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Von B. Mertel.
Es war in der Mitte des siebenten Jahrhunderts, als der heilige Willibrod in das Land kam, das sich von dem Main zur Donau erstreckt und damals theils von Franken, theils von Allemanen und Bojern bewohnt wurde. Er erschien als ein Abgesandter des höchsten Gottes, das Christenthum allen denen zu predigen, die noch in der Nacht des barbarischen Unglaubens lagen. Von Landschaft zu Landschaft setzte er seinen Weg fort und allenthalben fand er Gläubige in Menge, die ihre Götzen zerbrachen und sich taufen ließen. Oft sah er sich gezwungen, mit einem Muthe, den nur Fanatismus erzeugt, sein Leben für die gute Sache einzusetzen, noch häufiger schrie das Volk nach Wundern und glaubweissagenden Himmelszeichen, denn »das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind«, wie unser großer Göthe ganz richtig bemerkt. Dann erflehte sein Gebet Gedeihen für den Kampf der guten Sache, und der Himmel war gnädig und verlieh seinen Handlungen wunderthätige Kräfte.
So kam er auch in die Gegend, die der Schwarzach klares, rauschendes Wasser durchschnitt, an deren Ufern sich ein Haufen vieh- und ackerbautreibendes Volk angesiedelt hatte. Abgeschieden lebte es von aller Verbindung mit dem übrigen Lande, aber treu und fest hing es an seinem Gotte Wodan, dessen Bild im Eichenhaine, zugänglich nur den Priestern, stand. Willibrod verschmähte es, durch scheinheiliges Anschmiegen an den Glauben der Barbaren sich ihre Zuneigung zu gewinnen, um dann desto sicherer Christi Lehren verbreiten zu können, – sein strenger, unduldsamer Glaubenseifer gestattete dies nicht. Unerbittlich trat er jede andere Meinung, als die seine mit Füßen und sein Leben, welches er dadurch unter wilden Völkern bloßstellte, galt ihm nichts. Ihm schien es süß, als Märtyrer zu sterben.
Die Bewohner des Schwarzach-Thals waren anfangs seltsam überrascht, als ein Fremder in ihre Mitte zog, der so seltsame Worte an sie richtete. Sie glaubten ihn von Wahnwitz befallen und weil Personen, deren Geist zerrüttet war, bei ihnen als unantastbar galten, so ließen sie es gewähren, daß der Fremde sich über Wodan's heiligem Haine auf einem Felsen eine Hütte baute, um dort zu wohnen. Als er aber täglich zu den Wohnungen niederstieg und seine Ermahnungen und Drohungen von Gehöfte zu Gehöfte trug, als er endlich auch gegen Wodan, Thor, Freja und die Zahl ihrer angebeteten Götter losdonnerte und sich vermaß, die Altäre des blinden Aberglaubens zu brechen, da wurden ihm allenthalben die Thüren verschlossen, man hetzte Hunde auf ihn oder warf ihn, bei seinem Abzuge, irgend etwas zum Geleite nach.
Willibrod, an solche Scenen gewöhnt, ließ sich dadurch nicht irre machen. Sein unerschütterlicher Vorsatz, die Lehre des am Kreuze gestorbenen Erlösers in allen deutschen Gauen zu verbreiten, trieb ihn an, jede Schwierigkeit zu überwinden. Er sah ein, daß, so lange Wodan's Säule im Haine stand, seinen Worten nimmer Gehör geschenkt werden dürfte, daß er das Volk zum Angriff gegen sich reizen müßte, um den alten Glauben zu brechen. So machte er sich in einer finsteren Nacht von seiner Hütte auf, schlich sich hinab in den heiligen Hain, dessen Betreten von Uneingeweihten schon Todesstrafe nach sich zog, und zertrümmerte mit gewaltiger Keule die Bildsäule Wodan's. Als am Morgen die Priester zu opfern kamen, fanden sie den heillosesten aller Frevel.
Ein Schrei des Entsetzens drang bei dieser Kunde durch das ganze Thal. In Schaaren stürmten Männer, Weiber, Greise und Kinder im heiligen Haine zusammen, um das Fürchterliche, Undenkbare mit eigenen Augen zu schauen. Geschehen war es, ihr großer Gott lag zertrümmert am Boden. Aber jetzt bemeisterte sich fanatische Raserei der ganzen Menge. Wodan gefallen, und der Frevler noch nicht von ihm zerschmettert? Wer konnte es sein? Plötzlich richteten sich aller Blicke empor. Hoch oben auf der äußersten Kante des Felsens kniete der Fremdling, vom Strahle der aufgehenden Sonne beleuchtet, und sang ein Loblied dem höchsten, unsichtbaren Gotte. »Er ist der Thäter! Er und kein Anderer! Er spottet unserer noch!« rief es aus tausend Kehlen, und wie von einem Gedanken beseelt, wogte die ganze Masse hinauf, Wodan's Richteramt auf Erden zu vollziehen. Die Priester der Heiden, rüstige Henkerknechte für ihren Glauben, schürten die Wuth.
Willibrod lag begeistert auf den Knieen und wurde erst durch das Geräusch der Nahenden geweckt. »Hinunter! Stürzt ihn den Felsen hinunter!« rief es und das Echo vervielfachte das Geschrei.
»Was begehrt Ihr von nur, Freunde?« sprach der Apostel, sich in seiner ganzen Größe emporrichtend. »Hat der heilige Geist Euch in einer Nacht beschattet, und kommt Ihr, die einzig wahre Religion des Gottessohnes zu bekennen?«
»Hört ihn nicht! Hinunter mit ihm zu Wodan's Füßen!«
»Sprecht Ihr von Wodan?« fuhr der Prediger fort. »Schaut hinab, er hat aufgehört zu sein, ein Blitzstrahl des alleinwahren Gottes hat ihn zerschmettert. Der Blitzstrahl war ich, diese Keule hier das Werkzeug, denn Ihr sollt kein falsch Bildniß von dem Schöpfer der Erde machen«.
»Er gesteht es selbst! Hinunter!«
Einige der Vordersten machten Miene, den allgemeinen Wunsch zu vollziehen, aber Willibrod rief mit Löwenstimme: »Zurück! Erst hört mich und dann urtheilt!« Es wurde von Neuem still. »Ja, ich habe Euren Götzen zerbrochen, weil Gott es mir befahl,« fuhr er fort. »Ihr sagt, es sei ein gewaltiger Gott, Euer Wodan? Seht, hier stehe ich, unbekümmert um seine Rache, unbekümmert um Euer Drohen. Er vernichte mich, wenn er es vermag! Tödtet mich, wenn Ihr den Muth habt! Wißt, daß mein Gott jedes meiner Haare gezählt hat und daß kein Sperling vom Dache fällt ohne ihn. Ihr murrt, Ihr glaubt meinen Worten nicht? Seht diese Keule hier. Als Stütze hat sie mir schon auf so mancher Wanderung gedient; sie ist von hartem Lindenholze, hart, denn sie hat Euren Wodan zertrümmert. Damit Euch aber ein Zeichen werde, wie Gott mit mir ist, so stecke ich sie hier in diesen nackten Felsen und ehe die Sonne wieder mit ihren ersten Strahlen diese Gegend begrüßt, soll ein stattlicher Lindenbaum Euch Zeugniß geben, daß Gott mit mir ist, es soll Euch Befehl sein, seine Gebote und die seines eingebornen Sohnes zu bekennen und zu verehren. Geht jetzt heim, morgen zur selben Stunde werdet Ihr mich an dieser Stelle finden«.
Die Bewohner, staunend ob solcher Sprache, zogen sich zurück; doch veranlaßten die Priester, die den Tod ihres Feindes nicht bezwecken konnten, daß eine Sicherheitswache den Felsen umgab, um wenigstens des Feindes Entweichung zu verhindern. In Kunstgriffen, die auf dem Wahn der großen Menge basirt sind, waren die Baalspfaffen nicht unerfahren und bei Willibrod vermutheten sie einen solchen.
Aber der würdige Apostel wich nicht vom Platze. Während des ganzen Tages sah man ihn auf den Knieen liegen und zu Gott beten, um Gewährung Dessen, was er zu seiner Ehre der Menge gelobt. Hohnlachend sahen die Priester noch am Abend die nackte Keule auf dem Felsen. Als aber am Morgen Alles hinausströmte, um den aberwitzigen Fremdling den Lohn für seine thörichte Verheißung zu geben, erblickte man mit Staunen einen mächtigen Lindenbaum, der seine Zweige über den ganzen Felsen ausdehnte, dessen Wurzel tief im Gesteine saßen. Auf Dieß lief Alles hinzu und ließ sich taufen und der Jubel der jungen Christen drang durch das ganze Thal.
Willibrod gründete an der Stelle, wo Wodan's Bild gestanden, eine Kapelle und zog dann weiter, um den Samen des Christenthums in nördlichere Gegenden zu verpflanzen. Der Baum aber grünte und blühte fort, als Wahrzeichen der Bekehrung.
In mancher Sage wird der Einfälle der Ungarn in Deutschland erwähnt. Sie wiederholten sich von der Mitte des neunten bis zur Mitte des zehnten Jahrhunderts, wo ihnen Heinrich der Große für immer ein Ende machte. Mord und Verwüstung begleiteten ihre wilden Raubzüge und Sklaverei war das Loos Derjenigen, die lebend in ihre Hände fielen.
Um's Jahr 903 fiel eine neue Horde dieses raubgierigen Volkes, von Almus, dem Sohne Arzed's, angeführt, in das Reich und breitete sich bis nach Bayern und Franken aus. Auch in dem abgeschiedenen Schwarzachthale loderten die Flammen empor, die das Eigenthum der friedlichen Bewohner vernichteten. Es war Almus selbst, der hier an der Spitze der Räuber stand. Die Bewohner hatten sich mit Weib, Kindern und ihrer besten Habe hinauf auf den Felsen geflüchtet, den Willibrods heilige Linde mit ihren Riesenzweigen beschattete; von dort aus mußten sie unthätig zusehen, wie die Barbaren in ihrem Eigenthume wütheten.
Almus, der seine Wünsche in den leeren Hütten nur wenig befriedigt sah, blickte empor zu dem schwachen Völklein, das sich vor seiner Rache gesichert wähnte. »Nehmt ihnen ab, was sie haben«, gebot er seinen Hauptleuten, »und dann laßt sie laufen. Die Wichte, denen ihr Leben ihr ein und alles ist und die nicht den Muth haben, es im Kampfe zu vertheidigen, sollen es behalten«.
Ein Trupp der Mordschaaren setzte sich in Bewegung, diesen Befehl zu vollziehen. Aber noch hatte er sich nicht ganz dem Felsen genähert, um auf Waldwegen seine Höhe zu erklimmen, als mächtige Felsstücke niederstürzten und ihrer eine Menge zerschmetterten. Die Kunde, zu Almus gelangt, erregte dessen Zorn. »Die Memmen wagen Widerstand?« rief er, »Auf! größere Massen hinan und niedergehauen ohne Gnade, was da oben lebt!«
Aber der Widerstand war größer, als er vermuthete. Die streitbaren Männer hatten die zugänglichen Punkte besetzt und wütheten mit Kolbe und Schwert unter den Ungarn, während Greise und Kinder unermüdlich thätig waren, Felsstücke hinab auf die Angreifer zu schleudern. Auch der zweite Sturm wurde so abgeschlagen und, um die Hälfte vermindert, kehrten die Horden in das Thal zurück.
Jetzt kannte Almus Wuth keine Grenzen mehr. »Ganze Länder haben sich gebeugt,« rief er mit funkelnden Augen, »und ein Haufen rohes Landvolk dürfte es wagen, unsern Siegerschritt zu hemmen? Auf! mein ganzes Heer hinan! Ich selbst führe es und Tod demjenigen, der der Erste im Weichen ist.« Ein wildes Angriffsgeschrei folgte diesen Worten, die ganze Gegend wimmelte von Menschen, die alle ihre Schritte nach dem Felsen richteten, der von dem Fürsten als Schandfleck des Ruhmes bezeichnet worden war.
Solchem Angriffe konnten die Bewohner nicht lange widerstehen. Ob auch Hunderte der Mordschaaren unter ihren Waffen sanken, andere Hunderte traten an der Gefallenen Platz. Das kleine Häuflein kampffähiger Männer wurde immer kleiner, der Raum zwischen ihnen und ihren Familien immer enger. Aber sie wichen und wankten nicht. Und während sie für das eigene und das Leben ihrer Angehörigen stritten, lagen diese auf den Knieen um ihren Prediger geschaart, und Gesänge zum Lobe des Höchsten mischten sich unter den Schlachtlärm.
Endlich war durch Almus Verderben verbreitendes Schwert der Letzte der Vertheidiger gefallen und wie grimmige Raubthiere stürzten die Unmenschen auf den Haufen der Wehrlosen. Niedergehauen, durchstoßen, von den Felsen gestürzt, verschwand einer nach dem Andern, bis zuletzt der greise Prediger der einzig Uebriggebliebene war. Er hatte sich an den Stamm der Linde zurückgezogen und rief von dort aus unaufhörlich den Zorn und die gerechte Strafe des Höchsten herab auf die Würger. Almus fand den thatlosen Widerstand des Einzelnen lächerlich und rief ihm zu, daß er gnädig sein und ihm sein nacktes Leben schenken wolle.
»Ich will kein Geschenk von Dir, Satanael!« wetterte der fromme Mann dagegen. »Tausend gläubige Christen hast Du Deiner Höllenlust geopfert, tödte auch mich, wenn Du es vermagst. Aber Du kannst es nicht, an diesem Baume, an dem Kreuze auf seinem Gipfel scheitern Deine Kräfte. Wisse, Gott selbst hat ihn auf starren Felsen gepflanzt, und ehe er zugibt, daß Deine unheilige, mörderische Hand ihn nur mit einem Finger betastet, wird er Dich und ihn selbst zerschmettern. Sieh, ich umklammere den heiligen Stamm, wage es, mich wegzureißen!«
»Er ist wahnsinnig!« sprach Almus lachend, »doch um ihm zu beweisen, wie thöricht sein Vertrauen auf einen Baum ist, will ich mit eigener Hand ihn seinem Wahne entreißen.« Er trat hinzu, fester klammerte der Priester sich an. Da fuhr plötzlich ein Blitzstrahl aus heiterem Himmel, zerschmetterte den Baum und mit ihm den Fürsten der Magjaren. Der Priester blieb unversehrt.
»Seht Ihr den strafenden Arm des allmächtigen Gottes!« rief er. »Fallet nieder auf die Kniee und betet ihn an, oder entfernt Euch von einem Orte, den er sichtbar beschützt.« Dann sank er nieder und betete laut. Die Ungarn aber, Zeugen dieses wunderbaren Gottesgerichts, wagten nicht, den frommen Mann anzutasten, sondern wichen bestürzt von dem Schauplatze und verließen eben so eilig die ganze Gegend.
Der Stamm der Linde blieb zerschmettert, aber neue Seitenzweige grünten und das Volk, das bald sich wieder in dem Thale anbaute, hütete mit theuerer Ehrfurcht den heiligen Baum.
Etwa hundert Jahre später war in dem Burghofe zu Nürnberg ein gar lustiges Treiben. Der Kaiser Heinrich II. war mit seiner Gattin Kunigunda dort eingezogen, um in friedlicher Stille einige Wochen von dem Kampfe auszuruhen, den ihm Deutschlands Kaiserkrone verschafft hatte. Seine Zeit war frommen Andachtsübungen, die ihm den Beinamen des Heiligen erwarben, und der Jagd gewidmet, wozu ihm das große Revier um Nürnberg hinreichend Gelegenheit gab. Zwar war seine fromme Gattin auch diesem Vergnügen nicht sonderlich ergeben und immer bangte ihr, wenn ihr Herr und Gemahl zum wilden Waidwerke hinauszog, aber er konnte diese seit der Jugend bevorzugte Lust nicht gänzlich meiden.
An einem heiteren Morgen trat er wieder in das Gemach Kunigunden's, mit Waidtasche, Pfeil und Bogen und Spieß gar stattlich geschmückt. »Ich komme, Dir für den ganzen heutigen Tag Abschied zu sagen, mein Kind,« sprach er freundlich. »Die Knechte haben ein Rudel Hirsche in dem östlichen Wald aufgespürt und erwarten mich zum fröhlichen Waidwerk.«
»Und Du willst wieder hinaus, trotz meiner Ahnungen?« versetzte Kunigunda schmeichelnd. »Soll ich wieder einen ganzen Tag ohne Dich verleben, Dich am Ende nimmer Wiedersehen?«
"Du bist zu besorgt, mein treues Weib. Als ich in den Krieg zog wider den ungehorsamen Markgrafen Arduin von Yvrea, da durfte Dir bangen, denn es galt den Kampf um Krone und Leben, aber hier, auf sicherer Fährte den scheuen Hirsch, den flüchtigen Eber zu verfolgen, was könnte mir hier Uebles widerfahren?«
»Ich weiß es nicht, aber fühle mein Herz, wie es in banger Besorgniß um Dich schlägt. Doch weil es Dir Vergnügen macht, mein Heinrich, so ziehe hin; ich will unterdessen am Altare der Himmelskönigin unausgesetzt für Dich beten.«
»Du bist ein frommes, gutes Weib! Komme, dem Herrn gebürt vor Allem die Ehre. Lasse uns gemeinschaftlich ihm den Morgengruß bringen, bis der Abend mich zu gleichem Werke in Deine Arme zurückführt.«
Beide schritten Arm in Arm nach der Kapelle und nach Verlauf einer halben Stunde zog der Kaiser mit seinem Gefolge auf muthigem Rosse zum Burgthore hinaus.
Aber die Sonne sank unter und noch kehrte er nicht zurück. Da konnte die fromme Kaiserin ihre Angst und Besorgniß nicht länger bergen, sie stieg hinauf auf den Luginsland und sandte sehnsüchtige Blicke nach der Gegend, wo ihr Gemahl vielleicht jetzt schon von Unheil betroffen worden war. Sie schickte Boten aus, seine Spur zu suchen, aber diese kehrten, schon war es ganz finster, mit dem Jagdgefolge zurück; der Herr hatte sich, bei Verfolgung eines Hirsches, von ihm verloren. »Gott, meine Ahnung!« rief Kunigunda händeringend. »Und ich ließ ihn ziehen, und klammerte mich nicht an ihn an, nachdem die heilige Jungfrau mich selbst im Traum vor Unheil gewarnt. Ich sehe ihn blutend, zerrissen, seine letzten Seufzer nach mir schicken, und ich kann nicht zu ihm eilen, sein zu pflegen, ihn zu retten!«
Die ganze Nacht lag die Kaiserin in der Kapelle auf den Knieen und als der Morgen anbrach, mußten neue Züge hinaus, den hohen Herrn aufzusuchen, während sie selbst keinen Blick von der Gegend wandte, woher er kommen mußte. Plötzlich erhob sich eine Staubwolke und näher ziehend gewahrte ihr trunkenes Auge den geliebten Gatten in der Mitte des Zuges. Sie eilte hinab in den Burghof und sank an des geretteten Kaisers Brust.
»O wie bang hast Du mir gemacht,« schluchzte sie; »wärst Du heute nicht zurückgekehrt, so hätte die Verzweiflung mich getödtet.«
»Das ist Waidmanns Geschick,« versetzte Heinrich lächelnd. »Ich sagte Dir ja, daß Du mich heut wiedersehen würdest. Und doch hat nur ein Wunder mich gerettet.«
»Du warst in Gefahr, ich wußte es. Im Traum sah ich Dich jüngst in einen tiefen Abgrund stürzen.«
»Deine Ahnung hat Dich nicht getäuscht, mein einzig Kleinod. Höre wie es mir ergangen.« Beide ließen sich auf einer Bank des Hofes nieder, von wo aus der Blick durch schattiges Grün auf die gesegneten Fluren des Knoblauchlandes schweifen konnte und der Kaiser erzählte: »Ein stattlicher Hirsch stieß mir auf. Ihn zu verfolgen, gab ich dem Rosse die Sporen. Aber das scheue Wild war schneller als mein Thier und im wildesten Trabe ging es fort durch Dick und Dünn, so daß ich mich bald von dem Gefolge getrennt sah. Schon mochte ich einige Stunden zurückgelegt haben, da verschwand plötzlich das Wild vor meinen Augen, aber in der Meinung, es habe durch einen gewagten Satz von der Höhe eines Felsens, dem es zugeeilt war, die Niederung erreicht, gab ich dem Rosse die Sporen, um fest auf seiner Fährte zu bleiben. Das Roß machte einige wilde Sätze und steht plötzlich an dem Rande eines Abgrundes, wohl fünfzig Klafter tief. Vergebens stoße ich einen Schrei des Entsetzens aus, vergebens greife ich in die Zügel und suche es zurückzureißen, – es ist im Laufe, und ich befehle dem Herrn meine Seele. Aber in diesem Augenblicke bäumte sich das Roß zurück. Der mächtige halbverkohlte Stamm eines Lindenbaumes erhebt sich dicht vor ihm, wie ein dräuender Riese, und scheu macht es einen Sprung zur Seite, so daß ich aus dem Sattel geworfen werde.«
»Gott und die Heiligen waren mit Dir!« sprach Kunigunda mit gefalteten Händen.
"Wie lange ich von dem Fall bewußtlos lag, weiß ich nicht, als ich aber erwachte, sah ich mich in einer kleinen Hütte, auf Stroh gebettet und die ehrwürdige Gestalt eines Klausners beugte sich über mich. »Ihr habt von Glück zu sagen,« sprach er zu mir, »daß gerade die heilige Linde den Lauf Eures Rosses hemmte, sonst wäret Ihr jetzt nicht mehr auf dieser Erde.« Ich befragte ihn, weßhalb der alte, vom Blitz zerschmetterte Stamm die heilige Linde genannt werde und er erzählte mir darauf, wie Willibrod, der große Apostel, sie durch ein Wunder, zur Bekehrung der Heiden, gepflanzt, wie sie lange gegrünet, bis ein ungläubiger Ungarfürst sie entweiht und ein Blitzstrahl ihn und sie zerschmettert habe. Ich blieb während der Nacht in des frommen Siedlers Hütte, aber heute am Morgen brach ich mir diesen neu getriebenen Zweig von dem mich rettenden Stamm, um ihn Dir, mein Leben, zu überbringen. Als heiliges Denkmal magst Du ihn bewahren.«
»Da sei Gott für,« versetzte Kunigunda, »daß dieser Zweig verdorre. Hier in der Mitte des Hofes will ich ihn pflanzen und der Herr, der seinem Mutterstamme einst so herrliches Gedeihen gab, wird auch ihn gedeihen und wachsen lassen.«
Das ist nach der Sage der Ursprung der Kunigundenlinde, die noch heutigen Tages, ein stattlicher Baum, im inneren Hofe der Burg zu Nürnberg steht.