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Abends kam König Nákbè langsam und würdevoll wie immer ins Lager. Ich erzählte ihm, daß ich die beiden größten und schönsten Boote photographiert und die bemalten Schnitzereien bewundert hätte. Ich wußte, daß eines davon das Königsboot war, und hätte es gar zu gerne, völlig bemannt und in voller Fahrt, aufgenommen. Das versuchte ich nun mit einer List zu erreichen. Ich erkundigte mich bei König Nákbè, weshalb die Bidyogo eigentlich so langsame, schlechte Boote erzeugten. Das traf. Der König fuhr auf, wild blitzten mich seine kleinen Augen an, mit erhobenem Arme verkündete er dröhnend: »Mein Boot fährt rascher als ein Rauchboot von euch Weißen!« Ich lächelte ungläubig und meinte, ich hätte zwar noch nie einen Bidyogo auf einer Unwahrheit ertappt, dies aber könne ich nicht glauben. Für den Fall jedoch, daß er mir die Wahrheit seiner Behauptung zu beweisen imstande sei, wäre ich bereit, ihm 150 Eskudos auszuzahlen. Nákbè fühlte sich sichtlich in seiner Ehre getroffen und nahm, ohne zu überlegen, mein Anerbieten an. Einige Sorge bereitete mir allerdings der Gedanke, wo ich zu dieser Wettfahrt ein Motorboot auftreiben sollte. Doch halfen mir die Herren der Palmölfabrik liebenswürdig aus und stellten uns ihre Barkasse zur Verfügung.
Der große Tag der Wettfahrt kam heran. Schon in aller Frühe erschien Nákbè mit seinen Leuten am Strande. Seine lauten, strengen Befehle weckten uns aus dem Schlaf, wir sahen, wie die Burschen das große Königsboot mit Feuereifer fahrtbereit machten. In kleinen Holzmörsern bereiteten sie neue Farben und frischten die schon verblaßten roten und weißen Muster auf. Vor allem wurde der mächtige Stierkopf auf den Glanz hergerichtet. Dann schleppten die Männer die schweren, verzierten Ruder heran und banden sie mit fest zusammengedrehten Palmblattstricken fest. Büschel aus Gras und Blättern wurden überall als Festschmuck angebracht. Der König überwachte die Arbeit selbst und stattete den geschnitzten Stierkopf mit einem neuen Wasserzauber, einem mächtigen Blätterbüschel, das aus dem hölzernen Maul herausragte, aus. Dann bestiegen zwanzig stämmige Kerle das lange Boot, und mit einigen kräftigen Ruderschlägen unternahmen sie eine kleine Probefahrt. Alles ging in Ordnung, nur wurden Ruder ausgetauscht, fester angebunden und einige schwächere Burschen durch stärkere ersetzt.
Inzwischen erschien auch die Motorbarkasse. Nachdem der König nochmals in einer kurzen feurigen Ansprache die Ruderer aufgefordert hatte, ihr Bestes zu leisten und die Ehre des Königsbootes zu verteidigen, bestieg er mit uns das europäische Fahrzeug.
Ich gab Befehl, keinesfalls rascher zu fahren als das Bidyogoboot. Dann ging es los. Es war ein herrlicher Anblick, als das bunte lange Boot mit voller festlich geschmückter Bemannung an uns vorbeiflitzte. Am Heck saß erhöht der Steuermann, vor diesem, auf dem Boden des Schiffes, ein Mann mit einer Felltrommel, auf der er den Takt für die Riemenführer schlug. Vorn aber, an der Spitze, stand hochaufgerichtet ein Bursche, den Rinderkopf an zwei Stricken haltend und mit einer langen Gerte auf ihn losschlagend. Er peitschte und riß an den Zügeln, wilde, anfeuernde Rufe entströmten seinem geöffneten Mund, und die leidenschaftlichen Gebärden erweckten den Eindruck, als ob er es sei, der allein das Boot in Bewegung setze.
Die Ruderer stimmten einen alten Kriegsgesang an, legten sich kraftvoll in die Riemen, indem sie bei jedem Ruderschlag sich von ihren Sitzen erhoben, und ließen alle ihre Muskeln spielen. Überraschend war es für mich, zu sehen, daß der Steuermann den riesigen Einbaum rascher wenden konnte als wir das Motorboot.
Nach und nach ließ ich die Geschwindigkeit der Barkasse steigern. Mit glänzenden Augen stand Nákbè neben uns und feuerte mit heftigen Gebärden und lauten Rufen seine Kämpfer an. So viel Leidenschaft und Sportbegeisterung hätten wir dem alten König nimmermehr zugetraut! Er schilderte uns begeistert, wie einstmals oft vierzig solcher Boote, begleitet von wildem Kampfgeschrei, daherbrausten und mit der Schnelligkeit des Windes das Meer zwischen den Inseln durchkreuzten. So erhält die Überlieferung die Erinnerung an jene Zeiten wach, da die Europäer noch nicht ihren verderblichen Einzug auf der Insel gehalten hatten und freie Insulaner auf dem Höhepunkt ihrer Macht Land und Wasser beherrschten. Es mag wohl ein überwältigender Anblick gewesen sein, wenn eine Schar solcher Boote mit ihrer kriegerischen Bemannung den Feind umzingelte und überwältigte! Es waren ja berüchtigte Seeräuber, die Vorfahren des Königs Nákbè, und das wilde Blut dieser Krieger schäumte wohl auch heute noch in den Adern der Nachkommen.
Das Motorboot steigerte seine Schnelligkeit, die Ruderer im Einbaum nahmen alle ihre Kräfte zusammen. Der Mann am Bug peitschte den Stierkopf immer wilder mit seiner Gerte. Mit rauschender Bugwelle ging es wohl eine halbe Stunde lang in glühender Sonnenhitze dahin, ohne daß die Kraft der in Schweiß gebadeten Eingeborenen erlahmt wäre. Dann gab ich Befehl, langsamer zu fahren, unter ohrenbetäubendem Jubel gelang es den Bidyogo, uns zu überholen.
Plötzlich, wie auf ein Kommando, hörten alle auf zu rudern, standen mit gespreizten Beinen auf den Sitzbrettern und neigten das Boot so stark, daß kleine Wellen gurgelnd über seinen Rand spülten. Dabei verstärkten sich Trommelschlag und Gesang. Jetzt ertönte ein heiserer Schrei des Steuermannes, im Nu lagen alle Mann im Boot unsichtbar versteckt und mäuschenstill. So täuschte man offenbar einst den Feind, damit er glaube, die Bemannung des Bootes sei gefallen.
Bald erschienen die Burschen wieder an der Oberfläche, einige riefen etwas zu uns herüber. Sie zweifelten an der Gerechtigkeit ihres Sieges und wollten wissen, ob wir nicht absichtlich langsamer gefahren seien. Nákbè beruhigte die Mißtrauischen, und gemächlich ging es nun wieder dem Strande zu.
Hier händigte ich dem König das vereinbarte Wettgeld aus. Die Ruderer aber stillten ihren Durst, wurden mit Tabak beschenkt und schritten stolz ins Dorf, um von ihrem Sieg zu erzählen und sich bei kräftigem Mahle und Palmwein zu stärken.