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Meine Frau kehrte vom Dorfe heim und erzählte begeistert von den vielen wunderbaren Malereien, die sie dort entdeckt hatte. Sie zeigte ihr Skizzenbuch, die Bidyogo drängten sich an uns heran, einzelne Burschen erkannten sofort ihre Hütten oder Speicherwände und schnalzten bewundernd mit der Zunge.
Fast alle Häuser in Bijante weisen überaus reichen Schmuck von Malereien auf. Sie zeigen zwar denselben Baustil wie die Häuser der meisten übrigen Inseln, unterscheiden sich aber von diesen durch ihre Größe und ihren außerordentlich guten Bauzustand. Nirgends sind verfallene Mauern zu sehen, nirgends verwahrloste Höfe. Überall herrscht Ordnung und Reinlichkeit.
Die Außen- und Innenwände der runden Mauern sind mit großflächigen Dreieckmustern in schwarz-weiß und rot verziert. Dagegen gibt es hier keine figuralen Darstellungen wie zum Beispiel auf Urakan. Die Muster wiederholen sich oft. Hie und da zeugen die Wände eines Hauses von dem abweichenden, selbständigen Geschmack des Eigentümers.
Am auffallendsten sind die prächtigen Liegestätten. Und zwar sind es vor allem die Kabaros, die so viel Sorgfalt und Kunstfertigkeit auf ihre Schlafstellen verwenden. Die außerordentlich geräumigen »Betten« sind eigentlich Häuser innerhalb der Häuser, sie sind von hohen, bemalten Lehmmauern völlig eingeschlossen und nur durch eine kleine, türartige Öffnung zu erreichen. Auf den vielen Matten, die über die hölzerne Unterlage gebreitet sind, läßt sich wohl behaglich ruhen. An den Wänden hängen Grasröckchen, Tücher und andere Gebrauchsgegenstände der einzelnen Bewohner. Besondere Sorgfalt wird auf das Portal des Hauses verwendet, das, mit bemalten Lehmpfeilern umgeben, sich sehr wirkungsvoll von der Umgebung abhebt.
Es ist eine erfreuliche Tatsache, daß der Sinn für die künstlerische Ausgestaltung ihrer Häuser bei diesen Eingeborenen noch nicht im Abnehmen ist, wie wir aus dem sorgfältigen Bemalen neu erbauter Häuser entnehmen konnten.
Ein noch ungedeckter Neubau erregte unsere besondere Aufmerksamkeit. Es sollte ein neuer Tempel für den Königsfetisch werden. Einige junge Mädchen waren gerade dabei, seine Innen- und Außenwände mit Malereien zu versehen. Wochenlang währt diese Arbeit. Die Mädchen drücken mit ihren Fingern Linien in den weiß überstrichenen, noch nicht getrockneten Lehm, die ihnen als Richtlinien für die schwierigen Muster dienen. Ist die Wand ganz getrocknet, so beginnt die Bemalung. Die schmalen Striche werden ebenfalls mit dem Finger ausgeführt, auf die großen Flächen jedoch wird die Farbe mit Hilfe eines Holzstäbchens, das am Ende pinselartig ausgefranst ist, aufgetragen. Lebhaft miteinander schwatzend, sind die Mädchen offenbar mit Freude bei ihrer Arbeit, in der linken Hand halten sie die kleinen Kürbisschalen, die als Farbenbecher dienen und in die sie von Zeit zu Zeit eintauchen.
Die schwarze Farbe wird durch das Mischen von Holzkohle mit Palmöl erzeugt, gebrannter Muschelkalk mit Wasser und Eierklar zu reinem Weiß verbunden. Das Rot ist ein leuchtendes Sepia und wird nicht wie bei anderen Volksstämmen aus gebrannter Erde hergestellt. Es wird gewonnen, indem man den Schaum der Wellen am Meeresufer sammelt, die Rückstände trocknet und mit Palmöl und Apfelsinensaft vermengt. Außer diesen Farben wird noch, jedoch selten, blau verwendet, eine Farbe, die augenscheinlich von Europäern erworben wurde.
Im Innern des neuen Fetischhauses hatten die Mädchen zwei stilisierte Boote abgebildet mit vielen Rudern und starker Bemannung, mit je einem Rinderkopf am Bug und beflaggt, wie sie dies bei den großen Einbäumen gesehen haben mögen.
Sehr schön und interessant sind auch die Ritzzeichnungen, mit denen die Burschen Kürbisse versehen, welche in verschiedenen Formen gezogen werden. Bei der Arbeit halten die Burschen mit der Linken die Kalebasse, stemmen sie fest gegen Brust und Knie und ritzen mit einem stemmeisenartigen Messer die zarten, feingeschwungenen Linien ein. Sie scheinen vorher nichts zu überlegen oder abzuschätzen, und doch entstehen rasch und mit unglaublicher Sicherheit die lebensvollsten Darstellungen unter dem mit fester Hand geführten Eisen. Ein Tänzer in Fanadenkleidung in anmutiger Bewegung entstand so vor meinen Augen, ebenso etliche Tiere und Szenen aus dem täglichen Leben der Eingeborenen.
Die Burschen zeigen eine wahre Kunstbegeisterung; hat einer etwas besonders Schönes vollbracht, so zeigt er es stolz den anderen, die das Werk mit Ausrufen der Bewunderung betrachten. Hat aber einer nur rohe Striche zustande gebracht, wird er getadelt oder ausgelacht und bemüht sich redlich, in Hinkunft bessere Arbeit zu leisten.
Auch die Holzarbeiten der Eingeborenen von Bubaque sind erstaunlich. Das Ausstemmen der schweren Rinderköpfe, der Kanoes und der schön geformten Ruder, das Schnitzen von Schalen und Puppen aus hartem und weichem Holz mit Hilfe der primitivsten Werkzeuge erfordert große Begabung und Geschicklichkeit.
Ein Bursche trug einen Tropenhelm auf dem Kopfe. Durch Zufall stellte ich fest, daß der Helm aus einem Stück Holz geschnitzt, aber seinem europäischen Vorbild so täuschend ähnlich war, daß wir alle keinen Unterschied bemerkt hatten.
Die kleinen Knaben üben sich schon in der Kunst des Schnitzens; je älter sie werden, desto formenreicher und schöner sind die kleinen Boote, die ihnen als Spielzeug dienen. Aus Zweigen und Palmblättern verfertigen sie den mannigfaltigsten Kopfschmuck für sich, oft thront ganz oben noch ein Vogelschädel oder eine Nachahmung eines solchen in Holz. Sie schnitzen Holzketten und Tanzschmuck, und jeder Junge stellt freudig seine kleinen Kunstwerke zur Schau.
Die kleinen Mädchen wieder bauen Häuschen aus Lehm, die wie richtige Modelle der großen Wohnhäuser aussehen. Oft nur einen halben Meter hoch und breit, sind sie mit Lehmpfeilern, Türen, Fenstern und Malereien ausgestattet und bilden ebenso beliebte Spielzeuge wie die zärtlich gepflegten Holzpuppen. Diese werden von den Kleinsten in primitiver Ausführung, von den größeren Mädchen in weitaus kunstvollerer hergestellt und wie Kinder rittlings – ihre Beine sind stets gespreizt – auf den schmalen Hüften getragen. So bekunden die Mädchen in dem Spiel mit der Puppe ihre frühzeitig erwachte Mutterliebe.
Wie munter sind doch auch hier die Kinder am Strand! Ihr Lachen und Schreien klang den ganzen Tag an unser Ohr, wenn sie sich im weißen Sand tummelten, badeten und sich balgten. Sie gruben sich ein und freuten sich so sehr, wenn an ihren nassen Körperchen der weiße Sand haftenblieb und sie zu »Weißen« machte. Dann stürzten sie ins Wasser, schrien und sprangen, und man konnte sich nicht satt sehen an den lebhaften dunklen Gestalten. Oder sie stiegen in einen riesigen Einbaum und übten sich im Rudern, hilflos und doch geschickt mit den langen, für sie viel zu schweren Rudern hantierend.
Eines Tages waren zwei Boote etwas zu weit ab vom Ufer geraten. Die Kleinen beschlossen, in das eine Boot überzusteigen, um mit vereinten Kräften das Ufer besser erreichen zu können. Sie waren aber auch so nicht kräftig genug, um gegen die Strömung aufzukommen. Da nützte kein Wollen und keine Geschicklichkeit. Dazu trennten noch die Wogen die beiden Einbäume zu früh voneinander, und ein kleiner Knirps blieb, jämmerlich heulend und um Hilfe rufend, in dem einen Boot allein zurück. Seine winzige Silhouette sah inmitten des weiten Meeres so gottverlassen aus, daß ich ihm schon zu Hilfe eilen wollte. Doch da hatten schon einige ältere Burschen vom Strande aus die Hilflosigkeit der kleinen Ruderer bemerkt, wateten in das seichte Meer hinaus und zogen beide Einbäume mit ihren abenteuerlustigen Insassen ans Land.