Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Nur zögernd beantworteten mir eines Tages die Eingeborenen meine Fragen über ihren Totenkult. Sie erzählten mir, daß der Tod eines Menschen sofort durch Signaltrommeln bekanntgegeben werde. Schon aus der Anzahl der verwendeten Trommeln könne man schließen, welchen Rang der Tote gehabt habe. Der Tod eines Königs werde von fünf Trommeln verkündet, der Tod eines königlichen Würdenträgers von drei bis vier, und das Ableben eines Knaben nur von einer einzigen.
Während die Todesnachricht in alle Winde hinausgetrommelt wird, graben die Männer das Grab im Wohnhaus des Verstorbenen. Es wird ein senkrechter Rundschacht ausgehoben, dann gräbt man vom Boden desselben tangential nach Osten und Westen eine längliche Grabnische, die gerade groß genug ist, den Leichnam in ausgestreckter Lage aufzunehmen. Der Boden der Nische wird sorgfältig mit Matten belegt.
Inzwischen wird die Leiche gereinigt, gekleidet und geschmückt und mit ihren wertvollsten Habseligkeiten, wie Schmuck und Waffen, umgeben. Im Beisein aller alten Leute beiderlei Geschlechtes wird sie dann beigesetzt. Der Körper ruht in der Grabnische ausgestreckt auf dem Rücken, das Haupt ist gegen Westen gewendet. Von den früher erwähnten Habseligkeiten und reichlichen Mengen von Nahrungsmitteln umgeben wird die Leiche mit Erde verschüttet. Ein kleiner Hügel über dem Grabe bezeichnet die Stelle des Grabes, zu dessen Schmuck einige Gegenstände aus dem Besitz des Verstorbenen dienen. Auf Frauengräbern wird man häufig Fransenschurze und Gefäße aus Ton finden, während die der Männer meist an Palmweingeräten, Armringen oder Fellschurzen kenntlich sind.
Die Schilderung dieses Vorganges wurde mir von mehreren Alten und in glaubwürdiger Weise gemacht. Ich war daher überrascht, als mir viel später auf der Insel Bubaque der dort lebende reichsdeutsche Direktor der Palmölfabrik das Folgende erzählte: »Der Tod der Königin Pampa blieb der Verwaltung in Bolama mehrere Tage ein Geheimnis. Zufällig war jedoch ein portugiesischer Kolonialbeamter Zeuge des Begräbnisses und beschrieb mir dieses, nicht lange nachdem es stattgefunden hatte. Da vielfach Gerüchte verbreitet sind, daß bei den Bidyogo ebenso wie bei den Mandyako die Bestattung eines Königs von Menschenopfern begleitet sei, beschloß der erwähnte Beamte, sein Augenmerk ganz besonders darauf zu richten, um nötigenfalls ein derartiges Beginnen verhindern zu können. Er sah, wie in der Wohnhütte der Königin ein mächtiger viereckiger Schacht, kaum mannstief, ausgehoben wurde, von dessen unterem Ende seitlich eine Nische abzweigte. Wände und Boden von Schacht und Nische wurden völlig mit Tüchern ausgelegt und in dieser dann der reich geschmückte Leichnam in hockender Stellung untergebracht. Rings um die Leiche stellte man große Kürbisschalen voll Reis und Hirse, ferner zahlreiche mit Palmwein gefüllte Gefäße auf und breitete mehrere zerwirkte Rinder, Schweine, Ziegen und Hühner auf dem Boden aus. Hierauf begann man das Grab mit Erde zu füllen. Als aber die Grube nur etwa bis zur Hälfte zugeschüttet war, unterbrachen die Eingeborenen unvermittelt die Arbeit und erklärten dem Portugiesen auf seine Frage, daß sie zunächst das Totenmahl abhalten müßten. Der Beamte, in dem sich die Befürchtung regte, daß sich dieses so lange hinziehen könne, bis er die Insel verlassen müsse, es die Eingeborenen also darauf abgesehen hätten, ihn los zu sein, befahl den Bidyogo, das Grab sogleich vollends zu schließen. Als sie sich weigerten, drohte er ihnen mit einer Strafexpedition und erreichte auch, daß die Eingeborenen ihren Widerstand aufgaben und dem Befehl Folge leisteten. Um feststellen zu können, ob das Grab später doch noch einmal geöffnet worden sei, ritzte er mit seinem Stock die Jahreszahl 1930 in den Erdhügel und legte einige Kürbisschalen in einer bestimmten Anordnung darauf. Als er auf die Insel zurückkehrte, konnte er feststellen, daß sich der Hügel zwar gesenkt habe, das Grab aber nicht wieder geöffnet worden sei.« Wenn der Beamte der Meinung war, durch diese Maßnahme das Töten von Menschen verhindert zu haben, täuschte er sich, wie ich später erfuhr.