren beträgt ungefähr neun Meter, der der inneren Wand etwas über sechs Meter. Es entsteht somit um die innere Hauswand ein geschlossener kreisförmiger Gang von fast eineinhalb Meter Breite, der durch ein bis zwei lochartige Fenster erhellt wird. In diesem Gang spielt sich das Leben der Bewohner tagsüber ab, vor allem während der Regenzeit, wenn die häuslichen Arbeiten nicht vor dem Hause verrichtet werden können. Hier halten die Alten in der Mittagshitze ein kleines Schläfchen, hier rasten die Haustiere, hier schlafen aber auch nachts die Kinder.

Der Lehmboden des fensterlosen Innenraumes ist beim Eingang mit Muschelschalen in schönen Mustern ausgelegt. Um die Feuerstelle in der Mitte des Raumes, auf dem mit festgeflochtenen Matten belegten Boden, strecken sich die übrigen Familienmitglieder nachts zum Schlaf aus. An hölzernen Haken hängen Felle, Fransenschurze, Körbe, Holzschüsseln und anderer Hausrat. Auf einem Lehmsockel steht die stets gefüllte große Wasserkalebasse. Über den größten Teil des Innenraumes ist ein flacher Speicherboden aus Holzbalken und Palmblättern gezogen, auf dem eine Menge der verschiedenartigsten Gegenstände aufgestapelt ist. Dieser Speicher ist mit einer Leiter zu erreichen, als welche ein Baumstamm mit stufenförmigen Einkerbungen dient.

Gerade dem Eingang gegenüber steht der Fetisch, den die Besitzerin des Hauses von ihrer königlichen Mutter geerbt hat. Es ist ein schrankartiges Gebilde aus Lehm mit eigenartigen runden Fortsätzen, in schwarzer, weißer und roter Farbe mit Dreiecksmustern über und über bemalt. Die vordere Wand ist mit einem Vorhang verhängt. Obwohl mich die Eigentümerin, während ich im Hause umherging, nicht aus den Augen ließ, gelang es mir doch, im Vorbeigehen den Vorhang wie zufällig zu lüften. Zu meiner Überraschung stand da eine Reihe dunkler, ölig glänzender Holzfiguren, deren Zweck ich mir zunächst nicht zu erklären vermochte, die sich aber später als Seelenfiguren herausstellten.

Vor dem Fetisch waren auf dem gestampften Lehmboden aus Ton geformte Krüge aufgestellt, in denen Palmwein für Opferzwecke aufbewahrt wurde. Diese Tongefäße erinnerten an Gefäße der europäischen neolithischen Periode; bei Negerstämmen in Afrika waren mir ihre Formen noch niemals untergekommen.

Als meine Augen sich an das Halbdunkel gewöhnt hatten, konnte ich an den Wänden mächtige verschlossene Truhen ausnehmen. Ich vermutete darin einen Teil des vielgepriesenen Schatzes der Königin Pampa. Auf meine Frage erwiderte jedoch die Königstochter, daß darin nur die Kleider der Verstorbenen aufbewahrt würden. Da sich jedoch die Kleider der königlichen Frauen in keiner Weise von denen der übrigen Bidyogofrauen und Mädchen unterscheiden und die mächtigen Truhen kaum mit mehreren Hunderten solcher wenig umfangreicher Fransenröckchen gefüllt sein konnten, schenkte ich dieser Behauptung wenig Glauben. Ich hütete mich aber wohl, der Prinzessin das Unwahrscheinliche ihrer Angabe vor Augen zu halten, um mir nicht die Gunst dieser einflußreichen Persönlichkeit zu verscherzen, zumal das Vertrauen, das die Eingeborenen neuerdings zu uns gefaßt hatten, ohnehin auf schwankenden Füßen stand.

Recht bemerkenswert waren auch die Zapfentüren, die aus den breiten, bretterartigen Wurzeln des Baumwollbaumes sorgfältig in einem Stück geschnitzt werden. Hübsche, zum Teil verzierte Fallriegelschlösser, in der Ausführung an gewisse alte Schlösser unserer Gebirgsbauern erinnernd, machten die Türen versperrbar.

Das ganze Haus war von einem mäßig steilen, spitz zulaufenden und über die äußere Mauer weit überhängenden Dach gekrönt. Das dichte Reisstroh, das gut befestigt auf dem aus vielen dünnen Stäben kunstvoll zusammengefügten Dachstuhl liegt, hält den stärksten Regengüssen stand.

Trotz dem Mangel an Reinlichkeit und dem schlechten Bauzustand machen die Häuser der Bidyogo durch ihre Geräumigkeit einen wohnlichen Eindruck. Jedenfalls ist Platz genug vorhanden für die vielen Kinder, die überall herumkriechen.

siehe Biltunterschrift

Fliegeraufnahme des Dorfes Etikoka (Orango Grande). Die viereckigen Hütten gehören stammesfremden, schwarzen Händlern, die großen Rundhütten sind königlicher Besitz.

siehe Biltunterschrift

Junge Bidyogofrau aus Etikoka (Orango Grande). Der Palmfaserschurz wird über dem Gesäß getragen.

siehe Biltunterschrift

Junge Bidyogofrau aus Etikoka (Orango Grande).

siehe Biltunterschrift

Tänzerin in Engaburo (Unyokum).

siehe Biltunterschrift

Mädchen in Fanadentracht aus Etikoka (Orango Grande) mit einem holzgeschnitzten Zeremonienstab mit Messingglöckchen.

siehe Biltunterschrift

Bidyogoknabe in der Fanadenmaske in Etikoka (Orango Grande).

siehe Biltunterschrift

Bidyogoknabe mit Holzschüssel und aus Palmblättern geflochtenem Korb.

siehe Biltunterschrift

Bidyogofrauen mit Kindern im Dorf Etikoka (Orango Grande).

In einem anderen Hause fand ich eine Signaltrommel, die aus einem mächtigen Baumstamm geschnitzt war und sich nach beiden Seiten zu verjüngte. Da die beiden Seitenwände nicht nachträglich eingefügt worden waren, mußte der aus härtestem Holz bestehende Stamm durch den schmalen Schlitz ausgehöhlt worden sein. Eine gewaltige Leistung, wenn man bedenkt, daß die Hersteller dergleichen mit ihren primitiven Werkzeugen vollbracht haben!

Solche Schlitztrommeln sind vielfach in Westafrika und in der Südsee in Gebrauch. Sie werden dazu verwendet, Nachrichten auf weite Entfernungen zu übermitteln. Bei manchen Völkern gibt es sogar eine vollständige Trommelsprache, der es zu verdanken ist, daß sich die Neuigkeiten im Busch fast ebenso rasch verbreiten wie bei uns mit Hilfe des Telegraphen und des Telephons, eine Tatsache, die manchen Europäer schon in Staunen versetzte.

Über eine Trommelsprache verfügen die Bidyogo zwar nicht, die Signale aber, die sie gebrauchen, sind allen Stammesangehörigen bekannt. Jeder weiß sofort, wenn sich ein Dorf in Gefahr befindet, jeder erfährt rechtzeitig den Tod eines Freundes und kann sich zum Leichenschmaus rüsten. Der König aber kann, wann immer er es wünscht, sein Volk in kürzester Zeit um sich versammeln.

Als wir eines Tages das Dorf nach einer ungewohnten Richtung verließen, stießen wir auf eine Reihe von alten Kanonenrohren, die, mit dem portugiesischen Wappen verziert, im Grase lagen. Einige Jahreszahlen aus dem vorigen Jahrhundert waren noch undeutlich zu erkennen. Diese Kriegstrophäen sind Eigentum des Königs, so wurde uns erzählt, sie sind von einem seiner Vorgänger erobert worden.

War die portugiesische Fregatte, zu deren Bewaffnung diese Kanonen wohl einst gehört hatten, in offenem Kampfe von den tapferen Eingeborenen angegriffen und erbeutet worden, oder hatte sie erst ein unrühmliches Ende auf den Klippen und Riffen des Archipels gefunden, nachdem die schiffbrüchige Mannschaft von den Eingeborenen überwältigt worden war?

Keine Quelle konnte uns Aufschluß geben, und auch die Alten des Stammes vermochten es nicht. Vielleicht befindet sich in den Archiven von Lissabon ein bereits vergilbter Bericht über den Untergang einer Fregatte. Die stummen eisernen Rohre können leider nicht verraten, auf welche Weise sie in das vertrocknete Gras dieser einsamen, von schwarzen Menschen bewohnten Insel gekommen sind.


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