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Die Geschichte von Hurschid und Ferahschad

Vor alters herrschte in Persien ein König mit Namen Siaûr; von allen Frauen seines Harems wurde nur eine einzige, die er am meisten liebte, schwanger; und auch dieses glückliche Ereignis schrieb man noch dem wirkungsvollen Gebete mehrerer Derwische, Santome und Mollas zu, die der Sultan reichlich begabt hatte, auf daß sie ihm von Gott eine zahlreiche Nachkommenschaft erflehen möchten. Der Dienst aber, den sie dem Beherrscher Persiens leisteten, ging nicht so weit; denn die Sultanin brachte nur eine Tochter zur Welt, über deren Schicksal sogleich alle Sterndeuter und Weisen des Reiches befragt wurden. Einige von ihnen brachten nun Dinge vor, die ganz ungereimt waren; die kundigsten jedoch weissagten: Die neugeborene Prinzessin werde eine vollkommene Schönheit werden und dabei bewunderungswürdige Geistesgaben und Eigenschaften haben; aber ihre Schönheit werde so groß sein, daß man sie nicht ungestraft und ohne Gefahr, auf der Stelle des Todes zu sein oder wahnsinnig zu werden, ansehen könne; sie dürfte demnach Ursache des größten Unglücks werden und die verderblichsten Unfälle für das Reich bewirken, wenn man es unterließe, sie aller Augen zu entziehen, sobald sie fünfzehn Jahre alt geworden wäre.

Nach reiflichem Nachdenken über diese grausame Weissagung meinte der persische Sultan, daß es viel sicherer wäre, ein so gefährliches Wesen zu töten, als es stets zu bewachen, um allen Unglücksfällen vorzubeugen, die ihre Schönheit verursachen könnte.

Und er teilte diesen Entschluß der Sultanin mit. Die aber entsetzte sich darob; kaum vermochte sie ihren Schauder bei dem bloßen Gedanken zu verbergen, ihr Kind getötet zu sehen, und bat, daß man ihr solches selbst übertrage. Als nun der verhängnisvolle Augenblick kam, halfen ihre beiden Vertrauten, eine Amme und ein Eunuche, daß das Kind, das dereinst so liebenswürdig werden sollte, nicht umgebracht, sondern gerettet und sorgfältig auferzogen wurde. Nachdem man dem Sultan den sehr verstümmelten Leichnam eines kleinen Mädchens vorgezeigt hatte, wurde die wahre Hurschid – diesen Namen hatte man der jungen Prinzessin gegeben – nach einem abgelegenen, jedoch nicht weit von der Hauptstadt entfernten Palaste gebracht, wo die Sultanin sie von Zeit zu Zeit besuchte. Sie sah mit Bewunderung die aufblühende Schönheit ihrer Tochter, die noch weit mehr versprach, als die Weissagungen verkündigt hatten. So vergingen vierzehn Jahre.

Als nun Hurschid in dem Alter war, wo der Geist sich entfaltet, zeigte sie den ganzen Umfang des ihrigen, indem sie mit bewunderungswürdiger Leichtigkeit alles lernte, das man für ihre Bildung zweckmäßig fand, und selbst die Dichtkunst. Zugleich besaß sie außer einer ungemeinen Geschicklichkeit in allen Arbeiten ihres Geschlechts auch erstaunliche Anlagen für die Musik und spielte kunstreich allerlei Instrumente. Doch begnügte sie sich nicht mit diesen schwachen weiblichen Übungen; denn als sie noch nicht sechzehn Jahre alt und überdrüssig ihrer Einsperrung war, fühlte sie sich ebenso stark, als sie schön war, und bewog ihre Amme und ihren Aufseher, die sie so liebenswürdig fanden, daß sie ihr nichts abzuschlagen vermochten, ihr Rosse zu verschaffen und ihr zu erlauben, sie zu reiten, und unter dem Vorwande der Jagd und der Leibesübung in der Gegend umherzureiten. Übrigens gebrauchte sie bei dem Genusse dieses Vergnügens alle Vorsicht, daß sie von der Sultanin nicht überrascht werden konnte, und kehrte regelmäßig jeden Abend in ihren Palast zurück.

Indessen konnte sie nicht vermeiden, daß von ihren Ausritten geredet wurde. Man wußte, daß ein junges und wohlgebildetes Mädchen zuweilen hoch zu Rosse das Gefilde durchstreifte; man erkannte ihren Begleiter, und mehr bedurfte es nicht, um das ganze Geheimnis zu enthüllen. Eifersüchtig auf die Gunst, in der Hurschids Mutter stand, verklagten sie die übrigen Frauen im Harem Siaûrs und beschuldigten sie, daß sie ihre Tochter nicht habe umbringen lassen. Der König von Persien geriet darob in heftigen Zorn, und obschon es Nacht war, begab er sich auf der Stelle mit vier der zuverlässigsten Männer seiner Leibwache nach dem Palaste, wo die junge Prinzessin verborgen war. Wütend und ingrimmig schlägt er an die Türe oder läßt sie vielmehr einstoßen. Der Eunuche und die Amme eilen ihm entgegen; er gebietet ihnen mit drohender Strenge, ihm Hurschid vorzuführen, und während man forteilt, sie herbeizuholen, befiehlt er seinen vier Gefährten, sich bereitzuhalten, seine Tochter und die hier zu ihrem Dienste bestellten Sklaven zu töten.

Endlich erscheint sie selbst, noch ganz in der Verwirrung einer Schönheit, die man eben aus dem Schlafe aufgeschreckt hat und der man ankündigt, daß sie in der größten Gefahr schwebe; aber wie schön ist sie! Besonders ihre Augen waren so strahlend, daß niemand ihren Glanz aushalten konnte, was auf der Stelle die vier Gefährten des Königs erfuhren. Sonnenstrahlen, die durch zwei Brennspiegel scheinen, haben nimmer so furchtbare und plötzliche Wirkungen hervorgebracht, als es hier die Augen der Prinzessin auf die Männer taten: alle vier sanken ohnmächtig zu Boden. Der Sultan selbst fühlte sich nicht davor gesichert; aber sein Alter und seine Gemütsart und die königliche Würde und die Gewohnheit, schöne Augen zu sehen, vor allen die der Mutter Hurschids, die ihrer Tochter glich, wennschon sie ihrer Schönheit nicht gleichkam, endlich die väterliche Zärtlichkeit, solches alles schützte ihn vor stärkeren Zufällen. Er begnügte sich damit, jeden grausamen Vorsatz gegen seine Tochter aufzugeben, hob sie auf und umarmte sie zärtlich, verzieh der Amme und dem Eunuchen und dankte ihnen sogar, daß sie ihm ein so holdseliges Kind erhalten hatten, und versprach, sie oft zu besuchen, manchmal auch mit ihrer Mutter. Er gab noch Auftrag, den Palast zu vergrößern und zu verschönern und mit allem zu schmücken, was dazu dienen könnte, den Aufenthalt darin angenehm zu machen. Aus Furcht indessen vor der Weissagung, dieer schon durch das bewährt sah, was seinen Begleitern hier begegnet war, gebot er, auch fernerhin niemanden in den Palast einzulassen.

Sklaven trugen die vier ohnmächtigen Männer hinaus und legten sie auf den Rasen am Ufer eines Baches, dessen Frische dazu beitragen konnte, sie wieder ins Leben zu rufen. Wirklich kamen auch drei von ihnen wieder zu sich, der vierte aber war und blieb tot. Seine Gefährten priesen ihn fast glücklich, da er es überhoben war, ein trübseliges Leben im steten Gedenken der Prinzessin, ohne Hoffnung, sie je wiederzusehen, hinzuschleppen; und sie errichteten ihm im nächsten Gehölze ein Grabmal; auf den Stein aber, unter welchem sie ihn beerdigten, gruben sie solche Grabschrift ein:

Grausame Könige, frevelnde Sterbliche – Fürchtet des Himmels rächende Blitze;
Zärtliche Herzen, fürchtet zwei Augen! – Ihr Strahl allein kann zu Staub euch verwandeln.
Der hier ruht unter diesem Steine – Hurschid sah er und starb durch sie:
Kosend der Flamme naht sich der Schmetterling – Ach, und er stirbt, indem er getreu wird.

Nachdem sie sich also dieser traurigen Pflicht entledigt hatten, bestiegen die drei übrigen Gefährten ihre Pferde, die man ihnen zuführte, trennten sich voneinander und irrten wie auf gut Glück umher, indem sie sich jedoch immer weiter von dem Orte entfernten, der so verhängnisvoll für sie gewesen war; der eine zog gen Osten und der andre gen Westen, der dritte aber gen Norden.

Unterdessen fand sich Hurschid in dem erweiterten Palaste mehr beengt, als sie es zuvor gewesen war; da sie jetzt eine zahlreichere Wache und Dienerschaft umgab, war es ihr nicht möglich, unbemerkt das Roß zu besteigen und im Gefilde umherzureiten. Sie führte Klage darüber bei ihren vertrauten alten Dienern und bezeigte dabei so großes Herzeleid und Verlangen, daß der Eunuche ernstlich darauf bedacht war, sie zufriedenzustellen. Er fand auch bald Mittel und Wege dazu. Er kannte einen unterirdischen Gang, der unter den Mauern und Gräben des Palastes hindurch in ziemlicher Entfernung von ihm ins freie Feld führte und bei dem Bache im Walde, von dem oben die Rede gewesen war, auslief. Der getreue Aufseher benutzte den Augenblick, da die Wachen eingeschlafen waren, ließ zwei Pferde nach dem Ende des verborgenen Ganges führen und begleitete die Prinzessin auf ihren Lustritten einige Stunden lang im Mondscheine; beide waren jedoch sorgfältig darauf bedacht, noch vor Sonnenaufgang und vor dem Erwachen der Wächter wieder heimzukehren.

Bei einem dieser nächtlichen Ausflüge bemerkte die Prinzessin am Eingange des Waldes ein Grabmal, das ihre Aufmerksamkeit anzog; sie ritt heran, las seine Inschrift, die wir schon gehört haben, und erkannte es als das Denkmal des durch ihre Schönheit getöteten Mannes. Die Betrachtungen, die beim Lesen dieser Grabschrift in ihr aufstiegen, stimmten sie trübe, weil sie nun inne wurde, daß ihre Reize gefährlich waren und allzu große Schönheit zuweilen ein Unglück sein konnte; sie wollte dieses Ereignisses wegen, das zugleich ihr Mitleid erregte und ihrer Eitelkeit schmeichelte, auch ihre Frömmigkeit bezeigen. Als ihr Vater sie das nächste Mal besuchte, erklärte sie ihm, daß sie dem Propheten Elias ein Gelübde getan habe, weil sie es ihm zu verdanken glaube, daß sie aus der Gefahr befreit worden sei, in der sie geschwebt habe, als man sie habe töten wollen. Der Sultan billigte ein so dankbares Gelübde und gestattete den Bau eines besagtem Propheten geweihten Bethauses an dem ihm bezeichneten Orte. Neben diesem aber wurde eine Einsiedelei für einen alten Derwisch oder Santom erbaut, der die Gebete in dem Heiligtum verrichten sollte; und man erlaubte der Prinzessin auch, zuweilen dorthin zu gehen, vorausgesetzt, daß sie gehörig verschleiert war.

Unterdessen nun war der von den drei Hauptleuten, der gen Westen gezogen war, nach Afrika und bis in das Königreich Mauritanien gekommen; sein Herz und sein Geist waren noch immer von Hurschids Bilde erfüllt. Die Liebe hatte ihn zum Dichter gemacht, und aus dem Stegreif schuf er Verse, in denen er die Reize der Prinzessin, die alle, die das Glück hatten sie zu schauen, mit ihren Blicken tötete oder doch unheilbar verwundete, bis zum Himmel erhob. Asad – so hieß dieser irrende Hauptmann – ließ sich darüber in so starken Ausdrücken aus, weil er von einer heißen Leidenschaft beseelt war, daß er allgemeine Aufmerksamkeit erregte; und Prinz Ferahschad, der Sohn des Königs von Mauritanien, der auch davon hörte, wollte aus dem Munde des Fremdlings selbst die Wunder vernehmen, die er verkündigte. Er wurde dadurch von Bewunderung hingerissen und faßte den Entschluß, sich mit eignen Augen von einer so außerordentlichen Schönheit zu überzeugen.

Ferahschad war als Mann ebenso vollkommen wie Hurschid als Weib. Asad, dem er sich anvertraute, verbarg ihm nicht, daß, wenn irgend jemand der Prinzessin würdig wäre, er es sei; daß es aber sehr schwer hielte, sie zu sehen, und viel mehr noch, ihre Liebe zu gewinnen. Indessen konnte er es dem Prinzen nicht abschlagen, ihn auf der Reise nach Persien zu begleiten, die dieser unter fremdem Namen machen wollte.

Ferahschad versah sich mit einer ungeheuern Menge Gold und Diamanten und köstlicher Kleinode; verkleidete sich als einfacher Mann und reiste so eines Nachts ab, Asad aber war sein Führer. Beide verfolgten ihren Weg nach Persien, während der alte König von Mauritanien untröstlich war, weil er nicht wußte, was aus seinem Sohne geworden war. Er sandte nach allen Himmelsrichtungen Leute nach ihm aus; aber die beiden Reisenden hatten, um sich noch besser zu verbergen, Derwischgewänder angelegt; und unter dieser frommen und zugleich lächerlichen Verkleidung erreichten sie die Hauptstadt Persiens.

Sie waren jetzt sehr nahe bei dem Palaste der Prinzessin; die Schwierigkeit jedoch bestand darin, hineinzugelangen. Asad riet dem Prinzen, sich in dem benachbarten Walde zu verstecken, wo er das Grabmal seines Gefährten wiederfand und es von neuem mit Tränen benetzte. Und er bemerkte das daneben erbaute Bethaus; ihr Derwischkleid aber berechtigte sie, es zu betreten, so wurden sie denn von dem Greise, der zu dessen Priester und Hüter bestellt war, freundlich aufgenommen. Unter dem Vorwande einer besonderen Verehrung, die sie für den Propheten hegten, baten sie den Derwisch um die Erlaubnis, in dem Bethause bleiben und wohnen zu dürfen, erhielten aber zur Antwort, daß solches nicht anginge und daß sie in Lebensgefahr schwebten, wenn sie es wagten, weil die Prinzessin manchmal selbst des Nachts dahin käme, ihre Andacht zu verrichten, und niemand, der sie sähe, wenn es nicht ein abgelebter Greis wäre wie er, dem Feuer ihrer Augen, mindestens aber dem Schwerte ihrer Leibwache entgehen könnte. Der Prinz fügte sich scheinbar in die Entfernung, aber man kann sich wohl denken, daß er sich vornahm, in der Nähe zu bleiben, auf daß er die wunderbare Prinzessin sehen könnte, wenn sie den Ort besuchte, nach dem sie das Gebet zu dem Propheten Elias führte. Er versprach dem Greise, sich zu begnügen, jeden Tag etliche Male in das Heiligtum zu kommen; dabei stellte er noch mehrere Fragen über die Prinzessin, deren Beantwortung ihn mehr und mehr in Flammen setzte.

Einige Tage danach hatte der Greis Gelegenheit, der Prinzessin zu erzählen, daß der wohlgebildetste und liebenswürdigste Derwisch, der jemals im Morgenlande gesehen worden, sein Bethaus besucht habe. Hurschid mutmaßte alsobald, dieser junge Derwisch wäre sicher jemand, der sich ihr zuliebe verkleidet hätte, und war um so weniger ungehalten darüber, als sie hörte, daß er liebenswürdig war.

Auf dem Heimwege von dem Bethause aber begegnete sie dem Fremdlinge im Walde und nahte sich ihm, zwar verschleiert, doch Ferahschad erriet schon alles übrige aus der Schönheit ihrer Gestalt und der Lieblichkeit ihrer Stimme. Dieses erste Gespräch bestand nur aus einigen leichten Fragen, auf die der Prinz in großer Verwirrung antwortete, was die Prinzessin glücklicherweise zugunsten ihrer Reize auslegte. Ferahschad wurde so entflammt, daß er auf der Stelle leidenschaftliche Verse verfaßte, die er an der Türe des Bethauses aus seiner Tasche fallen ließ. Der Greis nahm sie auf und übergab sie der Prinzessin, die nicht säumte, bald wieder herzukommen, um ihre Andacht zu verrichten. Der Inhalt dieser Verse war so:

ÿ

Nur durch Wolken sah ich die Sonne und bin schon vernichtet;
Ach, der Tod ist mein Los, erweckt ihre Glut mich nicht wieder.

Als Hurschid diese Verse auf merksam gelesen hatte, wußte sie nur zu gut, woher sie kamen, und begab sich in das Innere des Heiligtums, wo sie, anstatt langer Gebete, sich damit befaßte, auf ihre Schreibtafel eine Antwort zu schreiben, die sie am Rande eines Gebüsches fallen ließ, indem sie den jungen Derwisch versteckt wußte, weil er sie vorbeigehen sehen wollte.

Sie lautete aber also:

Nicht will ich den Tod verschulden des jungen Derwischs;
zu sehr fürcht ich den Zorn unserer heiligen Propheten;
Er lebe und hoffe dereinst noch ein glücklicheres Geschick!

Der Prinz war vor Freuden außer sich, als er eine so günstige Antwort las, und hatte sich in dem Heiligtum niedergeworfen, um dem Propheten Elias dafür zu danken, als er den getreuen Eunuchen der Prinzessin eintreten sah, der sich ihm näherte und ihm eröffnete, daß er den Auftrag habe, ihn ganz heimlich in den Palast zu führen, den die Prinzessin bewohne; er werde ihn auch, ohne daß er von jemand gesehen würde, hineinbringen, und er sollte sich noch diesen Abend dazu bereithalten.

Man kann sich wohl denken, daß Ferahschad nicht ausblieb, nachdem er so vorsichtig gewesen war, es Asad zu verbergen und ihn in der Hütte zu lassen, die sie sich im Walde erbaut hatten.

Der Eunuche führte ihn durch den unterirdischen Gang, der nur ihm allein bekannt war, und brachte ihn so in den Palast. Die Amme empfing ihn hier und führte ihn in ein Bad, wo sie ihm sein Derwischgewand abzulegen befahl. Nachdem sie ihn mit Wohlgerüchen überströmt hatte, ließ sie ihn in einen Saal treten, wo er die Prinzessin auf perlengestickten Kissen sitzen sah; sie war prächtig gekleidet, aber ein neidischer Schleier verhüllte ihr noch Äugen und Antlitz.

Der Prinz von Mauritanien hatte sich mit einem reichen und glänzenden Schmuckkästchen versehen und überreichte es ihr mit zitternder Hand, indem er sein Gesicht vor ihr zu Boden neigte. Hurschid aber nahm es freundlich an, öffnete es und erstaunte ob der Größe und Pracht der Edelsteine, die es enthielt, und bestärkte sich in der Vermutung, daß er kein Derwisch war.

Mit lieblich tönenden Worten lud sie ihn zum Nachtmahle ein. Man brachte einen köstlich besetzten Tisch herein, und nachdem sich die beiden Liebenden einander gegenübergesetzt hatten, erlabten sie sich an den erlesensten Getränken und Gerichten. Während der Mahlzeit begann auf einen Wink die Musik, und in einem Nebenzimmer trugen zwei Chöre von Sklaven aus Katai in Begleitung von Instrumenten mehrere treffliche Gesänge vor.

Als das Mahl zu Ende war, schloß man das Gitterfenster, durch das sich die Musik hatte hören lassen, und brachte der schönen Prinzessin von Persien selbst eine schon völlig gestimmte Laute, auf der sie alsogleich ein höchst schwieriges und zugleich ebenso wohltönendes Musikstück spielte und dann ein sehr zärtliches bekanntes persisches Lied dazu sang.

Der Prinz von Mauritanien äußerte hierauf den Wunsch, nun auch seine Geschicklichkeit zeigen zu dürfen, und empfing die Laute aus den Händen der schönen Prinzessin, dichtete auf der Stelle dieses Lied und sang es mit Begleitung des Saitenspiels:

Des unsterblichen Phönix Schönheit besitzest du – Wie des Adlers durchdringendes Auge und seine edle Hoheit,
Und der Nachtigall süßklagende Stimme: – Hast du auch wohl der sanften Taube Zärtlichkeit?

Ohne sich mit höflichen Reden über seinen vollkommenen Gesang aufzuhalten, griff Hurschid mit ebensoviel Begeisterung wie Anmut abermals in die Saiten und antwortete mit einem Gesange in folgenden Worten:

Ist mir die glückliche Gabe, zu bezaubern, geworden – So habe ich sie, ich fühl es, nicht um die Welt zu verwüsten:
Wenn mir mein Spiegel sagt, daß ich gefalle – So saget mein Herz mir, daß ich lieben muß.

Sobald sie ausgesungen hatte, stand die schöne Hurschid auf und begab sich in ein kleines Nebengemach, ohne jedoch die Tür hinter sich zuzumachen, das dem verliebten Ferahschad hinreichend kundtat, daß er ihr dahin folgen dürfte; und er unterließ es wahrlich nicht.

Das Gemach war köstlich, aber der Prinz von Mauritanien hatte für nichts Augen, was nicht Hurschid selbst anging, und warf sich ihr zu Füßen und bat sie flehentlich, ihm endlich ihr göttliches Antlitz, die reizenden Züge und die strahlenden Augen zu zeigen, deren Glanz nur durch den Schleier schimmerte.

»Ach!« antwortete sie seufzend, »ich fürchte den unseligen Zauber, der diesen Augen verliehen ist; ist dir ihre furchtbare Wirkung auf die, welche sie zum erstenmal erblicken, nicht bekannt?«

»Gewißlich!« antwortete der vorgebliche Derwisch, »aber welch seligeren Tod kann ich mir wünschen? Ist es nicht ruhmwürdiger, dich anschauend, zu sterben, als in der Schlacht das Leben zu lassen? ... Aber nein, wie du vorhin selbst sagtest, kann der Zauber deiner Augen einem Manne nicht verderblich werden, der dich schon anbetet und den du vielleicht zu lieben geneigt bist.«

Die Prinzessin ließ sich mit Mühe bereden: endlich lüftete sie ihren Schleier, und der Prinz fiel geblendet rücklings in tiefe Ohnmacht nieder.

Welchen Schmerz empfand Hurschid bei diesem Anblick! Sie glaubte jetzt keine Rücksicht mehr nehmen zu dürfen, stürzte sich auf ihren Geliebten und bedeckte ihn mit Küssen.

Glücklicherweise hatte derselbe Zauber, der den Augen Hurschids die Macht zuerteilte, die zu töten oder tödlich zu verwunden, die sie zum ersten Male sahen, auch ihren Küssen die Kraft gegeben, die wieder ins Leben zu rufen. Solches bewährte sich an Ferahschad; bald kam er wieder zu sich und gab ihr durch das innigste Entzücken seine Dankbarkeit und seine Liebe zu erkennen.

Man kann sich leicht vorstellen, wie hinreißend diese erste herzliche Unterhaltung zwischen zwei so füreinander geschaffenen Liebenden sein mußte. In einigen ruhigeren Augenblicken entdeckte Ferahschad der Prinzessin seinen Stand und seine Geburt. Hurschids Liebe zu ihm wäre jetzt noch größer geworden, wenn es möglich gewesen wäre; aber sie war schon so überschwenglich, daß beide die größte Mühe von der Welt hatten, sich zu trennen, als die gute Amme hereinkam, um sie zu erinnern, es wäre an der Zeit, daß der Prinz sich entfernte und durch den unterirdischen Gang wieder nach seiner Hütte ginge. Dazu mußten sie sich entschließen und machten untereinander aus, daß sie sich nur von Zeit zu Zeit sehen wollten, weil sie nicht ohne Gefahr täglich zusammenkommen konnten.

Aber schon am nächsten Morgen waren beide ungeduldig, wieder beieinander zu sein, und Hurschid konnte sich nicht enthalten, an ihren Liebsten zu schreiben und ihn aufzufordern, bald wieder zu ihr zu kommen. Sie gab dem Eunuchen das Schreiben zu bestellen, dessen Inhalt folgender war:

Die Rebe spricht zur Ulme: Komm, und umschlinge mich mit deinen Ästen; welch köstliche Früchte werden aus unserer Umarmung hervorgehen!

Der Amber spricht zu dem goldigen Strohhalm: Ich ziehe dich an, ich rufe dich, du hast dich mir genähert: verwünscht sei der Augenblick, der uns wieder getrennt!

Der Stahl spricht zum Magnet: Wie hart ich bin, hab ich mich doch nicht erwehren können, mich mit dir zu vereinigen; eine süße Anziehung treibt uns zueinander: ach, nie mehr, wenns möglich, wollen wir uns trennen!

Die Antwort, die Hurschid erhielt, war nicht minder zärtlich als ihr Brief und sagte:

Du bist meine Sonne, und ich will dein Schatten sein. Schönes Gestirn, Stern der Liebesgöttin! ich will dein treuer Mond sein.

Vollstrahlender Mond! ich will nur unter deinen segensreichen Einflüssen leben.

Am nächsten Tage schon kam Ferahschad durch den geheimen Gang wieder zu der Prinzessin, und beide richteten es nun so ein, daß sie sich fortan nicht wieder zu trennen brauchten. Ferahschad blieb mit großer Vorsicht in dem Nebenzimmer der Prinzessin verborgen, wurde hier mit den köstlichsten Gerichten versorgt und konnte nun den größten Teil des Tages um seine Geliebte sein.

Asad bestimmte man, allein in der Einsiedelei zu bleiben und dort ruhig weitere Kunde von seinem Herrn abzuwarten. Er begab sich von Zeit zu Zeit in das Bethaus, um ihn dem Schutze des Propheten Elias zu empfehlen; und obwohl er sich noch manchmal mit Vergnügen Hurschids schöner Augen erinnerte, so tröstete er sich jedoch, daß er sie nicht wiedersah, weil er wohl fürchtete, diese Augen könnten ihm vollends das Leben rauben, ohne auf eine Wiedererweckung hoffen zu dürfen.

So verlebten die beiden Liebenden mehrere selige Monate, einzig miteinander beschäftigt; endlich aber wurde das Schicksal eifersüchtig auf ihr Glück, und es wurde gestört.

Man wird sich erinnern, daß die drei wieder ins Leben gekommenen Hauptleute von der Leibwache des Königs Siaûr nach verschiedenen Weltgegenden voneinander schieden, und während nun Asad auf seinem Zuge gen Westen nach Mauretanien gekommen war, kam der, der gen Osten zog, nach Karakatai oder dem Lande der Tataren, über dem ein grausamer und wilder und gottloser König herrschte, namens Bogakan, der einen ebenso boshaften Wesir hatte, mit Namen Toromtai. Die Hauptstadt dieses Reichs aber war groß und volkreich. Als der Perser hier bis auf einen weiten Platz gelangt war, sah er eine große Volksmenge um einen berühmten Sänger versammelt, der alle Hilfsmittel seiner Kunst aufbot und verschiedene Lieder auf mannigfaltige Weisen sang. Der Künstler begann endlich aus dem Stegreife die Beschreibung einer vollkommenen Schönheit und schilderte dann so herrlich die Liebe, die er bei ihrem ersten Anblicke empfunden zu haben vorgab, daß der persische Hauptmann in der ausdrucksvollen Schilderung des tatarischen Sängers plötzlich seine eigene wahrhafte Empfindung wiedererkannte. Da erinnerte er sich lebhaft der schönen Hurschid und ihrer Züge und ihrer Augen, deren Glanz eine so furchtbare Wirkung hervorbrachte, und stieß einen lauten Schrei aus und sank in Ohnmacht. Dieser Vorfall erregte die Aufmerksamkeit des Volks und auch des Sängers; der geschickte Mann befragte nun selbst den persischen Hauptmann, und nachdem er sein Abenteuer vernommen hatte, schmeichelte es ihm, daß er durch die Schilderung einer erdichteten Liebe die wahrhafte Leidenschaft in einem Herzen wieder erneut hatte. Und er nahm sich des unglücklichen Fremdlings an; der aber bat ihn, ihn mit den Geheimnissen seiner Kunst vertraut zu machen, dieweil er mit Recht überzeugt war, daß er, als von einer glühenden Liebe durchdrungen, sie noch besser ausdrücken würde als andere, die diese Gefühle nicht erfüllten. Wenige Lehrstunden genügten, um den liebesiechen Perser in den Stand zu setzen, mit Begleitung der Laute die Reize der schönen Hurschid auf eine Weise zu besingen, daß es die unempfindlichsten Herzen rühren und den feinsten Geschmack befriedigen mußte. Bald übertraf er seinen Lehrmeister bei weitem. Selbst der Beherrscher des Landes war neugierig, ihn zu hören, und ließ ihn in seinen Palast kommen. Mit Vergnügen hörte er ihm zu und fragte ihn, ob denn wirklich eine solche Schönheit lebe wie die, deren Reize er so schildere und verherrliche. Ohne jede dichterische Einkleidung versicherte der Sänger hierauf sehr entschieden, daß sie allerdings lebe und daß es die Prinzessin Hurschid sei, die Tochter des Königs Siaûr. Auf der Stelle entbrannte Bogakan für sie, denn er war einer der hitzigsten Liebhaber des schönen Geschlechts, die jemals die Tatarei hervorgebracht hat, und wollte durchaus die Prinzessin sehen, ja sie besitzen. Nachdem er sich vielmals die Geschichte der Schönen hatte wiederholen lassen und was von ihr geweissagt worden war, wie ihr Vater sie in dem kleinen Landpalaste wiedergefunden, wie sie den Tod des einen der vier Begleiter des Königs verursacht und auf die übrigen einen solchen Eindruck gemacht, und nachdem er endlich alle seine Gedanken hierüber seinem Großwesir Toromtai mitgeteilt hatte, beschloß er, diesen nach Dschenabad zu schicken, um förmlich um die Prinzessin von Persien anzuhalten.

Nie gab es eine glänzendere Gesandtschaft: der tatarische Wesir erhielt ein Gefolge und einen Troß wie ein König; man gab ihm so kostbare Geschenke mit, daß sie für Schätze gelten konnten. Er kam nun in Persien an und hegte gar keinen Zweifel an dem Erfolg seiner Sendung; er brachte seine Werbung bei dem guten Könige Siaûr mit dem Stolze eines Ministers an, der den Leuten eine Ehre zu erzeigen wähnt, wenn er ihnen die Befehle seines Herrn kundtut.

Der König von Persien fühlte sich dadurch mehr in Verlegenheit gesetzt als geschmeichelt. Nachdem er den Abgesandten ehrenvoll aufgenommen hatte, erbat er sich eine Frist, um eine so wichtige Angelegenheit zu überlegen. Er beriet solches erst mit der Sultanin, Hurschids Mutter, und dann auch mit ihr selbst. Die eine wie die andere baten ihn inständig, ihnen das Herzeleid einer so widerwärtigen Verbindung zu ersparen; und in der Tat war der König Bogakan, wenn man nach seinem Wesir auf ihn selbst schloß, ein solcher Fürst, daß man sich ebensosehr scheuen mußte, ihn zu heiraten, als ihn zu bekriegen. Der gute König Siaûr war ganz der Meinung seiner Gemahlin und seiner Tochter; doch war er in großer Verlegenheit, wie er seine abschlägige Antwort geben sollte. Um sich die Unannehmlichkeit zu ersparen, sie dem Gesandten mündlich zu erteilen, wählte er einen Ausweg, entließ ihn mit freundlichen Abschiedsworten, überhäufte ihn mit Geschenken und übergab ihm ein versiegeltes Schreiben an den König, seinen Herrn.

Der Gesandte zweifelte keinen Augenblick daran, daß die Antwort den Wünschen seines Herrn entsprach, und reiste mit ihr wieder nach der Tatarei. Als er heimgekommen war, übergab er die Geschenke und das Schreiben des Königs Siaûr seinem Herrn, der höchlich erstaunte, als er darin eine förmliche Ablehnung fand, die entschuldigt wurde mit dem Herzeleid, das Hurschids Entfernung dem Könige, ihrem Vater, verursachen würde, und durch das Gelübde, das sie dem Propheten Elias getan hatte, sich nicht zu verheiraten.

Alsbald sind dreimalhunderttausend Tataren auf den Beinen und überschwemmen Persien; sie sind ganz mit Eisen bedeckt, und noch härter als ihr Harnisch sind ihre Herzen; Bogakan und Toromtai aber stehen an ihrer Spitze. Sobald sie die Grenzen von Siaûrs Reich Überschritten haben, brennen und sengen sie, töten und plündern alles, was ihnen zur Hand kommt; die wenigen unglücklichen Einwohner aber, die dem Schwerte und der Knechtschaft entrinnen, flüchten nach Dschenabad und verbreiten dort die größte Bestürzung.

Der Sultan verhandelte mit seinem Diwan, dessen Meinungen jedoch geteilt waren: die einen wollten eine Schlacht schlagen, die anderen wollten lieber den Frieden durch Hurschids Überlieferung an den Tataren erkaufen, als sich den Fährlichkeiten des Kriegs aussetzen.

Der König ließ schleunigst alle Streitkräfte seines Reichs versammeln und begab sich zu seiner Tochter nach dem Palaste.

»O meine geliebte Tochter,« sprach er zu ihr, »alles ist verloren, wenigstens steht alles auf dem Spiele.« Zugleich unterrichtete er sie von dem Einfalle Bogakans und von den Beweggründen und Forderungen dieses Wüterichs.

Ohne das Geheimnis, das ihr Gemach verbarg, zu entdecken, antwortete Hurschid ihrem Vater nur ganz kaltblütig:

»O Vater, laß die Tataren nur immer herankommen: Allah ist gerecht, und unsere Sache ist gut.« Der Sultan konnte die Ruhe seiner Tochter nur für ein Zeichen ihrer geringen Erfahrung in den Begebenheiten dieser Welt halten. Indessen brachte er sein Heer zusammen; und als er vernommen hatte, daß Bogakans Heer schon bis zu der Stadt Amanabad vorgedrungen war, die nur etliche Tagereisen von Dschenabad entfernt lag, ließ er angreifen, und dies erstemal errangen die persischen Truppen einigen Vorteil. Durch solchen Erfolg mutig geworden, behandelte der König von Persien die Gesandten des tatarischen Königs, die nochmals seine Tochter als einzige Friedensbedingung forderten, sehr schnöde: er ließ dem vornehmsten von ihnen, namens Sirtak, den Schopf samt dem Knebelbarte abschneiden, was der härteste Schimpf für einen Tataren und die größte Beleidigung ist, die man im ganzen Morgenlande einem Gesandten antun kann. Bogakan nun geriet darob in Wut und war von Stund an des Sultans unversöhnlicher Feind.

Das tatarische Heer setzte seinen Marsch gegen Persiens Hauptstadt fort, Und Sirtak ließ die tapfersten Streiter in Siaûrs Heere zum Zweikampfe herausfordern. Er war, obwohl ihm der Bart abgeschnitten war, ein furchtbarer Krieger; und selbst die Schnelligkeit, mit der binnen wenigen agen sein Bart wieder wuchs, bewies seine große angeborene Kraft. Siaûr erwählte nacheinander drei Kämpfer aus seinem Heere, welche die übermütige Herausforderung Sirtaks beantworten sollten, aber alle drei, obwohl sie die tapfersten im ganzen Heere waren, wurden von Sirtak besiegt.

Endlich erschien in dem persischen Lager eine Art Riese, namens Sigan, der aus den Wäldern Hirkaniens stammte und dem König versicherte, er sei imstande, es mit jedem aufzunehmen, der ihm entgegentrete, und werde endlich auch den Sirtak besiegen.

Wirklich hielt er Wort: nach einem furchtbaren Zweikampfe schleppte er seinen Gegner gefangen in das persische Lager herüber.

Bogakan geriet in neue Wut. Sein Wesir Toromtai erinnerte ihn, daß er unter Anführung des tapfern Serddschan, des Unterkönigs der Tatarei, neue Hilfsscharen erwarte; der werde zweifelsohne den Sigan abtun. Wirklich kam dieser furchtbare Krieger nächsten Tages im Lager an; er kämpfte aber gewöhnlich auf einem gezähmten Elefanten, den er ebenso schnell und leicht wie ein numidisches Streitroß ansprengen und abschwenken ließ. Man unterrichtete ihn von der Lage der Dinge, und bald erschien er zwischen den beiden Heeren im Felde und forderte Sigan heraus.

Dieser ließ sich durch das Ungeheuer, auf dem sein Gegner zum Kampfe daherritt, nicht abschrecken und antwortete, auf seinem hirkanischen Rosse fürchte er weder Ungetüme noch Eisenfresser, und mit Anbruch des Tages werde er sich unfehlbar zum Kampfe einstellen.

Er blieb nicht aus; und die beiden Heere waren Zeugen eines wunderwürdigen Zweikampfs. In einer Hand eine Keule, in der andern ein Schwert und den Zügel seines Streitrosses zwischen den Zähnen haltend, hieb Sigan erst dem Elefanten den Rüssel ab, zerschmetterte ihm dann den Kopf und tötete ihn so. Der Tatar sprang behende auf den Boden und gedachte nun, den Zweikampf mit ihm fortzusetzen; der großmütige Hirkanier aber wollte seinen Vorteil nicht ausnutzen und erbot sich, den Kampf bis zum andern Tage zu verschieben, wenn Serddschan noch einen zweiten Elefanten zur Hand hätte. Dieser hatte wirklich noch einen und erschien anderen Tages auf ihm. Sigan aber hatte eine heimliche Kriegslist im Sinne, deren jener sich nicht versah: er hatte nämlich anstatt seines Streitrosses ein anderes Untier bestiegen, das von Natur der furchtbarste Feind des Elefanten ist, nämlich ein Nashorn. Dieser zweite Gang war eigentlich ein Kampf der beiden ungeheuren Tiere; das des Persers wußte nach manchen Wendungen dem des Tataren die Seite abzugewinnen, schlug dem Elefanten sein Horn gewaltig in den Bauch und brachte ihm eine so große und tiefe Wunde bei, daß seine Eingeweide alsogleich hervordrangen. Das Nashorn verdoppelte seine Angriffe, zerfleischte ihn vollends und versetzte ihm den Todesstoß. Der unglückliche Serddschan aber wurde von dem unter ihm zusammenstürzenden Untiere, das sich sterbend auf dem Boden wälzte, zermalmt.

Doch das Tatarenheer war herbeigeeilt, Sigan wurde umringt, überwältigt und mit seinem Nashorn gefangengenommen. Folgenden Tages wurde er gegen Sirtak ausgewechselt, der dabei nun ausgemacht hatte, weder der eine noch der andere sollte fürder im Zweikampfe kämpfen, auf daß nicht beide Heere ihrer tapfersten Streiter beraubt würden.

Als die Sachen also standen, ließ der furchtbare Bogakan durch zwölf Herolde mit ebensoviel Bläsern ausrufen, daß er selbst mit Siaûr den Zweikampf wagen wolle, auf daß der Krieg durch den Tod des einen oder des andern beendigt würde. Er fügte noch hinzu, wenn Siaûr den Zweikampf verweigere, würde er wahrlich seinem Perservolke damit beweisen, daß es einem Feigling gehorchte, der unwürdig wäre es zu beherrschen.

Der Sultan aber erschrak ob dieser Herausforderung und begab sich voll lebhafter Besorgnis in seinen Palast; und er sprach davon zu der Sultanin, Hurschids Mutter; diese beeilte sich nun, ihre Tochter davon zu benachrichtigen.

»Beruhige den Sultan, meinen Vater, «erwiderte die hochherzige Prinzessin, »und sage ihm, ich habe diese Nacht einen Traum oder vielmehr eine Offenbarung des Himmels gehabt, welche verkündigt, daß morgen abend Bogakans Kopf sicherlich vom Rumpfe getrennt im Staube rollen wird. Bitte nur den König, das Heer morgen in Schlachtordnung aufzustellen und ein von den übrigen abgesondertes Zelt errichten zu lassen; ein junger, furchtbarer Streiter wird aus ihm hervortreten und die den Persern zugefügten Unbilden an den Tataren rächem«

Diese trostreiche Weissagung aus dem Munde einer jungen Prinzessin, die die ganze Freude und Hoffnung ihrer Eltern war, beruhigte ihre Mutter und wurde ihrem Vater, dem Sultan, gemeldet, der das Zelt alsogleich aufschlagen ließ.

Während der Nacht wurde auf beiden Seiten alles vorbereitet.

Hurschid teilte ihrem geliebten Ferahschad ihren Entschluß mit und sprach zu ihm: »Ich würde dir die Ehre der Besiegung Bogakans überlassen, hätte ich nicht ein Mittel, wodurch ich ihn unfehlbar zu Boden schlagen werde und das ich allein anwenden kann; du aber sollst die Ehre und den Vorteil dieses Sieges davontragen. Folge mir.«

Nachdem sie ihrem getreuen Eunuchen um ihr Vorhaben hatte wissen lassen, gingen sie zu dritt durch den unterirdischen Gang, von dem schon die Rede gewesen ist, zu Asads Behausung neben dem Bethause des Propheten Elias. Dort nun legte das Liebespaar glänzende und vollkommen gleiche Rüstungen an; Asad und der Eunuche, ebenfalls gleich gekleidet, folgten ihnen als Waffenträger. Alle vier begaben sich zunächst in das aufgeschlagene Zelt; mit Tagesanbruch aber war es Hurschid, die, allen Bitten und Vorstellungen und Besorgnissen Ferahschads zum Trotze, in voller Rüstung zum Kampfe gegen Bogakan aus ihm hervortrat. Bald sah man auch ihn stolz auf dem Kampfplatze einhersprengen. Die Prinzessin von Persien ritt in nicht minder stolzer Haltung heran, ihre zarte und schlanke Gestalt zwar und ihre glänzende Rüstung, und ihr weiß und grün und rosenfarbener Federbusch, und ihr leichtes Pferd, das mehr das Ansehen eines gemächlichen und zierlichen Zelters denn eines Streitrosses hatte – alles dies war nicht gerade geeignet, dem Tataren Schrecken einzujagen; indessen konnte er sich der Verwunderung darob nicht erwehren. Sein schöner Feind zog das Schwert und ritt dicht heran, aber anstatt es zu schwingen, senkte er es und redete ihn mit folgenden Worten an:

»O König Bogakan, du erkennst ohne Zweifel, daß es nicht Siaûr ist, mit dem du zu kämpfen hast, aber es ist sein anderes Selbst; wisse, seine Tochter ist es, dieselbe Hurschid, die du mit Gewalt zum Weibe haben willst und in die du dich auf die bloße Erzählung von ihrer Schönheit hin verliebt hast. Ich werde dich nunmehr in den Stand setzen, dich mit eigenen Augen zu überzeugen, ob jene Erzählungen dich nicht getäuscht haben; und ich will auch sehen, ob du meiner würdig bist. Schlage das Visier deines Helmes auf und binde ihn los; ich aber will desgleichen tun.«

Der unbesonnene Bogakan zauderte nicht und zeigte der Prinzessin ein fürchterliches Angesicht. Hurschid ihrerseits ließ ihm ihre ebenso schönen wie verderblichen Augen entgegenblitzen, deren Strahlen ebenso plötzlich wie unvermeidlich trafen. Der Tatarenfürst ließ sein Schwert sinken, die Sinne vergingen ihm, und er sank zu Boden, und selbigen Augenblicks schlug Hurschid ihm den Kopf herunter.

Bei solchem Schauspiele stieß das tatarische Heer ein entsetzliches Geschrei aus und ergriff bestürzt die Flucht; das persische Heer verfolgte es nun und ließ nicht eher von ihm ab, als bis der Feind die Grenzen Persiens gänzlich geräumt hatte.

Unterdessen ergriff die Siegerin das Haupt ihres Gegners und ritt schleunig nach dem Zelte zurück, in dem Ferahschad sie erwartete.

»O Prinz,« sprach sie zu ihm, »nunmehr gebührt es dir, die Früchte meines Sieges zu ernten; ich habe den Kampf nur für dich unternommen: tritt mit diesem Kopfe in der Hand vor den König, meinen Vater, hin und verlange von ihm Hurschid zum Lohne; sie kommt dir zu. Ich aber begebe mich durch den geheimen Gang wieder in mein Schloß und will fortan nur eine ihren Eltern unterwürfige Tochter und eine einzig ihrem geliebten Manne sich hingebende Gattin sein.«

Der Prinz von Mauritanien wollte ihr über dies alles viel Erhebendes und Bewunderndes sagen, aber es wurde ihm klargemacht, daß die Augenblicke kostbar seien. Er verließ also mit Asad das Zelt, wurde von dem ganzen Heere, das die Ähnlichkeit der Eüstung und Kleidung täuschte, als der Sieger Bogakans erkannt und im Triumphe nach Dschenabad in den Palast Siaurs geleitet.

Man kann sich wohl denken, daß er hier als des Reiches Retter empfangen wurde; man erklärte ihm, daß für den geleisteten Dienst keine Belohnung zu groß wäre. Er aber verlangte keinen andern Lohn als die Hand der Prinzessin, und man antwortete ihm, daß er ihrer wahrhaft würdig sei.

Man machte ihm gleichwohl bemerklich, daß er den ersten niederstrahlenden Anblick Hurschids zu fürchten habe. Er hütete sich nun wohl, zu sagen, daß er schon längst die Wirkung ihrer Augen erfahren, vielmehr äußerte er sich mit soviel Ehrfurcht und Zartgefühl über die schöne Hurschid, als wenn er immer nur von ihr hätte reden hören, und zeigte sich völlig entschlossen, die Gefahr ihres Anblicks zu bestehen. Man gab ihm daher zuletzt die größte Hoffnung, mit der Erbin des Reiches vermählt zu werden.

Doch bald beschlossen die Wesire und Großen des persischen Reiches, die eifersüchtig auf den hohen Rang waren, zu dem dieser Fremdling erhoben werden sollte, über seinen Stand und Herkunft Verdacht zu erregen. Ferahschad hatte nicht verschwiegen, daß er der Königssohn von Mauritanien sei, aber er hatte niemanden aus seinem Lande bei sich. Vergebens erzählte er, durch welchen Zufall er von Hurschids Schönheit gehört hatte; vergebens berief er sich auf seinen Gewährsmann den Hauptmann von Siaûrs Leibwache, den der König selbst wiedererkannte; vergebens zeigte er einige Kleinode und kostbare Steine vor, die er aus seinem Lande mitgebracht hatte; man überzeugte sich dadurch nicht oder wollte sich vielleicht nicht überzeugen lassen.

Endlich ließ der König von Persien den Prinzen Ferahschad rufen und ihn neben sich auf den Thron sitzen; dann aber sprach er zu ihm: »O Prinz, dein edles Wesen und die Tapferkeit, die du bezeigt hast, haben mich selbst hinlänglich von deiner hohen Geburt überzeugt, aber die Völker, die ich beherrsche, verlangen, daß du noch augenscheinlichere Beweise dessen bringst, bevor sie es gutheißen, daß ich dir meine Tochter zusage. Meiner Wesire einer, der ein sehr kundiger und weitgereister Mann ist, sagt, im Schatze des Königs von Mauretanien befinde sich ein ganz einziges Kleinod, nämlich ein Karfunkel, der ein so starkes Licht verbreite, daß man auf tausend Schritte um ihn her den hellsten Tag oder doch den schönsten Mondschein zu sehen wähne.«

Ferahschad bestätigte nun, daß dieser köstliche Stein sich in dem Schatze seines Vaters befände.

»Wohlan, o Prinz,« fuhr Siaûr fort, »wir sind überzeugt, daß dein Vater sich nicht weigern wird, dir seinen Karfunkel anzuvertrauen und dich mit diesem Wunderkleinode wieder herkommen zu lassen; wir wollen die erfreuliche Wirkung desselben bewundern und werden dann nicht mehr an deiner Herkunft zweifeln, und du sollst mit Übereinstimmung von ganz Persien meine Tochter erhalten.«

Ferahschad wagte nicht, die ihm gestellten Bedingungen abzulehnen. Da er indessen den Beweis, daß er des Besitzes der Prinzessin von Persien würdig sei, so weit herholen sollte und dabei fürchtete, sein Vater würde etwa Schwierigkeiten machen, diesen wunderbaren Karfunkel aus seinem Reiche zu geben, ging er abends durch den geheimen Gang zu seiner Prinzessin und teilte ihr seine Besorgnis und die Verzweiflung mit, daß er genötigt wäre, von ihr zu scheiden. Die Tränen beider Liebenden vermischten sich miteinander; sie aber besprachen sich über alles und sahen endlich ein, daß sie sich trennen mußten. Der Prinz rechnete aus, daß die Reise höchstens drei Monate dauern könnte, da er nur einen brauchte, um nach Mauritanien zu gelangen, einen, um dort zu verweilen, und einen zur Rückkehr, worauf ihr beider Glück gesichert wäre.

In dieser Hoffnung trafen die beiden Liebenden ihre Verabredungen. Mit großer Zärtlichkeit schieden sie voneinander. Nach einigen Tagen machte sich der Prinz auf den Weg und gelangte wirklich im Verlaufe eines Monats in seine Heimat. Ereignisse aber, derer er sich nicht versah, verzögerten einige Zeit seine Rückkehr nach Persien.

Er fand seinen Vater in einen grausamen Krieg mit dem Könige von Numidien verwickelt. Die Numidier, ein wildes, wanderndes Volk, dabei aber streitbar und zahlreich und über ein sehr weites Land verbreitet, hatten unter einem nichtigen Vorwande die Mauritanier angegriffen. Vergebens hatte der König ihnen seine Scharen entgegengestellt, sie waren in mehreren Treffen geschlagen worden; die Numidier hatten alle Grenzfestungen eingenommen und waren bis in das Herz des Reiches vorgedrungen. Die Hauptstadt selbst war bedroht, und der Prinz Ferahschad kam gerade zur rechten Zeit, um den Mut der väterlichen Untertanen aufs neue zu beleben. Nachdem er seinen alten Vater herzlich umarmt hatte, kam er ihm sogleich zu Hilfe, stellte sich an die Spitze seines Heeres und bekämpfte die wilden Feinde erfolgreich und zwang sie allmählich, alles von den Untertanen seines Vaters eroberte Land wieder zu räumen; nachdem er so sein Vaterland wieder befreit hatte, stand ihm nunmehr des Feindes Land offen. Er fiel ein und verfolgte die Numidier so nachdrücklich und erfolgreich und so weit, daß er am Ende gar das Königreich Numidien eroberte, das von großem Umfange und sehr volkreich war, wennschon sich in seiner Mitte viele Wüsten befanden. Siegreicher dem Könige von Numidien gegenüber, als dieser es dem von Mauritanien gegenüber gewesen war, belagerte er dessen Hauptstadt und nahm sie im Sturme; der Numidierfürst aber verlor hierbei das Leben. Hierauf unterwarf sich sein ganzes Reich dem Sieger; er sicherte dem Könige, seinem Vater, den neuen Besitz so schleunig wie möglich und kehrte heim, um ihm die Huldigung dieser neuen Krone darzubringen: er fand ihn jedoch in den letzten Zügen liegend. Er tat alles mögliche für ihn, erwies ihm die letzten Ehren und ordnete die Angelegenheiten seines weitläufigen Reiches. Erst nachdem er alle diese unerläßlichen Geschäfte besorgt hatte, konnte er an die schöne Prinzessin Hurschid und an den Karfunkel denken, den er zum Beweise seiner Herkunft nach Persien bringen sollte.

Ein volles Jahr war seit seiner Abreise aus Dschenabad verlaufen; diese Zeit war jedoch für die Menge der Begebenheiten, die sich seit seiner Heimkehr in Afrika zugetragen hatten, keineswegs zu lang. Endlich nahm er den berühmten Karfunkel, nachdem er ihn recht erkannt und selbst noch einen Versuch mit ihm angestellt hatte, barg ihn in ein reiches Kästchen, erwählte eine Schar von zweitausend Reitern, halb Mohren und halb Numidier, und in seinem Gefolge mit allem ausgerüstet, um am Hofe zu Dschenabad ein prächtiges Fest veranstalten zu können, wenn er es angemessen fände, sich zu erkennen zu geben, reiste er ab, nachdem er die Reichsverwaltung klugen Staatsmännern und erfahrenen Feldherrn übertragen und seinen Völkern erklärt hatte, daß er bald wiederkehren und die schönste Königin heimführen werde, die jemals auf den Thronen von Asien und Afrika geglänzt habe.

Er nahm auf dem Wege und bis mitten in Persien hinein den Namen eines Königs von Numidien an; und diesen führte er mit Recht, weil das numidische Reich weit größer war als das mauritanische; übrigens wollte er sich nicht sogleich als jenen Prinzen von Mauritanien ankündigen und zu erkennen geben, dessen Echtheit man in Zweifel gezogen hatte. Und er brauchte nicht längere Zeit zu seiner Rückkehr nach Persien als zur Reise von Dschenabad nach Mauritanien, und doch fehlte nicht viel und er wäre zu spät gekommen. Um nun die neuen Widerwärtigkeiten, die ihn bedrohten, zu verstehen, ist nachzuholen, was sich in Persien seit seiner Abreise zugetragen hatte.

Ich habe schon erzählt, daß von den drei Hauptleuten der Leibwache Siaûrs, welche die niederstrahlende Wirkung von Hurschids Augen überlebt hatten, der erste nach Afrika, der zweite nach Karakatai an den Hof Bogakans, und der dritte, der gen Norden zog, in das chinesische Reich gelangt war. Noch immer von dem Bilde Hurschids erfüllt und bewegt, trat er hier in der Hauptstadt des Reiches in die Werkstatt eines Bildnismalers, der besonders als Frauenmaler einen Namen hatte. Und er sah hier mehrere Gemälde dieser Art, von denen einige nach dem Leben, andere nach der Einbildungskraft des Künstlers gemalt waren. Aber obwohl alle liebliche Gebilde darstellten, war doch kaum eines darunter, das einige entfernte Züge von den Reizen der Prinzessin von Persien aufwies. Kafur, so hieß dieser dritte irrende Hauptmann, stieß, als er sie betrachtete, tiefe Seufzer aus und vergoß einen Strom von Tränen. Der Maler fragte ihn um die Ursache seiner Betrübnis, und Kafur machte ihm eine so glänzende und zugleich so rührende Schilderung von der Schönheit Hurschids und ihren Wirkungen, daß der chinesische Maler nichts davon glauben wollte. Um ihn zu überzeugen, versicherte der Perser, wenn er nur malen könnte, wollte er ihm Zug für Zug diese wunderbare Schönheit vor Augen stellen, von der sein Kopf und sein Herz erfüllt war. Da erbot sich denn der Maler, ihn in die Geheimnisse seiner Kunst einzuweihen.

Kafur nahm dieses Erbieten mit großem Vergnügen an, und bald wurde er dank seiner angeborenen Anlagen und der Heftigkeit der Leidenschaft, die ihn begeisterte, derartig geschickt, daß er in der Tat Hurschids Bildnis in einer Weise anfertigte, die eine treffende Vorstellung von ihrer Schönheit gab. Der Maler war so entzückt ob des gelungenen Unternehmens seines Schülers, daß er dieses Meisterwerk am Hofe von Nanking, von dem er manchmal Aufträge erhielt, vorzeigen zu müssen glaubte.

Der Prinz Behram aber, des Kaisers Sohn, wurde von diesem Bildnisse besonders angezogen; er befragte den neuen Künstler über das Urbild, das er dargestellt hatte; und alles, was er hörte, entflammte ihn für das göttliche Wesen. Und er vernahm, daß es die Tochter des Königs Siaûr von Persien war, und bat seinen Vater, den Kaiser von China, für ihn um sie zu werben.

Die Mandarine und die Schüler des Konfuzius wurden zur Beratung dieser Angelegenheit versammelt; da unter ihnen nun sehr unterrichtete Männer waren, so sagten die dem Beherrscher von China, die Schönheit der Prinzessin von Persien sei allerdings weltberühmt; aber man wisse, daß sie sich nicht vermählen wolle; sie habe schon Bogakan, den König von Karakatai, ausgeschlagen, und das habe dem Tatarenfürsten das Leben gekostet, weil er hartnäckig darauf bestanden habe, sie zu besitzen.

Der Kaiser fürchtete demnach auch für seinen Sohn und wollte ihm eine so bedenkliche Brautwerbung ausreden; der verliebte Prinz aber ließ sich nicht abschrecken. Er erwiderte, daß zweifelsohne das plumpe Wesen und die scheußliche Gestalt Bogakans seine Abweisung verursacht habe; er dagegen hoffe, durch ein ganz anderes Benehmen einen besseren Erfolg zu haben, und erklärte, er wolle selbst nach Persien reisen als Erbe eines Reichs, dessen Beherrscher der Freund und Verbündete des Sultans zu werden wünsche; weit entfernt, mit Heereskraft oder mit Drohungen zu kommen, wolle er Geschenke darbringen und Feste geben, die, unterstützt von seiner Jugend und Gestalt, ihm die Gunst Siaûrs und seiner Tochter selbst erwerben könnten; und obwohl die Perser insgemein blaue Augen und schwarze Haare, eine bräunliche Gesichtsfarbe und Adlernasen hätten, so dürfte ein junger chinesischer Prinz mit kleinen aufgeschlitzten und blinzelnden Augen und kurzer Stumpfnase und breiter und flacher Stirne und weißer Haut und blonden Haaren in Persien doch für eine seltene und anziehende Erscheinung gelten. Kurz, der Prinz überredete alle um so leichter, als die Mandarine, die einer weisen und sanften und menschlichen Staatskunst huldigten, in Behrams Unternehmen nichts sahen, was das Reich China in einen widerwärtigen und blutigen Krieg verwickeln konnte.

Er reiste also mit einem zahlreichen, doch keineswegs furchtbaren Gefolge ab. Als er dann an die Grenze kam, schickte er eine feierliche Gesandtschaft voraus, die seine Ankunft verkündigen sollte.

Dieser Vorgang setzte Siaûr in neue Verlegenheit. Er hatte dem Prinzen von Mauretanien unter der Bedingung sein Wort gegeben, daß er seine Abkunft nachweise, und solches war bislang noch nicht geschehen; der Prinz hatte versprochen, sich binnen dreier Monate wieder einzustellen, und zehn waren bereits verstrichen, ohne daß man ein Wort von ihm gehört hatte. Man begreift leicht, wie sehr Hurschid darüber betrübt war; sie fing an zu glauben, daß ihrem Geliebten ein Unglück begegnet und daß er auf dem Wege durch die afrikanischen Wüsten, umgekommen sei. Die Wesire Siaûrs dagegen wiederholten ihm unablässig, man sehe nun wohl, daß der junge Mann, dem er sein Wort gegeben hatte, ein Abenteurer sei, weil er nicht wage, ihm wieder unter die Augen zu treten.

Unter solchen Umständen glaubte der Sultan, er dürfe die Werbung des Prinzen von China nicht gänzlich von der Hand weisen; er ließ ihn also in seinen Palast kommen; und nachdem er ihn mit aller, dem Erben eines so großen Reiches angemessenen Pracht aufgenommen und seinen Antrag angehört hatte, erklärte er ihm die Verlegenheit, in der er sich befand, und endigte mit der Zusicherung, daß, wenn im Verlaufe eines Jahres der Prinz von Mauritanien nicht wieder erschiene, er dem neuen Bewerber seine Tochter bewilligen wollte.

An dieser Frist fehlten nur noch sechs Wochen, und die Ungeduld des Prinzen von China ließ sich diesen Aufschub gefallen. Mittlerweile unterließ er es nicht, der schönen Prinzessin täglich Geschenke darzubieten, die merkwürdiger durch ihre Seltsamkeit waren, als durch ihren wahren Wert; bald waren es lackierte Kästchen und Fächer, gemalte Stoffe von Peking und Kaminschirme und Kaisertee von der besten Ernte; bald Ninsingwurzeln, Fasane und andere Vögel mit glänzendem Gefieder, trockene und eingemachte Früchte, Geschirr und Hausrat von Porzellan und nickende Pagoden und Affen von allen Farben. Alles dies brachte man nach dem Palaste, den die Prinzessin Hurschid bewohnte, nachdem man ihr angekündigt hatte, daß sie ihn nicht verlassen dürfte, solange ihr geliebter Ferahschad abwesend wäre.

Die verhängnisvolle Frist war beinahe abgelaufen, als man eines Nachts dem Sultan meldete, daß sich eine zahlreiche und auf ungewöhnliche Weise gekleidete und bewaffnete Schar in geringer Entfernung von der Hauptstadt und dem Palaste der Prinzessin gelagert habe.

Siaûr sandte Kundschafter hin, und man berichtete ihm, es sei der König von Numidien mit seinem Gefolge, der ebenfalls um des Sultans Tochter würbe. Dieses Königreich war nicht einmal dem Namen nach in Persien bekannt, und man konnte nicht ahnen, daß es dasselbe war, das der Prinz von Mauretanien erobert hatte. Bei dieser Neuigkeit verdoppelte sieh Siaûrs Verlegenheit; er schickte Gesandte an den fremden König, wer er nun auch sein mochte, und ließ ihn bitten, ihm die Ehre zu erweisen und in seinen Palast zu kommen; doch man antwortete ihm, der große König der Numidier achte es seiner Würde nicht für angemessen, selbst eine Bitte zu tun, bevor er der Gewährung versichert wäre; er wolle demnach bis dahin durch Gesandte unterhandeln lassen.

In der Tat begann am nächsten Tage ein numidischer Gesandter die Unterhandlung in einem Tone, der wohl zu erkennen gab, daß sein Herr nicht gesonnen war, eine abschlägige Antwort anzunehmen. Der gute König von Persien bekannte, daß er schon durch zwei nacheinander gegebene Zusagen gebunden war. Der Unterhändler antwortete, daß man, was die erste Zusage anginge, bald von ihr entbunden sein werde, weil das gesetzte Ziel beinahe verstrichen sei; und was die zweite Zusage anginge, so achte er sich für wichtig genug, daß man sie seinetwegen zurücknehme. Man versetzte, der Prinz von China habe infolge der ihm gewordenen Zusicherung schon seit sechs Wochen täglich der Prinzessin Geschenke gesandt, die sie mit Bewilligung, ja auf Befehl ihres Vaters annähme. Der afrikanische Gesandte sagte dawider, wenn es nur darauf ankäme, so erbiete sich sein Herr, binnen einigen Tagen ein Fest zu geben, dessen Pracht alle die übertreffen solle, die der Prinz von China gegeben habe oder noch geben könne; zugleich wolle er durch ein einziges Geschenk alle von Behram dargebrachten Geschenke an Wert und Kostbarkeit überbieten.

Man teilte dem Prinzen von China die Anerbieten und Forderungen des Königs von Numidien mit; der aber zweifelte nicht, in diesem Wettstreite der Liebeswerbung obzusiegen, weil er ein gebildetes und in allen Künsten wohlunterrichtetes Volk beherrschte, die Numidier dagegen durchaus wild und roh erschienen. Die Herausforderung wurde also angenommen und die Tage für die beiden Feste anberaumt.

Der Platz dazu war vor dem Palaste Hurschids, so daß die Prinzessin, ihre Mutter, die Sultanin, und ihre Frauen alles durch ihre Gitterfenster sehen konnten. Unter diesen Fenstern hatte man ein prächtiges, im Halbkreise aufsteigendes Gestühl errichtet, wo Siaûr und seine Wesire und sein ganzer Hofstaat sich niederließ. Behram verlangte, daß sein Fest erst mit anbrechender Nacht beginnen sollte, und sein Nebenbuhler erwählte sich dieselbe Zeit für den nächsten Tag.

Das chinesische Fest war herrlich, obgleich der Prinz nur kurze Zeit zur Vorbereitung gehabt hatte; aber er war mit allem versehen, was nötig war, um es höchst annehmlich zu machen. Der ganze Platz war von einer Säulenhalle in chinesischer Bauart umgeben; die Zieraten derselben waren mit hautfarbenen Glaslampen behängt, die, plötzlich durch ein Lauffeuer zu gleicher Zeit entzündet, einen Anblick gewährten, der mit Recht den lauten Beifall der ganzen Versammlung verdiente. Im Hintergrunde des Platzes aber, dem Palaste gegenüber, stand ein in etwas wunderlichem Geschmack gebauter, sehr reich verzierter chinesischer Pavillon. Der war anfangs nicht erleuchtet, weil von dort aus eine Anzahl Raketen und Schwärmer aufstiegen, welche die glänzendste und wunderbarste Wirkung taten. Sie bildeten Sonnen und Sterne und Garben und Blumensträuße aller Art; es erschienen sogar zur allgemeinen Bewunderung Drachen, die sich in der Luft bekämpften. Als das chinesische Pulver im Feuerwerk erschöpft war, stand in einem Augenblicke, wie durch einen Zauberschlag, der ganze chinesische Pavillon erleuchtet da. Die Zieraten, mit denen er überladen war, schienen nur dazu bestimmt, ein durchsichtiges Gemälde über dem Pavillon mit dem Bildnisse Hurschids, wie sie, von einer Sternenkrone umstrahlt, von Luftgeistern getragen, emporschwebt, noch glänzender ins Licht setzen zu sollen. Bei diesem Anblick verdoppelte sich das Freudengeschrei und Beifallsklatschen; die ernsthaften Perser riefen einstimmig: »Herrlich! Prächtig! O wie reizend, wie schön sie ist! Sie lebe, lebe hoch!«

Als so der ganze Platz erleuchtet war, sah man bald aus dem Pavillon Züge von Tänzern und Tänzerinnen hervortreten und seltsame Tänze aufführen, in denen alle Mitspielenden Pagoden vorstellten, teils zu Fuß, teils auf allerlei Ungeheuern aus bemalter und vergoldeter Pappe reitend; alle schienen ihre Huldigungen und sogar Opfer dem Bildnisse Hurschids und ihr selbst darzubringen, indem sie sich dem Palaste näherten. Das Fest dauerte bis tief in die Nacht, und Behram mit seinen Chinesen trug rauschenden Beifall davon.

Am folgenden Morgen räumte man den Platz von allem, was zu dem chinesischen Feste gedient hatte, mit Ausnahme des hohen Gestühls, auf dem der Sultan und sein Hof gesessen hatten; und dem Könige von Numidien wurde gemeldet, daß er nunmehr Anstalten zu seinem Feste treffen könnte. Diese waren sehr einfach; und ihre Einfachheit eben erregte Verwunderung. Die Afrikaner errichteten einen Zaun rings um den Platz, und nichts deutete an, daß er erleuchtet werden sollte. Sie rückten ihr Lager näher an den Palast heran und schlugen das Zelt ihres Fürsten an derselben Stelle auf, wo der chinesische Pavillon gestanden hatte. Dieses Zelt war in der Tat prächtig und so, wie es einem großen Könige ziemte; jedoch schien man seinen Zieraten nichts Neues und Außerordentliches hinzugefügt zu haben.

Mit anbrechender Nacht aber wurde auf ein gegebenes Zeichen eine Hülle von festem Stoffe, welche den Knopf auf dem Dache des königlichen Zeltes bedeckte, weggezogen, und man sah den prächtigen Karfunkel strahlen, von dem, als dem köstlichsten Kleinod im Schatze des Königs von Mauritanien, schon die Rede gewesen ist. Im Augenblick wurde der ganze Platz von einem milden Scheine erleuchtet, der den Augen wohltat, ohne sie zu blenden.

Man kann sich wohl denken, daß die schöne und zärtliche Hurschid diese Art der Erleuchtung viel angenehmer fand, als all die bunten Lampen und Schwärmer des Prinzen von China, und daß sie solches augenblicklich für das Zeichen ihres geliebten Ferahschad erkannte.

Siaûr und seine Wesire fingen auch an, die Entwicklung zu ahnen, als man auf beiden Seiten des großen Zeltes Numidier heraustreten sah, lebendige Löwen mit ihren Löwinnen Und jungen Löwen vorführend, die alle vollkommen gezähmt waren, und als sie an Hurschids Fenster kamen, sie ehrerbietig grüßten und sich ruhig auf der einen Seite des Platzes in eine Reihe stellten. Ihnen folgten ebenso viele Tiger und Panther und Leoparde, die ebenso zahm und mit noch mehr Zierlichkeit und Leichtigkeit der Prinzessin ihre Huldigung darbrachten.

Sodann folgte ein Tanz, von Straußen ausgeführt; und hierauf hörte man eine Art Konzert von mannigfaltig abgestuften Zischtönen: die Instrumente dieser Musik waren nämlich Schlangen von den verschiedensten Farben; numidische Reiter auf prächtigen Rossen hielten diese Schlangen in den Händen und schwangen sie gegeneinander, ohne sich jedoch Schaden zu tun.

Endlich erfolgte die große Auflösung des Ganzen, auf die man durch die bisherigen Vorspiele höchst gespannt war; die Wände des Zeltes sanken plötzlich nieder, und man erblickte auf einem von Gold und Edelsteinen funkelnden Throne den königlichen jungen Helden, der auf der Stelle für den Prinzen von Mauretanien erkannt wurde. Zugleich begann ein afrikanischer Sängerchor ein glänzendes Vorspiel zur Einleitung eines persischen Liedes, das der Prinz oder vielmehr der König von Numidien mit wohllautender und mächtiger Stimme sang, so daß es bis in den Palast hinein tönte. Es lautete aber also:

Erkenne, o Sultan, Afrikas König – Willig erfülle dann dein Versprechen.
Anbetungswürdige Hurschid, o edle Prinzessin – Ferahschad, dem zärtlichen, schuldest du die Hand.
O Karfunkel, glänzender Edelstein, köstlicher Schmuck des väterlichen Thrones – Minder Licht strahlst wahrlich du aus,
Als ein einziger Blick Hurschids, der Flammen erzeugt: – Ihrer Augen Glanz muß jeder andre weichen.

Alles erkennet die Macht der göttlichen Hurschid: – Unermeßlicher Wüsten grimme Bewohner vergessen die frühere Wildheit:
Schmeichelnd naht sich der Löwe, es seufzt der Tiger.
Würdest verwandeln in blühende Wonne-Gefilde, schöne Hurschid, ja du, die brennende Wüste:
Wenn die Schönheit den Wohnsitz verändert, sind Frühling und Liebe in ihrem Gefolge.

Es läßt sich nicht beschreiben, welch tiefen Eindruck dieser begeisterte Gesang auf alle Perser und insonderheit auf Siaûr und Hurschid machte. Noch niemals wurde ein Fest zu so allgemeiner Befriedigung gegeben und beendigt. Selbst der Prinz von China sah sich zu dem Geständnis gezwungen, daß Ferahschads Fest das seinige weit übertroffen habe; er entschuldigte sich durch gewisse Umstände, die er nicht habe voraussehen können. Übrigens verzichtete er auf die Hoffnung, die Prinzessin von Persien zu erhalten; ja, er verlangte nicht einmal, sie zu sehen, nachdem er von dem Unheil vernommen hatte, das ihre Blicke bei denen anrichten konnten, die sie nicht heilen wollte. Und er reiste mit prächtigen Geschenken, die Siaûr ihm verehrte, heim nach China.

Man feierte nun mit der größten Pracht Ferahschads Hochzeit mit Hurschid. Danach reisten die beiden glücklichen Gatten zusammen nach Afrika, und ihre Nachkommenschaft herrschte mehrere Jahrhunderte hindurch über diesen Weltteil.


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