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Fabliau von der Schlossherrin von Vergi,
welche starb aus treuer Lieb zu ihrem Freunde

Bei manchen Leuten trügt der Schein,
Sie geben vor, biderb zu sein,
Und wissen so sich zu verstellen,
Daß wir vertraun in vielen Fällen;
Und wenn nun jemand auf sie baut,
Sein Herzensleben anvertraut,
So geben sie es preis der Welt,
Die spottend höhnisch Urteil fällt.
Drum, wer sein Glück nicht schweigend birgt,
Hat selbst das höchste Glück verwirkt.
Denn wo die stärkste Liebe wohnt,
Wünscht sein Geheimnis streng geschont
Ein jeder; und wer es verrät,
Des andern Rache nicht entgeht,
Und Schmerz und Schande sich ergibt
Für jene, die sich einst geliebt.

Ein solches Schicksal werd' euch kund:
Ein Ritter lebte in Burgund,
Von kühnem Mut und Tapferkeit;
Er hatte ganz sein Herz geweiht
Der holden Dame de Vergi.
Sein Liebeswerben ruhte nie,
Bis sie Erhörung ihm gewährt,
Doch als Bedingung ihm erklärt,
Daß strenges Schweigen seine Pflicht.
Wenn er von ihrer Liebe spricht,
Zur Stunde droht ihm der Verlust
Der Herrin und der Liebeslust.
Und zum geheimen Stelldichein
Mög' er des Winks gewärtig sein,
Und zu von ihr bestimmter Zeit
In einem Weiler sein bereit
Und ihrer harren unverrückt,
Bis er ein Hündchen hier erblickt.
Dies Hündchen soll ihm Zeichen sein,
Er trete bei der Herrin ein,
Und weiß, daß sie dann ungestört
Und seine Liebe wird erhört.
So wahrten sie bei heißem Triebe
Streng das Geheimnis ihrer Liebe.
Der Ritter, liebenswert und schön,
War hoch bei Hofe angesehn,
Auch wegen seiner Tapferkeit;
So fand man ihn zu jeder Zeit
Am Hof des Herzogs von Burgund.
Die Herzogin, es war der Grund,
Daß sie ihn allzu häufig fand,
Ward bald in heißer Lieb' entbrannt,
Und ihre Blicke gaben kund,
Was noch bisher verschwieg der Mund.
Er, dessen Herz wo anders war,
Sah nicht die drohende Gefahr,
Erwiderte die Blicke nicht
Und sah in ihrem Angesicht
Die Liebe nimmer, die sie hegte,
So daß in ihr der Zorn sich regte.
So redet' sie den Ritter an,
Und folgendes Gespräch begann:
»Sire, Ihr seid schön, Ihr seid voll Mut,
Dankt Gott, daß Euer edles Blut
Verdienet holder Frauen Gunst,
So hoch an ritterlicher Kunst
Ihr seid, wird hoch im Range stehn,
Die Euch zum Ritter ausersehn.«
»O Herrin,« sprach er, »nie bis da
Trat meinem Denken solches nah.«
»Bei Gott,« rief nun die Herzogin,
»Hier ist Euch Zögern kein Gewinn,
Ihr könntet stolz das Haupt erheben
Und nach der Höchsten Liebe streben.«
Doch er darauf: »Bei meiner Treu,
Solch kühner Ehrgeiz ist mir neu,
Versteh' nicht Eurer Worte Sinn,
Da ich kein Graf, kein Herzog bin.
War' mein Verlangen auch so kühn,
Vergeblich bliebe mein Bemühn
Um eine Frau von hohem Rang,
Ich erntete nur Spott statt Dank.«
Die Herzogin ließ es nicht ruhn:
»Gott kann noch größ're Wunder tun,
Und wenn er will, geschieht noch mehr,
Sagt, spürtet Ihr denn nie bisher,
Daß ich, die Herrin, höchst geehrt,
Euch meine Liebe frei beschert?«
Und alsogleich der Ritter spricht:
»Nein, Herrin, dieses wußt' ich nicht,
Doch bin ich stolz auf Eure Huld
Und reine Liebe, frei von Schuld;
Allein, bewahre mich der Herr,
Daß jene Liebe ich begehr',
Die meinem Herzog Schande bringt,
Und keine Macht der Welt mich zwingt
Zu solcher unloyalen Tat,
Zu solchem schändlichen Verrat
An meinem Fürsten angestammt.«
»Pfui,« rief sie aus, von Zorn entflammt,
»Wer hat Euch dazu ausersehn.
Ich weiß, daß solches nicht geschehn,
Gottlob. Doch nur daran zu denken,
Muß ihn und auch mich selber kränken.«
Verwandelt war die Herzogin,
Nicht Liebe trug sie mehr im Sinn,
Nein, Kummer nur und starken Haß;
Und Grimm ihr so am Herzen fraß,
Daß stündlich sie auf Rache sann.
Drum, wie sie neben ihrem Mann
Zur Nacht gesellt in Ruhe lag,
Vernahm er Seufzer, Tränen, Klag'!
Er fragt sie schnell um ihren Grund,
Sie öffnet seufzend ihren Mund
Und spricht: »Ich trage Kummer schwer,
Die hohen Herrn verteilen Ehr
Und Güter dem, der sie verrät,
Und merken nichts, bis es zu spät.
Sie haben keine Urteilskraft,
Zu sehn, wer falsch, wer ehrenhaft.«
Drauf sprach der Herzog von Burgund:
»Bei meiner Treue, keinen Grund
Für solche Rede seh' ich ein –
Nie wird es meine Absicht sein,
Verräter neben mir zu dulden.« –
»Doch trifft ein strafbares Verschulden
Den Ritter (und sie nannte ihn),
Da er mit eifrigem Bemühn
Den ganzen Tag von früh bis spät
Um meine Liebe mich gefleht.
Und lange Zeit, wie er mir sagt,
Hat zu gestehn er nicht gewagt;
Mich dünkt, mein hoher Herr Gemahl,
Daß mich getroffen seine Wahl,
Nach allem sehr wahrscheinlich ist;
Er denkt an mich seit langer Frist,
Von andrer Liebe niemand weiß;
Nichts hört man in des Hofes Kreis.
So ist es, Herzog, Eure Pflicht,
Zu gehen strenge ins Gericht
Mit ihm, und Eure Ehr' zu schützen,
Wird Euch mein frei Bekenntnis nützen.«
Dem Herzog ernst der Fall erscheint.
»Ich komme doch zum Ziel,« er meint,
»Und bringe in die Sache Licht!«
An Schlaf es völlig ihm gebricht,
Im Kummer ihm die Nacht verrinnt,
Da er dem Ritter wohlgesinnt.
Erschüttert ist nun sein Vertraun;
Am andern Tag, beim Morgengraun
Läßt er den Ritter zu sich kommen,
Von dem so Arges er vernommen.
Und ohne Zeugen ihm gesellt,
Er ihn sogleich zur Rede stellt:
»Ihr schafft mir,« sprach er, »großes Leid,
Ihr, der Ihr schön und tapfer seid,
Ermangelt der Loyalität,
Da Ihr mich schändlich hintergeht.
Ich habe stets auf Euch vertraut,
Auf Eure Treue fest gebaut,
Und war Euch herzlich zugetan.
Sagt, woher kommt Euch dieser Plan,
Mich unloyal zu hintergehn,
Um Liebe heimlich anzuflehn
Die Herzogin, Euch zu bemühn,
Mir ihre Treue zu entziehn?
So schändlich nenn' ich diese Tat,
Daß sie nicht ihresgleichen hat.
Entfernt Euch gleich aus meinem Land,
Aus dem Euch mein Befehl verbannt;
Jedweder Ort sei Euch verwehrt,
Und nie, so rat' ich, wiederkehrt,
Wollt meine Rache Ihr vermeiden
Und nicht den Tod am Strang erleiden.«

Als nun der Ritter dies vernahm,
Ihn Zorn und Kummer überkam.
Die Glieder sind ihm wie gelähmt,
Und des er sich am meisten grämt,
Ist, daß die Liebste er entbehrt,
Wenn ihm die Wiederkehr verwehrt
Aus dem Exil ins Heimatland,
Daraus für immer er verbannt.
Und andrerseits betrübt ihn schwer,
Daß er gekränkt in seiner Ehr',
Daß fälschlich treulosen Verrat
Sein Herr ihm vorgeworfen hat.
Er ist betrübt bis in den Tod
Und spricht: »Sire, gnädig sei mir Gott,
Glaubt nicht und denket nicht daran,
Daß ich so freche Tat getan.
Zu Unrecht Ihr entzieht mir Huld.
Fern liegt sogar Gedankenschuld.
Es handelt schlecht, wer mich beschuldigt.« –
»Es nützt nichts, daß Ihr Euch entschuldigt,«
Der Herzog sprach, »auch fehlt's an Grund.
Die Herzogin mit eignem Mund
Erzählte mir, in welcher Art
Ihr um sie werbend eifrig wart,
Schlimm war, was ich durch sie erfuhr,
Vielleicht war's das Geringste nur.«
»Die Herrin sprach, was ihr gefällt,
Wenn es sich anders auch verhält,
So hilft mir doch kein Widerspruch,«
Entgegnet, überrascht genug,
Der Ritter, »schweigen muß ich jetzt,
Wenn Ihr kein Zutraun in mich setzt.
Doch ferne liegt mir solch Vergehn.«
»Und doch ist der Verrat geschehn,«
Sagt sich der Herzog, »meiner Treu«;
Er denkt der Herzogin aufs neu,
Und wie sie ihm versichert hat,
Daß jener Ritter in der Tat
Noch nie bisher sein Herz verschenkt,
Daß er in Lieb' nur ihrer denkt.
Der Herzog fuhr zu sprechen fort:
»Gebt Ihr mir Euer Ehrenwort,
Daß Ihr die volle Wahrheit sagt,
Auf das, was Euer Herzog fragt,
So werd' ich Sicherheit erlangen,
Ob ich in falschem Wahn befangen.«
Der Ritter weiter nichts begehrt,
Als daß ihm freies Wort gewährt,
Damit sein Herr den Zorn verliert,
Ihm seine Ehre retabliert,
Ihn nicht in die Verbannung schickt,
Denn hier nur wohnt, die ihn beglückt,
Darum erklärt voll Freudigkeit
Er sich zu jedem Schwur bereit;
Er achtet auf die Folgen nicht,
Legt nur im Augenblick Gewicht
Drauf, vom Verdacht sich zu befrein
Und seiner Liebe nah zu sein.

So gibt er gern sein Ehrenwort.
Und hierauf fuhr der Herzog fort:
»Ihr wißt, daß ich Euch zugetan,
So kommt mir schwer zu glauben an,
Von Euch so schamlos freche Tat,
Die man Euch vorgeworfen hat.
Und doch zu Eurem Nachteil spricht,
Der guten Meinung widerspricht,
Und mich in arge Zweifel bringt,
Daß Eurem Antlitz nicht gelingt,
Ein heimlich Lieben zu verstecken;
Ein jeder muss die Glut entdecken.
Da es nun allgemein bekannt,
Daß Ihr für keine sonst entbrannt,
Scheint die verbotne Liebe klar,
Und wer Euch schmähte, sprach wohl wahr.
Doch könnt Ihr vom Verdacht befrein
Euch, wollt Ihr wahr und offen sein.
Ein Mittel es zur Rettung gibt:
Sagt ehrlich, ob und wen Ihr liebt.
Dann wird der Argwohn mir verschwinden;
Doch wollt Ihr Euch bereit nicht finden,
So müßt Ihr, ohne zu verziehn,
Meineidig aus dem Lande fliehn.«
Der Ritter weiß sich keinen Rat,
Sein Schicksal sich entschieden hat:
So oder so: es führt zum Tod.
Wenn er der Liebsten streng Gebot
Verletzt, dem Herzog hält den Schwur
Und der die Heimlichkeit erfuhr,
So gibt er seine Liebe preis,
Sobald sie seinen Treubruch weiß.
Und wenn die Wahrheit er verschweigt,
Er sich als Meineidiger zeigt,
Verliert die Heimat und sein Lieb.
Wenn sie ihm wenigstens verblieb,
So würde er dem Land entsagen
Und alles andre Unglück tragen.
Er denkt an das vergangne Glück
Und an die Seligkeit zurück,
Die er in ihrem Arm genoß.
Wenn er sich selbst die Tür verschloß,
Die zu dem Paradiese geht,
Weil er die Heimlichkeit verrät,
So sind für immer sie getrennt;
Denn wenn der Herrin Zorn entbrennt,
Wird mitzugehn sie ihm versagen.
Das Leben ohne sie ertragen,
Erscheint ihm als Unmöglichkeit.
Schon singt ein Lied aus alter Zeit
Vom Castellan de Coucy so:
Nie bin ich meines Lebens froh,
Wenn ich das Antlitz meiden muß
Der liebsten Frau, und den Genuß,
Den mir die Traute sonst gewährt,
Da sie mir ihre Gunst beschert,
Wenn sie in schlichter Höfischkeit
Mit holden Worten mich erfreut.
Wie kann mein Herz im Körper weilen?
Es muß dem Lieb entgegeneilen.

Der Ritter, vor die Wahl gestellt,
Ob er sein Wort dem Herzog hält,
Ob er es bricht und läßt sein Land,
Hält nicht mehr seinen Qualen stand;
Das Wasser ihm zum Auge schießt
Und ihm vom Antlitz niederfließt,
So daß der Herzog Spuren merkt,
Was ihn betrübt und ihn bestärkt
Im Glauben, daß der Ritter zagt,
Die Wahrheit nicht zu sagen wagt.
So wendet er sich an ihn laut:
»Mir scheint, daß Ihr mir nicht vertraut,
Wie Ihr es mir versprochen habt.
Glaubt mir, daß sicher Ihr begrabt
Bei mir jetzt Eure Heimlichkeit;
Wir wissen sie dann nur zu zweit.
Kein Wort soll meinem Mund entfliehn;
Ich ließe lieber einzeln ziehn
Mir jeden Zahn, als Schwätzer sein!«
»Gelobt sei Gott,« fiel jener ein,
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll,
Die Zukunft macht mich sorgenvoll.
Doch lieber leide ich den Tod,
Als den Verlust, der mich bedroht,
Wenn ich die Wahrheit mitgeteilt,
Und wenn die Nachricht sie ereilt,
Daß irgend wem im ganzen Land
Das streng Verborgne ward bekannt.«
Der Herzog drauf: »Bei Leib und Seele,
Daß ich es nie jemand erzähle,
Das schwöre ich, und bei der Ehr',
Die ich Euch schulde, Euer Herr,
Kein Mensch erfährt's aus meinem Mund,
Und keine Miene gibt es kund.«
»So wißt,« erwidert jener, »Herr,
Ich liebe Eure Nichte sehr,
Die holde Herrin de Vergi,
Mich über alles liebt auch sie.«
»Und,« sprach der Herzog, »gebt Bescheid,
Ist niemand weiter eingeweiht?«
»Nein, niemand auf der weiten Welt,
Ihr seid's allein, dem ich's erzählt.«
»Und wenn der Ort so ganz versteckt,
Und niemand ihn bisher entdeckt,
Wie wißt die Zeit Ihr und den Ort?«
Der Herzog fuhr zu fragen fort.
»Ihr habt so viel von mir vernommen,
Was würde ein Verschweigen frommen?«
So teilt er nun den Vorgang mit
Vom ersten bis zum letzten Schritt,
Und wie das Hündchen Helfer war
Dem so verschwiegnen Liebespaar.
Der Herzog drauf vom ihm begehrt,
Daß Ort und Stunde er erfährt,
Die für das Rendezvous bestimmt,
Daß er ihn heimlich mit sich nimmt.
Denn nur durch eignen Augenschein
Kann er der Wahrheit sicher sein.
Der Ritter ist dazu bereit,
Doch fürchtet er, die Einsamkeit
Des Harrens bringt dem Herrn Verdruß.
Doch der erwartet nur Genuß,
Und es wird folglich abgemacht,
Daß sie sich treffen heut zur Nacht,
Zu Fuß, nicht weit von diesem Ort.
Zu schweigen gab der Herr sein Wort.
Und als die Dämmerung genaht,
Da treffen sie sich in der Tat,
Wie sie beredet, in dem Garten.
Nicht lange brauchen sie zu warten,
Da kündet ihnen froh Gebell,
Daß auch das Hündchen ist zur Stell'.
Der Ritter eilt bekannte Wege,
Indes der Herzog im Gehege
Sich schnell versteckt; ein starker Baum
Dient ihm als Schild; er atmet kaum –
Er kann hier alles übersehn,
Sieht beide sich entgegengehn,
Sieht seine Nichte, wie sie hold
Dem Ritter süßen Willkomm zollt,
Und ihn hinaus ins Grüne führt.
Die Trennung mächtiger geschürt
Der Liebe Feuer hat. Ihr Arm
Umfängt den Langersehnten warm,
Ihm Liebe wortlos gibt ihr Mund
Durch ungezählte Küsse kund.
Er küßt sie wieder viele Mal,
Nennt sie: »Geliebte, Herz, Gemahl,
O, meine Hoffnung, einzig Lieb',
Ihr wißt, wie mich die Sehnsucht trieb,
Da ich so lange Euch nicht sah,
Und Euch in Liebe nimmer nah.«
»Mein süßer Herr,« sprach sie darauf,
»Mein holder Freund, der Tage Lauf
Schien mir zu stocken ohne Euch,
Und öde schien mir mein Bereich;
Doch jetzt ist mir der Kummer fern,
Ich bin mit Euch, mit meinem Herrn,
Der Ihr so froh und tapfer seid.
Willkommen biete ich erfreut.«
»Und Ihr«, sprach er, »seid froh begrüßt!«
Dem Herzog ward die Zeit versüßt,
Weil dies ihm jeden Zweifel raubte,
Und er nun seinem Ritter glaubte.
Versteckt ganz nahe bei dem Paar,
Erkannte er die Stimme gar
Der Schloßfrau, sah auch die Gestalt.
So schwand ihm jeder Zweifel bald,
Daß ihn die Herzogin belog,
Daß ihn der Ritter nie betrog.
Und dies erfüllte ihn mit Dank;
Er weilte viele Stunden lang,
Die ganze Nacht geduldig harrt',
Die jenen eine Brautnacht ward.
Die Seligkeit und das Entzücken
Zu schildern, würde mir nicht glücken;
Nur jener wird sie ganz verstehn,
Dem solche Freuden ausersehn,
Die holden Liebenden gewährt,
Wenn Kummer sich in Lust verkehrt.
Wer solche Lust noch nie verspürt,
Bleibt auch als Zeuge ungerührt.
Und wer von Amor nicht belehrt,
Kennt auch nicht solcher Freuden Wert.
Nicht mal für alle, die verliebt,
Es so vollkomm'ne Wonne gibt,
Solch eine Freude ohne Leid,
Nur voller Glück und Seligkeit.
Zu kurz dem Liebenden erscheint,
Daß er mit seinem Lieb vereint,
Daß viel zu schnell die Nacht enteilt,
Daß nur Minuten er verweilt.
So glücklich ihn dies Leben macht,
Daß, wenn zur Woche würd' die Nacht,
Die Nacht zum Monat, der zum Jahr,
Dies Jahr zu drei, zu zwanzig gar,
Und schließlich hundert draus entständen,
Die Lust der langen Nacht beenden
Nun endlich sollte Tageslicht,
Er zeigte ihm kein froh Gesicht.
So war den beiden auch zu Mut,
Die aus der Liebe sichrer Hut
Der Tag nun in die Trennung trieb.

Zur Pforte führte er sein Lieb.
Der Herzog sah sie scheiden nun,
Er sah sie Wang an Wange ruhn,
Sah ungezählter Küsse Tausch,
Sah ihrer Liebe Trennungsrausch,
Und hörte ihrer Seufzer Flehn,
Die Hoffnung auf ein Wiedersehn,
Und wie das nächste Stelldichein
Bestimmt zu seligem Verein.
Die Dame schließt das Gartentor,
Doch stand sie lange noch davor,
Und ihre schönen Augen sahn
Noch lange den Geliebten an,
Da ihr das Bessre jetzt genommen.
Der Herzog sah den Ritter kommen,
Und ihm entgegen unverweilt,
Kaum war das Tor geschlossen, eilt.
Der Ritter zu sich selber spricht,
Er zürnet noch dem Tageslicht,
Das ihm gegönnt zu kurze Lust.
Und auch in der Geliebten Brust
Herrscht nur der Kummer, daß die Zeit
Zu kurz für solche Seligkeit.
So wandert er gedankenschwer,
Als ihm entgegeneilt sein Herr,
Der ihn umarmt voll Zärtlichkeit.
Vergessen ist nun alles Leid.
»Ich glaube frei Euch jeder Schuld,
Gewähre Euch für immer Huld,
Ihr spracht die Wahrheit sicherlich,
Und es belog die Gattin mich.«
Der Ritter sprach: »Bei Gottes Gnade,
Für mich erwüchse größter Schade,
Verlöre Lust, erwürbe Not,
Ja, ich erlitte gar den Tod,
Wenn jemand andres noch erfuhr,
Daß ich gezeigt des Weges Spur,
Der zu der Liebsten Garten geht,
Darum seid nochmals angefleht,
Daß mein Geheimnis Ihr bewahrt.«
»Nun jede weitre Mahnung spart,«
Der Herzog sprach, »zu jeder Zeit
Gelobe ich Verschwiegenheit.«
So redend an den Ort sie kamen,
Von dem sie ihren Ausgang nahmen.
Bei Tafel dann an jenem Tag
Der Herzog mit dem Ritter sprach
Aufs neue mit besondrer Huld.
Da riss der Herzogin Geduld;
Die Wut beherrschte sie so sehr,
Bei Tafel litt es sie nicht mehr;
Sie spielte eine Rolle fein,
Erweckte schnell der Krankheit Schein
Und legte sich zu Bette dann,
Wo sie voll Zorn auf Rache sann.
Der Herzog nach der Tafel Schluß
Und seiner Gäste Festgenuß
Begab sich in das Schlafgemach,
Wo krank ihm die Gemahlin lag,
Und gab Befehl, daß er allein
Jetzt wollte mit der Gattin sein.
Als ohne Zeugen beide sind,
Befragt der Herzog sie geschwind,
Was ihrer schnellen Krankheit Grund.
Und sie erwiderte: »Gesund
Saß ich beim Mahle, als ich sah,
Wie jenem Ihr in Gnade nah,
Der schon bemüht seit langer Zeit,
Mir zu bereiten Schimpf und Leid;
Und freundlicher als je zuvor
Ihr zu ihm neigtet Aug und Ohr.
Da hat der Zorn mich übermannt,
Daß von der Tafel ich aufstand.«
»Ach,« sprach der Herzog, »süße Frau,
Euch nie im Leben mehr vertrau
Noch andern ich, versichert seid,
In dieser Angelegenheit.
Nie fand, was Ihr behauptet, statt,
Der Ritter übte nie Verrat;
Ich weiß genug von seinem Tun.
Und jetzt laßt alle Fragen ruhn!«
Der Herzog schnell verläßt den Ort,
Die Herzogin bedenkt sein Wort;
Weiß, daß sie nie sich gibt zufrieden,
Ist nicht Erklärung Ihr beschieden,
Des, wonach Frage nicht erlaubt
Der Herzog; doch sie sicher glaubt,
Daß ihr der Abend Auskunft bringt,
Daß zu erfragen ihr gelingt
Die Wahrheit, wenn die stille Nacht
Sie in des Gatten Arm verbracht.
Sie weiß, daß er zu solcher Zeit
Ihr nachzugeben gleich bereit.
So alles Fragen sie verschiebt,
Bis er sich auch zur Ruh begiebt.
Dann sucht sie scheinbar ihn zu strafen,
Erlaubt ihm nicht, mit ihr zu schlafen.
Sie weiß, daß er durch solche List
Am ersten umzustimmen ist.
Sie stellt sich zornig und erreicht,
Daß seine Stimmung sich erweicht,
Daß zärtlich nach dem Grund er fragt
Und sie zu küssen schließlich wagt.
Darauf wirft sie ihm Falschheit vor,
Viel Schmeichelworte hört ihr Ohr,
Doch ihr zu Herzen gehn sie nicht,
Da stets sein Handeln widerspricht
Den Worten, wahrhaft er sie nie
Geliebt und heute kränkte sie.
Sie habe blindlings ihm vertraut,
Auf seiner Worte Sinn gebaut.
Doch heute wurde es ihr klar,
Daß gegen sie er nimmer wahr.
Erklärung heischte er darauf;
Sie ließ der Zunge freien Lauf,
Da sie auf böse Rache sann,
Und stellte sich sehr harmlos an.
»Ich würde«, sprach sie, »nimmer wagen,
Euch das Geheimnis abzufragen,
Doch weiß ich auch mein Teil davon.«
»Was wißt Ihr?« »O,« sprach sie voll Hohn,
»Was er Euch sagte, Lüge war,
Die Ihr ihm glaubtet bis aufs Haar.
Doch dieses Wissen mich nicht rührt,
Da ich seit langer Zeit gespürt,
Daß Ihr von mir Euch abgewendet,
Und daß mein Lieben ich verschwendet.
Was ich erfuhr in aller Welt,
Hab ich Euch stets sofort erzählt;
Doch Ihr entzieht mir das Vertraun,
Laßt nicht in Eure Seele schaun.
So gebe ich Euch hiermit kund,
Daß fortan schweigen wird mein Mund.
Mit gleicher Münze zahl ich heim,
Und mein Vertraun erstickt im Keim.«
Nun folgte heißer Tränenschwall
Und Seufzer, nicht gering an Zahl.
Zu heft'gem Weinen sie sich zwang.
Der Herzog mit dem Mitleid rang,
Und sprach zu ihr: »Mein süßes Kind,
Vergeßt den argen Zorn geschwind;
Ich kann Euch nicht in Tränen sehn,
Doch werdet Ihr gewiß verstehn,
Wenn Schweigen mir zur Pflicht gemacht,
So war Verraten Niedertracht.«
»So schweigt,« erwidert sie ihm schnell,
»An Eurem Antlitz auf der Stell
Erkenn' ich, daß Ihr mir mißtraut.
Ward je denn ein Geheimnis laut,
Groß oder klein, das meinem Ohr
Ihr still geoffenbart zuvor?
Und mit der gleichen sichern Treue
Bewahre ich auch dieses neue.«
Und wieder strömt die Tränenflut;
Der Herzog sinnt in trübem Mut,
Er küßt sein Weib voll Zärtlichkeit
Und ist in innerm Widerstreit,
Ob er sein Wort dem Ritter bricht,
Ob Reden seine Gattenpflicht.
Er spricht hierauf: »Mein süßes Herz,
Mir schaffet beides gleichen Schmerz,
Ob schweigt, ob redet jetzt mein Mund,
Doch wohnt in meiner Seele Grund
Für Euch solch inniges Vertraun,
Ihr müßt in meine Seele schaun.
Nichts darf ich je vor Euch verstecken.
Doch werdet jemals Ihr entdecken,
Was ich Geheimes mitgeteilt,
So wißt, daß Euch der Tod ereilt.
Darum versprecht Verschwiegenheit.«
Hierzu war sie sofort bereit;
»Nie werde ich so Böses tun,
Laß«, sprach sie, »dein Gewissen ruhn.«
Und der sie liebte, glaubt dem Wort,
Verriet, was er erlebt, sofort;
Was ihm der Ritter anvertraut,
Wie seine Nichte er geschaut
Im Garten, wo sie nur zu zwein,
Und wie der Hund sich stellte ein,
Vom Kommen und vom Gehen sprach
Er nun getreulich nach und nach.
Und was er hörte, was er sah,
Erfuhr sie – alles, was geschah.
Und als die Herzogin nun weiß,
Daß er erglüht in Liebe heiß,
Um eine andre sie verschmäht,
Vor Zorn und Haß sie fast vergeht.
Doch stellt sie sich im Gegenteil,
Als wünschte sie ihm alles Heil;
Und schwört dem Herzog wiederholt,
Daß, wenn man je erfahren sollt
Von ihr die Wahrheit, sie den Tod
Erlitte, wie er ihr gedroht.
Doch heimlich harrt sie jener Stund,
Da zum Verräter wird ihr Mund.
Seit jener sie in Schande ließ,
Dem selbst sie ihre Gunst verhieß,
Um jene Freundin sie verschmäht,
Ihr Sinnen nur auf Rache geht.
Lang fehlt es an Gelegenheit;
Es findet sich nicht Ort, nicht Zeit.
Doch als das Pfingstfest sich genaht,
Da schien der Augenblick zur Tat.
Versammelt wurden viele Gäste,
Und bitten ließ zum frohen Feste
Der Herzog Damen ohne Zahl;
Die schöne Schloßherrin zumal,
Die in Vergi ihm war verwandt.
Die Herzogin, vor Zorn entbrannt
Bei ihrem Anblick, fühlt erstarrt
Ihr Blut, doch ihre Haltung wahrt,
Verbirgt ihr Innres in Geduld,
Zeigt eine Miene voller Huld,
Wie sie ihr nie zuvor gezeigt.
Es wird ihr schwer, allein sie schweigt.
Und bis die Tafel abgedeckt,
Sie ihren wahren Sinn versteckt,
Dann folgen ihr die Damen nach
In ihr verschwiegenes Gemach,
Zu schmücken sich in neuem Glanz
Zum Pfingstfest für Musik und Tanz.
Als nun Gelegenheit sich bot,
Sprach sie zur Schloßherrin voll Spott:
»Ihr müßt Euch ganz besonders schmücken,
Den schönen, kühnen Freund beglücken.«
Doch diese einfach: »Was Ihr meint,
Verstehe ich nicht, keinen Freund
Besitze ich, der meiner Ehr'
Und meines Herrn verderblich wär'.«
»Mag sein,« sprach nun die Herzogin,
»Doch seid Ihr große Meisterin,
Wahrt das Geheimnis unversehrt
Von Eurem Hündchen hochgelehrt.«
Die Damen hören solche Red',
Doch keine ihren Sinn versteht.
Sie kehren mit der Herzogin
Zum Saal zurück mit heitrem Sinn.
Die Schloßfrau aber bleibt allein;
Ihr Herz erbebt in Zorn und Pein;
Den ganzen Leib durchzittert Gram,
Sie kennt sich nicht vor Wut und Scham.
Sie tritt in eine Kammer ein,
Um ohne Zeugen hier zu sein;
Im Kummer ward sie nicht gewahr,
Daß eine Magd entschlafen war
Zu Füßen eines Lagers dort.
Sie warf sich in dem stillen Ort
Aufs Bett und klagte bitterlich
Und sprach in heft'gem Schmerz zu sich:
»Mein Gott, was habe ich gehört!
Mein Hündchen hätte ich belehrt,
Sprach meine Herrin heut zu mir,
Wie drang die Kunde denn zu ihr?
Ein einz'ger nur war eingeweiht,
Den ich geliebt zu meinem Leid.
Er übte doppelten Verrat,
Nur fähig war er solcher Tat,
Wenn Liebe ihn mit ihr verband;
Er hat von mir sich abgewandt
Und gab ihr mein Geheimnis preis,
Indessen ich ihn liebte heiß.
Ach, lieber Gott, so Tag wie Nacht
Hab' ich nur stets an ihn gedacht,
Er war mein Trost, er war mein Glück,
War meine Wonne, mein Geschick,
War mein Entzücken, war mein Heil,
An ihn zu denken war mein Teil!
Wodurch, mein Freund, warst du mir fremd,
Wodurch ist deine Lust gehemmt?
Wie kam dir Falschheit, wo ich Treu
Erwartete, die immer neu,
Und doch gefestigt, Treu wie Gold,
Wie Tristan sie geschenkt Isold?!
Ich liebt' Euch wie mein eigen Ich,
Ja, weit darüber sicherlich.
Und nie, seit ich mich Euch geweiht,
Ja, nicht einmal vor dieser Zeit,
Hab' in Gedanken, Wort noch Tat
Ich ausgesät so böse Saat,
Die Euren Haß mir trüge ein!
Nicht die Betrogene zu sein
Verdiente ich, noch daß zerstört
Das süße Band und Ihr betört,
Verraten einer andern jetzt,
Was ich gehalten unverletzt.
So Gott mir helfe, war mein Herz
Nie fähig, Euch zu bringen Schmerz.
Wenn Berg und See und Paradies,
Die ganze Welt mir Gott verhieß,
Mit Freuden gäb' ich sie dahin
Für Eurer Zuneigung Gewinn.
Mein Reichtum wart Ihr, Frohsinnsquell,
Kraft fühlte ich, und sonnenhell
Das ganze Leben vor mir lag,
Nie fand ich einen Grund zur Klag!
Eins gibt es nur, was mich zerbricht,
Wenn Eure Liebe mir gebricht.
Wie hätt' ich Arges je gedacht
Von jenem Manne, dessen Macht
Ich gern mich fügte, dessen Willen
Ich stets bereit war, zu erfüllen,
Und der an meiner Seite schwur,
Daß er mir angehörte nur,
Daß er mich einzig ausgewählt,
Die Leib und Seele ihm vermählt.
So sanft war seiner Stimme Laut,
Daß ich ihm kindlich voll vertraut,
Daß kein Gedanke mir erwacht,
Daß über ihn gewänne Macht
Je Fürstin oder Königin,
Daß umgewandelt nun sein Sinn,
Mir Haß und Feindschaft ward zuteil.
Ihn lieben war mein einzig Heil,
Er nahm mein ganzes Wesen ein,
Und er gehörte mir allein;
Uns trennen konnte nur sein Tod,
Und hätte solcher mich bedroht,
So war mein Leben auch dahin,
Und mit ihm sterben schien Gewinn,
Statt einsam sein, ihn nimmer sehn.
O, mußte mir solch Leid geschehn,
Daß das Geheimnis er verriet,
Und mich auf ewig von ihm schied!
Da meine Liebe ich gewährt,
Hab' als Bedingung ich erklärt,
Zu trennen mich zur selben Stund,
Da nur ein Wort verriet sein Mund.
Und da er nun die Treue brach,
Ich nimmer leben kann noch mag;
Ich kann nicht ohne jenen sein,
Der Schuld an meiner Herzenspein,
Mein Leben ist mir nicht mehr Lust,
So bitt' ich Gott aus voller Brust,
Daß er mich durch den Tod befreit!
Sei meine Seele ihm geweiht!
In Gnade nehme er sie an,
Die ich auf Erden recht getan
Und wahr und ehrlich den geliebt,
Der nun mich in den Tod betrübt.
Auch er dem Herrn befohlen sei,
Und alle Schuld ich ihm verzeih,
Der Tod, der mich durch ihn erreicht,
Wird mir, an ihn gedenkend, leicht.«
Nun ward die Stimme leiser schon:
»Mein süßer Freund,« verklang der Ton,
»Ich gebe dich in Gottes Hand.«
Ein Seufzer und die Kraft entschwand.
Die Arme bebten todesbang,
Das Haupt ermattet niedersank;
Dem Antlitz alle Farbe wich,
Dies zarte Leben sanft verblich.
Ihr Freund ahnt davon nichts, im Saal
Nimmt er inzwischen teil am Ball.
Doch nichts erheitert sein Gemüt,
Weil er nicht gegenwärtig sieht
Die Dame, die er innig liebt.
Er bittet, daß ihm Auskunft gibt
Der Herzog, da ihn überrascht,
Daß er noch keinen Blick erhascht.
»Wo sie so lange nur verweilt?«
Der Herzog durch die Säle eilt,
Wo sie zu finden nicht gelingt,
Darauf er mit dem Ritter dringt
Bis in der Herzogin Gemach.
Auch dieses leer, so schickt er nach
In die Gardrobe seinen Freund
Allein; er hofft sie dort vereint,
Und hofft, daß Kuß und Zärtlichkeit
Sie tröste für die bange Zeit.
Der Ritter weiß ihm Dank dafür,
Tritt eilig durch die Kammertür
Und sieht die Liebste hingestreckt,
Die keine Liebe mehr erweckt.
Er küßt sie auf den bleichen Mund,
Erschauert doch im tiefsten Grund;
Ihr Antlitz kalt und hart erscheint,
Und wenn er auch zu spüren meint,
Daß sich ihr Körper leise regt,
Doch ruht sie tot und unbewegt.
Und voll Entsetzen ruft er laut:
»Unmöglich ist, was ich erschaut!«
Auf einmal sich die Magd erhebt,
Die jenen Vorgang mit erlebt,
Und spricht: »Mein Herr, es ist gewiß,
Daß jene Frau das Leben ließ.
Sie wünschte weiter nichts so sehr,
Seit treulos ihr geliebter Herr,
Womit die Fürstin sie verhöhnt,
Ein Hündchen spöttisch auch erwähnt.
So tötete sie bittre Schmach.«
Der Ritter ganz zusammenbrach.
Sie war dahin, weil er gesprochen
Und ihr sein heilig Wort gebrochen.
»O, süßes Lieb,« er bitter klagt,
»Die über alle andern ragt,
An Güte, Anmut, Rechtlichkeit,
Du mußtest sterben vor der Zeit
Durch meinen schändlichen Verrat!
Recht wäre es, daß meine Tat
Sich strafte an mir selbst allein,
Doch du, so ohne Schuld und rein,
Nahmst alle Strafe auf dein Haupt.
Der ich das Leben dir geraubt,
Ich übe selbst Gerechtigkeit
Und folge dir zur Ewigkeit!«
Nahm seinen Degen von der Wand
Und führte ihn mit sichrer Hand.
Er stürzte auf den Leichnam schwer;
Kein Wort, kein Laut, kein Seufzer mehr.
Die Magd sprang voll Entsetzen auf,
Erreicht den Herrn in schnellem Lauf,
Teilt alles mit, was hier geschehn,
Genau, was sie gehört, gesehn.
Auch wie voll Spott die Herzogin
Wies auf das kluge Hündchen hin.
Der Herzog, fast dem Wahnsinn nah,
Trat in die Kammer, wo er sah
Den Ritter, tot in seinem Blut.
Riß aus der Wunde voller Wut
Das Schwert und lief zurück zum Saal,
Und wortlos trifft mit scharfem Stahl
Die Herzogin, wie er versprach,
Da sie ihr heilig Wort ihm brach.
Die Herzogin zu Boden sinkt,
Die Festmusik ihr noch erklingt;
Ihr brechend Auge nimmt noch wahr
Der Gäste wohlgeschmückte Schar,
Die große Freude hergeführt,
Die nun des Schicksals Ernst berührt.
Der Herzog macht bekannt sogleich,
Was jetzt geschehn in seinem Reich.
Da bleibt kein Hörer ungerührt,
Besonders als man vorgeführt
Die Liebenden, im Tod vereint,
Wohl jeder Mitleid fühlt und weint.
Doch wo der Fürstin man gedenkt,
Wird Mitleid durch den Zorn verdrängt.
Den Liebenden in Glanz und Pracht
Ward letzte Ehre dargebracht.
Den Herzog litt es dann nicht mehr;
Er nahm das Kreuz, zog übers Meer.
Kam nie zurück. Es wird gesagt,
Er habe niemals mehr gelacht.

Aus diesem Vorgang läßt sich zeigen,
Wer sich verpflichtet hat, zu schweigen,
Muß halten Wort um jeden Preis.
Wenn um geheime Liebe weiß
Ein andrer, Schaden nur entsteht
Und Rache dessen, der verschmäht.
In jedem Stand, ob hoch, ob schlicht,
Verschwiegenheit ist erste Pflicht.


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