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Die Geschichte vom Kaufmann und der verschmitzten Frau

Eine verschmitzte Frau in der Stadt Kairo packte eines Tages ihr goldgewirktes Kleid, das sie besaß, in ein Paket ein und gab es einer ihrer Sklavinnen in die Hand; sie selbst aber ging für sich und begab sich in die Kaufhalle zu einem großen Kaufmann. Hier packte sie das Kleid aus, legte es vor den Kaufmann hin und sprach: »O Herr, sage mir, wieviel ist dieses Kleid wert?« Der Kaufmann erwiderte: »Sechsmalhunderttausend Asper ist es wert!« Die Frau sprach: »Dieses Kleid soll bei dir als Unterpfand bleiben, gib mir nur einmalhunderttausend Asper darauf. Als Frist für die Rückgabe wollen wir einen Monat bestimmen; dann werde ich wiederkommen und es mir einlösen. Dafür mag dir alles Gute zuteil werden!« Da der Kaufmann der Frau nichts abschlagen wollte, so gab er ihr die gewünschten einmalhunderttausend Asper und legte das Kleid neben sich.

Die Frau nahm das Geld und ging aus dem Laden hinaus. Nachdem sie eine Weile gegangen war, kehrte sie um und trat wieder vor den Kaufmann hin. »O Herr,« sprach sie, »nimm dein Geld zurück und gib mir mein Kleid wieder!« Der Kaufmann gab der Frau das in das Paket eingewickelte Kleid zurück, nahm dafür das Geld in dem Beutel und legte ihn neben sich hin. Die Frau nahm das Kleid, ging auf einen weiten Platz hinaus, zog das Kleid aus dem Pakete hervor und legte an seiner Statt ein andres, grobes und schlechtgenähtes Kleid hinein. Damit kam sie wieder vor den Kaufmann und sprach: »O Kaufmann, wir haben dir viele Ungelegenheiten verursacht, gib uns das Geld zurück, wir brauchen es jetzt notwendig, habe die Güte und gib es uns, hier ist das Kleid!« Mit diesen Worten legte sie es in dem Pakete vor ihn hin. Der Kaufmann nahm es, ohne es zu öffnen und das darinliegende Kleid zu besehen, legte es an seine Seite und gab der Frau das Geld in dem Beutel wieder zurück. Sie nahm ihn, ging und gab sich von nun an dem Essen und Trinken und dem Wohlleben hin. Bin, zwei, drei Monate vergingen, und die Frau kam nicht wieder. Da erzählte dies der Kaufmann einem seiner Freunde. Dieser sprach: »Bringe das Kleid einmal her, wir wollen sehen, was es für ein Kleid ist!« Als sie das Paket öffneten, sahen sie, daß ein grobes und schlechtgenähtes Kleid darin lag, dessen Preis hundert Asper betrug. Der Kaufmann merkte nun wohl, daß die Frau eine ränkevolle und verschmitzte Diebin war, stand auf und ging zum Kadi hin, der über alle Diebe zu richten pflegte. Als er bei ihm seine Sache vorgebracht hatte, sprach der Kadi: »Die Frau hat dich überlistet; wir sind hier ja in der Stadt Kairo, wer findet da jemanden? Wenn du willst, daß sich diese Frau wiederfinde, so will ich dir einen Kunstgriff angeben, den führe aus; und findet sie sich auf dem Wege, so ist es gut; wo nicht, so findet sie sich überhaupt gar nicht wieder. Höre, was ich dir hiermit rate: gehe diese Nacht und schaffe alle Waren und Zeuge, welche du in deinem Laden hast, nach deinem Hause, zerschlage einige Bretter deines Ladens in kleine Stücke, komme vor dem Morgen und erhebe ein Klage- und Wehegeschrei, indem du sprichst: ,Diese Nacht hat ein Räuber meinen Laden aufgebrochen und mir alles, was ich darin hatte, genommen, – doch würde meine Lage noch erträglich sein, wenn nicht eine Frau ein ihr angehörendes, prachtvolles Kleid bei mir gelassen hätte, das nun auch mit fortgenommen worden ist!« »Wenn die Frau dann wiederkommt und es zurückhaben will, was soll ich da tun?« »So sprich und: jammere dabei!« Der Kaufmann ging und tat also.

Das Gerücht von diesem Unfälle, der den Kaufmann betroffen hatte, verbreitete sich alsobald in der Stadt Kairo indem es hieß, man habe vergangene Nacht den Laden des und des Kaufmanns erbrochen und alles, was er darin gehabt, genommen; an seinen eignen Waren sei ihm wenig gelegen, darunter aber sei ein kostbares Kleid, von einer Frau zum Unterpfande dagelassen, bei dem Einbruche auch mit fortgenommen worden. Das schmerze ihn mehr! Endlich gelangte denn auch die Nachricht von diesem Unfälle des Kaufmanns zu den Ohren jener verschmitzten Frau. Sie wurde heiter und froh nahm die einmalhunderttausend Asper und sprach zu ihren Sklavinnen: »Macht euch auf, wir wollen gehen, ihm das Geld wiedergeben und dafür das Kleid verlangen. Wenn es gestohlen ist, so wird er sagen: »Ich will den Preis dafür geben!« Da wollen wir nun behaupten, daß es für eine Million Asper gekauft worden ist. Ist es aber nicht gestohlen, so wollen wir vier, fünfmalhunderttausend Asper als Preis dafür verlangen!«

Als die Frau wieder zum Kaufmann kam, grüßte sie ihn, winkte den Sklavinnen, ließ das Geld herbeibringen und legte es vor den Kaufmann hin. Und sprach: »O Kaufmann, siehe, hier ist das Geld, bringe du mir mein Kleid!« Der Kaufmann sprach: »Das Kleid ist mir gestohlen!« Da sagte die Frau: »Das geht mich nichts an; du mußt mir mein Kleid wiedergeben!« Darauf kamen die Kaufleute zusammen und sprachen: »O Kaufmann, bezahle den Preis dafür!« Sie fragten nun die Frau: »Wie hoch ist der Preis des Kleides gewesen?« Sie erwiderte: »Eine Million Asper!« Da fuhren sie fort: »Nimm die eine Hälfte davon und die andere schenke ihm!« Da sprach die Frau: »Ich muß das Kleid haben, sonst lasse ich wenigstens nichts von seinem Preise herunter!« Wie sehr auch jene sie darum bitten mochten, so verstand sie sich doch nicht dazu. Da sprach der Kaufmann: »Was kann ich dagegen tun, ich will sie bezahlen. Wohlan, mache dich auf, wir wollen zum Kadi gehen und ihm unsere Sache vorlegen, vielleicht kann er den Dieb ausfindig machen!« Hierauf kamen sie zum Kadi. Der Kaufmann trat freudig zu ihm herein und sprach: »Mein Herr, siehe, die Frau steht an der Türe, was befiehlst du?« Antwortete der Kadi: »Sie mag hereintreten! Wenn ich dir nun einen Wink gebe, so hole jenes Kleid herbei und lege es vor uns beide hin, indem du sprichst: ›O Frau, freue dich, ich bringe dir eine frohe Botschaft: dein Kleid hat sich wiedergefunden!‹« Hierauf erhielt die Frau Erlaubnis hereinzutreten, und sie kam herein. Der Kadi empfing sie in achtungsvoller Haltung, setzte sich neben sie und sprach: »O Frau, betrachte doch die Lage dieses armen Mannes und sei menschlich gegen ihn!« Die Frau kehrte sich jedoch nicht an die Rede des Kadi; da gab der dem Kaufmann einen Wink, er ging hinaus, holte das Kleid und kam damit wieder herein und sprach: »O Frau, freue dich, ich bringe dir frohe Botschaft: dein Kleid hat sich wiedergefunden!« Mit diesen Worten legte er das Kleid vor beide hin. Der Kadi breitete das Kleid aus und sah, daß es ein aus Flecken zusammengesetztes Kleid war. Als die Frau solches sah, wurde sie verdutzt und verblüfft. Der Kadi aber sprach zu ihr diese Worte: »So treibst du es, o Buhlerin, immer hier in der Stadt Kairo!« Dann ließ er sie entkleiden, an ihren Hals einen Stein binden und sie als einen den Fischen erwünschten Fraß in dem Nilstrome ersäufen. Ihr ganzes Geld und Gut zog er ein; und so gelangte denn der Kaufmann wieder zu seinem Gelde.


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