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Wind und Strömung waren uns günstig, es dauerte nicht lange und wir sahen in der Ferne den langen Küstenstrich der Insel Orango auftauchen. Riesige Sandbänke erstreckten sich weit in das Meer hinaus; unter fortwährendem Loten gelang es uns, diese zu umfahren und einen halben Kilometer von der Küste entfernt vor Anker zu gehen. Eine kleine Strecke ruderten wir mit dem Beiboot hinüber, dann wateten wir durch das seichte Wasser weiter.
Bald standen wir am Strande auf dem herrlichen weißen, glühenden Sand, aus dem die ganze Insel zu bestehen scheint. Ein breiter Weg führte vom Strande ins Innere. An dieser Stelle dürfte früher die Beute aus eroberten Schiffen ins Landinnere geschafft worden sein. Das Wandern auf diesem Wege erwies sich als ziemlich beschwerlich, bei jedem Schritt versank man bis über die Knöchel in dem weichen Wellsand. Endlich kamen wir auf den großen, säuberlich gerodeten Platz, der schon vom Flugzeug aus meine Aufmerksamkeit erregt hatte. Das einsame, sichtlich unbewohnte Holzhaus stand in der Mitte desselben. Nach Verlauf von einer halben Stunde erreichten wir das große Dorf Etikoka, über dem wir in niedriger Höhe mehrere Male gekreist hatten. Wie ausgestorben lag es da, kein Mensch war zu sehen, nur kleine Schweinchen flohen laut quietschend bei unserem Nahen in den Busch, und ein magerer Hund zog sich leise knurrend zurück.
Wir warteten lange im Schatten eines dichtbelaubten Mangobaumes auf dem Dorfplatz und nahmen die meist verfallenen und verwahrlosten Hütten in Augenschein.
Im Landinnern war unserer Expedition stets der gute Ruf vorausgeeilt. Denn im afrikanischen Busch bleibt nichts verborgen, und die Eingeborenen wußten über unser Herannahen und unsere Absichten meist schon Bescheid, bevor wir sie noch erreicht hatten.
Auf den Inseln war dies leider nicht der Fall. Immer wieder mußten wir beginnen, uns diesen »guten Ruf« von neuem zu verschaffen, was gerade hier bei den besonders mißtrauischen Bidyogo nicht leicht war.
Endlich kam ein alter Mann auf uns zu und begrüßte uns zögernd. Mit verdrossenen Gesichtszügen fragte er nach unserem Begehren. Als er jedoch erfuhr, daß wir weder Portugiesen seien, noch irgend etwas mit den Behörden zu tun hätten, wurde er umgänglicher. Nachdem er reichlich Tabak, den die Bidyogo über alles lieben, erhalten hatte, entwickelte sich sogar mit Hilfe unserer Dolmetsche ein kurzes Gespräch.
Was wir erfuhren, war allerdings höchst ungünstig. Wir hatten gehofft, gerade jetzt, nach der Ernte, zu den großen Opferfesten und Tänzen zurechtzukommen. Nun hörten wir, daß fast alle Männer das Dorf verlassen hatten, um im Dienste der Weißen oder durch den Verkauf ihrer Feldfrüchte Geld für rückständige Steuern aufzutreiben. Die Königin Pampa aber war, über hundert Jahre alt, knapp ein Jahr vor unserem Eintreffen gestorben. Ihr Sohn und Nachfolger hatte vor wenigen Tagen Etikoka verlassen, um in Bolama Vieh zu verkaufen.
Betrübt kehrten wir zu unserem Schiff zurück. Sollten wir zuerst auf andere Inseln fahren und später unser Glück hier von neuem versuchen? Nein, in Afrika soll man ein Vorhaben nie verschieben; wer weiß, was das Schicksal noch im Schilde führt? So entschlossen wir uns denn, an diesem Strande unser erstes Standlager aufzuschlagen.
Am nächsten Morgen, es war gerade Ebbe, trug die Mannschaft unser Gepäck an Land, in einer Stunde standen Zelte, Klapptisch und Stühle bereits behaglich in der Morgensonne, von einigen Büschen und Palmen beschattet.
Überall reinster glitzernder Sand, in dem es sich herrlich ruhen ließ, und, so weit das Auge reichte, das blaue leuchtende Meer. Unser neues Heim lag kaum zwei Meter von der Hochflutgrenze entfernt, Tag und Nacht umgab uns das gewaltige Rauschen der heranrollenden Wogen oder das leise Gurgeln des sich zurückziehenden Wassers. Von unseren Feldbetten aus konnten wir die »Binar« draußen auf dem Wasser schaukeln sehen.
Wie erfrischend waren die Meerluft und der ständige Wind, den wir auf dem Festlande so sehr entbehrt hatten! Und statt des lauen, schmutzigen Badewassers am Lande, mit dem wir so sparsam hatten umgehen müssen, daß es kaum den Boden unserer Wanne bedeckte, ergossen sich nun die salzigen Brandungswellen über unsere Glieder. Beim Baden allerdings mußte man vorsichtig sein. Allzuoft tauchten in der Ferne verdächtige schwarze Rückenflossen auf. Vor den Haifischen und giftigen Rochen konnte man sich nur dadurch schützen, daß man sie durch Strampeln und lautes Schreien zu verjagen suchte. Auch mußte man ihretwegen das tiefe Wasser meiden und sich mit den höchstens bis zu den Schenkeln reichenden seichten Stellen begnügen, in die die Haie selten vordringen.
Nachts umspülte uns das Meerleuchten wie flüssiges Gold. Wenn wir nach köstlichem Schlummer in der morgendlichen Kühle des anbrechenden Tages erwachten, eilten wir freudig aus den Betten geradeswegs wieder in das herrliche Wasser des blauen Meeres.
Ich paßte mich diesem paradiesischen Leben noch weiter an, indem ich den ganzen Tag über, falls ich nur im Lager zu tun hatte, in Schwimmhose und Tropenhelm herumlief. Meine Frau mußte sich allerdings mehr vor den Sonnenstrahlen hüten, und Professor Struck konnte solchem Aufzug überhaupt keinen rechten Geschmack abgewinnen.
Auch unsere Burschen genossen das Leben im Lager, ruhten am Strande, spielten wie Kinder mit dem Sande oder tobten lärmend umher. Trotz unserem eifrigen Zureden waren sie aber nicht zum Baden zu bewegen. Die Überzeugung war ihnen nicht auszureden, daß das Salzwasser außerordentlich schädlich für die Haut sei, »und zwar nur für die schwarze Haut!« fügten sie hinzu, um unseren Argumenten zu entgehen.
Hier gab es auch eine willkommene Ergänzung unseres eintönigen Speisezettels. Der Archipel scheint die Brutstätte für zahllose Fische des Atlantik zu sein. Bei jeder Flut ging Takr mit dem Wurfgarn aus und brachte reichliche Beute heim.
Meine Frau und ich begleiteten ihn abends oft, wo wir dann die kraftvollen Bewegungen, mit denen er das schwere Netz in sicherem Schwung auf das Wasser warf, genau dorthin, wo ein silbriger Schimmer das Vorhandensein von Fischen andeutete, bewundern mußten. Weit draußen standen wir so, mitten im seichten Meere, übergossen von den rotglühenden Strahlen der untergehenden Sonne.
Es war eine schöne Welt, freudig gingen wir an unsere Arbeit. Infolge der Scheuheit der Eingeborenen konnte diese freilich leider nur langsam vonstatten gehen.