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Die Geschichte eines Derwisches

Mustapha Pascha Stambol Effendi oder Profoß von Konstantinopel hatte mehrere Male nacheinander eine große Zahl seiner Freunde zum Essen zu sich geladen. Es gab unter dieser Schar einen Derwisch, der für einen Mann von Verstand galt, obwohl er niemals ein einziges Wort geäußert hatte, welches Gespräch man vorher auch anknüpfte. Sein Schweigen erschien so wunderlich, daß es oft allen Gästen zur Belustigung diente, die darüber gar ihre Witze machten. Man war daher sehr erstaunt, als der Derwisch nach geraumer Zeit die Stimme erhob und alle beim Mahle Anwesenden bat, einen Tag zu bestimmen, an dem sie bei ihm essen und sich belustigen wollten. Die Befürchtung, schlecht dabei wegzukommen, stimmte die Schar nachdenklich, und als sie den Vorschlag annahm, bat man ihn gleichzeitig, einiges Geld annehmen zu wollen, welches ihn in den Stand setzen sollte, Ausgaben bestreiten zu können, die scheinbar über seine Verhältnisse gingen; er wies es aber zurück; man setzte den Tag fest und bat ihn um Auskunft, wo man sich einzufinden habe. Antwortete er, sie würden ihn in der Moschee des Sultans Mehemmed treffen, er wolle sie dann geleiten.

Man kam pünktlich zum Stelldichein; vorsichtshalber kaufte man auf dem Wege einige Vorräte ein, um dem mäßigen Mahle, das man bei dem Derwische vorzufinden meinte, aufzuhelfen. Der erschien zur bestimmten Stunde in der Moschee. Man war erstaunt, ihn so sauber gekleidet und mit einem Schurz von indischem Gewebe geschmückt zu sehen. Er empfing die Schar mit äußerster Liebenswürdigkeit und führte sie zu sich. Sein Haus nun schien ein wahrhafter Palast zu sein; und als man an die Türe kam, sah man dreißig Edelknaben herauskommen, welche die Gäste unterfaßten und ihnen beim Steigen in ein Gemach behilflich waren, dessen Ruhebetten Goldbrokat bedeckte. Dieselben Pagen gingen dann voraus und ließen sie in ein andres, noch prächtigeres Gemach eintreten. Man stellte dann vor jedem eine silberne Kohlenpfanne auf, deren Schaufel und Zange aus gleichem Metalle bestanden. Nachdem man Platz genommen hatte, sah man sich ebenso beschämt wie verwirrt an und erinnerte sich, daß man in einen so köstlichen Palast Lebensmittel mitgebracht habe; man kam überein, sie, ohne daß es der Derwisch bemerkte, aus dem Fenster werfen zu wollen. Einige Zeit darauf richtete man sieben silberne Tische her; die Tischtücher, mit denen man sie bedeckte, bestanden aus Goldgewebe. Man reichte das Essen auf dem herrlichsten chinesischen Porzellane dar. Auf jeden Tisch stellte man dreißig verschiedene Schüsseln, und die Pagen ließen sich keine Gelegenheit entgehen, bei der ihre Dienste als angenehm empfunden werden konnten. Der Nachtisch war noch üppiger als alles Vorhergehende. Das Eingemachte war unübertrefflich, und der Derwisch, nicht zufrieden mit dem, was man gegessen hatte, wünschte, daß jedermann noch reichlich mit sich nähme.

Als man das Essen, das sehr lange währte, beendigt hatte, wurden die Betten hergerichtet, die ganz dem Prunke entsprachen, den man gesehen hatte. Die Decken und Laken aber waren mit Gold verbrämt; und als man zum Schlafengehen bereit war, erklärte der Derwisch der ganzen Schar, daß seine Edelknaben verkleidete Mädchen wären, die er zu ihrer Lust bestimmt hätte. Jeder wählte sich die aus, die ihm am besten gefiel, und legte sich zu Bett. Und Schlaf folgte ihren Vergnügungen; wie groß aber war ihr Erstaunen beim Erwachen am folgenden Morgen, als sie sich in einem verfallenen Gemäuer befanden, auf der Erde liegend, nur mit einer alten Binsenmatte zugedeckt, einem Steine als Kopfkissen und einem dicken Holzscheite an ihrer Seite. Ihre Gewänder lagen zerstreut um sie herum in dem Zustande, in dem sie sie von sich getan hatten.

Mit vieler Mühe arbeiteten sie sich aus dem Gemäuer heraus und durch die Schlammlöcher, die es umgaben, und vernahmen beim Verlassen des Turms eine Stimme, die ihnen zurief: ›Macht euch ein anderes Mal nicht wieder über einen Schweigsamen lustig!‹

Der Scheich war entzückt ob Jahias Geschichte, lobte seine Erzählerkunst sehr und trank mehrere Gläser Paradiesweines auf Jahias Gesundheit, dem soviel Güte den Atem benahm. Darauf drückte er ihm die Hand und sprach zu ihm: ›O mein Sohn, sei mir gegenüber so aufrichtig, daß sich dein Gesicht wie eine Rose öffnet, und sei dankbar, wie ich es gegen Allah gewesen bin; von ihm habe ich dich erbeten, und er hat dich meinen Bitten gewährt. Setze Vertrauen in Allah, setze Vertrauen in seine Diener, die seine lebenden Abbilder sind; eifere dem Kaufmanne nach, von dem die Bücher der Wunder sprechen. Seine Geschichte will ich dir jetzt erzählen:


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