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Es lebte zu Bagdad ein seines Geizes wegen berühmter Kaufmann namens Abu-Kasem-Tamburifort. Obwohl er sehr vermögend war, bestanden seine Kleider doch nur aus zusammengeflickten Lumpen; sein Turban aus grobem Linnen war so schmutzig, daß man seine ursprüngliche Farbe nicht mehr erkennen konnte; doch von allen seinen Kleidungsstücken verdienten seine Pantoffeln die größte Aufmerksamkeit der Neugierigen: die Sohlen waren mit großen Löchern versehen, das Oberleder aber war über und über geflickt. Niemals hat das berühmte Schiff von Argos aus mehr Stücken bestanden, und seit zehn Jahren – so alt waren die Pantoffeln – hatten die geschicktesten Schuhflicker Bagdads ihre Kunst in Anwendung gebracht, um die Trümmer auszubessern. Und sie waren darüber so berühmt geworden, daß sie sprichwörtlich wurden; und wenn man irgendeine törichte Sache ausdrücken wollte, mußten Kasems Pantoffeln immer zum Vergleich herhalten.
Eines Tages nun ging unser Kaufmann in dem großen Basare der Stadt auf und ab; man schlug ihm vor, eine beträchtliche Menge Kristallgläser zu kaufen; er schloß den Handel ab, denn er war vorteilhaft; zudem hatte er erfahren, daß wenige Tage später ein zugrunde gerichteter Händler von Wohlgerüchen um jeden Preis Rosenöl verkaufen mußte; Kasem zog seinen Vorteil aus dem Unglücke dieses Mannes und kaufte ihm sein Rosenöl um die Hälfte des Wertes ab; solch prächtiges Geschäft versetzte ihn in fröhliche Stimmung; anstatt jedoch nun nach Sitte der Kaufleute, die einen günstigen Handel abgeschlossen haben, ein großes Fest zu geben, hielt er es für ratsamer, ins Bad zu gehen, wo er seit langem nicht gewesen war.
Als er nun seine Kleider auszog, sagte einer seiner Freunde, oder wenigstens hielt er ihn für einen solchen, zu ihm, daß seine Pantoffeln der ganzen Stadt zum Gerede dienten, und er sich wirklich neue kaufen müßte. »Ich überlege es mir schon lange,« entgegnete Kasem, »aber sie sind noch nicht so abgenützt, daß sie mir nicht mehr zum Gebrauche dienen könnten.« Also plaudernd, war er ausgekleidet und trat in den Baderaum.
Während er sich wusch, kam der Kadi von Bagdad an, um auch ein Bad zu nehmen. Kasem war vor dem Richter fertig und ging in den ersten Raum zurück, nahm seine Kleider und suchte vergebens nach seinen Pantoffeln: eine neue Fußbekleidung stand an Stelle der seinigen da; unser Geiziger redete sich ein – dieweil er es wohl wünschen mochte –, daß sie ein Geschenk dessen wäre, der ihm so gut zugeredet hatte, und zog die schönen Pantoffeln an, die ihm den Kummer, neue zu kaufen, ersparten, und verließ freudigen Herzens das Bad.
Als der Kadi sich gebadet hatte, suchten seine Sklaven vergeblich die Pantoffeln ihres Gebieters; sie fanden nur ganz elende Schuhe, die man bald als die Kasems erkannte. Die Gerichtsdiener eilten dem vermeintlichen Schelme nach und brachten den des Diebstahls Überführten zurück; der Kadi tauschte die Pantoffeln um und schickte ihn ins Gefängnis. Er mußte sich aus den Händen der Gerechtigkeit loskaufen; und da Kasem für mindestens ebenso reich wie geizig galt, ließ man ihn nur um einen teuren Preis laufen.
In seine Wohnung zurückgekehrt, warf der gebeugte Kasem in zorniger Aufwallung seine Pantoffeln in den Tigris, der unter seinen Fenstern hinschlich; einige Tage hernach glaubten Fischer einen reicheren Fang als gewöhnlich zu tun, es waren jedoch Kasems Pantoffeln. Die Nägel aber, mit denen sie beschlagen waren, hatten die Maschen des Netzes zerrissen.
Die auf Kasem und seine Pantoffeln erbosten Fischer beschlossen, sie durch die Fenster, die offen geblieben waren, in sein Haus zu werfen; die mit aller Wucht geschleuderten Pantoffeln streiften die Gläser, die auf einem Sims standen, und warfen sie um: die Flaschen zerbrachen, und das Rosenöl war verloren.
Man wird sich, wenn man es vermag, Kasems Schmerz angesichts einer solchen Verwüstung vorstellen können. »Elende Pantoffeln,« rief er aus, »ihr sollt mir keinen Schaden weiter zufügen!« Sprachs und nahm einen Spaten und grub ein Loch in seinem Garten, um seine alten Schuhe darin zu versenken.
Seiner Nachbarn einer nun, der ihm seit langem übelwollte, bemerkte, wie er die Erde aufwühlte, lief alsobald zum Statthalter und benachrichtigte ihn, daß Kasem einen Schatz in seinem Garten ausgegraben habe; es gehörte nicht viel dazu, um die Habgier des Statthalters anzufachen. Unser Geizhals konnte noch so oft versichern, er hätte keinen Schatz gefunden und einzig und allein seine Pantoffeln einscharren wollen: der Statthalter hatte auf das Geld gerechnet, und der niedergeschmetterte Kasem erhielt die Freiheit nur um sehr schweres Geld.
Unser verzweifelter Mann verwünschte die Pantoffeln in seinem Herzen zum Teufel und warf sie jetzt in eine von der Stadt entfernte Wasserleitung; er glaubte für dieses Mal, er würde nicht mehr von ihnen sprechen hören, aber der Teufel, der nicht müde wurde, ihm Possen zu spielen, lenkte die Pantoffeln gerade in die Röhre der Wasserleitung, wodurch der Wasserstrahl gehemmt wurde. Die Brunnenwärter eilten hinzu, um dem Schaden abzuhelfen; sie fanden die Schuhe, trugen sie zum Statthalter und erklärten Kasem für den Urheber des Übels.
Der unglückliche Pantoffelbesitzer wurde gefangen gesetzt und zu einer sehr viel empfindlicheren Buße verurteilt als die beiden ersten Male; der Statthalter, der das Vergehen bestraft hatte, wollte jedoch nichts von ihm zurückbehalten und lieferte ihm getreulich seine Pantoffeln wieder aus. Kasem beschloß, sie zu verbrennen, um endlich von allem Übel, das sie ihm verursacht hatten, loszukommen; da sie aber von Wasser durchtränkt waren, stellte er sie, um sie an der Sonne trocknen zu lassen, auf den Altan seines Hauses.
Doch das Schicksal hatte noch nicht all seine Bosheit gegen ihn ausgespielt, und die letzte, der es ihn aussetzte, war die grausamste von allen. Der Hund eines Nachbars bemerkte die Schuhe, sprang von dem Altane seines Herrn auf den unseres Geizigen, nahm einen Pantoffel in sein Maul, und mit ihm spielend, warf er ihn auf die Straße; der unselige Schuh fiel einer schwangeren Frau auf den Kopf, die gerade am Hause vorüberging. Der Schreck und die Wucht des Schlages bewirkten bei der verwundeten Frau eine Fehlgeburt; ihr Gatte führte beim Kadi Klage, und Kasem wurde verurteilt, eine dem Unglück, das er verursacht hatte, entsprechende Buße zu zahlen.
Er wollte in sein Haus zurückkehren; und seine beiden Pantoffeln in die Hände nehmend, sagte er zum Kadi mit einer Heftigkeit, die dem Richter ein Gelächter entlockte: »O Herr, dies ist der verhängnisvolle Gegenstand aller meiner Leiden; diese verwünschten Pantoffeln haben mich an den Bettelstab gebracht; geruhe zu befehlen, daß man mich nicht mehr für das Unheil, so sie zweifelsohne noch verursachen werden, verantwortlich macht.« Der Kadi konnte ihm seine Bitte nicht abschlagen; und Kasem hatte unter großen Kosten das Übel kennengelernt, das daraus entsteht, wenn man nicht oft genug seine Pantoffeln wechselt,