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Mit dem heiligen Sebald hat das Büchlein begonnen und mit dem, dem die zweite Hauptkirche Nürnbergs gewidmet ist, soll es schließen, denn Manchen wird es angenehm und nützlich sein, auch darüber etwas zu erfahren.
Wie Silber wurde durch Feuer geläutert der in der Kirche so hochberühmte Blutzeuge Laurentius, dessen Abstammung und Jugendgeschichte jedoch nicht sehr bekannt ist; nur so viel wissen wir mit Bestimmtheit, daß ihn der heil. Sixtus, als damaliger Archidiakon von Rom, unter seine Schüler aufgenommen, und nachdem er im Jahre 257 den päpstlichen Stuhl bestiegen hatte, zum ersten der sieben Diakone der römischen Kirche, obwohl er noch sehr jung war, erhoben habe, was den sichersten Beweis liefert, daß dieser Jüngling durch hohe Weisheit und seltene Vollkommenheit ausgezeichnet gewesen sei, indem jene Würde nur den geprüftesten und heiligsten Männern verliehen wurde, da der Archidiakon die Schätze der Kirche zu bewahren und die Almosen zu vertheilen hatte.
Im nämlichen Jahre, in welchem der heil. Sixtus zum Papste erwählt worden war, erließ der Kaiser Valerian blutige Verordnungen gegen die Christen, und da man im folgenden Jahre vorzüglich die Bischöfe, Priester und Diakonen zur Marter aufsuchte, wurde der heilige Oberhirt bald ein Opfer der Verfolgung. Als den ehrwürdigen Greis die Soldaten zum Tode führten, folgte ihm Laurentius, der ihn wie einen Vater liebte und an seinen Leiden Antheil zu nehmen sehnlichst verlangte, unter dem Rufe nach: »Vater! wohin gehest Du ohne deinen Sohn? wohin eilest Du, heiliger Priester, ohne Deinen Diakon? Du hast ja nie das heilige Opfer ohne mich, Deinen Diener, entrichtet? Was mißfällt Dir denn an mir, o Vater? Hast Du an mir einen ausgearteten Sohn gefunden? Laß es auf die Probe ankommen, ob Du einen würdigen Diener erwählt hast, dem von Dir die Ausspendung des Blutes des Herrn ist anvertraut worden. Willst Du den an der Vergießung Deines Blutes nicht Antheil nehmen lassen, den Du an Verrichtung der Heilgen Geheimnisse Antheil nehmen ließest? Sieh' zu, daß es nicht an Dir geahndet werde, mich gewählt zu haben, während man Deine Märtyrerstärke preiset. Es schadet dem Lehrer, wenn er seinen Schüler verstößt. Abraham hat seinen Sohn geopfert; Petrus hat den Stephanus in der Marter vorausgeschickt; – zeige auch Du, Vater! Deine Stärke an Deinem Sohne. Opfere Deinen Sohn, damit Du getrost, mich gewählt zu haben, in edler Begleitung zur Krone gelangst!«
Tief gerührt von solchem Glauben und solcher Liebe, sprach der heilige Oberhirt tröstend und weissagend; »Ich verlasse Dich nicht, mein Sohn; aber Dir stehen noch größere Kämpfe bevor. Wir als Greise vollenden einen leichteren Kampf; Dir als Jüngling ist ein glorreicherer Sieg über den Tyrannen vorbehalten. Bald wirst Du kommen; höre auf zu weinen, nach drei Tagen wirst Du mir folgen!« Diese Verheißung erfüllte den glaubensstarken Diakon mit unaussprechlicher Freude, und er eilte, den Auftrag, welchen er von Sixtus noch erhalten hatte, die Kirchenschätze unter die Armen zu vertheilen, auf das Sorgfältigste zu vollziehen, damit das Erbgut der Armen nicht in die Hände der Ungläubigen fiele. Der Gedanke, daß der Herr ihn bald mit seinem heiligen Oberhirten wieder vereinigen werde, erhöhte seine liebevolle Thätigkeit, und bald hatte er nicht nur alles Geld unter die Wittwen, Jungfrauen und anderen Armen vertheilt, sondern auch die heiligen Gefäße verkauft, um so ganz ungehindert vom Zeitlichen den Kampf für den Glauben bestehen zu können.
Bei der Ausspendung des reichlichen Almosens wirkte der heilige Laurentius auch mehrere Wunder und bekehrte dadurch viele Heiden, wurde jedoch alsbald auf Befehl des Statthalters von Rom, welcher nach den Kirchenschätzen lüstern war, aufgesucht und vor Gericht geführt. Als der Statthalter so Manches über die großen Schätze, welche die Christen besitzen sollten, deren aber der Kaiser dermalen sehr bedürfte, geschwätzt und den heiligen Diakon zu ihrer Auslieferung aufgefordert hatte, antwortete dieser mit aller Fassung und Sittsamkeit: »Unsere Kirche besitzt allerdings große und wohl bedeutendere Schätze, als der Kaiser selbst hat; und wenn Du mir die kurze Frist von drei Tagen zugestehest, so werde ich in dieser Zeit Alles in Ordnung bringen und Dir dann die Schätze zeigen.«
Der Statthalter, welcher nur irdische Schätze im Sinne hatte und sich ihres Besitzes schon im Voraus freute, bewilligte gern die kurze Frist.
»Der natürliche Mensch fasset nicht, was des Geistes Gottes ist.«
Laurentius versammelte während der ihm bewilligten Frist alle Armen, welche die Kirche nährte, und stellte sie an dem bestimmten Tage in langen Reihen vor der Kirche auf, ging dann zum Statthalter und lud ihn ein, die Schätze in Augenschein zu nehmen. Unwillig ging der Habsüchtige an der Menge der versammelten Blinden, Lahmen, Waisen, Wittwen und Jungfrauen vorüber und sprach endlich ganz aufgebracht zu dem heiligen Diakone: »Wo sind die Kirchenschätze, die Du zu zeigen versprochen hast?« Dieser antwortete mit würdevoller Offenheit: »Warum bist Du aufgebracht? Was mißfällt Dir hier? Hältst Du das, was Du siehst, für gering und verächtlich? Das Gold, nach welchem Du dürstest, ist nur Erzeugniß irdischer Stoffe und die Quelle vieler Laster, das echte Gold aber ist das himmlische Licht, das diese Armen erleuchtet. Bei ihrer äußeren Armuth sind sie reich an Tugenden; sie sind die Schätze der Kirche, die ich Dir zu zeigen versprochen habe; und in diesen Jungfrauen und gottgeweihten Wittwen siehst Du unsere Perlen und Edelgesteine. Uebernimm nun diese Schätze, Du wirst dadurch Rom schmücken, den Kaiser bereichern und selbst reicher werden.«
Der getäuschte, habsüchtige Statthalter kam vor Wuth wie außer sich und rief; »Wähnest Du, Unseliger, ungestraft mich verhöhnen zu dürfen? Trotzest Du meiner Amtsgewalt? Ich weiß zwar, daß Dir, nach dem eitlen Wahne der Christen, der Tod erwünscht ist; allein ich werde Dir einen langsamen, schmerzlichen Tod zu bereiten wissen!« – ließ ihn hierauf grausam geißeln und dann über mattglühende Kohlen auf einen eisernen Rost binden, um durch allmählich steigenden Schmerz die Marter zu verdoppeln und zu verlängern. Die neugetauften Christen sahen das Angesicht des Märtyrers von hellem Lichte umglänzt und der Kohlen Dampf und Rauch zog gleich Weihrauchduft umher. Der Heilige selbst schien gegen die Gewalt des Feuers unempfindlich und sprach nach längerer Zeit ganz ruhig zum Statthalter: »Auf einer Seite bin ich nun genug gebrannt, laß mich daher umwenden!« Und der Statthalter ließ ihn umwenden. Darauf sprach er wieder: »Jetzt ist mein Körper genug gebrannt; iß nun von mir, wenn es Dir beliebt!«
Unüberwindlicher Glaubenskämpfer! war Dein Körper von Eisen oder Stein, war er ohne Empfindung?
Nachdem dann der Heilige noch mit zum Himmel erhobenen Augen um die gänzliche Bekehrung Rom's und die Verbreitung des Evangeliums im ganzen Reiche gebetet hatte, entschlief er sanft in dem Herrn am 10. August 258.
Die Kirche, welche unter Constantin dem Großen über das Grab des heiligen Laurentius erbaut wurde, ist eine von den fünf Patriarchalkirchen Rom's, und ihm geweiht und seinem Andenken ist auch der himmelanstrebende Dom zu St. Lorenzen in Nürnberg.